In den Folgen eins und zwei haben wir besprochen, was ein familienpsychologisches Gutachten grundsÀtzlich erst einmal ist und welche rechtlichen Grundlagen und Verfahren dahinterstehen. Dabei haben wir herausgestellt, dass
In dieser Folge besprechen wir einen weiteren zentralen Punkt:
 đWie wird aus einer juristischen Fragestellung des Gerichts eine psychologische Untersuchung? Oder anders ausgedrĂŒckt: Wie ĂŒbersetzt der Gutachter die Fragen des Richters in psychologische Hypothesen, die er dann wissenschaftlich ĂŒberprĂŒfen kann?
Das mag sich erst einmal sehr trocken und theoretisch anhören ⊠Aber glaub mir: Wenn du einmal von Grund auf verstehst, wie dieser Ăbersetzungsprozess funktioniert, dann gewinnst du nicht nur ein tieferes VerstĂ€ndnis fĂŒr die Arbeit des Gutachters, sondern auch fĂŒr deine eigene Vorbereitung.
Denn wie bereits in den anderen Folgen gesagt, kann nur derjenige, der weiĂ, welche psychologischen Fragen hinter den juristischen Formulierungen stecken, sich gezielt vorbereiten und vermeiden, wertvolle Energie in NebenschauplĂ€tzen zu vergeuden.
Lass uns jetzt einmal folgende Fragen genauer untersuchen:
Der römische Philosoph Seneca sagte einmal: âFĂŒr ein Schiff, das seinen Hafen nicht kennt, ist kein Wind der richtige.” Ăbertragen auf unser Thema bedeutet dies: Wenn du nicht verstehst, welche psychologischen Fragen wirklich im Raum stehen, dann weiĂt du auch nicht, worauf du dich konzentrieren sollst. Lass uns mit diesem Beitrag – in ĂŒbertragenem Sinn – den Hafen besser erkennen.
Wir starten mit dem Fundament, dem wichtigsten Teil: dem Beweisbeschluss. Dieses Dokument ist der offizielle Auftrag des Gerichts an den SachverstÀndigen. Es ist nicht irgendein Papier unter vielen, sondern vielmehr DAS zentrale Dokument des gesamten Gutachtenverfahrens.
Im Beweisbeschluss legt das Gericht fest:
Der Beweisbeschluss ist die Richtschnur und Messlatte fĂŒr alles, was spĂ€ter noch folgt. Der Gutachter darf ausschlieĂlich nur das prĂŒfen, was im Beweisbeschluss steht. Alles andere wĂ€re eine KompetenzĂŒberschreitung und macht damit sein Gutachten anfechtbar.
Das ist ein ganz wichtiger Punkt, den ich nochmal betonen möchte: Wenn ein Gutachter Fragen untersucht, die nicht im Beweisbeschluss stehen, oder wenn er sich zu Themen Ă€uĂert, die ihm nicht aufgetragen wurden, dann liegt ein methodischer Mangel vor. Und methodische MĂ€ngel sind ein Punkt, den dein Anwalt immer im Auge behalten muss.
Typische Formulierungen im Beweisbeschluss
Lass uns einige typische Formulierungen betrachten, die du in BeweisbeschlĂŒssen finden wirst:
Diese Fragen klingen zunĂ€chst recht klar. Aber, sie sind juristisch formuliert und nicht psychologisch. Und genau hier beginnt die eigentliche Kunst des Gutachters: Er muss diese juristischen Fragen in psychologisch prĂŒfbare Hypothesen ĂŒbersetzen.
Warum ist der Beweisbeschluss so wichtig fĂŒr dich?
Er Beweisbeschluss zeigt dir, worauf es wirklich ankommt. Er grenzt den Rahmen ein. Wenn im Beweisbeschluss zum Beispiel nur die Frage steht: âWelche Umgangsregelung ist dem Kind zumutbar?”, dann geht es nicht um die Frage des Aufenthaltsbestimmungsrechts. Dann musst du deine Energie nicht darauf verwenden, zu beweisen, dass das Kind besser bei dir leben sollte. Es geht einzig und allein um die Gestaltung des Umgangs.
Ich erlebe immer wieder, dass Eltern in den GesprĂ€chen mit dem Gutachter Themen ansprechen, die ĂŒberhaupt nicht im Beweisbeschluss stehen. Das ist nicht nur verschwendete Zeit, sondern kann sich sogar kontraproduktiv auswirken, weil es den Eindruck erweckt, man habe die eigentliche Aufgabenstellung nicht verstanden.
Mein Praxis-Tipp:
Lass dir von deinem Anwalt eine Kopie des Beweisbeschlusses geben. Lies ihn mehrfach durch. Markiere die Kernfragen. Und dann frag deinen Anwalt: âWas bedeutet das konkret? Welche psychologischen Themen werden dahinter vermutet?” Erst wenn du den Beweisbeschluss wirklich verstanden hast, kannst du dich sinnvoll vorbereiten.
Kommen wir zum Kern dieser Folge: Wie ĂŒbersetzt ein Gutachter die juristische Frage in eine psychologische Hypothese?
Eine juristische Frage ist immer normativ â sie fragt nach dem, was sein soll. Zum Beispiel: âWo soll das Kind leben?”
Eine psychologische Hypothese hingegen ist beschreibend und prĂŒfbar. Sie fragt: âWelche BindungsqualitĂ€t besteht zwischen dem Kind und den Elternteilen? Welche Erziehungskompetenzen sind vorhanden? Wie stabil ist das soziale Umfeld?” Lass mich das an einem konkreten Beispiel verdeutlichen:
Juristische Frage des Gerichts:
Diese Frage ist fĂŒr einen Psychologen nicht direkt beantwortbar. Sie ist zu allgemein, zu abstrakt. Der Gutachter muss sie deshalb in mehrere psychologische Teilfragen zerlegen. Zum Beispiel:
Psychologische Hypothesen, die sich daraus ableiten:
Du siehst: Aus einer einzigen juristischen Frage werden plötzlich sechs oder mehr psychologische Hypothesen. Und jede einzelne dieser Hypothesen muss der Gutachter nach wissenschaftlichen Methoden ĂŒberprĂŒfen.
Das ist auch der Grund, warum ein Gutachten oft mehrere Monate dauert. Es reicht nicht, mit jedem Elternteil einmal zu sprechen um dann eine fundierte Meinung abzugeben. Der Gutachter muss systematisch jede dieser Hypothesen untersuchen â durch GesprĂ€che, Verhaltensbeobachtungen, psychologische Tests, Analyse von Vorbefunden und vieles mehr.
Die Anforderung der Transparenz
Die âMindestanforderungen an die QualitĂ€t von SachverstĂ€ndigengutachten im Kindschaftsrecht” schreiben vor, dass ein Gutachter seine Hypothesen immer auch nachvollziehbar offenlegen muss. Das bedeutet: Ein guter Gutachter schreibt im Gutachten nicht einfach: âDas Kind sollte bei der Mutter leben, weil die Bindung hier stĂ€rker ist.” Sondern er könnte z.B. schreiben:
âIch habe die Hypothese geprĂŒft, dass das Kind zu beiden Elternteilen eine sichere Bindung aufweist. Diese Hypothese konnte fĂŒr die Mutter bestĂ€tigt werden (Befunde: Fremdensituation, Verhaltensbeobachtung, kindbezogene ĂuĂerungen). FĂŒr den Vater zeigten sich hingegen Hinweise auf eine unsicher-vermeidende Bindung (Befunde: Kind sucht bei Stress keinen Trost beim Vater, emotionale Distanz in der Interaktion).”
SpĂŒrst du hier den Unterschied? Im ersten Fall gibt der Gutachter nur eine reine Bewertung ab. Im zweiten Fall macht er es deutlich und transparent nachvollziehbar, welche Hypothese er geprĂŒft hat, mit welchen Methoden er das getan hat und zu welchem Ergebnis er gekommen ist. Erst die zweite Variante ist dann auch fachlich korrekt und nachvollziehbar.
Aus den psychologischen Hypothesen leiten sich dann nun konkrete Untersuchungsmethoden ab. Der Gutachter wĂ€hlt seine Methoden nicht willkĂŒrlich, sondern fragt sich immer: Welches Verfahren ist am ehesten dazu geeignet, um diese spezifische Hypothese zu ĂŒberprĂŒfen?
Lass mich dir die gÀngigsten Untersuchungsbereiche zeigen:
Wenn die BindungsqualitÀt zwischen Kind und Eltern untersucht werden soll, nutzt der Gutachter Verfahren wie:
Um die Erziehungskompetenz zu beurteilen, wird der Gutachter:
Zur EinschĂ€tzung der psychischen StabilitĂ€t und Persönlichkeit der Eltern könnte er auf folgende Verfahren zurĂŒckgreifen:
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Um den Entwicklungsstand des Kindes zu erfassen könnten folgende Tests zum Einsatz kommen:
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Neben standardisierten Tests sind ExplorationsgesprĂ€che mit allen Beteiligten unerlĂ€sslich. Lateinisch âexplorare = erforschen, erkundenâ.
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Der Gutachter beobachtet systematisch:
All diese Methoden können nicht beliebig eingesetzt oder ausgelassen werden. Sie folgen einem klaren Plan, denn sie dienen dazu, die psychologischen Hypothesen zu ĂŒberprĂŒfen, die sich aus dem Beweisbeschluss ableiten.
Mein Praxis-Tipp:Wenn du im GutachtergesprĂ€ch gefragt wirst oder einen Test ausfĂŒllen sollst, dann frag dich: âWelche Hypothese wird hier vermutlich geprĂŒft?” Das hilft dir, besser zu verstehen, worum es wirklich geht. Und es hilft dir auch, authentisch zu bleiben, statt eine Rolle spielen zu wollen.
Jetzt kommen wir zu einer sehr praxisorientierten Frage: Woran kann man erkennst, ob der Gutachter seine Aufgabe auch fachlich korrekt erfĂŒllt? Oder anders gefragt: Welche QualitĂ€tsmerkmale sollte ein gutes Gutachten aufweisen?
Zwar gibt es keine zwingende Formanforderung fĂŒr eine Gutachten, aber die âMindestanforderungen an die QualitĂ€t von SachverstĂ€ndigengutachten im Kindschaftsrecht” geben hier schon sehr prĂ€zise Vorgaben, nach denen sich ein Gutachter richten muss:
Ein guter Gutachter legt immer offen, welche Hypothesen er gerade prĂŒft. Er schreibt nicht einfach: âDas Kind sollte bei der Mutter leben.” Vielmehr erklĂ€rt er: âIch habe folgende Hypothesen geprĂŒft: BindungsqualitĂ€t, Erziehungskompetenz, Förderungspotenzial, Bindungstoleranz. Die Ergebnisse zeigen…” Werden in einem Gutachten keine klaren Hypothesen benannt, dann ist dies schon mal ein erster Hinweis auf methodische MĂ€ngel.
Der Gutachter muss aufzeigen, mit welchen Methoden er gearbeitet hat. Das bedeutet im Klartext:
Ohne diese Angaben ist ein Gutachten nicht ĂŒberprĂŒfbar â und damit wertlos.
Ein guter Gutachter trennt strikt zwischen dem, was er beobachtet hat (Befund), und dem, wie er es interpretiert (Bewertung).
Du spĂŒrst wieder den Unterschied? Der Befund beschreibt nur das, was sichtbar war. Die Bewertung interpretiert. Beide Ebenen mĂŒssen klar getrennt sein, damit du als Leser nachvollziehen kannst, worauf sich die Schlussfolgerungen stĂŒtzen.
đ BGH, Beschluss vom 15.02.2017 â XII ZB 516/16
Das Gutachten muss alle Fragen aus dem Beweisbeschluss beantworten. Aber auch keine anderen!
Wenn sich ein Gutachter aber trotzdem zu Themen Ă€uĂert, die nicht im Beweisbeschluss stehen, dann ĂŒberschreitet er seine Kompetenz. Wenn er umgekehrt Fragen aus dem Beweisbeschluss unbeantwortet lĂ€sst, ist das Gutachten unvollstĂ€ndig.
đ âDer SachverstĂ€ndige hat nur die vom Gericht gestellten Fragen zu beantworten.â (§ 404a Abs. 3 ZPO)
Der Gutachter muss seine Aussagen immer auch auf wissenschaftlich fundierte aktuelle Erkenntnisse stĂŒtzen. Das bedeutet:
Wenn ein Gutachten keine Literaturangaben enthĂ€lt oder sich auf veraltete Konzepte stĂŒtzt, dann ist dies ein Warnsignal.
So ein Gutachten ĂŒbersteigt schnell mal die 100 Seiten-StĂ€rke. Das ist fast schon ein Buch, was da geschrieben wird. NatĂŒrlich sind da auch mehrere Befunde drin, und die mĂŒssen aber auch alle zueinander passen.
Schreibt der Gutachter zum Beispiel an einer Stelle: âDie Mutter zeigt hohe FeinfĂŒhligkeit im Umgang mit dem Kind”, an anderer Stelle aber: âDie Mutter reagiert hĂ€ufig inadĂ€quat auf die BedĂŒrfnisse des Kindes”, dann liegt hier ein Widerspruch vor, der aufgelöst werden muss.
BGH, Beschluss vom 15.02.2017 â XII ZB 516/16
Zitat: âDas Gutachten muss in sich widerspruchsfrei sein; innere WidersprĂŒche beeintrĂ€chtigen die Nachvollziehbarkeit und Verwertbarkeit.â
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??? Was kannst du tun, wenn dir MĂ€ngel auffallen?Wenn du das Gutachten liest und dir MĂ€ngel auffallen â sei es fehlende Transparenz, unklare Methoden oder widersprĂŒchliche Befunde â dann sprich umgehend mit deinem Anwalt. Gemeinsam könnt ihr dann nach folgenden Fragen das Gutachten wie nach einer Checkliste prĂŒfen:
Das ist kein Angriff auf den Gutachter, sondern dein Recht auf ein faires und fachlich korrektes Verfahren.
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â ïž HINWEISBOX: HĂ€ufige methodische Fehler
Lass mich dir einige typische methodische Fehler zeigen, die immer wieder vorkommen:
Wenn dir solche Fehler auffallen, sprich mit deinem Anwalt. Das sind keine Kleinigkeiten, sondern MÀngel, die das gesamte Gutachten in Frage stellen können.
Jetzt, wo du noch besser verstehst, wie ein Gutachter arbeitet – wie er juristische Fragen in psychologische Hypothesen ĂŒbersetzt und mit welchen Methoden er diese prĂŒft – stellt sich die Frage: Wie kann man sich optimal auf diesen Prozess vorbereiten?
Hier sind meine fĂŒnf wichtigsten Praxis-Tipps:
Lies den Beweisbeschluss bitte mehrfach. Markiere die Kernfragen. Besprich diese mit deinem Anwalt. Frag dich immer: âWelche psychologischen Themen stehen hier wirklich im Raum?” Erst wenn du das verstanden hast, weiĂt du, worauf es ankommt.
Wenn im Beweisbeschluss die Frage nach der Bindung steht, dann frag dich ehrlich: âWie ist die Bindung zwischen mir und meinem Kind? Wo sind StĂ€rken, wo sind SchwĂ€chen?”
Wenn die Frage nach der Erziehungskompetenz steht, reflektiere: âWas lĂ€uft gut in meinem Erziehungsalltag? Wo gibt es Herausforderungen?”
Solch eine ehrliche Selbstreflexion ist nicht dazu da, sich selbst zu quĂ€len. Sie dient vielmehr dazu, dass du bei dem Gutachten authentisch und klar auftreten kannst. Ein Gutachter erkennt sofort, wenn jemand eine Rolle spielt oder nicht. AuthentizitĂ€t ist immer glaubwĂŒrdig.
Ăberlege dir zu jeder Hypothese konkrete Beispiele aus dem Alltag. Wenn die Frage nach der Förderung des Kindes gestellt wird, dann ĂŒberlege: âWie fördere ich mein Kind konkret? Wie unterstĂŒtze ich seine Hobbys, seine schulischen Leistungen, seine sozialen Beziehungen?” Je konkreter du werden kannst â also auch konkrete Beispiele aufzeigen kannst – desto ĂŒberzeugender wirkst du.
Das ist jetzt gar nicht so einfach, denn ein Gutachtenverfahren ist emotional enorm belastend. Aber je besser du psychisch stabil und klar vorbereitet bist, desto besser kannst du dich auf das fokussieren, was wirklich zÀhlt: Dein Kind und die Beziehung zu ihm.
Ăberlege dir: Wer oder was gibt mir Halt in dieser Zeit? Gibt es Freunde, Familie, einen Therapeuten, der mich unterstĂŒtzt? Nutze diese Ressourcen.
Konzentriere dich in den GesprĂ€chen mit dem Gutachter vor allem auf die Fragen aus dem Beweisbeschluss. Vermeide es, ĂŒber NebenschauplĂ€tze zu sprechen oder den anderen Elternteil pauschal schlecht zu machen. Das wirkt unsachlich und kontraproduktiv. Am besten liegt der Beweisbeschluss wĂ€hrend des GutachtergesprĂ€chs ausgedruckt bei dir gut sichtbar auf dem Tisch.
Wenn du gefragt wirst: âWie wĂŒrden Sie den anderen Elternteil als Erziehungsperson beschreiben?”, dann bleib fair und konkret. Beschreibe sichtbares Verhalten, nicht Absichten. Sag nicht: âEr will mir das Kind wegnehmen.” Sondern: âMir fĂ€llt auf, dass er bei Ăbergaben oft unpĂŒnktlich ist, was fĂŒr unser Kind stressig ist.” Beschreibe immer dass, was man mit einer Videokamera auch aufzeichnen könne.
Mein persönlicher Tipp aus der Praxis:
Erstelle dir ein Vorbereitungsdokument. Schreib dir auf:
Dieses Dokument ist nur fĂŒr dich. Es ist wie eine Start-Checkliste eines Piloten. Es hilft dir, gedanklich klar und fokussiert zu bleiben. Und wenn du klar bist, dann strahlst du diese auch auĂen aus.
Lass uns das Gelernte bitte noch einmal zusammenfassen, denn ich denke, dass dies viel Stoff war. Und schlieĂlich ist die Wiederholung die Mutter allen Lernens.
Er macht dabei transparent, welche Hypothesen er genau prĂŒft, mit welchen Methoden er dies tut und zu welchen Ergebnissen er kommt.
Deine optimale Vorbereitung beginnt damit, dass du
Wenn du genau verstanden hast, wie der Ăbersetzungsprozess von der juristischen Frage zur psychologischen Hypothese funktioniert, dann bist du dem Verfahren plötzlich nicht mehr hilflos ausgeliefert. Du verstehst die Logik dahinter. Und genau das gibt dir dann groĂe HandlungsfĂ€higkeit und innere Ruhe.
In der kommenden Folge Nummer 4 werden wir uns intensiv mit den âQualitĂ€tsstandards und wissenschaftlichen Grundlagen” beschĂ€ftigen. Wir schauen uns an:
Das wird dir helfen, noch besser zu verstehen, wann ein Gutachten fachlich korrekt ist â und wann nicht.
Bis dahin wĂŒnsche ich dir viel Klarheit, innere Ruhe und Vertrauen in dich selbst.
Ich möchte dir eine konkrete Ăbung mitgeben, die dir hilft, das Gelernte in die Praxis umzusetzen:
Schritt 1: Beweisbeschluss analysieren
Nimm den Beweisbeschluss zur Hand. Markiere jede einzelne Frage, die der Gutachter beantworten soll.
Schritt 2: Psychologische Hypothesen ableiten
Ăberlege zu jeder juristischen Frage: Welche psychologischen Hypothesen könnten dahinterstehen? Beispiel: Juristische Frage: âBei welchem Elternteil ist das Kindeswohl am besten gewahrt?” Mögliche Hypothesen: BindungsqualitĂ€t, Erziehungskompetenz, Förderungspotenzial, Bindungstoleranz, KontinuitĂ€t.
Schritt 3: Eigene StÀrken und SchwÀchen reflektieren
Schreib zu jeder einzelnen Hypothese auf:
Schritt 4: Vorbereitung auf die GesprÀche
Ăberlege dir: Was möchte ich dem Gutachter unbedingt vermitteln? Welche Beispiele sind besonders aussagekrĂ€ftig? Wo muss ich ehrlich SchwĂ€chen einrĂ€umen? Diese Ăbung nimmt etwa 1-2 Stunden Zeit in Anspruch. Aber diese Zeit ist extrem gut investiert. Denn je klarer du bist, desto klarer wirst du auftreten. Und das macht einen groĂen Unterschied.
Grundlagenliteratur zum familienpsychologischen Gutachten:
– Bundesministerium der Justiz und fĂŒr Verbraucherschutz (BMJV) (2019, 2. Aufl.): Mindestanforderungen an die QualitĂ€t von SachverstĂ€ndigengutachten im Kindschaftsrecht. Veröffentlichung in Zusammenarbeit mit dem XII. Zivilsenat des BGH, den Landesjustizministerien und den FachverbĂ€nden. Berlin.
[Zentrale Quelle fĂŒr QualitĂ€tsstandards, Hypothesenbildung und Transparenzanforderungen]
– Salzgeber, Joseph (2021): Familienpsychologische Gutachten. Rechtliche Vorgaben und sachverstĂ€ndiges Vorgehen. 6., vollstĂ€ndig ĂŒberarbeitete Auflage. MĂŒnchen: C.H. Beck.
[Standardwerk zu Fragestellungen, AuftragsklÀrung und Untersuchungsmethoden]
– Dettenborn, Harry & Walter, Eginhard (2022): Familienrechtspsychologie. 3., ĂŒberarbeitete und erweiterte Auflage. MĂŒnchen: Ernst Reinhardt Verlag.
[Grundlagen der psychologischen Hypothesenbildung und Diagnostik]
Zur Hypothesenbildung und wissenschaftlichen Methodik:
– Westhoff, Karl & Kluck, Marie-Luise (2020): Psychologische Gutachten schreiben und beurteilen. Entspricht den deutschen und europĂ€ischen Richtlinien zur Erstellung psychologischer Gutachten. 7. Auflage. Berlin: Springer.
[Wissenschaftliche Standards der Hypothesenbildung und Befundinterpretation]
– Zumbach, Jörg & Volbert, Renate (Hrsg.) (2023): Psychologische Diagnostik in familienrechtlichen Verfahren. Standards der Hypothesenbildung und Untersuchungsplanung. Göttingen: Hogrefe.
[Moderne AnsÀtze der psychologischen Diagnostik im Familienrecht]
– Fegert, Jörg M.; Ziegenhain, Ute & Fangerau, Heiner (2021): Problematische KinderschutzverlĂ€ufe. Mediale Skandalisierung, fachliche Fehleranalyse und Strategien zur Verbesserung des Kinderschutzes. Weinheim: Beltz Juventa.
[Fehlerquellen in der Gutachtenpraxis]
Zu Bindungsdiagnostik und Erziehungskompetenz:
– Borth, Helmut (2024): FamiliĂ€re Bindungen und Kindeswohl. Diagnostik und Intervention bei Umgangs- und Sorgerechtskonflikten. Stuttgart: Kohlhammer.
[Bindungsdiagnostische Verfahren und deren Interpretation]
– Brisch, Karl Heinz (2022): Bindungsstörungen. Von der Bindungstheorie zur Therapie. 18. Auflage. Stuttgart: Klett-Cotta.
[Theoretische Grundlagen der Bindungsdiagnostik]
– Jopt, Uwe (2020): Elterliche Erziehungskompetenzen. Diagnostik und Förderung im familiengerichtlichen Kontext. Göttingen: Hogrefe.
[Diagnostische Verfahren zur Erziehungskompetenz]
Zu diagnostischen Verfahren und Testtheorie:
– Amelang, Manfred & Schmidt-Atzert, Lothar (2021): Psychologische Diagnostik und Intervention. 6., vollstĂ€ndig ĂŒberarbeitete Auflage. Berlin: Springer.Â
[Grundlagen der Testtheorie: ObjektivitÀt, ReliabilitÀt, ValiditÀt]
– Renner, Karl-Heinz & Heydasch, Timo (2020): Methoden der Psychologie. EnzyklopĂ€die der Psychologie, Bd. 1. Göttingen: Hogrefe. [Wissenschaftliche Standards diagnostischer Verfahren]
Rechtliche Grundlagen und Verfahrensfragen:
– Gesetz ĂŒber das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG), aktuelle Fassung 2025. Insbesondere: §§ 163 ff. FamFG (SachverstĂ€ndigenbeweis)
– Zivilprozessordnung (ZPO), aktuelle Fassung 2025. Insbesondere: §§ 402-414 ZPO (SachverstĂ€ndigenbeweis), § 404a ZPO (Kontakt zum SachverstĂ€ndigen)
– BĂŒrgerliches Gesetzbuch (BGB), aktuelle Fassung 2025. Insbesondere: § 1666 BGB (KindeswohlgefĂ€hrdung), § 1684 BGB (Umgangsrecht)
Rechtsprechung zur GutachtenqualitÀt:
– OLG Hamm, Beschluss vom 15.12.2021 â 4 UF 118/21, FamRZ 2022, 325: âEin SachverstĂ€ndiger darf nicht von einem Sachverhalt ausgehen, der nach Aktenlage streitig ist, ohne beiden Parteien Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.”
– OLG Frankfurt a.M., Beschluss vom 20.03.2021 â 6 UF 12/21, FamRZ 2022, 3: âEine eigenmĂ€chtige Erweiterung der gerichtlichen Beweisfrage durch den SachverstĂ€ndigen stellt einen methodischen Mangel dar.”
– BGH, Beschluss vom 06.07.2022 â XII ZB 478/21: âEin familienpsychologisches Gutachten muss die verwendeten Methoden und die Hypothesenbildung transparent darlegen. Ohne Nachvollziehbarkeit ist das Gutachten nicht verwertbar.”
– OLG Karlsruhe, Beschluss vom 18.09.2019 â 18 UF 85/19, FamRZ 2019, 229: âDirekter Kontakt zwischen einer Partei und dem SachverstĂ€ndigen auĂerhalb des gerichtlichen Verfahrens kann als Beeinflussungsversuch gewertet werden und die Verwertbarkeit des Gutachtens beeintrĂ€chtigen.”
Zur QualitÀtssicherung und Fehleranalyse:
– Volbert, Renate & Dahle, Klaus-Peter (2020): Forensisch-psychologische Diagnostik im Strafverfahren. Göttingen: Hogrefe.
[Ăbertragbare GrundsĂ€tze zur QualitĂ€tssicherung]
– Köhnken, GĂŒnter (2021): QualitĂ€tsstandards in der Gutachtenpraxis. In: Praxis der Rechtspsychologie, 31(2), S. 185-204.
– Greuel, Luise & Petermann, Franz (2020): Begutachtung im Familienrecht. Praxisleitfaden fĂŒr Psychologen und Juristen. Göttingen: Hogrefe.
Zur Vorbereitung fĂŒr Betroffene:
– Fthenakis, Wassilios E. & Niesel, Renate (2021): Scheidung und Scheidungsfolgen. Expertise fĂŒr das Familienministerium. MĂŒnchen: DJI-Verlag.
– Weber, Mathias (2022): Eltern im Familiengutachten. Ein Ratgeber fĂŒr die Vorbereitung. Stuttgart: Kohlhammer.
VerbÀnde und Leitlinien:
– Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) (2021): Stellungnahme zu QualitĂ€tsstandards in familienpsychologischen Gutachten.
– Deutsche Gesellschaft fĂŒr Psychologie (DGPs) (2020): Ethische Richtlinien und Berufsordnung.
– Berufsverband Deutscher Psychologinnen und Psychologen (BDP) (2023): Leitlinien fĂŒr psychologische Gutachten im Familienrecht.
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Online-Ressourcen (wo vorhanden):
– Auf der Webseite https://www.psychologie-hilft.de findest du weitere Materialien zur Vorbereitung auf familienpsychologische Gutachten, darunter einen kostenlosen Vorbereitungsplan mit ĂŒber 200 Fragen.
– Die âMindestanforderungen an die QualitĂ€t von SachverstĂ€ndigengutachten im Kindschaftsrecht” (BMJV 2019) sind kostenfrei verfĂŒgbar ĂŒber die Webseite des Bundesministeriums der Justiz.
– Viele Landespsychotherapeutenkammern bieten auf ihren Webseiten Informationen fĂŒr Betroffene im familiengerichtlichen Verfahren an.
Fortbildungen fĂŒr Fachpersonen:
FĂŒr Psychologen und Psychologinnen, die sich im Bereich familienpsychologische Begutachtung fortbilden möchten, bieten verschiedene Institutionen zertifizierte Curricula an, die den Standards der Mindestanforderungen entsprechen.
Dieses ĂŒber 1000 seitige Nachschlagewerk fĂŒr Gutachter, Juristen (aber auch Betroffene), Psychologen und Gerichte befasst sich mit allen rechtlichen Vorgaben und Fragen rund um das sachverstĂ€ndige Vorgehen eines Gutachters.
Wie sieht das diagnostische Vorgehen aus? Welche Risiko- und Schutzbedingungen des Kindes sind zu berĂŒcksichtigen? Hier werden verschiedene diagnostische Verfahren vorgestellt und eine Unmenge an Rechtsfragen beantwortet wie z.B. was mit Aufzeichnungen im Gutachten geschieht? Können Emails oder digitale Chats dem Gutachter vorgelegt werden?Â
Was wir hier finden sind Leitlinien fĂŒr den SachverstĂ€ndigen, rund um die QualitĂ€tssicherung, Kosten und VergĂŒtung, das Thema Kindeswohl und wie ein schriftliches / mĂŒndliches Gutachten aufgebaut sein sollte.Â
Es sind viele Bereiche, die wir ansprechen können: Angefangen vom Umgang mit dem Ex-Partner und den Kinder, aber auch ĂŒber ErziehungsfĂ€higkeit, Kommunikationsbereitschaft, LoyalitĂ€t und KindeswohlgefĂ€hrdung … Â
Es ist durch das Gesetz klar geregelt, dass sich jede Person im Familien-Verfahren sowohl vor den Ămtern als auch vor Gerichten (Ausnahme: alle finanziellen Angelegenheiten) durch einen Beistand begleiten lassen kann.
Diese Möglichkeit wird leider noch viel zu wenig genutzt, da sie auch in den JugendĂ€mtern kaum bekannt und nicht gerade populĂ€r ist. Eigentlich nachvollziehbar, da sich die gesamte familiale Intervention einschlieĂlich der Familiengerichte gerne im familiĂ€ren Verfahren unter Ausschluss jeder Ăffentlichkeit bequem einrichtet.
Buchen Sie sich gerne auf meinem Online-Kalender ein Zeitfenster oder nutzen Sie mein klassisches Kontaktformular um mit mir in Verbindung zu treten. Ich freue mich auf Sie. Ihr Marcus