In meiner Beitragsreihe “Borderline-Skills-to-Go” und “Skills gegen Stress” teile ich die “Bilaterale Stimulation” in die gelbe Vorsicht-Gruppe ein. Wenn du wissen möchtest, welche anderen Werkzeuge / Tools / Skills im Kampf gegen Stress und Borderline-Überforderung ich in eine Grüne / Gelbe / Rote Gruppe einteile, dann lade ich dich ein, diesen Beitrag anzusehen:
Borderline-to-Go Teil 2
Seit 1987 gibt es durch die amerikanische Doktorin Francine Shapiro einen Forschungsbereich über die bilaterale Stimulation die später dann in der EMDR-Therapie übergingen. Auch wenn man bis heute immer noch nicht genau erklären kann, warum und wie sie nun funktioniert, sind ihre Therapie-Erfolge nicht zu leugnen…
Ich vergleiche dies gerne mit der Entdeckung des Penicillin-Pilzes… Als Alexander Flemmings diesen Wirkstoff im Jahre 1928 gefunden hatte, wusste er auch noch nicht, wie und warum genau dieser funktioniert. Aber dass er funktionierte (!) war von Anfang an nicht zu leugnen! Leider fand ein Fachartikel aus dem Jahre 1929 über ihn nur sehr wenig Beachtung, sodass erst knapp 40 Jahre später nachgewiesen wurde, wie genau die Wirkungsweise von Penicillin vor sich geht. In der Zwischenzeit hatte er aber bereits vielen tausenden von Menschen sowohl Gesundheit als auch oft das Leben gerettet!
So ähnlich beobachte ich es bei EMDR: Wir verstehen immer noch nicht genau, was EMDR in unserem Gehirn anregt. Neuere Studien lassen jedoch vermuten, dass es nicht nur den Hippocampus wachsen lässt, sondern vor allem durch eine bilaterale Stimulation über den großen Hirnbalken (dem Corpus Callosum) wirkt. Ich möchte dich einladen, meinen Bericht über EMDR, einmal hier unter folgendem Link nachzulesen. 👉Hier geht es zu dem Beitrag
In diesem jetzigen Beitrag geht es mir aber um das Thema Borderline-To-Go, um Hilfe, Werkzeuge und Skills in Grenzsituationen in denen wir durch großen Stress belastet werden:
👉 Durch eine bilaterale Stimulation können wir sehr wirkungsvoll ein hochkommendes Aggressions-, Wut- oder Hilflosigkeits-Potenzial wieder senken.
Ich persönlich gruppiere dieses Werkzeug in die gelben Werkzeuge ein. Vielleicht erinnerst du dich ja noch an den Aufbau meiner Einteilungen:
Wie gesagt, würde ich dieses jetzige Werkzeug in die gelbe Gruppe kategorisieren. Nehmen wir einmal an, du hast eine schwierige Situation vor dir und bist in Sorge, dort zu explodieren oder anderswie über zu reagieren.
👉 Wie kann ich nun meine innere Haltung so beeinflussen, dass ich für die nächsten Stunden mein autonomes Nervensystem – hier vor allem den Parasympathikus – stimuliere? Dies möchte ich mit einer 20-minütigen bilateralen Stimulation auf 4 Ebenen mit dir üben:
Für das nun folgende Werkzeug bitte ich dich, dir einen sicheren Wanderweg auszusuchen, wo du nicht so schnell mit anderen Verkehrsteilnehmern (Fahrrad- oder Autofahrern, etc.) in Kontakt kommst. Denn, wenn du dies richtig machst, wirst du in einen Zustand der „Beinahe–Trance“ geraten, der dich innerlich in einen sehr starken und beruhigenden Zustand bringen wird.
Ich möchte dich bitten, circa 20 Minuten sehr schnell zu gehen. Dieses sehr schnelle Gehen, sollte so zügig sein, dass du fast am Joggen bist, aber noch nicht läufst! Man könnte es fast mit der Sport-Disziplin Walking vergleichen. Spazierengehen ist durch die Links- Rechtsschritte schon mal eine kleine bilaterale Stimulation. Das mag auch erklären, warum wir beim Spazierengehen oft zu besseren Ideen als im reinen Sitzen gelangen.
Während dieses schnellen Gehens, möchte ich dich bitten, deine Schritte zu zählen und sie mit deiner Atmung zu synchronisieren.
Was genau stelle ich mir das nun vor? Wenn es deine Kondition ermöglicht, dann bitte ich dich sechs Schritte einzuatmen und sechs Schritte auszuatmen. Sofern deine Kondition noch nicht so gut ist, kannst du es auch mit einer kleineren Schrittzahl beginnen. Wichtig ist, die Aufmerksamkeit auf die Schritte zu lenken. Das Zählen der Schritte, das schnelle Gehen und auch das Synchronisieren zwischen Schritten und Atmung ist eine erweiterte Form einer bilateralen Stimulation. Dies fesselt zwangsläufig deine Aufmerksamkeit. Damit sind wir aber erst bei Ebene zwei. 😊
Während du nun also zügig deine „schnelle Wanderung“ durchführst und dich auf deine Atmung konzentrierst, möchte ich dich bitten, die Augenbewegung – welche wir aus der EMDR-Technik her kennen – während deines Gehens durchzuführen.
Wenn du jetzt deinen linken Fuß auf den Boden setzt, gehen deine Augen nach links. Gehst du mit dem rechten Fuß, dann gehen deine Augen nach rechts. Du synchronisiert deine Augen in einer „Links- / Rechtsbewegung – analog der EMDR-Therapie – mit jedem deiner Schritte. Dadurch wird deine Aufmerksamkeit immer stärker und intensiver gefesselt. Was für einen Vorteil diese Fesselung deiner Aufmerksamkeit hat, möchte ich dir im Anschluss der vier Ebenen noch in Ruhe erklären. Jetzt erst mal die 4. und letzte Ebene:
Die jetzt noch folgende bilaterale Bewegung hilft dir dabei, deine Schritte, deine Atmung und auch die Augenbewegung noch besser zu synchronisieren: In den zurückliegenden Jahren, in denen ich selber diese Übung durchgeführt habe, war es hilfreich, wenn ich die Augenbewegung mit einer Zungenbewegung synchronisiert habe.
Was genau stelle ich mir darunter vor? Ich setze den linken Fuß nach vorne und meine Augen gehen nach links. Während die Augen nach links gehen, bewege ich die Zunge an den linken oberen Gaumen. Setze ich den rechten Fuß nach vorne, bewege ich meine Augen nach rechts und bewege die Zunge an den rechten oberen Gaumen.
Dies alles hört sich nun vielleicht kompliziert an und eventuell hast du auch Sorge, dass ein Außenstehender dich während deiner Übung irritiert ansieht, aber ich möchte dich beruhigen: Kein Mensch kann dies von außen erkennen! Alles, was man sich von dir denkt ist, dass du sehr konzentriert bist.
Nun, zum einen hat dies alles viel mit der „EMDR-Therapie“ und einer Stimulierung des Hippocampus zu tun. Zum anderen ist diese Fokussierung aber auch ein sehr starker „Stimungs–Stabilisierer“.
Hierzu möchte ich gerne mal einen Vergleich aus der Tierwelt bringen: Ein Elefant kann zwischen 4000 und 6000 kg wiegen. Hast du aber eine Vorstellung davon, wie schwer der Rüssel von einem ausgewachsenen Tier ist? Tatsächlich kann er bis zu 135 kg schwer werden. Wie schafft es nun ein Elefanten-Dompteur mit dem riesigen Tier durch eine Menschenmenge zu gehen, ohne dass der Rüssel beim Gehen auf engen Wegen einen Passanten verletzt? Denn die Gefahr hierfür ist sehr groß, weil ein Elefant bei jedem Schritt seinen Kopf hin und her wiegt. Die Lösung hierfür ist recht einfach:
Der Dompteur gibt dem Elefanten einen Stock in den Rüssel. Der Elefant konzentriert sich auf diesen und aus der Seitwärtsbewegung wird eine Auf-und-ab-Bewegung. Der Elefant konzentriert sich auf den Stock, hält ihn ruhig und die Gefahr ist sofort gebannt. Möchtest du also deine Gedanken fokussieren, dann ist diese „20 Minuten/4 Ebenen Technik“ eine herrlich effektive Methode um deine Ängste und Sorgen auszublenden.
Dieser Zustand hält – meiner Erfahrung nach – mehrere Stunden an. Du kannst dich also auf eine Rede in der Öffentlichkeit, auf den Besuch der Schwiegermutter am Abend oder ein Vorstellungsgespräch effektiv vorbereiten. Du wirst sehen, dass dein Parasympathikus hierdurch hervorragende Arbeit leisten kann! Probier es einmal aus und schreibe mir deine Erfahrungen hierüber.
Es sind viele Bereiche, die wir ansprechen können: Angefangen vom Umgang mit Borderline oder einer anderen belastenden Störung, aber auch über Future Faking, Love Bombing und Gaslighting die immer häufiger in unsere Gesellschaft zu beobachten sind.
Ich möchte aber nicht nur über Fragen sprechen, sondern auch praxisgerechte Lösungen anbieten:
Buchen Sie sich einfach auf meinem Online-Kalender ein Zeitfenster oder nutzen Sie mein klassisches Kontaktformular um mit mir in Verbindung zu treten. Ich freue mich auf Sie. Ihr Marcus
Ein Spaziergang 1987 im Park veränderte das Leben von Francine Shapiro. Völlig überrascht bemerkte sie, dass sich ihre depressive Stimmung durch eine bestimmte Augenbewegung merklich besserte. Neugierig geworden, begann sie zu forschen und selber Psychologie zu studieren.
Auch wenn wir heute immer noch nicht genau wissen, wie und warum es in unserem Gehirn eine so enorme Wirkung entfaltet (Wachstum des Hippocampus und Verringerung von Traumareaktionen), die Wirkung ist nicht zu leugnen. Aber war dies nicht auch bei dem Wirkstoff Penizillin ähnlich? Zwischen der Entdeckung der antibiotischen Eigenschaften 1928 und des endgültigen Verstehens wie er wirkt im Jahre 1965 lagen fast 4 Jahrzehnte. Darum bin ich mir sicher, dass wir dies auch irgendwann bei EMDR verstehen werden.