Schriftzug Marcsu Jähn

Ist es Borderline oder eine bipolare Störung?

Diagnose Borderline - Ist es Borderline oder eine Bipolare Störung?Warum diese Frage nach einer differenzierten Diagnose? Sind die trennenden Anzeichen nicht deutlich genug? Leider ist dem nicht immer so – viele Symptome sind sowohl als auch bei beiden Krankheiten / Störungsbildern vorhanden.

Und um es noch etwas schwieriger zu machen: Wie ein Damoklesschwert schwingt auch noch der Zeitdruck über den Ärzten und Therapeuten. Gemäß einer Studie aus der Ärzte Community wurden knapp 5.500 Mediziner auf dieses Thema befragt.

Und 96% gaben an, dass der Zeitdruck ihre Behandlungsfähigkeit beeinflusst. 
25% sprachen von einem häufigen Zustand,
48 % einem gelegentlichen und nur 4% sagten, dass sie hiermit keinerlei Berührungspunkte hätten.

Ärzte und Therapeuten haben also sehr oft großen zeitlichen Druck im Nacken und unter Zeitdruck ist es einfach schwierig, eine genaue und differenzierte Diagnostik mit einwandfreien Entscheidungen zu treffen. Zwischen der Einweisung eines Patienten und der Diagnose ob er stationär aufgenommen werden kann oder nicht besteht ein immer kürzeres Zeitfenster

Was ist die Folge davon? Immer wieder finde ich in der Literatur den Gedankengang bestätigt, dass es zu falschen Diagnosen kommt. Und die Auswirkung davon zeigt sich oft erst dann, wenn ein Patient schon deutlich länger in einer bestimmten Therapie untergebracht wird.

Und was ist, wenn es die falsche Therapie ist?

Nun da Borderline vollkommen anders therapiert werden sollte  als zum Beispiel eine bipolare Störung, eine Major Depression oder eine Aufmerksamkeits Defizit – Hyperaktivitätsstörung oder oder oder …. dann sollte man hier schon sehr genau hinschauen!

Rund die Hälfte der Patienten – so das Zitat aus einer Fachliteratur eines Krankenhauses welches sich auf Persönlichkeitsstörungen spezialisiert hat – wird dort mit der Fehldiagnose „bipolare Störung“ oder „Major Depression“ angemeldet

      • während es sich aber in Wirklichkeit um eine schwere Persönlichkeitsstörung auf dem Borderline–Strukturniveau handelt.

Zu diesen schweren Persönlichkeitsstörungen auf dem Borderline-Strukturniveau handelt es sich unter anderem um folgende Störungsbilder:

    • Die „klassische“ Borderline–Persönlichkeitsstörung
    • schwere narzisstische Persönlichkeitsstörungen
    • Störungen mit wiederkehrenden Suizidphantasien
    • Störungen mit antisozialen Tendenzen, die z.B. bei einer akuten Drogen- oder Alkoholabhängigkeit zu sehen sind.

Sehr häufig kommt es auch zu Fehlern in der Diagnose wegen der Patienten mit schweren negativen Persönlichkeitszügen.

      • Sie weigern sich sehr häufig oder sind auch nicht in der Lage vernünftig über sich und ihren Zustand Auskunft zu geben,
      • übertreiben vielleicht auch einige Symptome um eventuell eine stationäre Aufnahme zu bewirken.

All diese Punkte sollen nur die Notwendigkeit aufzeigen, wie wichtig es ist sich die Zeit zu nehmen um in Ruhe zwischen den Persönlichkeitsstörungen zu differenzieren.

Und das nicht zuletzt (ein zweites Mal dieser Hinweis) weil sich die Therapie eines Patienten mit einer bipolaren Störung von den anderen beschriebenen Persönlichkeitsstörungen extrem unterscheidet.

Kriterien der Borderline-Störung und der Bipolaren Störung
Unterschiedliche Behandlung Therapie von Borderline und der Bipolaren Störung

Bipolare Störungen

Schauen wir uns die beiden Störungsbilder einmal etwas genauer an. Die Vielfalt der bipolaren Störungen ist nach wie vor so groß, dass man bipolare Störungen noch nicht eindeutig und unstrittig einordnen kann.

Um eine bipolare Störung zu diagnostizieren müssen nämlich folgende Erfordernisse vorliegen:

      1. Bipolar-1-Störung: mindestens eine depressive oder manische Episode
      2. Bipolar–2 – Störung: mindestens eine hypomanische Episode.

Es ist absolut wichtig, dass entweder eine manische oder eine hypomanische Episode stattgefunden hat!

Wir beobachten das Patienten, in den diagnostischen Interviews bei den Standardfragen sehr viel Erfahrung haben. Sie neigen dann dazu, den Fragesteller (also dem diagnostizierenden Arzt) angepasste Antworten zu geben, um ihre Krankengeschichte einer manischen oder einer hypomanischen Episode anzunähern.

Deswegen ist es sehr wichtig, dass sich der Arzt viel Zeit nimmt, um genau herauszufinden ob es wirklich eine oder mehrere Phasen von mindestens drei oder vier Tagen in der Vorgeschichte gab an denen sich der Patient außergewöhnlich euphorisch, wütend oder sehr reizbar gefühlt hat.

      • Hat er wirklich die Kontrolle über seine Affekte verloren.
      • Hat er wirklich das Gefühl besonders energiegeladen zu sein?
      • Hat er wirklich ein reduziertes Schlafbedürfnis?
      • War es wirklich eine Hyperaktivität?
      • Hatte er ungewöhnliche Verhaltensweisen die eindeutigen im Widerspruch zur sonstigen Persönlichkeit von ihm stehen?
      • Hatte er wirklich ein unangemessen sexualisiertes Verhalten?
      • Wie war sein Umgang mit Geld? War es wirklich schädlich oder unpassend wie er mit seinen Besitztümern umgegangen ist?

Häufig beobachten wir auch einen übersteigerten Sexualtrieb in Verbindung mit der Überaktivität und der manisch gehobenen Stimmung.

Wenn wir von einer manischen Episode sprechen, dann schließt dies auch

      • den Verlust der Realitätsprüfung ein,
      • die Missachtung sozialer Normen ohne dass sich der Patient dessen bewusst ist. (Besonders das letzte ist ein wichtiges Kriterium). 

Der häufigste diagnostische Fehler

Der wohl häufigste Fehler in der Diagnose ist die Verwechslung… Auf der einen Seite sind es die Affektstürme und die chronische emotionale Instabilität die wir im Rahmen von Persönlichkeitsstörungen vorfinden

Diese werden sehr schnell mit einem hypomanischen oder einem manischen Verhalten verwechselt.

Haben wir es mit einer Manie zu tun dann ist die Differenzierung schon sehr viel einfacher:

      • Der klare Verlust der Realitätsprüfung
      • Halluzinationen
      • Wahnvorstellungen
      • Völlig unangepasstes soziales Verhalten

All dies führt dazu, dass Außenstehende schnell eingreifen um den Patienten zu begrenzen und zu schützen. Dieses Eingreifen von Anderen ist ein deutliches Diagnosekriterium für den Arzt, um einen Realitätsverlust und damit auch die Diagnose einer bipolaren Störung zu rechtfertigen

Zu einer Verwechslung zwischen einer „bipolaren Störung“ und einer Borderline–Persönlichkeitsstörung kommt es praktisch nur, wenn man ein angenommenes hypomanisches Verhalten für Borderline und umgekehrt hält. 

Begleiterkrankung von Borderline-Persönlichkeit und bipolarer Störung.

Interessant ist folgende Zahl: Nach heutigem Wissensstand haben wir tatsächlich eine Überlappung von 19 % von einer Borderline – Persönlichkeitsstörung mit einer bipolaren Störung!

Hier haben wir auf der einen Seite die schwere dauerhafte affektive Instabilität und zusätzlich noch eindeutige hypomanische Phasen beim Patienten.

Wie können wir denn jetzt herausfinden, dass unser Gegenüber tatsächlich auch eine Borderline – Persönlichkeitsstörung hat und nicht „lediglich / nur“ eine bipolare Störung?

Hier schaut man sich dann das Umfeld – also die zwischenmenschlichen Beziehungen des Patienten zu wichtigen Bezugspersonen / die dyadischen Beziehungen – ganz genau an. Also nicht das generelle Umfeld, sondern die engsten Bezugspersonen in der Familie, enger Freunde und allernächster Arbeitskollegen.

Bei einer Person mit einer bipolaren Störung zeigen sich keine dramatischen Störungen in den Objekt-Beziehungen während der gesunden Phasen. 

Selbst dauerhaft, also chronisch kranke bipolare Patienten die sowohl unter den manischen Episoden als auch unter einer Major Depression leiden, sind tatsächlich

      • zu stabilen und tiefen zwischenmenschlichen Beziehungen
      • und auch zu einer vernünftigen Selbst– und Fremdeinschätzung in ihrem Leben in der Lage.

Im Gegensatz dazu sehen wir bei Menschen mit einer schweren Persönlichkeitsstörung (in Verbindung mit dem Auftreten einer Identitätsdiffusion – die wir besonders beim Borderliner sehen) folgende Symptome:

      1. Ein nur mangelhaft integriertes Selbstkonzept
      2. Die Unfähigkeit, Menschen wirklich in ihrer Tiefe zu erfassen
      3. Dauerhafte und schwerwiegende Abweichungen in der Selbst– und der Fremdeinschätzung in Bezug auf langanhaltende zwischenmenschliche Konflikte – und das sowohl im beruflichen als auch im privaten Bereich. 

Das Fazit:

Wir müssen also von einer Diagnose einer schweren Persönlichkeitsstörung sprechen, wenn wir folgende Symptome sehen:

      • mangelhafte affektive Stabilität und gleichzeitig (!)
      • das Fehlen wichtiger und reifer zwischenmenschlicher Beziehungen
      • und eine defizitäre / fehlerhafte /verlustbehaftete Selbsteinschätzung.

Diese Diagnose bleibt auch dann bestehen, wenn wir zeitgleich wirklich echte Symptome einer „Bipolaren Störung-1“ oder einer „Bipolaren Störung-2“ sehen.

Wenn wir also eine eindeutige und konstante emotionale Unreife im Allgemeinen – und das unabhängig von manischen, hypomanischen oder depressiven Episoden sehen – dann ist das ein klares Zeichen für eine Borderline–Persönlichkeitsstörung.

Es ist wichtig dies voneinander zu trennen, denn die Therapie einer bipolaren Störung und die eine Borderline – Persönlichkeitsstörung ist grundlegend unterschiedlich, dies sage ich jetzt ein drittes Mal…)

Für den Fall einer bipolaren und einer affektiven Erkrankung konzentriert man sich mehr auf die Psychopharmakologie durch Stimmungsstabilisierer wie zum Beispiel:

      • Lithium
      • Carbamazepin
      • Atypische Antipsychotika
      • Antidepressiva
      • Benzodiazepine

Im Gegensatz dazu konzentriert man sich bei der Borderline Persönlichkeitsstörung deutlich mehr auf die psychosozialen und psychotherapeutischen Behandlungsansätze. 

Marcus Jähn Meine Buchempfehlung zu diesem Thema

Kommunikation mit einem Borderliner

Ein Buch, das praxistauglicher kaum sein kann. Persönlichkeitsstörungen sind aufgrund der Instabilität an Komplexität praktisch nicht zu überbieten. Darum machen viele Psychotherapeuten auch einen Bogen um die Therapie hiervon Betroffener. Nicht so der Psychiater  Jerold Kreisman der sein Leben der Behandlung von Borderline-Persönlichkeitsstörung gewidmet hat. Das Lesen dieses Buches hat mich zu meiner U.M.W.E.G. inspiriert. 

Aufgrund der vielen Praxisfälle kann man die Affekte und Symptome  besser verstehen. Die vielen Tipps für den Umgang mit den Betroffenen sind eine echte Hilfe und nehmen einem die Wut und Aggressionen, die oft im Kontakt mit dieser Krankheit entstehen und erzeugen vielmehr Verständnis und Mitgefühl. 

👉 Hier geht es zum Buchtitel

werdewiederstark.de – Copyright © 2021 – Marcus Jähn – 47608 Geldern -+49 163 8141416