Paarbeziehungen und Paartherapie bei Borderline-Persönlichkeiten
Freundschaften, eine stabile, glĂŒckliche Ehe oder Partnerschaft ⊠all das gilt in unserer Gesellschaft – nach Zahlen des statistischen Bundesamtes als das wichtigste private Lebensziel. Ăber 85 % der Befragten erachten dies als wichtig bis sogar sehr wichtig. Damit rangiert dies noch vor Berufserfolg, Selbstverwirklichung und Kindern.
Verheiratete leiden viel weniger an Herz- und Kreislauferkrankungen, psychiatrischen Krankheiten und einem schwachen Immunsystems als z.B. Unverheiratete. Umgekehrt sind Geschiedene / Verwitwete hÀufiger von Herzinfarkten, VerkehrsunfÀllen, Depressionen und Suiziden betroffen.
Aber, Partnerschaften sind heutzutage aber auch besonders gefĂ€hrdet. Die gröĂere gewordene individuelle Freiheit im Privatleben fĂŒhrte zu viel mehr Trennungen und Scheidungen als frĂŒher. Von 1960 bis 2019 ist die HĂ€ufigkeit von Ehescheidungen in Deutschland von 11 % auf 36 % angestiegen â mit einem Spitzenwert 2005 von 52%.
Borderline-Persönlichkeiten haben es bei diesem Thema besonders schwer, eine Partnerschaft aufrechtzuerhalten. Niedriger strukturierte Borderliner wechseln sehr oft von einer Partnerschaft zur nÀchsten.
Vielleicht gibt es auch deshalb keine aussagekrÀftigen Studien zu Partnerschaften und den paarbezogenen Behandlungen von Borderline-Persönlichkeiten, da die Beziehung extrem schnell beendet und einer Paarbeziehung nur selten eine Chance gegeben wird.
Menschen mit einem Borderline-Syndrom leben deutlich seltener als andere in einer stabilen Paarbeziehung. In Zahlen ausgedrĂŒckt: Nur etwa halb so oft im Schnitt wie ihre Umgebung.
Das sollte uns aber nicht ĂŒberraschen. Die Persönlichkeits-Organisation von Borderline-Patienten vertrĂ€gt sich nĂ€mlich nicht so gut mit langfristigen Bindungen. Wir alle wissen:
In Paarbeziehungen mĂŒssen — EigenstĂ€ndigkeit und Verbundenheit — immer wieder in eine neue Balance gebracht werden. Und diese Borderline typische Sehnsucht nach 100%iger Geborgenheit fĂŒhrt zwangslĂ€ufig zu einer emotionalen AbhĂ€ngigkeit und Verletzbarkeit.
Diese Punkte machen das Zusammenleben fĂŒr und mit Borderlinern sehr schwer.
Oft scheitern ihre Beziehungen nach einer intensiven Anfangsphase voller Idealisierung – in der alles Negative komplett ausgeklammert wird an der buchstĂ€blichen âEnt-tĂ€uschungâ durch den Beziehungsalltag – der ja eine gegenseitige Abstimmung mit den gemeinsamen Pflichten und den WĂŒnschen des Partners erfordert.Â
SpÀtestens dann lÀsst sich nicht mehr verleugnen, dass beide eigenstÀndige Menschen sind und man nicht in allen Punkten automatisch zueinander passen kann.
Wenn solche GefĂŒhle aber kaum integriert werden können, dann fĂŒhren selbst allerkleinste AlltagsenttĂ€uschungen schnell zu einem Umkippen vom Bild des Partners:
Diese Vehemenz der Affekte von Borderline-Persönlichkeiten
Ein Paar kommt ca. 1 Jahr nach ihrer Hochzeit total verzweifelt zur Paartherapie. Er ist Mitte Vierzig, sie ca. 10 Jahre jĂŒnger. Beide sind sie beruflich recht erfolgreich und Ă€uĂerlich sehr attraktiv. Sie erzĂ€hlen, dass sie sich im Urlaub vor wenigen Jahren kennengelernt und sofort heftig ineinander verliebt haben. AnschlieĂend besuchten sie sich gegenseitig so oft wie möglich und jeder der Beiden war sich sicher, endlich seinen Traumpartner gefunden zu haben
Mit Abstand betrachtet sieht die Situation also so aus:
Sie dachten vorher nicht darĂŒber nach ob ihre WĂŒnsche auch wirklich realisierbar waren âŠ.Â
Beim ersten Treffen fĂŒhlte sich die Frau mĂŒde und erschöpft. Durch Beruf, Haushalt und Kind ist sie von ihrem Mann allein gelassen. Er zog sich völlig in seinen Beruf, Sport und einsame SpaziergĂ€nge zurĂŒck, sei in ihren Augen nie fĂŒr sie da. Sie mĂŒsse alles allein bewĂ€ltigen.
Er, der Mann war sehr enttĂ€uscht darĂŒber, dass sie frĂŒher belastbarer und fröhlicher war. Jetzt erschien sie nur noch mĂŒde und unzufrieden. Sie fĂ€hrt ihn immer wieder wĂŒtend an. FĂŒr ihn sei dies ein nicht zu tolerierendes Verhalten. Er kann einfach nicht mehr mit ihr schlafen und zu Hause auch kaum noch etwas essen â ganz besonders nichts, was sie gekocht hat. Er isst nur noch Dinge, die er selbst zubereitet hat.
Beide sind sie also am Rande ihrer Belastbarkeit:Â
Er hat starke Darmbeschwerden und Angst vor einem Tumor.Â
Sie leidet unter hĂ€ufigen Infekten und hat auch Angst: irgendwann einmal so schwach zu werden, dass sie nicht mehr arbeiten könnte. Das wĂŒrde dann ihren finanziellen Ruin bedeuten.Â
Beide befĂŒrchten, an dieser Beziehung zugrunde zu gehen.
So, wie am Anfang Idealisierungen ihre Wahrnehmung steuerten, so dominieren jetzt Entwertungen und Vernichtungsphantasien das Empfinden und Verhalten. Beide fĂŒhlen sich vom anderen betrogen, getĂ€uscht und dĂ€monisieren ihn förmlich durch die Projektion der eigenen Aggressionen.
Projektion ist ein Abwehrmechanismus: Ich Ăbertrage innere GefĂŒhle / Konflikte auf einen anderen um mich nicht selber damit auseinandersetzen zu mĂŒssenâŠ
Das fĂŒhrt dann zu einem GefĂŒhl von existenzieller Bedrohung, und paranoider Ăngste. TatsĂ€chlich hatte der Mann genau diese Ăngste und dachte stĂ€ndig daran, von seiner Frau vergiftet zu werden. Sie hatte davor Angst, von ihrem Mann völlig ausgebeutet zu werden.
All das war so ĂŒberfordernd, dass eine Auflösung des eigenen ICHÂŽs nur noch durch eine Spaltung und Projektion der eigenen Aggression nach auĂen abgewendet werden konnte.
Als AuĂenstehender erschreckt man ĂŒber die MassivitĂ€t dieser Entwertung dem GegenstĂŒck der Idealisierung. In beiden FĂ€llen (!) wird die Umgebung nicht mehr Real wahrgenommen.Â
Es gibt hierfĂŒr tatsĂ€chlich verschiedene MöglichkeitenâŠÂ Viele Borderline-Persönlichkeiten die dieses Umschlagen der intensiven, liebevollen GefĂŒhle in Wut, Hass und Angst bereits durchlebt haben, entscheiden sich dafĂŒr sich nicht wieder so intensiv auf eine Beziehung einzulassen um sich dadurch vor diesen nicht steuerbaren Affekten zu schĂŒtzen.
1.1.1 Der radikalste RĂŒckzug besteht darin, sich von Beziehungs-SehnsĂŒchten ganz zu verabschieden und sich dann auf die Suche nach Ersatz-Befriedigungen zu verlegen z.B. materieller / sinnliche Genuss oder beruflicher Erfolg um andere von sich abhĂ€ngig machen und dann ĂŒber sie zu verfĂŒgen.
Dadurch werden lĂ€ngere enge Beziehungen vermieden, wĂ€hrend kurzfristige Gelegenheits-Beziehungen viel eher eine wichtige Rolle spielen können. Falls diese kurzfristigen Eroberungen das einzige Ventil fĂŒr die nicht ganz unterdrĂŒckbaren BeziehungssehnsĂŒchte sind wird dieses GefĂŒhl hĂ€ufig dann zu einer quĂ€lenden Sucht. Du spĂŒrst hier bereits den Beginn der VerzweiflungâŠ
1.1.2 Eine etwas weniger radikale Möglichkeit besteht darin, die mit dem Partner verbrachte Zeit oder auch die GefĂŒhle zu dosieren. In Wochenendbeziehungen z.B. lĂ€sst sich ĂŒber lange ZeitrĂ€ume, nur die âSchokoladenseitenâ genieĂen. Oder man kann sich mit Jemanden zusammentun der hilfsbedĂŒrftig und unterlegen ist um dann durch seine Dankbarkeit und Bewunderung das GefĂŒhl zu spĂŒren, selbst gut zu sein. Oder man hat mehrere Beziehungen parallel nebeneinander.
Psychische NĂ€he kann z.B. mit einigen guten Freunden gelebt werden, mit denen kein Alltag und auch keine SexualitĂ€t gelebt wird. Die natĂŒrliche SexualitĂ€t ist dann hĂ€ufig entweder ganz unterdrĂŒckt, gehemmt oder stark mit Aggression vermischt.
Kommt es doch zu einer Dauerbeziehung mit einem Borderliner dann ist diese nur dadurch möglich, dass der gegenseitige Austausch in wichtigen Bereichen starkreduziert wird:
Diese starke Abgrenzung des Borderliners ist fĂŒr ihn notwendig um sich vor einem Ăbergriff des phantasierten bösen Objekts (dem Partner) zu schĂŒtzen.Â
In der Therapie solcher Beziehungen geht es immer wieder um die Angst vom Partner auf eine ganz existenzielle Weise manipuliert, beeinflusst, unterdrĂŒckt, aufgesogen oder sonst wie geschĂ€digt zu werden.
Diese quĂ€lende Angst vor dem bösen Objekt kann durch die Distanz einigermaĂen gut gebunden werden, damit der restliche Kontakt dann âertragen werden kannâ.
Ohne diese Distanzierung herrscht meist ein andauernder Kampf, wo jeder den anderen dĂ€monisierten Partner kontrollieren will weil er dessen Kontrolle fĂŒrchtet und damit abwehren will.
Bei einer oberflĂ€chlichen Betrachtung â die ich auch bei vielen Therapeuten beobachte â könnte man annehmen, dass Borderlinern eine Beziehung nicht besonders viel bedeutet. Arbeitskollegen, Bekannte und selbst die angesprochenen Einzel-Therapeuten (!) wundern sich oft, wieso diese Paare eigentlich zusammen bleibenâŠÂ Sie streiten sich doch andauernd. AuĂerdem fehlt bei ihnen so vieles, was Menschen eigentlich in einer Paarbeziehung leben möchten (emotionale Vertrautheit, gemeinsame AktivitĂ€ten, SexualitĂ€t).
Ganz besonders erstaunlich ist, dass beide Partner massiv unter einer Trennung leiden, oder es kaum verkraften, wenn der Andere stirbt. Erst bei drohender oder tatsĂ€chlicher Trennung wird die intensive unterschwellige symbiotische Bindung sichtbar wie das folgende Beispiel zeigt:Â
Ein Steuerberater (Mitte Vierzig) ist seit ĂŒber 10 Jahren mit einer fleiĂigen Kollegin verheiratet, hat mit ihr stets gut zusammengearbeitet und auch Kinder aufgezogen. Die Beziehung war jedoch emotional betrachtet etwas distanziert.
Er verliebte sich dann in eine andere sehr temperamentvolle Frau âwelche bereits einige dramatische Beziehungen hinter sich hatte. Der Mann spĂŒrte GefĂŒhle in einer noch nie gekannten StĂ€rke und wollte sich nun von seiner Frau trennen. Die aber wollte ihn auf keinen Fall so einfach gehen lassen, war ganz verzweifelt und drohte mit Selbstmord.
Er wandte sich an einen Therapeuten um Hilfe. Dieser hatte volles VerstĂ€ndnis fĂŒr die unausgelebten Seiten des Mannes, wollte ihn sozusagen fördern und meinte, da alle schlieĂlich erwachsene Menschen seien könne die Frau keinen Anspruch auf ihn erheben. Er solle sich doch trennen.
Die Frau aber wollte ihren Mann fĂŒr sich allein behalten und setzte ihn ab dann unter Druck. Er blieb also bei ihr, besuchte aber weiterhin die Freundin. Er begann wegen den inneren Spannungen und SchuldgefĂŒhlen zu trinken. Der Therapeut deutete dies als selbstdestruktives Manöver, was aber an der eigentlichen Situation nichts Ă€nderte.
Alle fĂŒhlten sich elend und hilflos. Der Mann ging dann zu einem zweiten Therapeuten. Dieser riet, sich sofort und konsequent von seiner Frau zu trennen. Der Patient schaffte das aber nicht. Stattdessen brach er die Therapie ab.Â
Intensive symbiotische Bindung sind durchaus verstÀndlich, wenn man die Paarbeziehung als Erbe der ersten Bindung an die Eltern betrachtet.
Borderline-Persönlichkeiten waren in ihrer Kindheit von emotional instabilen Eltern abhÀngig und meist ambivalent unsicher oder sogar chaotisch gebunden. Diese ersten Quellen von Sicherheit waren aber auch gleichzeitig Ursprung intensiver Angst.
Gerade in bedrohlichen Situationen ist aber das SicherheitsbedĂŒrfnis besonders groĂ, sodass ein verĂ€ngstigtes Kind eine ebenso intensive aber auch zerbrechliche Bindung z.B. mit der Mutter entwickeln Diese wird dann spĂ€ter auf den Partner ĂŒbertragen mit dem dann dieselbe Art der Interaktion fortgesetzt wird.
So verrĂŒckt es sich fĂŒr einen AuĂenstehenden anhört: Dadurch entsteht ein GefĂŒhl von Vertrautheit, KontinuitĂ€t und Sicherheit.
Durch die VerfĂŒgbarkeit des als gut phantasierten und in Sicherheitsabstand gehaltenen Partners, wird diese fundamentale Angst erst einmal kompensiert. Diese Angst kommt bei einer Bedrohung der Paarbeziehung jedoch sofort wieder hoch und fĂŒhrt zu einem RĂŒckfall in alte Abwehrmechanismen.
Darum meine eindringliche Bitte in diesem Beitrag:
Weil wir dies jetzt wissen: Darum sollte man diese Beziehung nicht unbedacht âauseinander Therapierenâ! Vielmehr sollten Therapeuten sich geduldig und hartnĂ€ckig bemĂŒhen, die unreifen, aggressiven und libidinösen Strömungen in ihren Intentionen zu verstehen und allmĂ€hlich auf eine reifere Entwicklungsebene zu bringen!!!Â
Typisch fĂŒr Borderline-Paarbeziehungen ist die Verzahnung der Partner mittels Projektion und projektiver Identifikation. Der eine triggert die Latenz (Entwicklungsverzögerung / SchwĂ€che) des anderen so, dass die inneren Konflikte beider sofort in der Beziehung – ausgetragen werden. Dies dient (wie vorhin bereits gesagt) der inneren Konfliktentlastung:
Der Eine kann die eigene SchwĂ€che der Identifikation heimlich mitgenieĂen und gleichzeitig per Abwertung und BekĂ€mpfung des Partners eingrenzen und kontrollieren. Das nach AuĂen tragen des Konflikts entlastet und stabilisiert also das innere Gleichgewicht, belastet jedoch die Beziehung.
Alltagsbeispiele dafĂŒr sind folgende:
Das âAgierenâ â also das nach auĂen tragen von inneren Konflikten – ist fĂŒr Borderline-Persönlichkeiten eine wichtige Form der Kommunikation mit der Umwelt.
Zusammenfassend kann man sagen, das Borderline-Persönlichkeiten in ihren Paarbeziehungen typischerweise enge Bindungen eingehen. Dabei finden sie ganz unterschiedliche Wege ein lÀnger andauerndes Zusammenleben zu ermöglichen.
Und das auch,
Solange diese Hilfsmechanismen irgendwie in einem Gleichgewicht gehalten werden können, scheinen sie auf die Paarbeziehung einen starken stabilisierenden Effekt zu haben!
Wegen diesen engen Verzahnungen von inneren Regulationsmechanismen ist es vernĂŒnftig dies alles einmal tiefenpsychologisch und auch systemisch zu betrachten.
Hier können wir diese Regulationsmechanismen wahlweise auf der Ebene des Einzelnen, der Paarbeziehung, der Familie oder des Umfeldes (Schule, Arbeit ect.)  betrachten und die Auswirkungen auf die anderen Ebenen hin zu untersuchen. Das tiefenpsychologische Betrachten berĂŒcksichtigt aber auch die Entwicklungsgeschichten und die persönlichen Eigenarten als Ergebnis frĂŒherer VerstĂ€rkungs â und Identifikationsprozesse:
Sie haben in der Kindheit ja das âĂberlebenâ gesichert, auch wenn sie im Erwachsenen-Alter oft kontraproduktiv sind.
Die Affekte der Patienten können in belastenden Situationen schnell eskalieren! Dadurch werden dann wieder primitive Abwehrmechanismen in Gang gesetzt und das psychische Funktionsniveau rutscht soweit ab, dass die Patienten nur noch schwer ansprechbar sind. Selbst der Therapeut wird durch Agieren, Ăbertragungen und projekttive Identifizierungen sehr leicht in eigene heftige Affekte und damit der Gefahr des Gegenagierens ausgesetzt.
Dann sind die MetaâEbene und MentalisierungsfĂ€higkeit in der Therapie in Gefahr.Â
Die QualitĂ€t der therapeutischen Beziehung ist dafĂŒr da, um einen schĂŒtzenden Entwicklungsraum zu bilden.
Eine hohe QualitĂ€t können wir z.B. an folgenden 5 Punkten festmachen:Â
Insgesamt versucht er also, eine möglichst ausgewogene, klare und konstruktive VerstĂ€ndigung miteinander herzustellen, was auf beide Partner beruhigend wirkt. Meist entwickelt sich bei diesem Vorgehen schnell eine idealisierende Ăbertragung beider Partner auf den Therapeuten.
Beide vertrauen sich ihm praktisch âwie Kinderâ an und hoffen auf Lösungsanregungen von ihm. Dadurch erhĂ€lt er einen starken Einfluss, den er dann auch zum Unterbrechen kranker Muster und zur Anregung neuer Sichtweisen therapeutisch nutzen kann.
Negative Ăbertragungsanteile zeigen sich zu Therapiebeginn meist nur selten, z.B. in kleinen Szenen, emotionaler ZurĂŒckhaltung und Fehlleistungen.
Interpretiert man diese ĂuĂerungen positiv als verstĂ€ndliche Vorsicht, BemĂŒhen um Dosierung oder einleuchtende Reaktion auf mangelnde Empathie und forscht nach dem konkreten Auslöser, dann lĂ€sst sich die therapeutische Beziehung, die ja den eigentlichen Schutzrahmen bildet, ĂŒber sehr lange Zeit erhalten.
MissverstĂ€ndnisse mit dem Therapeuten und zum Partner sollten also schnell in der Therapie angesprochen und bereinigt werden. Sie gehören zum Kontakt dazu, dĂŒrfen sein, sollten sich aber nicht anstauen.
Sehr gut wirkt sich eine positive Bewertung der Handlungen / der Symptome auf die Therapie aus.
Denn, indem die Handlungs-Muster des Umgangs (also zum Beispiel des andauernden Streits) mal genau herausgearbeitet und in seinen Funktionen gewĂŒrdigt wird
Gleichzeitig wird dann auch das Muster der Ăbertragung bewusst gemacht, Dadurch wird dann das jetzige Erleben als Wiederholung der frĂŒheren Erfahrungen spĂŒrbar und nicht als Angriff auf den Anderen. Damit wird die Beziehung deutlich entlastet!
Die sich in der Kindheit festgesetzten Beziehungs-Muster rasten beim erwachsenen Borderliner in emotional belastenden Situationen sehr schnell, fast schon reflexhaft ein. Dabei werden besonders in der Paarbeziehung die eigenen alten, im Umgang mit den Eltern entwickelten Verhaltensweisen fortgesetzt, z.B. in Form von Erduldung schlechter Behandlung. Es kann aber auch eine Wendung ins Gegenteil stattfinden â indem aus der Position des kindlichen Opfers in die frĂŒhere Eltern â(TĂ€ter â) Rolle hinein.
Dann wird der Partner auf einmal in derselben Weise beleidigt, herabsetzt, zurĂŒckweist oder einfĂ€hrt, wie man es frĂŒher selbst erlebt hat.Â
Der Therapeut kann dann diesen Umgang miteinander auf die prĂ€genden Kindheitserfahrungen beziehen und die Fortsetzung der alten Beziehungsmuster als LoyalitĂ€t gegenĂŒber den Eltern erkennen.
Also als Ausdruck einer noch im kindlichen Erleben verhafteten Position, die vielleicht zu Gunsten eigener WĂŒnsche aufgegeben werden könnte. DafĂŒr mĂŒssen dann nur noch die inneren Ressourcen mobilisiert werden.
Das Motto einer Therapie mit dieser so  Mischung aus Akzeptanz und VerÀnderungsimpulsen könnte also lauten:
Dies ist allerdings nur dann möglich, wenn sich beide Partner auf einem arbeitsfĂ€higen ICHâFunktions-Niveau befinden, auf dem sie dann auch verschiedene Regelungen des Zusammenlebens in der Praxis ausprobieren können.
Es geht darum,Â
Je mehr Schutz der Therapeut Ihnen
In nahezu jeder Therapie mit Borderline â Paaren kommt es zu RĂŒckschlĂ€gen:
Das wĂ€re dann ein deutlicher Hinweis darauf, dass der Therapeut in diesen Wirbel der âprojektiven Identifikationâ mit hineingezogen wurde und dadurch die vorher noch schĂŒtzende Arbeitsbasis zusammengebrochen ist. Oft liegt es darin, dass sich der Therapeut mit einem der Partner (meist ist es dann das âOpferâ, welches ja von dem anderen ausgenutzt, kritisiert oder entwertet wird) unterschwellig identifiziert.
Dadurch hat er aber die verstehende Distanz zur Gesamtszene verloren die ihn fĂŒr die Arbeit so wertvoll macht. Denn wir wissen: Ist die Distanz verloren, agiert er zwangslĂ€ufig auf dem Niveau eines Angehörigen.
Darum ist das erste Ziel, diese Distanz wieder zurĂŒck zu gewinnen, wobei das Vorgehen in solch einem Fall analog dem bei GegenĂŒbertragungs-Schwierigkeiten in Einzeltherapien ist.Â
In einer Therapie geht es neben der Förderung
Es reicht meist nicht, dass die Partner verstanden haben, wieso sie immer wieder in dieselbe wohl bekannte Art des Umgangs miteinander zurĂŒckfallen, obwohl sie das doch eigentlich gar nicht wollen. Sie mĂŒssen auch Techniken erlernen, wie sie aus beginnenden Eskalationen aussteigen und anders miteinander umgehen können. Nur dann ist es möglich, ein positives GrundgefĂŒhl mit einer belastbaren Toleranz zu entwickeln.
Hier sind Tipps und Tricks aus der systemischen Therapie sehr hilfreich. Das sind dann besonders Rituale, die Lösungswege in metaphorisch verschlĂŒsselter Form an die Hand geben â also immer wieder in Ă€hnlichen Situationen eine Hilfe sind.
Eine 2. Hilfe: Nehmen wir mal ein Paar, das praktisch jeden Abend seine StreitgesprĂ€che bis zur totalen Erschöpfung eskalieren lĂ€sst. Die Zwei bekommen jetzt die Aufgabe, sich jeden Abend zusammen hinzusetzen, um sich gegenseitig die wichtigsten Dinge des Tages mitzuteilen. Dazu stellen sie sich einen Timer auf 10 Minuten. Einer darf dann 10 Minuten alleine reden (oder auch â falls er nichts mehr zu sagen hat – zwischendurch nachdenken schweigen), wĂ€hrend der Andere zuhört und nicht unterbrechen darf.
Damit wird das ĂŒbliche Streitritual, bei dem jeder vergeblich um das Gehör und Verstehen des Anderen ringt, zu Gunsten eines begrenzenden âSichâmitteilen-und-gehörtâwerdenâ unterbrochen.
3. Hilfe: Ein Paar, kann sich bezĂŒglich gemeinsamer Unternehmungen kaum einigen. Keiner gibt nach geschweige denn passt sich den WĂŒnschen des Anderen an. Hier kann es sehr hilfreich sein, immer eine MĂŒnze werfen. Damit entscheidet die MĂŒnze (!) wie die Einzelheiten der Unternehmung aussehen dĂŒrfen und der Partner gerĂ€t aus der Schusslinie heraus.Â
Mit solch verĂ€ndertem Verhalten können eingefahrene Abwehrstrukturen unterbrochen werden, und es entsteht ein neuer Raum fĂŒr ein anderes Verhalten.
Die Voraussetzung hierfĂŒr ist auf alle FĂ€lle ein genaues VerstĂ€ndnis des Problems. Es wird dadurch konkret eine neue Verhaltensaufgabe formuliert. Der Vorteil dieser kognitiven / verstand bezogenen Verarbeitung des Problems ist es, dadurch völlig neue und zum ersten Mal auch befriedige Erfahrungen miteinander zu machen und im Alltag ein neues Beziehungsschemata aufzubauen.Â
Um einen konkreten Eindruck von der klinischen Arbeit in Paar-Therapien mit Borderline â Persönlichkeiten zu vermitteln, möchte ich im Folgenden einen etwas lĂ€ngerer Therapieausschnitt aufzeigen: NatĂŒrlich sind die handelnden Personen vollkommen verfremdet â aber das Handlungsschema ist faszinierend:
Herr A und Frau B beide ca. 30 Jahre alt, kommen mit einem Problem in die Therapie: So kommen nicht richtig zusammen â aber auch nicht richtig auseinander. Sie sind seit fast 10 Jahren Jahren befreundet und haben sich in der Zeit mehrmals voneinander getrennt, sind dann aber immer nach einiger Zeit wieder zusammen gezogen. Frau B beschwert sich, dass Herr A sowohl innerlich als auch rĂ€umlich zu wenig anwesend sei. Er interessiere sich nicht wirklich fĂŒr sie. Sie fĂ€llt dann immer in ein emotionales Loch welches sie nur sehr schlecht aushalten kann. Darum wĂŒrde sie sich viel lieber von ihm trennen.
Herr A. kann ihre andauernden VorwĂŒrfe und Anklagen seinerseits nur noch schlecht ertragen. Unter solchen VorwĂŒrfen kann er nicht vernĂŒnftig arbeiten und bekommt starke ZukunftsĂ€ngste. Auch er wĂŒrde sich in solchen Situationen viel lieber trennen.
Wir versuchen jetzt einmal, diese Handlungszirkel mit den Phantasien und Interpretationen des Verhaltens des anderen besser zu verstehen. Wir können dies z.B. durch eine Imagination â einen Bildvergleich. Hierdurch wird die Situation etwas verfremdet, man kann sie mit Abstand betrachten und dadurch wird ihre Struktur sichtbar.
Ich schlage vor, das Beide sich einmal vorzustellen, wie cool es wĂ€re wenn sie sich als noch recht kleine Kinder auf einem Spielplatz treffen wĂŒrden. Der Mann fĂ€ngt an und meint, er sieht sie da im Sandkasten spielen, ganz fĂŒr sich allein. Er kommt zu ihr, und er wĂŒrde sich nun gerne neben sie setzen, sie dann fragen was sie hier mache. Sie schaut ihn an, sagt aber nichts. Er weiĂ jetzt aber gar nicht ob er da jetzt mitspielen könnte oder nicht. Das ist ganz blöd.
Sie findet, das alles fĂŒhlt sich ganz komisch denn sie (!) hĂ€tte fast dasselbe Bild, nur andersherum: Sie sitzt zufrieden alleine im Sandkasten, Er kommt und schaut sie neugierig an. Aber anstatt nun mit ihr zu spielen, setzt er sich mit seinem Spielzeuglaster in die andere Ecke und nimmt sie ab dann gar nicht wahr. In ihr kommt nun ein neues GefĂŒhl hoch und ergreift die Initiative:
Sie möchte nun gerne ihren Laster mit Sand fĂŒllen, auf ihn zufahren und dann mit ihm spielen. Er reagiert aber ĂŒberhaupt nicht in ihrem Bild, sondern tun so, als wĂ€re er allein. Das macht sie dermaĂen wĂŒtend, dass sie ihm jetzt den Sand ĂŒber den Kopf schĂŒtten, und sich wieder zurĂŒckziehen möchte.Â
Beide haben den Eindruck, dass der jeweils andere ĂŒberhaupt kein Interesse an ihm hat, wĂ€hrend er selbst sich um den Kontakt intensiv bemĂŒht.
Der Mann in unserem Beispiel zieht sich bei ZurĂŒckweisung verunsichert zurĂŒck, die Frau wird wĂŒtend und greift an. Auf die Frage, ob sie dieses Verhaltensmuster bereits aus der Kindheit kennen, bejahen sie dies.
Die Mutter von Herrn A fĂŒhlte sich tatsĂ€chlich immer zu wenig geliebt und erwartete dauernd, dass man ihre WĂŒnsche errĂ€t und erfĂŒllte. Wenn das nicht geschah, zog sie sich oft beleidigt zurĂŒck und drohte damit die Familie zu verlassen. Teilweise ging sie sogar so weit, dass sie mit einem Selbstmord drohte. Dann war es logischerweise zu spĂ€t fĂŒr Liebesbekundungen, dann war sie tagelang nicht mehr ansprechbar. Da der Vater selbst sehr viel arbeitete war der Mann (Herr A) in seiner Jugend oft mit seiner Mutter allein und versuchte auf seine Weise sie irgendwie zu stabilisieren.
Wenn wir uns heute Herrn A anschauen, dann scheint es, dass er sich manchmal so verhĂ€lt wie es frĂŒher seine Mutter tat: indem er sich zurĂŒckzieht und nicht mehr ansprechbar ist. Gleichzeitig sind die quĂ€lenden Gedanken an damals noch immer noch vorhanden. Er beschĂ€ftigt sich innerlich stĂ€ndig mit der Frage ob seine Partnerin mit ihm nun zufrieden ist oder nicht. Wehrt er sich mit HĂ€nden und FĂŒĂen dagegen, wieder in seine alte Kinder-Rolle seiner Mutter gegenĂŒber zu geraten. Dies wird durch seine regelmĂ€Ăige Weigerung sichtbar, auf WĂŒnsche seine Partnerin einzugehen. Er sagt, dass er nie wieder so ausgebeutet werden möchte, wie damals  von seiner Mutter.Â
Die Frau (Frau B) hatte eine Alkoholikerin als Mutter, die so sehr mit ihren eigenen Problemen beschĂ€ftigt war, dass sie kaum registrieren konnte wie es ihrer Tochter eigentlich ging. Frau B bemutterte in ihrer Jungend ihre eigene Mutter, stĂŒtzte sie, wo immer sie konnte und lieĂ sich sogar von ihr immer wieder beschimpfen.
Erstaunlich ist, dass sie sich heute genauso bedĂŒrftig und aggressiv verhĂ€lt, wie damals ihre Mutter. Aber auch sie will â wie ihr Mann – auf keinem Fall wieder in diese fĂŒrsorgliche â selbstverleugnende Kinder-Rolle von damals hineingeraten.
Stattdessen hĂ€tte sie heute ihren Partner gerne so, wie sie sich frĂŒher eine ideale Mutter gewĂŒnscht hĂ€tte: immer aufmerksam, ihr zugewandt und vor allem auch mal fĂŒr sie verfĂŒgbar.
Die Beiden kommen aus dem Staunen nicht mehr rausâŠÂ Wie sehr doch ihre alten Kindheits-Erfahrungen im Umgang miteinander wieder aktuell werden und hochkommen.
Sie bekommen die Empfehlung, nicht allzu viel ĂŒber ihre Beziehung zu reden, sondern sich darĂŒber klar zu werden was in ihrem Leben im Moment gut verlĂ€uft und darum auch so weitergehen könnte. Sie sollen also versuchen, die Aufmerksamkeit mehr auf ihre Ressourcen und ihre gemeinsamen Ziele zu lenken.
Bei der nÀchsten Sitzung berichten Sie, dass es Ihnen recht gut ergangen sei in den vergangenen Tagen und sie mehr als sonst miteinander unternommen hÀtten. Einmal gab es ein Problem / ein MissverstÀndnis mit dem Potential zu einer Katastrophe.
Aber beide wollten das nicht mehr sondern nahmen sich ganz bewusst zurĂŒck. Dies war der erste Schritt zu einem eigenstĂ€ndigen neuen Lösungsweg / einem besseren Weg. Dann eröffnen sie aber ein neues Thema: Sie erzĂ€hlen von ihren sexuellen Schwierigkeiten die sie seit Beginn der Beziehung haben: Die Frau beschwert sich, sie mĂŒsse immer anfangen sonst passiert gar nichts. Er wĂŒrde sie nicht attraktiv finden und sie fĂŒhlt sich dadurch von ihm zurĂŒckgewiesen.
(Sie nimmt ihn also genauso desinteressiert wahr wie frĂŒher ihre Mutter und fordert von ihm in aggressiver Weise Liebe und Aufmerksamkeit.) Der Mann sagt, er fange nicht mehr an, weil sie ihn andauernd zurĂŒckweist. Er fĂŒhle sich dann sehr verunsichert durch ihre unklaren Forderungen und er wĂŒsste gar nicht, wie er damit umgehen könne. Er versucht doch schon alles um es ihr Recht zu machen. Aber irgendwann habe dann aber keine Lust mehr dazu. Beide fĂŒhlen sich sexuell unfĂ€hig, den Anderen irgendwie doch noch erregen oder befriedigen zu können.
Das Muster in ihrer Beziehung wiederholt sich immer wieder: jeder meint, er selbst wĂŒrde ganz viel in die Beziehung investieren aber der andere sei nicht wirklich interessiert.
Da beide stĂ€ndig herausfinden wollen was der andere wohl gerade fĂŒhlt – sie also nicht in ihrem eigenen fĂŒhlen sind – kann auch gar keine Lust aufkommen!!! Um diese enge Verstrickung zu lockern, erhalten sie den Rat, bis zum nĂ€chsten Termin ausdrĂŒcklich mal nicht miteinander zu schlafen. Sie sollen eher zweimal pro Woche folgende sexualtherapeutische GrundĂŒbungen machen:
Sie sollen sich mal eine halbe Stunde Zeit miteinander nehmen und sich gegenseitig ohne zu reden einfach nur streicheln, wobei der Aktive den Körper des Anderen erforscht und unterschiedliche Arten der BerĂŒhrung erprobt. Der Passive liegt derweil auf dem Bauch (so dass nur die RĂŒckseite des Körpers zum Streicheln zur VerfĂŒgung steht und ein direkter Blickkontakt vermieden wird) Dadurch können sie sich ganz auf die Körperwahrnehmung konzentrieren, und der Liegende kann einfach mal spĂŒren, was er gerne mag und was nicht so dolle ist.Â
Zwei Tage vor der nĂ€chsten Sitzung ruft der Mann aufgebracht beim Therapeuten an und sagt er wolle nicht mehr kommen sondern sich vielmehr von seiner Frau trennen. Er wird natĂŒrlich gebeten jedenfalls noch zum nĂ€chsten Termin zu kommen damit miteinander besprochen werden kann, was denn eigentlich los ist. Es stellt sich heraus, dass es den beiden in den ersten Tagen sehr gut miteinander ging. Dann aber fĂŒhlte sich der Mann von seiner Frau mal wieder kritisiert war extrem verletzt.
Warum das ganze? Er wurde verletzbar, weil er sich vorher emotional stark geöffnet hatte. Durch die âSensate-Focus-Ăbungâ (Auch StreichelĂŒbung genannt) war sehr viel / eigentlich zu viel NĂ€he entstanden. Der Schutzwall ist geschmolzen, der aber fĂŒr das Aushalten der AggressivitĂ€t des Anderen notwendig war.
In der Sitzung wird dann auch die Verletzbarkeit beider angesprochen und die Notwendigkeit sich (noch) zu schĂŒtzen. Beide formulieren dann Bedingungen, wo sie die RĂŒcksichtnahme des Anderen benötigen damit sie die Beziehung fortsetzen können: er ertrĂ€gt es nicht wenn sie ihn entwertet und kritisiert Sie ihrerseits ertrĂ€gt es nicht, wenn er sie nicht beachtet.
WĂ€hrend dieses GesprĂ€ches entwickelt sich sofort wieder eine Eskalation darĂŒber wer dem anderen denn nun Schlimmeres antut.Â
Das erinnert mich an das Spiel 1.3 aus der Transaktionsanalyse: âMach mich fertigâ Mir geht es schlechter als Dir!
Jeder möchte betonen, dass er selber stĂ€rker verletzt wird als er selbst denn verletzt. Er reagiert ja lediglich. Jeder beansprucht nun Trost und Zuwendung von dem Anderen â schlieĂlich ist er ja das Opfer.
Genauso beanspruchten frĂŒher die beiden MĂŒtter in ihrer Verletztheit und SchwĂ€che Zuwendung und zwar die ganze verfĂŒgbare Zuwendung. Wie es den anderen Familienmitgliedern ging, war dabei nicht so wichtig. Der Therapeut erinnert daran, dass man die verfĂŒgbare Zuwendung ja auch aufteilen könnte damit es ihnen beiden (!) gut geht. In einer guten Beziehung brĂ€uchte man nĂ€mlich sowohl Selbstschutz als auch RĂŒcksichtnahme und FĂŒrsorge fĂŒr den Anderen.Â
In der nĂ€chsten Sitzung berichten Sie, es sei Ihnen gut gegangen. Sie hatten viele schöne Momente miteinander – auch sexuelle! Es ist Ihnen klar geworden, dass sie sich wirklich lieben und dass sie zusammen bleiben wollten. Aber dann erzĂ€hlt die Frau, dass ihr Partner noch eine Freundin in einer anderen Stadt hat. Das wĂŒrde sie maĂlos krĂ€nken und auch beunruhigen denn vermutlich könne er sofort zu der Anderen gehen wenn es ihm bei ihr nicht mehr gefĂ€llt â sozusagen als âBackupâ dienen.
Die Rolle dieser ominösen Freundin wurde dann genauer besprochen und es zeigte sich auch, dass sie tatsĂ€chlich wie ein Schutzmechanismus zur Sicherung der Paarbeziehung diente. Herr A fĂŒhlte sich ohne diesen möglichen Ersatzes so unertrĂ€glich abhĂ€ngig von seiner Frau, dass er die Beziehung lieber vorher abbrechen wĂŒrde als von ihr âeinen Korb zu bekommenâ. âWenn schon Schluss machen â dann mache ICH Schlussâ
In der nĂ€chsten Sitzung ging es dann um ganz konkrete Dinge in der Partnerschaft: wann sie sich Zeit fĂŒr einander nehmen und wann jeder seine eigenen Angelegenheiten erledigt. Sie möchte nicht weiter hinten anstehen und immer nur die Reste seiner Zeit von ihm bekommen. Er hingegen will öfter mal in Ruhe arbeiten, und dass auch ohne SchuldgefĂŒhle – dass er sich mal wieder viel zu wenig Zeit fĂŒr sie nĂ€hme.
Darum schlossen sie dann eine Vereinbarung ĂŒber eine klaren Rhythmus von Zusammensein und fĂŒrâsichâsein als wichtige Abgrenzung und Entlastung von Projektiven PhantasienâŠ
Mit Phantasien sind die Gedanken darĂŒber gemeint, was der andere wohl will und nicht will. Denn diese werden auĂerhalb der therapeutischen Sitzungen nur selten auf ihren Wahrheitsgehalt ĂŒberprĂŒft â sie werden .
Oft passiert hier genau das Gegenteil:
Durch die GesprĂ€che in der Therapie gewöhnen sie sich aber langsam daran, diese ZustĂ€nde erst einmal auszuhalten und erst einmal nichts zu tun sondern diese Konfliktthemen fĂŒr die nĂ€chste Therapiesitzung aufzuheben. Dieses âWarten könnenâ ist ein wichtiger neuer Schritt!
Es braucht allerdings ĂŒber lange Zeit einen Therapeuten, der bei der KlĂ€rung hilft. Dies Ă€hnelt dem Bild, wie Kinder ĂŒber Jahre ihre schwierigen Situationen mit ihrer Mutter besprechen und nur ganz allmĂ€hlich verinnerlichen, dass man vieles am besten erst einmal ĂŒberschlĂ€ft.Â
Parallel zum Verstehen der Muster geht es also darum, neue Arten des Umgangs miteinander in der Therapie anzuregen um das eingeschrÀnkte Repertoire zu erweitern
Das geht besonders gut in Imaginationen, in denen beide in einer âScheinâRealitĂ€tâ vor den Augen des Therapeuten miteinander umgehen.
Dadurch wird
Diese Arbeit mit Imagination funktioniert auch bei den generellen Schwierigkeiten von Borderline-Persönlichkeiten.
Hier können die Probleme sozusagen im âAlsâobâModusâ / im âMentalisierungsraumâ probeweise abgehandelt und einer Lösung zugefĂŒhrt werden.
Die oben besprochene Therapie sollte nur exemplarisch dargestellen, wie innerhalb von Paar-Therapien die BeziehungsfĂ€higkeit wieder durch kleine Hilfestellungen von auĂen gefördert werden kann. In nahen und intimen Paar-Beziehungen ist praktisch jeder verletzbar! Auch Menschen die sonst gesund und belastbar wirken, können in Beziehungskrisen plötzlich auĂerordentlich stark und impulsiv reagieren:
Unintegrierte Affekte wie blanker Hass, kalte Wut und nackte DestruktivitĂ€t brechen förmlich als âBorderlineâPhĂ€nomeneâ hervor, etwa wenn man entdeckt, dass der Partner in einer anderen Beziehung verwickelt ist. Solche Effekte können in jedem Menschen starke Verunsicherungen hervorrufen.
Diese Verletzlichkeit, die praktisch in allen sich nahestehenden  Beziehungen vorhanden ist, wird in der Therapie von BorderlineâPaaren ganz besonders deutlich spĂŒrbar.Â
Schlussgedanken/Fazit
Wegen der Neigung zur Spaltung kommt es sehr hÀufig zu
All diese Punkte machen eine Paarbeziehung sehr schwierig â aber nicht unmöglich!!! Denn trotz all dieser Hindernisse, gelingt es so manchem BorderlineâPatienten eine dauerhafte Beziehung zu leben. Dabei dosieren sie jedoch in deutlich unterschiedlicher Weise ihre NĂ€he zum Partner als es in den anderen Partnerschaften ĂŒblich ist.
Diese Dosierung von NĂ€he und Distanz erreichen sie zum Beispiel durch z.B. eine generelle emotionale Distanzierung oder durch ein stabiles Arrangement einer Dreiecks-Beziehung.
In der Therapie ist das Hauptproblem, wie man mit den leicht eskalierenden Affekte sowohl auf Seiten der Patienten als auch des Therapeuten der ja immer in der Gefahr steht, von den GefĂŒhlen und Affekten irgendwie mit angesteckt zu werden.
Er muss sich permanent vor Augen halten, dass seine Aufgabe in der Therapie ist, genĂŒgend Schutz zu bieten!
Dies kann er, indem erÂ
Die immer wieder entstehenden emotionalen Verwicklungen aus Projektion und Projektive Identifikation mĂŒssen immer wieder angesprochen und die Ressourcen / die persönlichen FĂ€higkeiten der Partner mĂŒssen hervorgehoben werden.
Nur mit viel Geduld und Ruhe lassen sich
Borderline ist die Königsdisziplin in den zu behandelnden Störungsbildern. Dieses Buch befasst sich nicht mit einer Therapie zu Hause, in der Praxis, sondern in einem klinischen Umfeld. Die Ăbertragungsfokussierte Psychotherapie (Transference-Focused Psychotherapy, TFP) ist ein psychodynamisches Verfahren, dass die Beziehungs- und IdentitĂ€tsstörung von Borderliner ganz in den Mittelpunkt der Therapie stellt. Ihren Ursprung hat sie in der Objektbeziehungstheorie, die davon ausgeht, dass die Schwierigkeiten bei Persönlichkeitsstörungen auf nicht integrierte Persönlichkeitsanteile zurĂŒckzufĂŒhren sind. Darum mĂŒssen diese durch eine Therapie aktiviert und in das Handeln integriert werden.Â
Dieses Buch befasst sich ausfĂŒhrlich mit Diagnostik, Therapievereinbarungen, Behandlungsphasen, Therapiefokus und Arbeiten im interdisziplinĂ€ren Team. Ein tolles Werk fĂŒr jeden Facharzt.Â
Es sind viele Bereiche, die wir ansprechen können: Angefangen vom Umgang Borderline oder einer anderen belastenden Störung, aber auch ĂŒber Future Faking, Love Bombing und Gaslighting die immer hĂ€ufiger in unsere Gesellschaft zu beobachten sind.Â
Ich möchte aber nicht nur ĂŒber Fragen sprechen, sondern auch praxisgerechte Lösungen anbieten:
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