Die LebenszeitprĂ€valenz (HĂ€ufigkeit) der Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) liegt in der Bevölkerung bei ca. 5%. Am hĂ€ufigsten finden wir sie in der Adoleszenz (Endphase des Jugendalters) und bei jungen Erwachsenen.Â
Galt diese Persönlichkeitsstörung vor wenigen Jahrzehnten noch als “Nicht therapierbar”, so können wir heute zum GlĂŒck auf immer mehr therapeutische Behandlungsformen, zurĂŒckgreifen welche sich mit ihr auseinandersetzen.
In diesem 2. Teil geht es mir um die Paar- und Familientherapie. Ich möchte in diesem Blog zeigen, dass durch die Zusammenarbeit in dem allernĂ€chsten “Betroffenen-Kreis” deutlich positive Ergebnisse erzielt werden können – oft noch bessere als in der Einzeltherapie.Â
Lassen Sie uns dieses Krankheitsbild immer mit Respekt und VerstĂ€ndnis betrachten. Dazu möchte ich meinen Beitrag leisten.Â
Familientherapeutische MaĂnahmen setzen in der Therapie an der VerĂ€nderung des familiĂ€ren Beziehungsnetzes an, um dadurch dem Einzelnen die notwendigen VerĂ€nderungen zu ermöglichen.
Besonders bei der Borderline-Therapie von Jugendlichen ist es entscheidend, die Familie mit einzubeziehen, denn hÀufig hat die Störung ihren Ursprung in der eigenen Familie. Bestehen zusÀtzlich noch krankhafte Beziehungsmuster innerhalb der Familie, ist eine Familientherapie sehr sinnvoll.
Der Plan hinter all dem ist, dass das Erleben, das Verhalten und die Entwicklung des Einzelnen in enger Wechselwirkung mit seiner Umgebung steht, in welcher er lebt.
Dies gilt sowohl fĂŒr das aktuelle Leben (wie sprechen hier von der horizontalen Perspektive) und fĂŒr die in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen in der Familie (die sogenannte vertikale Perspektive).
Diese werden hĂ€ufig ĂŒber mehrere Generationen gefĂŒhrt und spielen oft ein wichtige Rolle bei Entstehung und Aufrechterhaltung von Problemen und auch Krankheitssymptomen. Die Familiendynamik hilft, die Krankheitsgeschichte zu verstehen und erlaubt die Formulierung von Hypothesen (Annahmen / Unterstellungen):        z.B.: âwelche Beziehungsstörungen waren wirksam und lösten welche Symptomatik aus?â
erlaubt aber auch die Nutzung der Ressourcen in der Partnerschaft und in der Familie, in der die Patientin heute lebt. Es wird all das besprochen, was in der aktuellen Lebensgemeinschaft verĂ€ndert werden muss, damit die Probleme âwieder in den Griffâ kommen. Beide Betrachtungsweisen: die lebensgeschichtlich-historische und die aktuell Situation, können fĂŒr den BPS Patienten psychotherapeutisch genutzt werden. Bei Persönlichkeitsstörungen spielt die Herkunftsfamilie fast immer eine wichtige Rolle.
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Vieles spricht dafĂŒr
Auch Studien ĂŒber den Zusammenhang von schweren Beziehungsstörungen und Traumatisierungen unterstĂŒtzen diese Annahme dadurch, dass innerfamiliĂ€re Traumatisierungen besonders hĂ€ufig ĂŒber Generationen weitergegeben werden.
Bei einem noch gröĂeren Prozentsatz ist mit Impulshandlungen und VerhaltensauffĂ€lligkeiten zu rechnen.
Das Problem: meistens bleibt die Wiederholung dieser innerfamiliÀren Szenarien den einzelnen Beteiligten komplett unbewusst und unbemerkt.
Eine Einbeziehung der aktuellen Familie bei einer psychotherapeutischen Behandlung ist grundsĂ€tzlich immer angebracht und vernĂŒnftig,
(1) Das âerste FamiliengesprĂ€châ â ist ein feststehender Begriff in der Familientherapie: Es handelt sich dabei meist um zwei bis drei GesprĂ€che, also eine ErstgesprĂ€chsphase.
Diese Phase hilft sowohl der Diagnostik als auch der AuftragsklĂ€rung. und dient der Entwicklung der therapeutischen Beziehung. In der Regel werden die Diagnostik und Therapie von derselben Person durchgefĂŒhrt.
(2) In der so genannten âProblemphaseâ des ErstgesprĂ€chs geht es um das spezifische Anliegen der Familie bzw. des Paares. Hier werden bereits erste Hypothesen gebildet, die dann in den GesprĂ€chen ĂŒberprĂŒft und verĂ€ndert werden.
Das Ziel dieser Hypothesenbildung besteht darin ĂŒber das Erkennen von Beziehungsmustern die eigenen Wahlmöglichkeiten zu erweitern und so fĂŒr die weitere Entwicklung (des Einzelnen, des Paares, der Familie) neue Optionen zu eröffnen.
Fragen kommen auf wie zum Beispiel folgende:
GrundsĂ€tzlich bietet es sich bei Persönlichkeitsstörungen an, den therapeutischen Schwerpunkt auf die familiĂ€ren Beziehungskonstellationen zu legen, sowohl auf die Gegenwartsfamilie als auch auf die Herkunftsfamilie.Â
Dabei wird versucht, die aktuelle Konstellation zuerst Gegenwarts- und Zukunftsbezogen zu lösen, sowohl im Vorgehen als auch in den Hypothesen. In fast allen familientherapeutischen Schulen wird routinemĂ€Ăig die Methode des Genogramms verwendet. Es handelt sich um eine historisch-biographische Perspektive, die sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie zum Einsatz kommt und vor allem der Hypothesenbildung dient.
Es erlaubt einem Therapeuten, rasch einen Ăberblick
Ein Genogramm (Ein Kofferwort bestehend aus Genealogie und Diagramm) kann man gut mit einem Familienstammbaum vergleichen. Alles wird in Symbolen dargestellt:
Diese Symbole werden durch vertikale und horizontale Beziehungslinien verbunden:Â
Diese graphische Aufarbeitung wesentlicher Daten und Beziehungen in Familien sollte ĂŒber mindestens drei Generationen aufgebaut werden.
Die sich unbewusst und oft zwanghaft âhinter dem RĂŒcken der Beteiligtenâ wiederholenden Handlungsmuster â auch ĂŒber Generationen hinweg – Â werden deutlich,
in Beziehung gesetzt werden. So werden Fixierungen und Stagnationen in der familiÀren Entwicklung sichtbar.
Durch die Daten des Genogramms spricht dann âder Kalender der Geschichteâ – und emotionell hochbesetzte Deutungen von bisher unbekannten ZusammenhĂ€ngen liegen fĂŒr die Familienmitglieder offen auf der Hand.
Die Auswertung ist – neben der nachfolgenden Ressourcenerarbeitung – der Hauptteil der Arbeit. Es werden zwei Arten von Informationen aus dem Genogramm ausgewertet.
Die Trennung zwischen âobjektivenâ und âsubjektivenâ Daten ermöglicht eine differenziertere Betrachtung:
Zu den engeren Familienmitgliedern â in der Regel die Eltern und GroĂeltern â werden dann die persönlichen StĂ€rken und Kernkompetenzen aufgeschrieben.
Hier gilt das Prinzip: Jeder(!) verfĂŒgt ĂŒber positive StĂ€rken und Kernkompetenzen und dass egal ob er / sie dem Familiensystem / dem Patienten direkt Schaden zugefĂŒgt hat.
Um das Genogramm entsteht dann etwas wie ein Rahmen, gefĂŒllt mit den StĂ€rken des gesamten Familiensystems.
Diese Visualisierung der familiĂ€ren Ressourcen berĂŒhrt den GegenĂŒber erfahrungsgemÀà sehr.
All das macht eine Neubewertung der âinneren Landkarteâ â weg vom âSchwarzsehenâ und hin zu einer positiven Selbstwahrnehmung â wieder möglich und löst nicht selten einen Motivationsschub zur Selbstentwicklung aus!
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Eine ambulante Paar- oder Familientherapie umfasst in der Regel zwischen 10â20 Sitzungen, die sich ĂŒber einen Zeitraum von 1â2 Jahren verteilen. Je nach Therapieverlauf und Motivation der Beteiligten gibt es jedoch auch Abweichungen davon.
Salopp formuliert ist die Dauer der Therapie eher kĂŒrzer, je systemischer und eher lĂ€nger, je analytischer sie angelegt ist.
(1) Ein wichtiges Ziel der Paar- und Familientherapie ist es, Entwicklungsprozesse anzustoĂen bzw. einen Wandel zu beginnen.
 Die Paar und Familientherapie ist so wichtig das sie sich inzwischen auch in klinischen Versorgungseinrichtungen als zusĂ€tzlicher Behandlungsrahmen neben der Einzel- und Gruppentherapie etabliert. Der Vorteil besteht darin, dass diese Personen an der konkreten Alltags-Beziehung arbeiten können / mĂŒssen.Â
Denn Wissen allein reicht nicht aus. Es ist wichtig, dieses Neugelernte mit konkreten âAufgabenâ / Vereinbarungen im alltĂ€glichen Verhalten zu verbinden. Die Arbeit an der konkreten Beziehung im Alltag mit der Chance, neue Beziehungsmuster zu etablieren, zeigt sich besonders in der Behandlung von Borderline-Störungen als gĂŒnstig
(2) Die Paar- und Familientherapie ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet:
(3) Welche Erfolgsaussichten hat ein paar. bzw. familientherapeutisches Vorgehen?
Es gibt hierfĂŒr eine Menge an fundierter Studien: Insgesamt gilt eine Paar- und Familientherapie wesentlich effektiver als eine Einzeltherapie – wenn es um Probleme geht, die mit familiĂ€ren / partnerschaftlichen Konflikten zusammenhĂ€ngen.
Krankenkassen ĂŒbernehmen in der Psychotherapie die Behandlungskosten, sofern es sich um eine psychische Störung mit “Krankheitswert” handelt. Dazu gehören u.a.:
Die Paar- und Familientherapie ist darum im Allgemeinen kein Bestandteil des Leistungskatalogs der Krankenkassen. Allerdings wurden die Psychotherapie-Vereinbarungen (wenn einer der Partner an einer der o.g. psychischen Erkrankungen leidet) um die Möglichkeit ergĂ€nzt, bei âspezifischer Hinzuziehung von Bezugspersonenâ Doppelsitzungen (d. h. zweimal 50 Minuten) durchzufĂŒhren und abzurechnen; dies gilt fĂŒr die Verhaltenstherapie, fĂŒr die tiefenpsychologisch fundierte und fĂŒr die analytische Psychotherapie (KassenĂ€rztliche Bundesvereinigung 1997).
Immer dann, wenn das Wohl oder die Entwicklung eines Kindes oder Jugendlichen gefĂ€hrdet ist, können die Kosten fĂŒr eine Familientherapie auch durch die JugendĂ€mter oder den SozialhilfetrĂ€ger ĂŒbernommen werden. Viele soziale und kirchliche TrĂ€ger bieten eine Paar- und Familienberatung kostenlos oder recht preiswert an.
Ein kleiner RĂŒckblick
Durch diese Psychoedukation , die Vermittlung von Wissen und Erfahrungen und auch die Vermittlung von möglichen Umgangsformen erhöhen wir die Sicherheit in der Beziehung mit den betroffenen Menschen.
Sicherheit ist dies ein wichtiger Aspekt professionellen Umgangs mit den Betroffenen, aber bei weitem nicht der Einzige.
Genauso wichtig ist die grundsĂ€tzliche Offenheit fĂŒr neue Erfahrungen, eine hohe FlexibilitĂ€t bei der BewĂ€ltigung von Problemen und Krisen sowie eine Gelassenheit bei der Gestaltung von Beziehung.
Mit diesem Blog möchte ich neugierig machen auf den Umgang mit Borderline-Patienten und gleichzeitig meine Achtung und Respekt den betroffenen Menschen (Patienten und auch Umgebung) gegenĂŒber zeigen und bei Ihnen, lieber Leser, erzeugen.
FĂŒhlen Sie sich so frei und kontaktieren Sie mich bei allen hierbei aufkommenden Fragen. Schauen Sie sich auch meinen Youtube Blog zu diesen Themen an. Sie werden hier viele Anregungen zu dem Thema finden.Â
Es sind viele Bereiche, die wir ansprechen können: Angefangen vom Umgang Borderline oder einer anderen belastenden Störung, aber auch ĂŒber Future Faking, Love Bombing und Gaslighting die immer hĂ€ufiger in unsere Gesellschaft zu beobachten sind.Â
Ich möchte aber nicht nur ĂŒber Fragen sprechen, sondern auch praxisgerechte Lösungen anbieten:
Buchen Sie sich einfach auf meinem Online-Kalender ein Zeitfenster oder nutzen Sie mein klassisches Kontaktformular um mit mir in Verbindung zu treten. Ich freue mich auf Sie. Ihr Marcus
Borderline ist die Königsdisziplin in den zu behandelnden Störungsbildern. Dieses Buch befasst sich nicht mit einer Therapie zu Hause, in der Praxis, sondern in einem klinischen Umfeld. Die Ăbertragungsfokussierte Psychotherapie (Transference-Focused Psychotherapy, TFP) ist ein psychodynamisches Verfahren, dass die Beziehungs- und IdentitĂ€tsstörung von Borderliner ganz in den Mittelpunkt der Therapie stellt. Ihren Ursprung hat sie in der Objektbeziehungstheorie, die davon ausgeht, dass die Schwierigkeiten bei Persönlichkeitsstörungen auf nicht integrierte Persönlichkeitsanteile zurĂŒckzufĂŒhren sind. Darum mĂŒssen diese durch eine Therapie aktiviert und in das Handeln integriert werden.Â
Dieses Buch befasst sich ausfĂŒhrlich mit Diagnostik, Therapievereinbarungen, Behandlungsphasen, Therapiefokus und Arbeiten im interdisziplinĂ€ren Team. Ein tolles Werk fĂŒr jeden Facharzt.Â