Schriftzug Marcsu Jähn

Hört auf zu streiten! 

Mein Rat an Trennungseltern

Titelbild Hört auf zu streitenTrennungen einer Ehe und einer Partnerschaft gehören leider zum Alltag unseres Lebens. Auch wenn die wirkliche an Trennungen nicht ermittelt werden kann, so ist die Zahl der Ehescheidungen ein zumindest kleiner Anhaltspunkt dafür, wie stabil Beziehungen heute sind.

2022 wurden per richterlichem Beschluss ca. 137.400 Ehen geschieden. Die Zahl der Trennungen von unverheirateten Paaren kann man nur schätzen. Wichtiger ist jedoch eine ganz andere Zahl in diesem Zusammenhang: Bei etwas mehr als der Hälfte aller Scheidungen waren Kinder unter 18 Jahren mit beteiligt! Insgesamt waren 2022 über 115.800 Kinder von der Scheidung ihrer Eltern betroffen. Zum Glück wird eine überwiegend große Zahl der Trennungen ohne den Gang vor den Scheidungsrichter vollzogen. Trotzdem schwebt immer noch eine beängstigende Zahl von 7.500 familienpsychologischen Gutachten im Raum.

Ich möchte dieses Thema „Rat an Trennungseltern“ einmal von dem Weg zum Richter abkoppeln. Der Hintergrund ist meine Beobachtung, dass ein Rechtsstreit

      1. über Jahre alle Beteiligten bildlich gesprochen, mürbe macht und zerreibt.
      2. Kinder von ihren Trennungseltern entfremdet und 
      3. keine Garantie dafür ist, dass am Ende die Sprachlosigkeit zwischen den Eltern und damit auch die Ohnmacht der Kinder ein Ende hat.

Wenn dies immer wieder sichtbar wird, dann sollte es zumindest möglich sein, einmal kritisch eine andere Perspektive einzunehmen. Und ja, wenn sich Eltern / Trennungseltern an mich wenden, dann habe ich grundsätzlich folgende Ratschläge… All diese Tipps sind von mir persönlich entwickelt und nach langjähriger und reiflicher Überlegung auch immer wieder in der Praxis angewendet und verfeinert worden. Darum lade ich dich dazu ein, diese einmal in aller Ruhe auf Dich wirken zu lassen, in der Hoffnung, dass sie auch Dein Denken ein wenig lenken können. 

      1. Hört auf, euch zu streiten!

Das Ende eines Streits ist ähnlich dem Auslöschen eines Feuers. Während glühende Holzkohle ca. 800°C. heiß ist, kann die Flamme bis zu 1.100 °C. sein.
Trotz dieser hohen Temperatur kann ich ein Feuer löschen, indem ich

      • kein Brennmaterial mehr nachlege
      • ihm keinen Sauerstoff mehr zur Verfügung stelle oder 
      • es mit Wasser abkühle.

Auf unseren Streit bezogen, könnte man sagen: Ich distanziere mich räumlich und mündlich von dem Streit oder ich lenke mich mit einem schönen Gedanken, ähnlich dem kühlen Wasser ab und versetze mich unter die Brenntemperatur.

Folgende Werkzeuge habe ich in den vergangenen Jahren entwickelt, um einen Streit zu beenden:

      • Die 3-Schritt-Methode (ähnlich einer Hypnose)
      • Welches Bedürfnis steckt dahinter? 
      • Kampf-Tanz-Spiel
        • Du bist echt nichts für Anfänger
        • Ich liebe es, wenn Du wütend bist
      • Ich kann erst gewinnen, wenn ich bereit bin, alles zu verlieren
        • Der Cowboy und sein Pferd
        • Das Opfer-Täter-Spiel
        • Die U.M.W.E.G.-Methode

1.1. Die 3.Schritt-Methode

Die folgenden drei Schritte sind ein Handlungsablauf, der den Gegenüber von dem eigentlichen Streitthema effektiv ablenken kann.

Sicher gibst Du mir Recht, dass es im Streit, fast immer hochemotionell zugeht. Man gerät in einen Tunnelblick und kann nur noch eingeschränkt weitere Faktoren wahrnehmen. Man ist von seinem Körper und seinen Sinnen förmlich abgekoppelt und damit in einer Form der Dissoziation.

Die folgenden drei Schritte haben das Ziel – ohne Rücksicht auf das Streitthema – den Gegenüber

      1. abzulenken und
      2. wieder mit seinem Körper in Verbindung zu kommen – zu assoziieren.

Stell Dir darum mal einen Streit mit deinem Partner / deiner Partnerin vor. Er / sie steht wütend vor Dir und überhäuft dich mit diversen Beschimpfungen. Nun beginnst du nach einem bestimmten Muster, drei paradoxe und sehr irritierende Schritte in die Tat umzusetzen:

      1. Du gehst auf deinen Partner zu und berührst in leicht am Oberarm oder der Schulter. Du gehst also in seine Intimzone und erhöhst das Streitpotential. Das ist aber erst der Anfang der Irritation, um das Gehirn des Gegenübers vom eigentlichen Streit abzulenken.
      2. Nun, im zweiten Schritt, gehst du umgehend wieder ein paar Schritte zurück. Du wirst merken, dein Gegenüber kommt in einen kurzen „Schockmoment“ ähnlich einer Hypnose.
      3. Im dritten Schritt
        1. drehst Du dich um, sagst „Ich brauche mal einen Kaffee, willst du auch einen?“
        2. gehst jedoch – ohne eine Antwort abzuwarten – aus dem Raum raus und holst dir etwas zu trinken.

Durch diese Abfolge paradoxer und damit hochirritierender Schritte erzielst du mehrere Wirkungen auf einmal:

      • Du irritierst und überforderst dein Gegenüber und lenkst ihn damit vom Streitthema ab
      • Du bringst ihn durch die Berührung zwangsläufig mit seinem eigenen Körper wieder in Kontakt. Das Buch des portugiesischen Neurologen Antonio Damasio „Ich fühle, also bin ich“ wäre hier angebracht zu lesen.
      • Du entfernst dich während der stärksten Irritation sofort aus der Gefahrenzone räumlich und lenkst das Denken auf Nahrungsaufnahme was an sich schon einen stark beruhigenden Einfluss hat.

1.2. Welches Bedürfnis steckt hinter eurem Streit?

Regelmäßig frage ich meine Gesprächspartner, was das Bedürfnis in dem Streit von ihm und dem „Streitpartner“ war. Ich bekomme dann Antworten wie:

      • „Er hat mich wütend gemacht, weil er mir nicht zuhört“
      • „Sie hat mich verärgert, weil sie an allem, was ich sage etwas zu kritisieren hat.“

So nachvollziehbar solche Sätze auch sind (er / sie hat mich … weil er / sie dieses / jenes getan hat). Jedoch sind dies lediglich die Auslöser einer Emotion, jedoch nicht die Ursache. Man kann dies mit einem Lichtschalter und dem Strom vergleichen. Wenn ich einen Lichtschalter betätige und eine Lampe anfängt zu leuchten, dann bringt nicht der Lichtschalter die Lampe zum Leuchten, sondern der Strom, der nun zu fließen beginnt. Der Lichtschalter ist der Auslöser – der Strom die Ursache.

Macht mich jemand wütend, traurig, frustriert oder ärgerlich, dann ist er / sie der Auslöser, jedoch nicht die Ursache. Die Ursache sind immer meine Bedürfnisse! Und diese sind bei allen Menschen grundsätzlich erst einmal sehr ähnlich…

      • Ich möchte zu anderen in Kontakt kommen, von ihnen gesehen werden und eine Beziehung / eine Zugehörigkeit mit ihnen aufbauen.
      • Ich habe das Bedürfnis nach Sicherheit und Schutz.
      • Ich habe das Bedürfnis nach Ruhe und Erholung.
      • Ich benötige Anerkennung, Selbständigkeit und Würde (althochdt. „wirdi“ = Wert, das Ansehen einer Person)
      • Ich wünsche mir Empathie – das Gefühl, unser Gegenüber versteht uns, hat Verständnis für uns.

Wenn mich jemand also wütend macht, weil man mir nicht zuhört, dann könnte sich mein Bedürfnis nach Empathie gemeldet haben.
Oder der andere kritisiert mich andauernd. Da ist es vielleicht mein Bedürfnis nach Anerkennung und Autonomie (Selbständigkeit) was sich nicht genug beachtet fühlt.

Was wäre mein Rat in diesem Zusammenhang? Mach dich verletzlich und sprich über deine wirklichen Bedürfnisse, über das, was dein tiefer innerer Wunsch ist und nicht über das, was der andere tun oder unterlassen soll, denn das kommt erst danach…

Machen wir dies an einem Beispiel fest. Nehmen wir an, du bist im Streit mit deinem Partner, der dich heftig kritisiert. Deine Antwort könnte nun lauten:

      • „Dieser Streit macht mich wütend, da ich mich hier nicht gesehen fühle. Ich benötige in diesem Moment deine Aufmerksamkeit und deine Bereitschaft mir zuzuhören, ohne mich zu kritisieren. Das kann mir helfen, wieder meine Gefühle unter Kontrolle zu bringen.“

1.3. Die „Kampf-Tanz-Spiel-Methode“

Wir alle sind unvollkommen. Darum rutschen uns oft nicht gewollte Wörter raus oder wir nehmen Äußerungen des Gegenübers falsch war. Besonders das Letztere hat etwas mit meiner Haltung dem Leben und mir gegenüber zu tun. Bin ich in einer Familie aufgewachsen, in der man mit permanenten Schuldzuweisungen und Vorwürfen hat leben müssen, dann ist der erste Reflex häufig eine Selbstverteidigung. Selbstverteidigung gehört aber in einen Kampf und von diesem Gedanken möchte ich dich durch diesen Beitrag einmal abwenden.

Stell dir vor, du bist der Torero / der Stierkämpfer in einer Arena. Für den Stier geht es nur um den Angriff – einen Kampf also. Du kannst aber aus deinen Ausweichschritten statt eine Verteidigungshaltung auch fast schon so etwas wie eine Choreographie erstellen – einen Tanz. Dies wäre dann deine eigene Entscheidung! Und mal ganz ehrlich … für was erhält der Torero wohl mehr Applaus? Ist es nicht der Tanz mit dem Stier?

Wenden wir das alles mal auf unser Beispiel eines Streits an: Kommt eine für dich bissige oder verletzende Äußerung an dich heran, dann könntest du verständlicherweise mit einer Verteidigung oder auch einem Gegenangriff reagieren. Was aber würde geschehen, wenn du stattdessen mit einer spielerischen Variante antwortest? Ich denke hier an Äußerungen wie …

      • „Du bist echt nichts für Anfänger mein Schatz und darum hast du dir auch den besten Partner der Welt ausgesucht … nämlich mich 😊.“ Wenn du dies mit einem sanften Unterton sagst und dabei lächelst, hast du gute Chancen auf einen schönen Resttag.
        Oder was hältst du von folgender Variante?
      • „Ich liebe es, wenn Du wütend bist…“ Auch dies, mit einem Augenzwinkern und einem spielerisch warmen Unterton gesagt, kann viel Schärfe aus einer Situation nehmen.

1.4. Ich kann erst gewinnen, wenn ich bereit bin, alles zu verlieren

      • Der Cowboy und sein Pferd
      • Das Opfer-Täter-Spiel und 
      • die U.M.W.E.G.-Methode

Keine Situation ist wie die andere. Darum ist es immer gut, wenn man sich mit ein paar unterschiedlichen Werkzeugen vertraut macht, um dieses dann passend anzuwenden. Aber keine Sorge, so viele Werkzeuge benötigt man nicht wirklich. Meiner Erfahrung nach, sind es maximal 5 bis 10 verschiedene Ansatzpunkte, die ausreichen um sich in seinem Leben einen Situations-Vorteil zu verschaffen.

1.4.1 Nehmen wir einmal den Vergleich eines Cowboys mit einem neuen Pferd. Das noch wilde Pferd kommt aus der völligen Freiheit und muss ich in ein neues soziales Geflecht der Herde einfügen. Das bedeutet, dass ihm unmissverständlich Regeln hierfür aufgezeigt werden müssen. Wann denkst du ist hierfür der beste Zeitpunkt? Am Anfang, oder erst später wenn sich ein Verhalten in der neuen Gruppe bereits etabliert hat? Mit Sicherheit stimmst du mir zu, wenn ich sage, dass man ganz am Anfang mit weniger Einsatz, mehr Ergebnis erzielen kann.

Ein Vergleich aus der Wirtschaft zeigt dies m.E. recht anschaulich. James Heckmann erhielt im Jahre 2000 den Wirtschafts-Nobelpreis. Durch seine Forschungen bewies er, dass eine Investition in einen jungen Menschen – am besten im Vorschulalter – ein Mehrfaches an Ausgaben in späteren Jahren vermeidet. Professor Dr. Kurt Hahlweg von der TU in Braunschweig bezifferte diese Ersparnis sogar auf 17 Dollar für jeden investierten Dollar im Vorschulalter.

Und was bedeutet dies nun in unserem Vergleich mit dem Cowboy und dem Pferd und welcher Zusammenhang besteht zum Thema Streit? „Initiis resistere“ oder „Principiis obsta“ „Wehret den Anfängen, denn zu spät wird die Medizin bereitet, wenn die Übel durch zu langes Zögern erstarkt sind.“ Bei jeder Diagnose einer Krankheit wird geschaut, wie lange diese bereits besteht und wie sehr sie sich festgesetzt hat.

Bei einem Streit ist genau der Anfang entscheidend, wie es weitergeht. Meiner Beobachtung nach, kommen viele Menschen zu mir, die genau hier zu lange gewartet haben. Ein festes, klar und deutlich kommuniziertes „Stopp-Signal“ direkt am Anfang ist die erfolgversprechendste Vorgehensweise, wenn ein Streit aufkommt. Sofort, klar, deutlich und kompromisslos handeln! Das (!) ist die Formel, die uns „der Cowboy und das Pferd“ lehren.

1.4.2. Das Opfer-Täter-Spiel und die U.M.W.E.G.-Methode

Wir wachsen in einer Welt voller „sollte“ und „müsste“ auf. Erreiche ich nicht meine Ziele ist häufig die Schuld / Scham / Opferrolle vorprogrammiert. Hinzu kommt dann unsere Abwehrreaktion, indem wir uns als Opfer und unser Gegenüber als Täter bezeichnen – und umgekehrt so bezeichnet werden.

Was könnte man tun, um aus dieser Spirale herauszukommen? Mein klares Bekenntnis ist, das offene Visier. Es geht darum,

      1. die Opfer-Täter-Bezeichnung klar zu formulieren und
      2. unmissverständlich zu zeigen, dass wir dieses „Spiel“ nicht mitmachen werden.

Wie ginge dies in der Praxis? In einem Streit könnte man folgendermaßen reagieren:

      1. „Durch Deine Worte / Dein Verhalten … machst Du mich zum „bösen Täter“ und Dich selbst zum „guten Opfer“
      2. Indem Du nun aber einerseits (wie ein Opfer) deine Rechte einforderst, andererseits jedoch (wie ein Täter) dauernd gegen unsere Regeln verstößt, bringst Du mich dazu, entweder (wie ein Opfer) über Deine Fehler hinwegzuschauen (was gegen meine Werte ist) oder in die Rolle eines Täters zu gehen und Dich zu bestrafen.
      3. (1) Sei dir darum sicher …. ich spüre deine Angst
        (2) Sei dir auch sicher ich werde dich immer unterstützen
        (3) Die Wahrheit jedoch ist, dass …
        • wir dieses Problem haben und ich auf Deine Unterstützung angewiesen bin. Was wäre Dein Vorschlag und wie kann ich dir dabei helfen? Denn … WIR sind das Team!!!

1.4.3. Im Schritt 3 habe ich eine Methode verwendet, welche ich als die U.M.W.E.G.-Methode bezeichne.

U = Unterstützung  – M = Mitgefühl – W = Wahrheit – E = Empathie – G = Geduld.

Dieses gehirngerechte Antworten spricht zuerst das limbische System emotional an, um erst danach (!) auf Wahrheit und Fakten hinzuweisen. Dieser Weg hilft kolossal, um Streitigkeiten schnell beizulegen, denn er dreht unsere „normale Vorgehensweise“ grundsätzlich um. 

Anstatt zu sagen: „Ich bin wütend, weil du dieses / jenes gemacht hast“… wird hierbei zuerst einmal eine Wertschätzung / eine Zusicherung gegeben: „Sei dir sicher …“ bevor (!) auf eine Lösung hingewiesen wird. Dies beruhigt das emotionale / limbische Gehirn und macht den Weg über den Thalamus frei in den Präfrontalen, kognitiven Neokortex.   

2. Wenn die Trennung erst vor kurzem vollzogen wurde (KKL)

      • Das Kontinuitätsprinzip
      • Kommunikation
      • Loyalität

Leider trennen sich viel zu viele Paare bereits schon nach relativ kurzer Zeit. Und wer ist dann oft der Hauptleidtragende? Zuallererst einmal die Kinder. Aber warum ist dem so? Es kommt daher, weil alle Kinder mit einer festen Annahme / einer Konstante auf die Welt kommen:

      • „Die Liebe meiner Eltern zu mir und untereinander ist unendlich und unbestreitbar.“
        • „Wenn die Eltern sich streiten, dann kann es nicht an den Eltern liegen.“ „Der Grund muss ich sein.“

So unlogisch sich dieses für einen erwachsenen Außenstehenden auch anhört … für das Kind ist dies eine feste Gegebenheit / ein unveränderliches Naturgesetz.

Das Paare sich trennen ist eine alltäglich zu beobachtende Tatsache und darum ist es nur richtig, wenn wir uns mit diesem Thema auseinandersetzen. Es gibt bei der Beratung von Trennungseltern jedoch eine zeitliche Komponente, die wir nicht unterschätzen und schon gar nicht über einen Kamm scheren dürfen: Die Situation von frisch getrennten Familien unterscheidet sich gewaltig von denjenigen, die seit Monaten oder schon länger in dieser neuen Situation leben. Dies sieht der Gesetzgeber auch ähnlich und hat mit dem §155 FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) einen Vorrangs- und Beschleunigungsparagraphen in das Gesetzbuch verankert.

Gerade in den ersten Wochen der Trennung, wo der Schock über die neue Situation erst noch von allen – besonders den Kindern – verdaut werden muss, sind drei Leitlinien besonders im Fokus der Beobachtung:

      • Kontinuität
      • Kommunikation
      • Loyalität

Diese sind zwar grundsätzlich immer wichtig, sie zu beachten ist nun aber besonders angebracht. Was versteht man unter diesen drei Aspekten?

2.1. Das Kontinuitätsprinzip

Kontinuität kommt wie so viele Wörter unserer Sprache aus dem lateinischen Wortschatz. Abgeleitet von „continuare“ bedeutet es „weiterführen, fortfahren“. Es beschreibt eine gleichmäßig und ohne Lücke durchgeführte Handlung. Für unser Thema rund um Trennungsfamilien bedeutet dies folgendes: In allererster Linie geht es in einem Familiengerichtlichen Verfahren immer erst einmal um das Kindeswohl

(§1697a BGB Soweit nichts anderes bestimmt ist, trifft das Gericht in Verfahren über die in diesem Titel geregelten Angelegenheiten diejenige Entscheidung, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten entspricht.)

Oft können sich Trennungseltern aber nicht mehr vernünftig miteinander unterhalten, geschweige denn, Regelungen aushandeln. Darum gibt es im BGB auch den Paragraphen 1671, der eine Leitlinie für die Elterliche Sorge vorgibt. Getrennt lebende Eltern, die sich nicht mehr selber über die Sorge des Kindes einigen können, bekommen vom Gericht aus eine neue Regelung. Diese Regelung orientiert sich auch immer an dem Kontinuitätsprinzip, wie dies aus folgenden Paragraphen erkennbar ist:

  • BGB §1632 Absatz 4: Lebte ein Kind länger in einer Pflegefamilie, können die leiblichen Eltern das Kind nicht so ohne weiteres aus dieser Gemeinschaft herausholen.
  • BGB §1666a Absatz 1 Die räumliche Trennung ist immer nur die letzte Möglichkeit, nachdem alle anderen – auch öffentlichen Hilfen – ausgenutzt wurden.
  • BGB §1682 Ein Elternteil kann nicht so ohne weiteres das Kind dem anderen Elternteil wegnehmen.

Besonders dieser letzte Paragraph 1682 zeigt, dass am Anfang einer Trennung noch ein ganz anderer Handlungsspielraum besteht. Wenn eine Mutter z.B. auszieht und die Kinder dem Vater und der Wohnstätte entzieht, dann ist dies ein Bruch in dem Kontinuitätserleben des Kindes und fast schon „ein Elfmeter“ für den Anwalt… 

2.2. Das Kommunikationsprinzip

Kommunikation kommt aus dem Lateinischen „communicare / communis“ und bedeutet so viel wie „teilhaben, gemeinsam“. Kommunikation steht immer mit „einer Verbindung“ im Zusammenhang. Und dass sich Trennungseltern über das Kind miteinander unterhalten, ist so elementar wichtig, sodass dies sogar das Oberlandesgericht Hamm in einem Beschluss untermauert: Beschluss v. 01.02.2012, Az.: II-2 UF 168/11.

Ein unverheiratetes Elternpaar hatte sich getrennt und die Mutter weigerte sich, mit dem Ex-Partner persönlich zu sprechen. Sie tat dies lediglich schriftlich. Nachdem ein paar Jahre ins Land gezogen sind, beantragte der Vater dann das gemeinsame Sorgerecht. Trotzdem die Mutter sich weigerte, bekam der Vater in der 2. Instanz vor dem Gericht Recht. Warum? Weil die Richter der Überzeugung waren, dass das gemeinsame Sorgerecht für eine bessere Kommunikation zwischen den Eltern besser wäre, als wenn das alleinige Sorgerechte bei der Mutter verbleiben würde.

Mein Rat an alle Eltern: Haltet euren Kommunikationskanal von Anfang an und auf allen Ebenen offen. Meine Beobachtung ist nämlich, dass sich oft gegenseitig auf den Kanälen blockiert wird. Dies macht keinen guten Eindruck beim Familiengericht…

Die Kommunikation und damit auch die Kooperation ist ein Bereich, der vom Familiengericht und auch von dem familienpsychologischen Gutachter sehr kritisch beäugt wird. Denn, Kinder benötigen beide Eltern! Und wenn die Eltern nicht miteinander sprechen, dann grenzen sie logischerweise auch das Kind von dem anderen Elternteil ab. Ein Ratgeber für Gutachter im familienpsychologischen Dienst rät zu einer zumindest „geschäftsmäßigen Kommunikation“ und Kooperativität und damit sind wir bereits beim nächsten Thema:

2.3. Das Prinzip der Loyalität.

Was verbirgt sich hinter dem Begriff der Loyalität? Wenn wir dieses Wort einmal aus dem Blickwinkel einer anderen Sprache, zum Beispiel dem Hebräischen betrachten, dann beschreibt es eine Person, die aufgrund von Güte, Freundlichkeit und Liebe unerschütterlich an etwas oder jemandem festhält. Loyalität ist also etwas anderes als Treue!

Treu – sogar bis in den Tod – kann jeder sein, egal ob Soldat oder Hund. Loyalität hat aber ein intrinsisches Motiv: die Liebe. Und Liebe war doch mal ein wichtiges Thema der Eltern, denn ansonsten ist man vorher doch nicht zusammengekommen.

Nun sind aber die Eltern getrennt. Wie kann man unter solchen Umständen trotzdem noch Loyalität zeigen? Indem die Eltern alles tun, um den Kommunikations- und Kontaktkanal zwischen den Kindern und dem getrennten Elternteil aufrechterhalten und aktiv (!) fördern. Mein Rat an Eltern in der anfänglichen Trennungszeit: Notiert euch zeitnah alles was ihr unternehmt, um das Kind mit dem anderen Elternteil im Kontakt zu halten. Diese Aufzeichnungen – am besten in einem gebundenen Buch / ein DinA5 Kalender eignet sich hierfür hervorragend – sind am Tag des Gerichts und für den Anwalt Goldwert. Dieser Tipp gilt sowohl für die „frische Trennung“ aber auch für diejenigen, welche sich schon eine längere Zeit in Trennung befinden.

3. Wenn die Trennung bereits Monate oder länger zurückliegt

3.1. Die Macht des gebundenen Buches

In vielen Prozessen geht es oft weniger um das Recht, sondern eher um den Beweis der Frage:

      • wie glaubwürdig sind die Aussagen der Verfahrensbeteiligten?
      • wie aussagekräftig ist ein vorgelegter Beweis oder
      • wie stark sollen Indizien gewichtet werden?

Das Thema Beweiswürdigung ist mit die zentrale Aufgabenstellung in fast jeder gerichtlichen Auseinandersetzung. Die Herausforderung liegt nicht zuletzt darin, da es in der Vergangenheit versäumt wurde, ein hierfür nachvollziehbares geschlossenes System zu entwickeln. Darum mein Rat an alle, die sich wegen Trennungs- / Sorgerechts- und / oder Unterhaltsfragen schon vor Gericht sehen:

Besorgt euch zwei Notizbücher. In das eine Notizbuch trägst du alles Zukünftige ein, was zwischen dir und deinem Trennungspartner so passiert. In das andere Notizbuch trägst du das ein, was in der Vergangenheit passiert ist. Naturgemäß wirst du dich nicht an alles sofort erinnern. Darum mein erweiterter Rat bezüglich dieses „Erinnerungsbuches“: Angenommen, du befindest dich bereits zwei in einer Trennung. Dann reden wir über ca. 100 zurückliegende Wochen. Nimm dir das Buch und reserviere pro Woche eine Doppelseite. Dann trägst du in den kommenden Tagen und Wochen nach und nach das ein den Wochen ein, an das du dich erinnerst. Ein gebundenes Buch ist vor einem Gericht immer ein besonderer Trumpf in der Hand.

3.2. Das kleine „Pixi-Büchlein“

Kennst du sie noch, diese kleinen 10 x 10 cm großen und lediglich 24 Seiten starken Büchlein? Sie sind klein genug für auch Kinderhosentaschen aber groß genug für viele Erinnerungsfotos. Mein Tipp an alle Trennungseltern ist folgender:

Erstelle regelmäßig – am besten nach jedem Kinderwochenende – ein kleines Mini-Fotobüchlein mit den Fotos des zurückliegenden Treffens. Du bestellst diese Online – am besten in dreifacher Auflage – und gibst deinem Kind beim nächsten Treffen eines der drei Bücher, eines verbleibt bei dir und eines bleibt in Reserve, um dieses als Beweismittel eurer Treffen, eurer Bindung, eurer Liebe zueinander zu dokumentieren.

Und warum keine Bilder als WhatsApp oder Email? Weil unser Gehirn mit Offline-Erinnerungen viel tiefer in Berührung geht als mit den flüchtigen elektronischen Erinnerungen! Probiere es mal selber aus … Nimm ein gedrucktes Fotoalbum in die Hand und danach ein Tablett oder Handy. Allein der Unterschied in der Haptik zwischen dem Blättern und dem Wischen ist beeindruckend!

4. Wenn Anschuldigungen wie z.B. eine Anzeige im Raume stehen

Was soll man tun, wenn böse Anschuldigungen im Raume stehen? Gerne und häufig wird z.B. der Vorwurf der körperlichen Gewalt genommen. Natürlich möchte man unter solchen Umständen den eigenen Leumund am sofort reinwaschen … leider geht dies aber nicht. Darum mein folgender Tipp: Mach es, wie es im „Kaukasischen Kreidekreis“ von Bertolt Brecht beschrieben wird. In einem Satz persönlich zusammengefasst:

„Was du behalten willst, dass lass los…“

Hier eine Kurzfassung: 

In einem fiktiven Staat (Grusinien) wurde ein reicher Gouverneur (Abaschwili) bei einer Revolution umgebracht. Seine verwöhnte Frau (Natella) floh und ließ ihren Sohn, den Erben (Michel) zurück der nun von der Magd (Grusche) in ihrem Heimatdorf in den Bergen beschützt wurde. Einige Zeit später erinnerte sich Natella, dass dort ja noch ein Erbe zu holen sei und fand auf Umwegen heraus, wo ihr Sohn nun lebte. 

In dem Dorf angekommen, forderte sie die Herausgabe des Jungen. Aber die Magd hatte ihn so liebgewonnen, dass sie nicht gehen lassen wollte. Also ging man zu dem Dorfschreiber Azdak, der irgendwie auch als Richter fungierte. Er war zwar ein einfacher man, dafür aber mit einer großen Portion Bauernschläue ausgerüstet. Er ließ nun einen Kreidekreis auf dem Marktplatz zeichnen, stellte die beiden Frauen und den Jungen hinein und sagte: „Zieht! Wer den Jungen am meisten liebt wird am stärksten ziehen…“ Grusche spürte die Angst und den Schmerz des Jungen, als die leibliche Mutter stark zog und ließ den Jungen aus Mitleid los. Azdak und das gesamte Dorf erkannten, wer die „wahre Mutter aus dem Herzen heraus“ war und jagte die biologische Mutter fort.

Was können wir als Trennungseltern hieraus mitnehmen? Bei ungerechten Angriffen lohnt es sich, zuerst einmal loszulassen. Alles was wahr ist, wird wieder zurückkommen – dann aber umso mächtiger! Leider ist unsere Welt voller Ungerechtigkeit, sodass solche Umwege nötig sind. Aber kreuzt man nicht auch vor dem Wind, wenn er von vorne kommt?

5. Grundsätzliche Anforderungen an Eltern – Stark wie ein Leuchtturm sein.

Eine Trennung ist wie eine Fahrt in einem kleinen Schiff mitten im Sturm. Durch die Wellen und den Wind wird es hin und hergeworfen … kaum in der Lage, sich über Wasser zu halten.

Was ist dann eine wirkliche Hilfe für die Schiffsbesatzung? In erster Linie ein Zeichen, wo der sichere Hafen ist. Wie sollte solch ein Wegweiser zum sicheren Hafen denn aussehen und wie nicht? Mit einem Augenzwinkern möchte ich erst einmal zeigen, wie es NICHT sein sollte: Solch ein Schiff braucht kein Licht, was immer nur bis kurz vor den Bug scheint, und leidlich die nächste Welle anstrahlt. Das Boot ist für die Wellen einigermaßen ausgerüstet.

So etwas erinnert mich an die vielen Paare, Freunde, Verwandten die dann immer wieder durch kurzgedachte Ratschläge „du musst ihn verlassen“, „das kenne ich, das ist mir auch schon passiert“ für noch mehr Verwirrung sorgen. Oder sie fragen immer wieder – jedoch ohne eigene Orientierung – „was kann ich für dich tun? Wie kann ich dir helfen?“

Wer in Seenot ist, der ist in Seenot und braucht einen sicheren und ruhigen Hafen. Das ist erst einmal der Fakt. Was also braucht eine Trennungsfamilie? Was benötigen Trennungskinder wirklich von ihren Eltern? Die Aufgabe der Eltern ist es nun – gerade in der Trennung – für Ihre Kinder stark und fest zu sein, wie ein Leuchtturm. Aber wie geht dies?

Ein Leuchtturm zeichnet sich durch zwei Dinge aus:

      • Das Lichtsignal mit dem er den Weg zum sicheren Hafen aufzeigt.
        • Und bitte beachte: Ein Leuchtturm strahlt nicht am Tage … Sein Signal beginnt bei schlechtem Wetter!

      • Seine unverrückbare Standfestigkeit. Er bewegt sich keinen Millimeter von seiner Stelle weg. Auch wenn die Wellen und der Wind noch so sehr gegen ihn schlagen … er steht und steht mit seinen Leitlinien, seinen Werten, seiner Transzendenz fest für alle sichtbar.

Vielleicht ist dieser letzte Punkt sogar der wichtigste in diesem Beitrag. Trennungseltern müssen für ihre Kinder nun die stärkste Instanz an Stabilität aufweisen. Nur dann können sie die kleinen Kinderseelen halten und auf das Leben vernünftig vorbereiten.

Lassen Sie uns miteinander ins Gespräch kommen. 

Marcus Jähn Werde wieder stark durch CoachingEs sind viele Bereiche, die wir ansprechen können: Angefangen vom Umgang Borderline oder einer anderen belastenden Störung, aber auch über Future Faking, Love Bombing und Gaslighting die immer häufiger in unsere Gesellschaft zu beobachten sind. 

  • Was ist das eigentlich, eine Persönlichkeitsstörung, ein Perfektionismus, ein Spaltung oder eine Gegenübertragung?
  • Kann ich trotz Borderline oder Narzissmus eine stabile Partnerschaft aufbauen und damit über Jahre hinweg leben? 
  • Ist eine Kommunikation mit einem Borderliner möglich? Wie hilft hier die U.M.W.E.G.-Methode©? 
  • Kann ich meine Bindungsangst oder Verlustangst irgendwann einmal kontrollieren?
  • Was kann ich tun, wenn ich mich gerade in einer Trennung befinde, oder kurz davor bin?


Ich möchte aber nicht nur über Fragen sprechen, sondern auch praxisgerechte Lösungen anbieten:

  • Eine humorvoll und spielerisch – ja fast tänzerisch – eingesetzte Gewaltfreie Kommunikation in Kombination mit der von mir entwickelten 
  • U.M.W.E.G.-Methode© und nicht zuletzt die Transaktionsanalyse als Sprachkonzept können helfen, auch in schwierigen Situationen noch kühlen Kopf zu bewahren. 

Buchen Sie sich einfach auf meinem Online-Kalender ein Zeitfenster oder nutzen Sie mein klassisches Kontaktformular um mit mir in Verbindung zu treten. Ich freue mich auf Sie. Ihr Marcus

Marcus Jähn Meine Buchempfehlung zu diesem Thema

Was du als nächstes sagst, wird deine Welt verändern!

Unsere persönliche Realität ist immer auch eine Geschichte, die erzählt wird, und diese Geschichte immer auf Sprache begründet. Die gewaltfreie Sprache ist eine bewusst gewählte Handlung – Bewusstsein und Handlung, zwei siamesische Zwillinge. Wenn wir uns wirklich bewusst sind, was wir mit unserer Sprache tun und bezwecken, dann kann unsere Welt anders werden. 

In diesem Werk werden die 4 Ebenen und damit der gesamte Prozess der GFK sehr genau beschrieben: Beobachtung, Gefühle, Bedürfnisse und Bitten. Es ist gleichermaßen für Diplomaten, aber auch für Eltern und Paare eine Schatzkiste an wirksamen Hilfsmitteln. Ich denke da auch an „Bretts Lied“ dem Sohn von M. Rosenberg. Dieses Buch hat mich persönlich für viele Streitgespräche als Mediator sehr gut ausgerüstet.

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