Wenn ein Kind auf die Welt kommt, dann ist es der sehnlichste Wunsch aller Eltern, ihm ihre ganze Liebe zu schenken. Das ist auch wirklich „gut“ so, denn Kinder kommen als „unfertige geistige Frühgeburt“ auf die Welt und sind auf den Schutz und die unbedingte Liebe beider Eltern angewiesen. Ihre ersten Blicke, Gesten und auch Ihre ersten Worte in Ihrem Leben zeigen ihr ganzes Hoffen und Ihre Sehnsucht nach uns als ihren Eltern, dass wir bereit sind, Ihnen auf dem Weg ins Leben schützend und liebevoll zur Seite zu stehen. Sie strecken Ihre Ärmchen zu uns auf und wir nehmen sie in unseren Arm. Sie schenken uns ihr Lächeln und wir lächeln mit vollem Herzen zurück. Dieses Band der Liebe / diese Band der Einheit ist so kostbar und es stellt sich wie von alleine zwischen Eltern und ihren Kindern ein.
Auf diese Weise entsteht dann genau das was in der Psychologie „Bindung“ genannt wird. Diese Bindung zwischen dem Kind und den Eltern wird durch eine Trennung der Eltern jedoch schwer beeinträchtig. Wie wir Eltern diese katastrophale Situation aber etwas entschärfen können, davon handelt dieser 4. Teil in der Kurz-Serie „Was tun bei einer Trennung?“
Wenn Eltern sich trennen, dann ist es eine Tatsache, dass sowohl Kinder aber auch Jugendliche hierdurch mehr als nur stark betroffen sind und mehr als nur darunter leiden … mehr als es ihren Eltern oft bewusst ist.
Obwohl sich zum Glück viele Elternteile sehr darum bemühen, die Atmosphäre in der Familie während einer Trennung so entspannt wie möglich zu halten, ist die Atmosphäre in der Realität trotz allem überhaupt nicht entspannt, sondern von den Streitereien und der Bitterkeit zwischen den beiden Eltern stark geprägt.
Und was ist die Folge dann davon? Sowohl Kinder als auch Jugendliche werden dabei häufig sowohl sehr emotional als auch in der direkten Behandlung zurückgestellt und vernachlässigt. Und oft werden sie dann von ihren Eltern dahingehend missbraucht, dass sie doch entweder zur Mutter oder zu dem Vater Stellung beziehen sollen.
Dann geschieht genau das was nicht geschehen darf: Wie ein Pingpong-Ball oder ein kleiner Zankapfel, befinden sich die Kinder nun im Streit zwischen den Fronten ihrer Eltern. Die gehen oft gegeneinander bis vor das Gericht um ihre (in ihren Augen) gerechtfertigte Position rund um das Besuchsrecht, das Unterhaltsrecht oder auch um das Sorgerecht zu erhalten.
Wenn wir uns das einmal bewusst vor Augen halten – zu welch einer inneren Zerrissenheit das alles bei den Kindern führt – weil sie unter diesen Loyalitäts – Forderungen einfach nur leiden – dann wird uns auch bewusst, welche psychischen Folgen eine Trennung oder eine Scheidung für ein Kind hat.
Das Kind/der Jugendliche ist in einer Situation die dramatischer eigentlich nicht sein kann:
1. Es (das Kind) ist nämlich lebensnotwendig von der Fürsorge und der Versorgung durch seine Eltern abhängig
2. Seine persönliche Entwicklung ist nämlich noch lange nicht abgeschlossen und selbst wenn ein junger Mensch körperlich erwachsen sein mag, dann geht seine geistige Entwicklung doch immer noch bis weit in die zwanziger oder dreißiger Lebensjahre voran. Und wenn du einmal ganz ehrlich mit deinem Leben gerade in die eigene Selbstprüfung gehst, dann kannst du bestimmt auch nur bestätigen, dass du (egal wie alt du bist) dich immer noch weiterentwickelst.
Und du hast auch das Recht zu dieser Weiterentwicklung!
Aber erinnere dich einmal, welche Entwicklungssprünge du als Kind gemacht hast, wie stolz du darauf warst und wie wichtig es für dich war, dass dies von deinen Eltern dann auch beachtet, reflektiert und auch entsprechend gewürdigt wird.
Da die Eltern aber gerade jetzt traurigerweise mit ihrer eigenen Trennung und den damit einhergehenden Gefühlen wie zum Beispiel
– Enttäuschung und Wut,
– die Abwehr von ihren Schuldgefühlen,
– das eigene Versagen
– oder auch das Verletzt sein durch den Partner
oft einfach nur überfordert und überwältigt sind, haben sie gar keine Kraft mehr sich auf die Entwicklung des Trennungskindes einzulassen.
Der Fakt ist, das Kind ist mit seinem eigenen Erleben in seiner eigenen Entwicklung oft komplett alleingelassen.
Und was macht ein Kind, wenn es allein gelassen wird?
Oftmals genau das, was ein Kind auch macht, wenn es das Gefühl hat, dass ein Geschwisterkind ihm vorgezogen wird:
Es verschafft sich durch größere Lautstärke oder andere Verhaltensauffälligkeiten einfach mehr die Chance, die Aufmerksamkeit wenigstens eines Elternteils zu bekommen.
Wie sehen die Chancen bei einem Trennungskind aus, welches nicht mit solchen „lauten Verhaltensauffälligkeiten“ ankommt – das nicht lauthals auf sich aufmerksam machen kann? Denn ja, es gibt ja auch die anderen Kinder, die eher mit einer „ruhigen Bedrücktheit“, einer Überanpassung oder mit einer Antriebslosigkeit reagieren. Diese Kinder werden fast immer „übersehen“. Und wenn ein Kind eher depressiv auf den Verlust eines Elternteiles reagiert, dann ähnelt dies stark der Verlustreaktion als wenn eines der Elternteile gestorben wäre.
Aber bei einer Trennung ist das Trennungs-Elternteil nicht gestorben – es ist gegangen und hat in den Augen des Kindes die Familienliebe beendet. Das ist eine noch viel schlimmere Handlung oder Situation für das Kind als ein Todesverlust.
Denn dann reagiert es nicht nur mit Trauer und Schmerz, dann kommt auch noch die Hilflosigkeit, die Resignation und die Ohnmacht über diese Handlung hinzu.
Und was das alles so traurig macht ist die Tatsache, dass Scheidungskinder oft mit diesem Verlust / der Trennung von einem der Elternteile alleine gelassen werden und es den Gedankengang nicht aus dem Kopf löschen kann, die Trennung der Eltern selber nicht verhindert haben zu können – vielleicht sogar begünstigt zu haben.
Gerade dieser letzte Gedankengang („ich habe die Trennung meiner Eltern nicht verhindern können“) gilt praktisch für alle Kinder und Jugendliche und auch für die die eine angeblich ruhige Trennung“ ihrer Eltern miterlebt haben.
Die traurige Wahrheit über die Situation zeigt sich auch in der immer größer werdenden Zahl von Trennungskindern:
Inzwischen leben in unserem Land immer mehr Kinder und Jugendliche in Lebensgemeinschaften, die sich voneinander getrennt haben.
Gemäß einer Statistik aus dem Jahr 2021 waren rund 2,61 Millionen Eltern in Deutschland alleinerziehend. Du siehst, welch große Zahl an Scheidungs- und Trennungskindern sich in unserem Land befinden. Und darum sollten uns dringend einmal mit diesem Punkt auseinandersetzen in diesem Teil 4 unserer kleinen Reihe: „Was tun bei einer Trennung?
Gestatte mir noch ein kurz auf die etwas unterschiedlichen Reaktionen jüngerer Kinder im Vergleich zu denen von Jugendlichen einzugehen um dir zu verdeutlichen, warum dieses Thema nicht nur wegen der hohen Zahl an Scheidungskindern, sondern auch wegen der unterschiedlichen „Alters-Reaktionen“ so wichtig ist zu besprechen.
Denn je nachdem in welchem Entwicklungsstadium sich das Kind befindet, kann die Reaktion auch komplett anders ausfallen.
Es liegt auf der Hand, dass unsere Kinder auf einen psychischen oder einen seelischen Schmerz ganz unterschiedlich mit ihren eigenen Abwehrmechanismen reagieren. Darum möchte ich hier mal die breite Skala aufzeigen mit was für Reaktionen du rechnen kannst und worauf du eigentlich auch mal achten solltest. Die Bandbreite der Reaktionen kann von einem passiv resignierenden bis hin zu einem aggressiv zornigen, einem protestierenden und den Schmerz verleugnenden Verhalten gehen. Je nachdem, welche Fähigkeiten das Kind bereits hat seine eigene Hilflosigkeit abzuwehren können sowohl aggressive als auch „pseudo reife“ und / oder auch körperliche Reaktionen entstehen.
– Bei den aggressiven Reaktionen
kann dies zum Beispiel eine asoziale, oder auch eine strafbare Reaktion sein wie zum Beispiel ein Diebstahl, körperliche Angriffe oder einfach nur ein Weglaufen von zu Hause
– Bei den „pseudo–reifen Reaktionen“
beobachten wir dann
– das altkluge, wie ein Erwachsener daherreden,
– wie ein Clown die Aufmerksamkeit auf sich ziehen,
– oder auch die Übernahme entweder der Vaterrolle oder der Mutter Rolle.
– Bei den somatischen/körperlichen Reaktionen
werden Kopfschmerzen, Übelkeit, Erbrechen, Bauchschmerzen und nicht zuletzt wieder das Bettnässen beobachtet was alles einen Abwehrversuch der kindlichen Psyche darstellt um dieses depressive Erleben der Trennungs-Situation von sich abzuwenden.
Typisch in der Entwicklung eines Jugendlichen ist es, dass er sich bereits immer mehr auf die Dinge außerhalb der Familie hin orientiert und nun seine unvollkommene Familie von außen betrachtet. Eventuell beginnt er sich für sie nun auch zu schämen.
Er schämt sich zum Beispiel dafür, dass seine „Kindheits-Vorbilder“ gescheitert sind und ihn in seinem natürlichen Bedürfnis eine soziale Kompetenz oder Anerkennung zu bekommen nicht ausreichend haben helfen können.
Denn dafür sind Eltern ja auch da: Sie haben die Aufgabe und sie haben wirklich die Pflicht ihren Kindern eine soziale Kompetenz und auch eine klare Form der Anerkennung zu schenken damit sie sich später als starke Erwachsene alleine in der Gesellschaft auch zurechtfinden können.
Diese Forderung können alle Kinder und Jugendlichen zu Recht an ihre Eltern stellen. Gebe Ihnen ihre Eltern diese Kompetenz und Anerkennung nicht mit, dann sind sie frustriert und entwickeln oftmals ein starkes Schamgefühl.
Und typische Abwehrreaktionen auf dieses Schamgefühl können zum Beispiel sein:
– die Flucht in einen exzessiv betriebenen Sport
– Der Rückzug aus sämtlichen sozialen Kontakten
– Der Missbrauch der Nahrungsaufnahme als Ventil
– Oder oder oder…
Das eigentliche Problem was durch eine Scheidung oder eine Trennung für den Jugendlichen entsteht ist der Verlust von Vertrauen, einer Sicherheit und einer haltgebenden Familienstruktur. Denn genau diese Werte braucht ein Jugendlicher bei seinem „Hin und Her pendeln“ zwischen seiner kindlichen Abhängigkeit und der gewünschten Unabhängigkeit als zukünftiger Erwachsener.
Und dieses „Hin und Her pendeln“ ist für ihn in seinem speziellen „Übergangsalter“ so wichtig, damit er seine Entwicklungsstufen welche er wie jeder andere Jugendliche auch machen muss in Ruhe durchführen kann.
Haben Sie diese Ruhe aber nicht, dann regieren Jugendliche oft sehr extrem:
• Andere Jugendliche reagieren vielleicht genau umgekehrt … sie durchlaufen ihre Entwicklungen wie in einem Schnelldurchgang. Sie entwickeln ein sogenanntes „pseudo erwachsenes Verhalten“, oder eine körperlich/sexuelle Frühreife nach ihrem Verlust der äußeren Werte und der schützenden Kontrolle der Eltern.
• Oft vernachlässigen sie dann auch noch ihre Bedürfnisse und übernehmen Entscheidungen und Verantwortungen für den alleinerziehenden Elternteil. Wie vorhin bereits erwähnt, übernehmen Sie dann praktisch die Rolle des Vaters oder der Mutter um der alleinerziehenden Mutter helfend zur Seite zu stehen. Denn in ihren Augen sind sie ja mitverantwortlich für die Trennung der Eltern.
Du spürst, dass genau diesem Verhalten entgegengewirkt werden muss! Und wie in der Biologie sollten wir auch hier vorangehen. Noch bevor der Virus sich in die Zelle einnisten kann sollte eh an diesem Vorgehen gehindert werden. Und wie das gehen könnte, möchte ich dir mit diesem Teil (4) der kleinen Themenreihe „Was tun bei einer Trennung“ einmal als Vorschlag nahelegen.
Nehmen wir uns zuerst einmal den kaukasischen Kreidekreis als Beispiel dafür zu Grunde, wie man sich in einer Trennung verantwortungsbewusst für seine Kinder (die ja bereits unter der Trennung leiden) verhalten kann. Ich möchte dir dies bewusst als eine Handlungs–Alternative anbieten, damit du aus deiner bestehenden „Ohnmacht“ zu einer „Handlung – Vollmacht“ kommst. Denn gerade diese Ohnmacht, zermürbt einen Trennungspartner der sich ja wirklich von Herzen nach seinen Kindern sehnt.
Der kaukasische Kreidekreis wurde von Bertolt Brecht (ein sehr bedeutender Dramatiker und Lyriker aus Deutschland im 20. Jahrhundert) der für sein dialektisches Theater bekannt war, geschrieben.
Kurz ein Überblick
Die Handlung vollzieht sich im Staate Georgien, in dem Theaterstück wird es nach seinem alten Namen Grusinien genannt. Wegen eines Aufstandes gegen die dortigen Großfürsten werden alle Gouverneure hingerichtet. Einer der Gouverneure war Abaschwili.
Dieser Abaschwili hatte eine ziemlich verwöhnte Frau – die Natella.
Natella hatte es irgendwie geschafft diesen Angriffen der mordenden und meuchelnden Horde zu entkommen.
Da ihr aber ihr Besitz und ganz besonders ihre Kleider deutlich wichtiger waren hat sie bei der Flucht ihren Sohn Michel einfach zurückgelassen. Jetzt hatten der Gouverneur und seine Frau aber eine Magd, die Grusche genannt wurde.
Grusche wollte am Anfang zwar nicht, hat dann aber den kleinen Michel unter ihren Schutz genommen und floh nun mit ihm in die Berge – ihre alte Heimat – da die neuen Machthaber auch sämtliche Familienmitglieder der ehemaligen Gouverneure umbringen wollten.
Diese Grusche flieht nun zu ihrem Bruder. Sie muss auf der Flucht sehr viele Opfer und Gefahren bestehen.
Obwohl sie mit einem Soldaten (sein Name war Simon) verlobt war, heiratet sie erst einmal den angeblich sterbenskranken Bauern Jussup.
Auch das ist ein persönliches Opfer zu dem die Grusche bereits war. Denn nur dadurch konnte der kleine Michel irgendwie legitimiert werden – denn die Frau ihres Bruders begann in der Zwischenzeit immer mehr durch ihre Nachforschungen Misstrauen im Dorf gegenüber dem kleinen Michel aufzubauen.
Die Magd Grusche verhält sich während des gesamten Krieges also wie eine liebevolle Mutter für den kleinen Jungen.
Nun kommen im Laufe der Zeit drei völlig unerwartete Veränderungen auf die arme Magd zu:
1. Nach ein paar Monaten kommt die Nachricht in das Dorf, dass der Krieg zu Ende ist.
Auf einmal ist der todkranke Bauer Jussup augenblicklich wieder kerngesund und steht von seinem Krankenbett wieder auf.
2. Dann kommt die zweite überraschende Wendung auf die Grusche zu:
Natella (Also die Mutter von dem kleinen Michel) kommt in das Land zurück möchte ihr leibliches Kind zu sich nehmen.
Aber nicht aus dem Grunde heraus, da sie ja die leibliche Mutter war, sondern weil der kleine Michel der legitime Erbe von dem Vermögen seines Vaters war.
3. Die dritte Wendung in dieser Geschichte ist die, dass der ehemalige Soldat Simon, der eigentliche Verlobte von der Grusche, auch zu seiner Verlobten zurückkommt.
Voller Zorn lässt er seine Verlobte nun aber sitzen, da sie sich weigert den Sohn seinem Schicksal zu überlassen.
Sie sagt sogar: „Er ist meiner, denn ich habe ihn aufgezogen!“
Jetzt tritt ein völlig neuer Charakter auf die Bühne der Geschichte: der Dorfschreiber Azdak.
Und obwohl er eigentlich nur Dorfschreiber war wurde er in den Kriegswirren zum Dorfrichter ernannt und soll nun ein Urteil über die rechtmäßige Mutterschaft zwischen Grusche und Natella fällen. Obwohl er keine formaljuristische Ausbildung besaß – und gemäß dem Theaterstück bestechlich war – hatte er doch einen Vorteil:
Er selber war auch ein armer Teufel und fällte seine Urteile oft vom Blickpunkt der Armen und der Unterdrückten aus.
Wer sich diesen Ersatz –Richter einmal genauer anschaut, wird erkennen, dass er sein Verhalten immer wieder wie ein Chamäleon der jeweiligen Situation und Umgebung anpasste.
Wo Erniedrigung vorherrschte, zeigte er sich selber verrottet, unwissend und niedrig. Sobald er aber die Möglichkeit sah ohne Kontrolle zu handeln zeigte er recht schnell seinen eigentlichen Charakter.
Dann kam der große Tag – der Tag der großen Gerichtsentscheidung: Die Magd Grusche wird von ihrer Freundin der Köchin und ihrem Verlobten Simon, der sich nun als der Kindesvater ausgeben will, unterstützt. Die leibliche Mutter Natella ihrerseits kommt mit zwei Anwälten welche dem Dorfrichter Azdak sogar ein Bestechungsgeld zahlen.
Sie beruft sich in Ihrer Rede natürlich auf die biologische Mutterschaft. Aber allen wird es schnell klar und deutlich, dass sie das Kind nur dafür braucht, um an das Erbe ihres Mannes zu gelangen.
Auf der anderen Seite erklärte die Magd gegenüber dem Richter ganz schön mutig, dass er ja gar kein richtiger Richter sei und auch nicht die Befähigung zu solch einem wichtigen Amt habe. Mehrfach wiederholt sie was sie für das Kind getan hatte und unter welchen Opfern und Entsagungen sie es gerettet und großgezogen hatte.
Der Dorfrichter Azdak zieht nun einen Kreis aus Kreide um den Michel herum. Seine Aussage ist jetzt folgende: die richtige Mutter wird das Kind „logischerweise“ aus dem Kreis ziehen, Schließlich würde sie doch als Mutter am meisten Liebe und Kraft aufwenden…
Natella zog dann auch mit aller Kraft und aus Mitleid und Angst dass dem Michel etwas passiert, lies Grusche daraufhin sofort los. Dieser Vorgang wird sogar einmal wiederholt und wiederum lässt die Magd das Kind los.
Sie erklärt ihr Handeln damit, dass sie es ja nicht zerreißen könne, denn schließlich hatte sie den Michel zuvor in all den schwierigen Zeiten mit Liebe großgezogen.
Azdak der Richter erkannte sehr schnell die wahre Mutter war und spricht der Grusche vor allen Leuten das Kind, die Mutterschaft und das Erbe des Kindes zu.
Dann führt er noch die Scheidung zwischen Grusche und dem Bauern Jussup durch.
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Diese Geschichte von Bertolt Brecht basiert auf einer circa 3000 Jahre alten Geschichte aus dem Alten Testament. Wir kennen diese Geschichte vielleicht als das „salomonische Urteil“.
Eine kurze Zusammenfassung:
König Salomo war damals für seine übergroße Weisheit und seine sehr klugen Entscheidungen in der damaligen Zeit weltberühmt. In der Bibel wird jetzt von einem Fall gesprochen, in welchem sich zwei Frauen um einen neugeborenen Jungen gestritten haben.
Beide hatten ungefähr zur selben Zeit ein Kind bekommen, jedoch hatte eine das Kind bei sich im Bett und hat es wahrscheinlich beim Umdrehen im Bett während des Schlafens erdrückt. Das tote Kind hatte sie dann der anderen Frau untergejubelt die aber am nächsten Morgen logischerweise sah, dass ein anderes Kind in ihrem Bett lag.
Beide behaupteten nun steif und fest jeweils die richtige Mutter zu sein. Salomo, der als König gerade ganz frisch im Amt und auch noch sehr jung war, befahl nach der Anhörung beider Mütter, das Baby in zwei Teile zu schneiden und jeder Frau dann eine Hälfte des Kindes zu geben. Während eine der beiden Frauen damit einverstanden war, protestierte die richtige Mutter vehement und wollte das Kind lieber der anderen Frau überlassen.
Hier siehst du welchen Teil Bertolt Brecht für seine Geschichte des kaukasischen Kreidekreis übernommen hat.
Und in diesem Moment – als die Frau das Kind – der anderen Person überlassen wollte, stand es für Salomo fest dass sie die richtiger Mutter war und folgerichtig gab er ihr das Kind ganz und in einem Stück. Dieses intelligente und von Weisheit nur so strotzende Urteil sprach sich logischerweise im ganzen Land herum. Die Israeliten waren überglücklich einen intelligenten und weisen Regenten nun zu haben.
Eine kleine und auch sehr persönliche Übersicht meiner Empfehlungen:
Kinder können sich gegen ihre eigenen negativen Gefühle – wie zum Beispiel Frustration, Wut oder Hass – noch lange nicht genügend abgrenzen. Und es ist hier dann auch egal ob es sich nun um ein kleines Kind oder um einen Jugendlichen handelt!
Das ist ein Gesetz was bei allen Kindern gilt:
Wenn Eltern sich miteinander streiten und auch wenn das Kind überhaupt nichts mit diesem Streit gemeinsam hat,
o so fühlt es sich trotzdem immer (!) mit einbezogen
o und empfindet die schlechten Gefühle, die Verunsicherung und die Ablehnung zwischen den Eltern als etwas was auf ihn (das Kind) gerichtet ist.
Als wenn es Eltern nicht schon schwer genug hätten, …. Sie müssen auch als Krisenmanager, Tröster und unterstütze für Kind da sein.
Ein Krisenmanager hat die Fähigkeit alle Teilnehmer in vernünftigen Maße über die Gesamtsituation zu informieren.
Darum sollte er (das Elternteil) das Kind über die Gründe von einer möglichen Trennung oder Scheidung informieren und auch über die Planungen der Zukunft informieren.
Bei mitfühlenden Müttern beobachte recht häufig eine sehr starke Angst, ihre Kinder zu überfordern – und deshalb verhalten sie sich dem Kinde gegenüber als sei alles in Ordnung. Aber genau das Gegenteil ist ja eigentlich der Fall!
Das Kind befindet sich durch den Streit – und den bekommt es zu 100% immer mit – in einem luftleeren Raum.
Es fühlt sich in diesem gefangen zwischen seiner Hoffnung und der bodenlosen Angst, zwischen Hass und Liebe – und sehr häufig fühlt es sich dauerhaft mit der Situation alleine gelassen.
Denn, tief in seinem Inneren hat jedes Kind – psychologisch gesehen – die klare Anforderung an seine Eltern:
Ihr habt mich gezeugt, ich bin euer Kind und ihr habt für mich da zu sein. Seid ihr aber nicht da (!) dann ist das falsch-
Dann ist das falsch egal ob ihr als Eltern auseinander geht oder nicht. Und da ich Teil des Familiensystems bin, habe ich als Kind vielleicht sogar auch die Schuld an der Situation.
„Habe ich eventuell die alleinige Schuld—?“
Was folgt dann daraus von der psychologischen Seite?
Diese Schuld – und Schamgefühle kommen hoch und werden immer stärker bei dem Kind.
Wird es aber in einem ausreichendem, und logischerweise dem Alter entsprechenden Masse über die Situation und auch die angestrebte Zukunft informiert, wird es sich deutlich weniger als Versager in der Trennung seiner Eltern fühlen.
Das ist ein nicht zu unterschätzender Vorteil!
Das System Eltern geschieht nie ohne das die Kinder sie beobachten. Und so wie Eltern selber mit der Trennung umgehen – ich denke hier ganz speziell an ihre innere Haltung – so wirkt es sich zwangsläufig auch auf das Kind aus.
Ein Grundsatz in der System-Therapie lautet nämlich:
Verändere ich in einem bestehenden System eine feste Bezugsgröße dann verändert sich das gesamte System.
Wenn Eltern also die Trennung als eine Chance, oder einen nutzbringenden Neuanfang verstehen und das auch so leben, dann überträgt es sich zwangsläufig auch auf das Kind. Eltern sollten also tunlichst alles vermeiden um die Verantwortung für das Scheitern der Beziehung auf den anderen Partner (ich sage hier ganz bewusst auf den Partner) zu übertragen. Durch diesen positiven und auch eigenverantwortlichen Blick in die Zukunft kann das Kind/Jugendliche sehr viel sicherer und angstfreier selber seiner eigenen Entwicklung in die eigene Zukunft entgegensehen.
Ich beobachte sehr häufig, dass Elternteile sich gegenseitig vieler Lügen bezichtigen. Und dann noch nicht genug: bei diesen Streitereien beziehen sie ihre Kinder oft noch mit ein.
Aber, das ist für ein Kind ein ganz starker Konflikt – ein Loyalitätskonflikt! Für so etwas sind sie aber noch nicht reif genug! Für die junge geistige/psychische Gesundheit eines Kindes ist es Gift, geradezu ein tödliches Gift, wenn es in diese Entscheidungsfalle mit einbezogen wird: „hat Papa nun Recht oder doch Mama …?“
Wenn ich hier das Wort „psychische Gesundheit“ benutze, dann muss ich auch ganz kurz eine Erklärung dafür abgeben:
Die psychische Gesundheit ist eine ausgeglichene Balance zwischen den Belastungen und den Anforderungen von außen und den inneren Ressourcen / den eigenen Fähigkeiten und den bereits vorhandenen und / oder erlernten Verhaltensalternativen des Kindes/des Jugendlichen. Neue Verhaltensweisen die wir uns in unserer eigenen Entwicklung aneignen und die uns erfolgreicher im Leben machen, diese helfen uns in eine selbstbestimmte und in eine kontrollierte Zukunft zu schauen.
Aber auch die soziale Unterstützung die wir von außen unser Leben erhalten helfen uns mit den Anforderungen an beruflichen oder privaten Bereich Besserung zu gehen. Es ist also die Gesamtheit unserer persönlichen und sozialen Möglichkeiten die mit den Anforderungen von außen eine Lösung suchen. Ist diese Suche nach einer Lösung/oder ist diese Art der Druck- oder Stressbewältigung erfolgreich, dann können wir ein angenehmes und selbstbestimmtes Leben führen. Und wenn wir ein angenehmes und selbstbestimmtes Leben führen – in dem unser Körper, die Seele und unsere Gefühle in einer guten Balance zueinander stehen – dann erweitert dass logischerweise unsere Chancen, ein noch befriedigenderes, sinnvolleres und zufriedeneres Leben zu führen.
Dies sollte nur als ein kleiner Exkurs zu dem Thema psychische Gesundheit dienen.
Kinder als Schachfiguren in dem Trennungskampf zu benutzen, kommt einer Misshandlung gleicht.
Wenn ich das Wort „Misshandlung“ gebrauche, dann meine ich nicht eine sexuelle Misshandlung.
Ich denke hier an das Ausnutzen der Kinder um den Trennungspartner in irgendeiner Form einen Schaden zuzufügen um damit eigenen Konflikte mit dem Partner zu verarbeiten. Genau das ist Kindesmisshandlung!
Trotz Trennung, haben beide Partner nämlich immer noch ein gemeinsames Ziel zu erreichen:
– die Gesundheit und das Wohl des gemeinsamen Kindes.
Und dieses Wohl des gemeinsamen Kindes ist auch nach der Trennung eines der wichtigsten Ziele für die nun getrennten Partner.
Natürlich muss das Alter und auch der Entwicklungsstand des Jugendlichen oder des Kindes immer mit berücksichtigt werden, wenn ich ihm die Gründe für eine Trennung mitteilen möchte. Bis in das frühe Grundschulalter hinein kann ein Kind es noch nicht verstehen, dass Liebe zwischen den Eltern auch an Bedingungen geknüpft sein kann und nicht einen Ewigkeitscharakter besitzt. Das Wort Ewigkeitscharakter solltest Du Dir in Verbindung mit diesem Thema bitte immer vor Augen halten: Diesen Ewigkeitscharakter der Liebe überträgt das Kind aus seiner eigenen Liebe in der Beziehung zu seinen Eltern. Darum kann das Kind (aus Mangel an Alternativen) das Thema Liebe auch überhaupt nicht in Frage stellen!
Für ein kleines Kind ist Liebe ewig und nicht zeitlich begrenzt! So circa ab dem 15. Lebensjahr hat sich das Gehirn des Kindes dann aber so weit entwickelt, dass sich sein eigenes kindliches Denken der Gedankenwelt der Erwachsenen in seiner Umgebung einigermaßen anpassen kann.
Bitte beachte auch, dass rein kognitive Erklärungen weder ein Kind noch einen Jugendlichen (!) auf Dauer beruhigen kann! Was kann ihn denn aber beruhigen? Es sind die Gefühle und die sehr sehr schönen gemeinsamen Erfahrungen welche die Eltern ihm entgegenbringen und mit ihm teilen.
Unterschätze bitte nicht diesen Satz der den Kindern auch immer und immer wieder gezeigt werden muss:
– auch wenn die Eltern in Zukunft nicht mehr zusammenleben und getrennte Wege gehen, muss das Kind immer wieder daran erinnert werden (das weiß das nämlich nicht von alleine oder kann es sich von alleine nicht vorstellen) dass Mama und Papa immer noch weiter Mama und Papa/also seine Eltern bleiben.
Wichtig ist in diesem Zusammenhang auch noch der Fakt, dass, egal wie alt das Kind oder der Jugendliche ist, sie sich immer weiter wünschen, dass die Eltern irgendwann mal wieder zusammenkommen.
Aus diesem Grunde müssen Eltern auch über das endgültige Aus und die Endgültigkeit der Trennung mit dem Kind sprechen – sie müssen ihm Klarheit verschaffen.
Wenn sie das nicht tun, bleibt es Kind typischerweise in einem Hoffnungs–Tunnel gefangen…
Es denkt und hofft, dass irgendwann seine Eltern doch noch mal miteinander zusammenkommen.
Kinder haben (wie bereits erwähnt) am Anfang ihres Lebens und Heranwachsens nur ein Verständnis für die Ewigkeitsliebe“. Wenn sich seine Eltern trennen, dann ist es für das Kind so, als wenn die Liebe auch zu ihm zu Ende ist.
Ihr lieben lieben Eltern: bitte denkt daran dass ein Kind die Liebe zwischen euch immer (!) mit der Liebe zu ihm in eine direkte, kausale und nicht trennbare Verbindung setzt! Dieser Gedankengang kann den Eltern nicht oft genug gesagt werden: eure Liebe ist für das Kind gleichgesetzt wie die Liebe zu ihm. Darum braucht das Trennungskind auch immer und immer wieder die Bestätigung, dass es weiterhin geliebt wird und es nicht dafür verantwortlich ist, dass Mama und Papa von nun an getrennte Wege gehen.
Zum Glück gerät nicht jede Familie in den Strudel einer Trennung und das trotz unserer doch sehr anspruchsvollen heutigen Zeit. Denn unsere heutige Zeit ist eine Phase in der Menschheitsgeschichte die deutlich von einer Überforderung des Einzelnen, und auch von einer Überforderung der Familien gekennzeichnet ist.
Es gibt verschiedene Ansätze und Konzepte die bereits im Vorfeld dabei helfen können, wichtige Ressourcen aufzubauen um
– entweder eine Trennung zu verhindern
– oder dass die Trennung für alle Beteiligten auf möglichst gute und schnelle Art und Weise vollzogen werden kann.
Aber trotzdem bleiben die gestellten Aufgaben einer Trennung extrem schwer und nur auf die gesetzlichen Regelungen zu vertrauen ist absolut keine Sicherheit, dass die zukünftige Beziehung zwischen den ehemaligen Partnern und ihren Kindern einigermaßen liebevoll und vernünftig gestaltet werden kann. Der Gang zum Gericht sollte wirklich nur als die aller letzte Möglichkeit gewählt werden!
Wo soll ich mich denn aber sonst hinwenden?
(1) Es gibt viele Vereine und öffentliche Institutionen die hiervon Betroffene unterstützen. Es sind die Beratungsstellen die sich auf die Begleitung von Scheidungen und Trennungen spezialisiert haben. Sehr wichtig hierbei finde ich, dass die Jugendämter Impulse geben können und es oft auch tun.
(2) Das Kinder- und Jugendhilfegesetz hat diesen Gedankengang aufgenommen und man hat als eigenständiges Leistungsangebot der Jugendhilfe die „Beratung in Fragen der Partnerschaft, Trennung und Scheidung“ fest etabliert.
(3) Wenn aber auch solche Institutionen nicht helfen können, dann kann bei längeren Verhaltensauffälligkeiten der Kinder auch der Besuch bei einem Facharzt für Kinder – und Jugendpsychiatrie oder auch bei einem Kinderpsychotherapeuten helfen.
Eltern sollten einen wachsamen Blick auf ihre Kinder und deren eigenen Antwortversuchen auf den Stress achten.
Was könnten zum Beispiel solche Anzeichen sein, die wie ein Alarmsignal für die Eltern wirken sollten?
• Eine nachlassende Freude an der Schule,
• Freunde werden vernachlässigt
• Neue Freunde werden erst gar nicht gesucht.
• Der Schlafrhythmus kommt ganz aus den Fugen
• Aus einem ruhigen Kind wird ein aggressives und widerspenstiges Kind
• Regression: besonders jüngere Kinder fallen dann auf eine frühere Entwicklungsstufe zurück – wie zum Beispiel, das es wieder in die Hose oder ins Bett macht während der Nacht.
Bitte liebe Eltern, geht bei solchen Anzeichen zu einem Kinderarzt oder zumindest zum Hausarzt.
Dieser wird dann in aller Ruhe beurteilen ob es sich nicht vielleicht doch lohnt, einen Psychiater speziell auf Jugendpsychiatrie mit einzubeziehen. Dieser Psychiater sollte dann die Symptome in aller Ruhe diagnostizieren und behandeln. Er kann damit nämlich auch der ganzen Familie helfen, mit den Belastungen die durch eine Scheidung zwangsläufig entstehen sehr viel besser und für alle Beteiligten ruhiger umzugehen.
Bleibe weiterhin tapfer!
Unsere persönliche Realität ist immer auch eine Geschichte, die erzählt wird, und diese Geschichte immer auf Sprache begründet. Die gewaltfreie Sprache ist eine bewusst gewählte Handlung – Bewusstsein und Handlung, zwei siamesische Zwillinge. Wenn wir uns wirklich bewusst sind, was wir mit unserer Sprache tun und bezwecken, dann kann unsere Welt anders werden.
In diesem Werk werden die 4 Ebenen und damit der gesamte Prozess der GFK sehr genau beschrieben: Beobachtung, Gefühle, Bedürfnisse und Bitten. Es ist gleichermaßen für Diplomaten, aber auch für Eltern und Paare eine Schatzkiste an wirksamen Hilfsmitteln. Ich denke da auch an “Bretts Lied” dem Sohn von M. Rosenberg. Dieses Buch hat mich persönlich für viele Streitgespräche als Mediator sehr gut ausgerüstet.
Es sind viele Bereiche, die wir ansprechen können: Angefangen vom Umgang Borderline oder einer anderen belastenden Störung, aber auch über Future Faking, Love Bombing und Gaslighting die immer häufiger in unsere Gesellschaft zu beobachten sind.
Ich möchte aber nicht nur über Fragen sprechen, sondern auch praxisgerechte Lösungen anbieten:
Buchen Sie sich einfach auf meinem Online-Kalender ein Zeitfenster oder nutzen Sie mein klassisches Kontaktformular um mit mir in Verbindung zu treten. Ich freue mich auf Sie. Ihr Marcus