Schriftzug Marcsu Jähn

Ist es nun Borderline… oder eine antisoziale Persönlichkeitsstörung? (Teil 7)

Antisoziales Verhalten finden wir in unserer heutigen Gesellschaft immer häufiger. Oft sehen wir sie bereits bei unseren Kindern, welche häufig in Kombination mit ADHS und deutlich antisozialem Verhalten den Medizinern diese eine Frage unerbittlich aufdrängen:
„Könnte vielleicht eine allgemeine Gehirnfunktion bei der Entstehung dieser Verhaltensweise eine Rolle spielen?

Aber allein schon aus praktischen Gründen kann dies recht schnell verneint werden. Und das auch, trotzdem recht häufig behauptet wird, dass sich antisoziales Verhalten aus einem ADHS oder einer Lernstörung in der Jugend heraus entwickelt und sich diese später dann in einer schweren Störung während der Adoleszenz und im frühen Erwachsenenalter festsetzt.

Aber das würde immer noch nicht (!) erklären, warum das aggressive Verhalten, welches sich gegen Menschen und fremdes Eigentum richtet ohne irgendwelche Schuld oder Sorge für Andere auftritt.

Dieses Schuldgefühl finden wir nämlich beim ADHS in schöner Regelmäßigkeit! Das kann nicht einfach so aus einem Verhaltensmuster „gelöscht“ werden! Antisoziales Verhalten entwickelt sich also auf keinem Fall automatisch aus einem ADHS heraus! 

Ist es Borderline oder eine antisoziale Persönlichkeitsstörung
Abstufungen in der Antisozialen Persönlichkeitsstörung zu Narzissmus

Antisoziales Verhalten ist eine schwere Persönlichkeitsstörung!

Und das auch unabhängig davon ob in der Kindheit ADHS diagnostiziert wurde oder nicht.

Chronisch antisoziales Verhalten kann in praktisch allen Persönlichkeitsstörungen in mehr oder weniger abgeschwächter Form vorgefunden werden. Und darum ist eine Differenzialdiagnose so wichtig!

Es macht nämlich schon einen großen Unterschied, ob ich „lediglich“ Anteile eines antisozialen Verhaltens habe oder durch und durch antisozial (wir sagen hierzu: chronisch pervasiv) denke und mich entsprechend auch verhalte.

Wir finden dieses antisoziale Verhalten in abgeschwächter Form in praktisch fast allen Persönlichkeitsstörungen:

      • Bei der Psychose
      • Im Narzissmus mit antisozialen Zügen
      • Im Rahmen einer neurotischen Persönlichkeits-Organisation
      • Als temporäres Symptom in der Pubertät / dem Übergang zum jungen Erwachsenen.

Gerade aber bei den jungen Erwachsenen müssen wir daran denken, dass es sich bei einem antisozialen Verhalten auch um ein Anpassungsverhalten an eine negative Sub-Kultur – z.B. bei Straßen–Gangs – handelt. 

Der klare Unterschied

Die wichtigste Frage ganz am Anfang ist: ob es sich wirklich um eine antisoziale Persönlichkeit handelt oder nicht.

Warum ist die Antwort hierauf so wichtig? Weil diese schwere Form der Persönlichkeitsstörung auch gleichzeitig die schlechteste Prognose auf Heilung hat

Und leider beschränken sich dann die Behandlungen oft nur auf zwei Punkte:

      1. Den Schutz der Familie und der Gesellschaft
      2. Und die Unterbringung in Einrichtungen mit ganz strengen sozialen Kontrollen um das das antisoziale Verhalten einzudämmen.
      3. Nur sehr selten gibt es einen dritten Punkt wo unter gaaanz optimalen Bedingungen in Einzelfällen kleine psychotherapeutische Ansätze gerechtfertigt sind. Diese sind aber sehr selten.

Die Diagnose einer antisozialen Persönlichkeitsstörung ist aber nicht schwer und man kann sehr leicht zwischen einem vereinzelt auftretenden antisozialen Verhalten bei hypomanischen oder manischen Episoden einem Affektsturm bei einer schweren Persönlichkeitsstörung oder einer chronischen antisozialen Verhaltensweise unterscheiden.

Wichtig ist bei der Diagnose auch die Fremd–Anamnese. D.h. dass auch Familie und andere Quellen zu den Verhaltensweisen befragt werden müssen. 

Du siehst hier im Bild (Abstufung der antisozialen Persönlichkeitsstörung) 5 Stufen die den jeweiligen Schweregrad von antisozialem Verhalten in Verbindung mit einer Persönlichkeitsstörung beschreiben. Ganz oben steht die „vollendete antisoziale Persönlichkeit“. Sie ist die allerschwerste Störung mit leider auch der schlechtesten Prognose auf heilung.

Ihr Hauptkriterium ist das völlige Fehlen der Sorge um Andere.

In dem DSM 5 werden folgende zentrale Merkmale beschrieben, die bei der antisozialen Persönlichkeitsstörung schon von frühester Kindheit an bestehen können:

      1. ein passiv – parasitäres, aggressives antisoziales Verhalten
      2. Die Unfähigkeit, echte Schuldgefühle oder Gewissensbisse aufgrund des eigenen Verhaltens auch nur andeutungsweise zu empfinden
      3. Mangelnde Sorge um Andere.

Dieses Merkmal: mangelnde Sorge um Andere, sehen wir oft in Verbindung mit Gleichgültigkeit, Unsensibilität, Wutausbrüchen voller Hass, Lustvolles und sadistisches Quälen Anderer.

Diese Menschen vermitteln den Eindruck als lebten sie ausschließlich nur im „Hier und Jetzt“ ohne sich auch nur die geringsten Gedanken zu machen was die Folgen ihres Verhaltens für ihr zukünftiges Leben bedeuten könnten. … Sie tanzen fast schon wie Rumpelstilzchen um das Feuer herum und singen: „Ach wie gut das niemand weiss…“

      1. Das Fehlen von Einfühlungsvermögen in die moralischen/ethischen Werte anderer Menschen. Es fehlt Ihnen an jegliche ethische Dimension.
      2. Völlige Indifferenz in Bezug auf das eigene Leben.

        Diese Indifferenz zeigt sich in völliger Rücksichtslosigkeit auch sich selbst gegenüber. Wenn sie sich in die Ecke gedrängt fühlen gehen Sie bis zum Selbstmord um einer äußeren Bedrohung zu entkommen. 

Wenn Du Dich noch an die Pyramide erinnern kannst, dort habe ich fünf Stufen der antisozialen Persönlichkeitsstörung aufgezeigt Wichtig bei der Diagnose ist tatsächlich die Unterscheidung, nach welcher Stufe jemand eingestuft werden kann. Denn, danach richtet sich ja auch die weitere Behandlung 

Der maligne Narzissmus

Der maligne Narzissmus ist eher behandelbar als die antisoziale Persönlichkeitsstörung. Bei ihm zeigen sich sowohl

      • die narzisstische Persönlichkeitsstörung,
      • das antisoziale Verhalten und
      • die ich–syntone Aggression in sehr deutlichem Maße die sowohl gegen sich selbst als auch gegeb andere gerichtet ist
      • Der intensive Neid
      • Und die starken paranoiden Züge.

Der Unterschied zur antisozialen Persönlichkeitsstörung liegt in der Fähigkeit der Menschen:

      • zumindest eine geringe Menge an Loyalität zu einem engen Freund oder Lebenspartner zu zeigen
      • Zumindest im Ansatz bestimmte Ideen oder Ideologien zu verfolgen
      • Und auch eine echte Beziehung zum Beispiel zum Therapeuten zu entwickeln.
      • Häufig können Sie einem Beruf nachgehen
      • Oder auch eigene Begabungen fördern.

Auffallend viele Menschen mit einer Borderline Diagnose mit suizidalen Tendenzen und antisozialem Verhalten gehören auch zu dieser Gruppe. Wenn das antisoziale Verhalten sehr schwer bis gar nicht zu behandeln ist so gibt es hier zumindest geringe Möglichkeiten einzugreifen.

Aber viele sind es leider nicht… In der Behandlung liegt die besondere Betonung auf folgenden zwei einfachen Schritten:

      • zum einen auf dem Einrichten eines stabilen Behandlungsrahmens der den Patienten und dem Therapeuten den maximalen Schutz vor der Aggression bietet
      • Und zum anderen der Aufklärung und Deutung des intensiven Neids der immer wieder den Patienten dazu veranlassen kann,n sich selbst oder die Therapie zu zerstören um die eigene Stärke unter Beweis zu stellen und letzten Endes über den Therapeuten oder die Welt zu triumphieren. („Du kannst nicht über mich gewinnen…“)

Kommen wir zu der nächsten Abstufung der antisozialen Persönlichkeitsstörung:

(Teil 3) die narzisstische Persönlichkeit

Menschen mit einer typischen narzisstischen Persönlichkeitsstörung haben zumindest die Fähigkeit, 

      • tiefergehende Beziehung zu anderen zu entwickeln
      • und auch einem Beruf nachzugehen.

Der Unterschied zu dem malignen Narzissmus ist, dass sie dieses in deutlich stärkerer Form durchführen können und mit weniger Einschränkungen.

Sie können

      • durchaus Schuldgefühle empfinden
      • Loyalität zu anderen Personen aufbringen
      • Sich um andere Menschen Sorgen
      • Und auch Beziehungen dauerhaft pflegen. 

(Teil 4) die schwere Persönlichkeitsstörung (unter Notwendigkeit einer klinischen Behandlung).

Kommen wir zu der nächsten Abstufung der antisozialen Persönlichkeitsstörung… Diese Menschen sind gekennzeichnet durch das Fehlen eines Selbstkonzepts oder zu dem Ich–BezugWir nennen das eine Identitätsdiffusion.

Auffallend bei Ihnen ist das Fehlen der typisch narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Im Gegensatz zu den narzisstischen Eigenschaften wie

      • Grandiosität
      • Allmacht
      • Kontrolle und Entwertung

Entwickeln diese Menschen inmitten ihres chaotischen Beziehungslebens eine starke Sehnsucht nach zwischenmenschlicher und emotionaler Nähe.

So problematisch sie sich auch verhalten, sie sind dennoch in der Lage tiefergehende Beziehungen zu anderen Menschen einzugehen. 

(Teil 5) die schwere Persönlichkeitsstörung (ohne klinische Behandlungsnotwendigkeit)

Bei Menschen die eine schwere Persönlichkeitsstörung haben muss aber nicht unbedingt immer eine stationäre Behandlung notwendig sein. Meistens handelt es sich hierbei um Personen mit einer neurotischen Persönlichkeitsstruktur und leichtem antisozialem Verhalten.

Das bedeutet, diese Menschen

      • haben ein gut integriertes Empfinden für sich selber
      • können beruflich relativ ungestört funktionieren
      • Sind in der Lage freundschaftliche und auch intime Beziehungen aufrecht zu erhalten
      • sind sozial eingebunden und können kreativ ihr Leben selbst in die Hand nehmen.

(6) Anpassungsstörungen

Die sechste Gruppe die noch weiter entfernt von antisozialen Verhalten ist gehört nicht zu der Gruppe der Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung. Darunter fallen zum Beispiel Lebensphasen wie der Übergang vom Kind ins Erwachsenenalter oder die Phasen einer manischen / hypomanischen Episode

Warum können wir hier nicht von einer Persönlichkeitsstörung sprechen? Nun, der Unterschied zu einer Persönlichkeitsstörung ist

      • dass das was ich e

Eine Persönlichkeitsstörung können wir als dauerhaften Lebensstil mit unflexiblen, starren und nicht zweckmäßigen Verhaltensweisen betrachten. Das eine ist zeitlich abgegrenzt das andere ist permanent Teil der Persönlichkeit und liegt stabil und lang andauernd vor. Es kann also von der Jugend bis ins Erwachsenenalter zurück verfolgt werden. 

Warum diese Playlist und warum die Ermunterung zu einer differenzierten Diagnose?

Wir haben jetzt den siebten und letzten Teil dieser kleinen Reihe über die Diagnose vom Borderline und der Abgrenzung zu anderen Persönlichkeitsstörungen besprochen.

Ich hoffe, deutlich genug aufgezeigt zu haben, dass nur durch eine sorgfältige Betrachtung eine Diagnose möglich ist die unterscheidet zwischen

      • bipolare Störung
      • Major Depression
      • ADHS
      • Schweren Persönlichkeitsstörungen.

Nur durch Sorgfalt und die Konzentration auf die folgenden Kriterien kann ein Unterschied zwischen den einzelnen Störungen gezogen werden:

      • depressive Symptome
      • Suizidalität
      • Liegen echte manische oder hypomanische Episoden vor
      • Wie ist das kognitive Funktionsniveau?
      • Wie ist die Qualität der zwischenmenschlichen Beziehungen
      • Welche typischen Charakteristika hat die jeweilige Persönlichkeitsstörung?
      • Liegt ein Substanzmissbrauch vor?
      • In welchem Ausmaße kann man antisoziale Verhaltensweisen beobachten?

 

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