Nicht umsonst nennt man die Borderline-Therapie auch die “Königsdisziplin” in der Therapie
Vieles im Leben hat zwei Seiten – so auch der Umgang mit der Borderline-Persönlichkeitsstörung.
Mir fällt jedoch auf, dass einer Seite besonders viel Beachtung geschenkt wird:
– dem betroffenen Umfeld / den “Opfern” von Borderlinern.
Dies hat zwar seine Daseinsberechtigung, da durch diese Persönlichkeitsstörung viel Leid verursacht wird.
Andererseits möchte ich auch den Blick auf die “anderen Opfer” lenken, den Borderlinern selber. Denn würde man diese fragen ob sie ihr Verhalten willentlich in die eine oder andere leidvolle Richtung lenken, so sind sich die Wenigsten der Konsequenz ihrer Handlungen bewusst.
Borderliner sind selber Opfer ihrer Umstände!
Warum dies so ist, möchte ich mit meinem Youtube-Kanal und dieser Webseite einen kleinen Aufklärungsbeitrag leisten. Darum ist der Bereich sehr wichtig:
Bevor wir die Frage beantworten, wie die Borderliner-Persönlichkeitsstörung entsteht, möchte ich zuerst einen kleinen Überblick über die grundsätzliche Entstehung einer Persönlichkeit geben.
In der Abweichung hiervon können wir die BPS (Borderline-Persönlichkeits-Störung) dann erkennen.
Der Beginn der Persönlichkeitsbildung ist die Geburt – der Moment, wo der kleine Mensch zum ersten Mal ein seinem Leben auf sich alleine gestellt atmet, einen eigenen Stoffwechsel hat, sich autark bewegt.
Das menschliche Gehirn ist in diesem Zustand dem Gehirn der Tiere unterlegen. Da der präfrontale Cortex beim Neugeborenen praktisch nicht aktiv ist, muss dieser durch äußere Reize “geschult” werden.
Wozu dient der präfrontale Cortex überhaupt?
Er ist der Sitz unserer Persönlichkeit und in diesem Bereich werden die unterschiedlichen Prozesse im Gehirn gesteuert.
Er ist es, der uns zur Vernunft mahnt, bevor wir allen Diäten zum Trotz die ganze Tafel Schokolade essen. Oder der beschwichtigend einschreitet, bevor wir in unserer Aggression Dinge tun, welche uns später wieder Leid tun würden.
Durch ihn wissen wir auch, wie wir uns in der Gesellschaft richtig zu benehmen haben und dank dem wir uns sozial angemessen verhalten und uns selbst organisieren können.
Hier sitzt das, was uns zum Menschen macht – eine kontrollierte, vernünftige, sozial handelnde Person, die aufgrund ihrer Erfahrungen eigene Entscheidungen trifft, deren Konsequenzen sie mitberücksichtigt.
Wichtig hierbei: Dieser Bereich des Gehirns braucht teilweise bis zu 25 Jahre, bis er völlig ausgereift ist.
Das bedeutet: Den präfrontalen Cortex kann man trainieren – und genau das geschieht zum Beispiel bei der Erziehung.
Das neugeborene Kind kommt auf die Welt und ist im Vergleich zu den anderen Säugetierarten höchst unselbständig. Dies ist dem nur rudimental ausgebildeten präfrontalen Cortex geschuldet.
Hinzu kommt, dass der Säugling zwar ein Stress-Gen und ein Anti-Stress-Gen hat, zum Zeitpunkt der Geburt ist aber nur das Stress-Gen aktivierbar. Das Anti-Stress-Gen kann nur durch äußerliche Stimmulanz – z.B. durch die Mutter aktiviert werden.
Was haben diese beiden Faktoren:
1. der unausgebildete präfrontale Cortex
2. das nicht aktive Anti-Stress-Gen
mit unserem Thema Borderline-Persönlichkeitsstörung zu tun?
Personen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung sind auffallend häufig in ihrer Kindheit vernachlässigt, emotionell missbraucht worden.
Ein Kind kommt auf die Welt und ist zu 100% auf die Zuwendung der Mutter angewiesen.
Aber diese Zuwendung ist mit Wärme, Kleidung, Nahrung nicht ausreichend!
Wir wissen heute – durch die Forschungen der Neurobiologie – das der Säugling auf die Spiegelung der Mutter und die Zärtlichkeit der Mutter überlebenswichtig angewiesen ist.
Nur durch das konsequente Spiegeln der Mutter
– das Streicheln, Liebkosen, das “Reden” und sonstige Interagieren mit dem Kind
kann der Säugling
Wir müssen uns das so vorstellen:
Der Säugling weiß nicht, dass er existiert. Durch sein Schreien und das dyadische umgehende Reagieren seiner Mutter erkennt er:
“Da muss so etwas wie ein ICH sein”.
Hierdurch begreift der Säugling:
Er entwickelt über das “DU-Verhältnis” mit der Mutter ein gesundes erstes “ICH-Verhältnis”
Säuglinge welche nicht in dieser sofortigen, liebevollen Resonanz mit der Mutter aufwachsen, haben ein gestörtes ICH-Verhältnis. Dieses gestörte ICH-Verhältnis ist die Grundlage für die vielen Persönlichkeitsstörungen.
In der Psychiatrie sagen wir:
Nein! Das geht nicht!
In allen Kulturen auf der Welt haben neugeborene Kinder eines gemeinsam:
Neugeborene müssen in einer dyadischen Beziehung mit der Mutter o.ä. aufwachsen um durch die Resonanz
Erst ab dem 9. Lebensmonat können Eltern damit beginnen, mit Verzögerung auf die Rufe / Schreie des Kindes zu reagieren. Dann (!) ist es auch förderlich für das Kind.
Und ab dem 18. bis ca. 24. Monat ist der präfrontale Cortex des Kindes auch so ausgereift, dass das Kind beginnt zu lernen, dass sein Verhalten Konsequenzen haben kann. Vorher kann man ihm alles sagen – es wird dies jedoch nicht verstehen.
Genau hier beginnt der Werdegang einer Persönlichkeitsstörung wie z.B. der Narzissmus, der Perfektionismus und auch der Borderliner.
Denn grundsätzlich kommt kein Kind mit einer Persönlichkeitsstörung auf die Welt.
Wie weiter oben geschrieben, benötigt der Säugling in den ersten Lebensmonaten die volle Aufmerksamkeit und eine dyadische Mutter-Kind-Beziehung um in dieser gegenseitigen Spiegelung seine Persönlichkeit zu bilden.
In der Mutter-Kind-Beziehung erfährt der Säugling dass er existiert, ein eigenes ICH ist und es wert ist, geliebt zu werden.
Wenn diese Entwicklung – aus welchem Grund auch immer – nicht erfolgt, kann sich kein stabiles ICH entwickeln und die Persönlichkeitsstörung nimmt seinen Anfang.
Ein vernachlässigtes ICH entwickelt sich häufig zum Narzissmus (ein grandioses Kreisen um das eigene verletzbare Ich) und zum Perfektionismus (ein ängstliches Kreisen um das eigene verletzbare ICH)
Ein misshandeltes ICH entwickelt sich sehr häufig zum Borderliner. Borderliner weisen eine überproportional hohe Rate an Misshandlungen, Verletzungen und Vernachlässigung in der Kindheit auf.
Wenn diese Kinder dann noch die Fähigkeit zum Abspalten / zur partiellen Objektbeziehung haben – was nicht jedes Kind hat – dann entwickelt sich hier häufig eine Borderliner-Persönlichkeit.
Mit diesem wichtigen Gedankengang möchte ich auf ein Faktum hinweisen:
Auch wenn das Leben mit diesen Menschen nicht einfach ist – die Verantwortung für deren Handeln liegt in ihrer Jugend, einer Zeit für die sie nichts können. Die Verantwortung für diese Entwicklung liegt in deren Umgebung!
Otto F. Kernberg hat im Jahre 1999 diese Therapieform der Öffentlichkeit vorgestellt. Diese ist eine (!) mögliche Form der Borderline-Therapie.
Sie hat ihre eigene Form und auch ihre ganz besondere Herausforderung. Da ich diese persönlich sehr schätze und als anwendbar erachte, möchte ich diese Therapieform mit eigenen Worten und in kleinen Abwandlungen aus der Praxis heraus einmal verdeutlichen.
Einem Therapeuten stehen drei Kanäle zur Verfügung um einen Zugang zu dem Patienten zu erhalten:
Auch wenn es häufig in der Welt des Patienten recht konfus zugehen mag, so kann man sich als Therapeut eine kleine Hilfestellung geben: Indem man sich das Verhalten des Patienten wie eine Art Theaterstück vorstellt und sich bemüht, die unterschiedlichen Rollen die dort gespielt werden, einzuordnen.
Wichtig in der TFP ist dass der Therapeut diese erkannten Rollen dem Patienten gegenüber klar und deutlich benennt. Zwar sind dies immer nur Hypothesen und sollten bei Feststellung dass der Therapeut sich geirrt hat korrigiert werden, aber das Benennen dieser Rollen ist sehr wichtig.
Der Therapeut benennt diese umgehend (z.B. “Täter – Opfer – Rolle”) da der schnelle Rollenwechsel welcher bei Borderline-Patienten häufig zu beobachten ist, auch den Therapeuten an die Grenze bringen kann. Hinzu kommt dass der Patient häufig ziwschen projektiven und introjektiven Prozessen hin und her springen kann. Da verliert man als Beobachter schon schnell mal die Überblick.
Eine Dyade ist eine einfache Zweierbeziehung – z.B. Vater und Kind; Patient – Therapeut u.s.w.
Dieses 3. Ziel ist in sich mit die schwierigste Aufgabe in dieser Therapie. Die verschiedenen Rollen (Objektbeziehungsdyaden) sind in sich ja nicht solitär. Sie sind entstanden in der Beziehung zu anderen Dyaden. In der einen Dyade hat der Patient den Triebwunsch, in der anderen hat er die Abwehr verinnerlicht.
Dieser Widerspruch ist für sich schon eine Herausforderung. Beim Borderliner – wie soll es auch anders sein – kommt eine weitere Herausforderung hinzu: Die Konflikte zwischen diesen Dyaden sind (anders als beim Neurotiker) instabil. Abrupte Wechsel zwischen beiden Dyaden können sehr schnell entstehen.
Endlich kommen wir zu dem eigentlichen Ziel. Mit diesem 4. und letzten Schritt werden die Konfusionen der partiellen Objektbeziehungen (meistens sind dies entweder “nur böse” oder “nur gute” Beziehungen) des Patienten geordnet und in Zuordnung zueinander gebracht. Dieser Prozess dauert am Anfang der Therapie oft Monate. Im weiteren Verlauf können solche Objektbeziehungen schon innerhalb weniger Wochen bzw. Tagen vom Patienten selber erkannt werden.
Der Patient erkennt diese disparaten (nicht passenden) Aspekte des Selbst nun selber, versteht die Ursachen und kann ein inneres Konzept der Lösung mit dem Therapeuten erarbeiten.
Indem diese jeweils aktivierten Beziehungspaare nun mit dem Therapeuten reflektiert werden, kann dies durch den metaphorischen Charakter der Therapie wie aus einer Distanz angesprochen werden:
“Etwas in Ihnen verhält sich so, als hätte etwas in mir dieses / jenes Gefühl ausgelöst….”
Der Patient erkennt dass er aus der Situation aus eigener Kraft sozusagen entkommen kann, ohne sich klammheimlich “davonzustehlen”.
Die Schwierigkeit für den Therapeuten ist diese Doppelemotion:
Beispiel für Übertragungs-Gegenübertragungspaare können folgende Dyaden sein:
Nachhaltig wird die subjektive Wahrnehmung des Patienten erfragt. Dies wird so lange von dem Therapeuten gemacht bis er bis ins letzte Detail das, was der Patient erzählt versteht.
Ein Beispiel: “Was meinen sie damit wenn Sie sagen Ihr Vater sei ein Tyrann”?
Vorteil der Klärung: Diese Klärung wird so lange von dem Patienten wiederholt, bis er von seiner Handlung eine gewisse Distanz aufgebaut hat und diese wie ein Symptom seiner selbst betrachten kann. Durch diese Distanzierung in der Klärung und der Objektiviereung des neurotischen Charakters bekommt diese Handlung etwas Fremdes und kann nun behandelt werden.
Bereiche der Klärung werden konsequent, taktvoll angesprochen. Dies ist ein kritischer Punkt in der Therapie, da der Patient diese besonders am Anfang als feindlichen Angriff erleben kann.
Ein Beispiel: “Am Anfang der Therapiestunde haben Sie mich als Ihren Therapeut sehr positiv beurteilt und mir sogar für die Therapie gedankt. Jetzt sagen Sie mir, dass ich all dies nur tue um Ihnen zu schaden. Wie bringen Sie diese beiden Punkte zusammen?”
Die Deutung erfolgt im “Hier-und-Jetzt” und werden hauptsächlich auf die Patienten-Therapeuten-Beziehung bezogen.
Vorteil der Deutungen: Sie helfen dem Patienten bewusst zu machen, wo noch unbewusst wirksame Objektbeziehungen aktiv sind.
Die Deutungen werden klar, schnell und umfänglich Tief geäußert. Man könnte auch sagen: “Es wird nicht um den heißen Brei herumgeredet”.
Die Therapie von Borderliner-Patienten ist und bleibt die derzeitige Königsdisziplin.
Sowohl für Borderliner als auch für Therapeuten ist diese Therapieform eine sehr starke Herausforderung und bringt beide häufig an deren Grenzen.
Dieser Artikel ist nur eine kleine Ansicht über die TFP-Therapie welche durch Otto v. Kernberg im vorigen Jahrhundert entwickelt wurde.
Auf viele – aus wesentliche Punkte – bin ich gar nicht eingegangen.
Der erste Zweck dieses Artikels ist Psycho-Edukation: Ich möchte durch Aufklärung über Krankheitsbilder systematisch und strukturiert erforschtes Wissen in leicht verständlicher Form an interessierte Menswchen weitergeben.
Der zweite Zweck dieser Artikel ist aber auch die Förderung des beiderseitigen Verständnisses!
Auch wenn Persönlichkeitsstörungen für die Umgebung sehr anstrengend sind und durch diese viel Leid entsteht, dürfen wir eines nicht außer acht lassen: Es ist ein Krankheitsbild von welchem sich der Kranke – wenn er diese in einer Distanz betrachten könnte – auch komplett distanzieren würde.
Nicht der Borderliner ist das Problem – es ist die Borderline-Störung!
Sind Sie in Kontakt mit dieser Krankheit? Wenn ich Ihnen helfen konnte mit diesem Blog so freue ich mich.
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Es sind viele Bereiche, die wir ansprechen können: Angefangen vom Umgang Borderline oder einer anderen belastenden Störung, aber auch über Future Faking, Love Bombing und Gaslighting die immer häufiger in unsere Gesellschaft zu beobachten sind.
Ich möchte aber nicht nur über Fragen sprechen, sondern auch praxisgerechte Lösungen anbieten:
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Borderline ist die Königsdisziplin in den zu behandelnden Störungsbildern. Dieses Buch befasst sich nicht mit einer Therapie zu Hause, in der Praxis, sondern in einem klinischen Umfeld. Die Übertragungsfokussierte Psychotherapie (Transference-Focused Psychotherapy, TFP) ist ein psychodynamisches Verfahren, dass die Beziehungs- und Identitätsstörung von Borderliner ganz in den Mittelpunkt der Therapie stellt. Ihren Ursprung hat sie in der Objektbeziehungstheorie, die davon ausgeht, dass die Schwierigkeiten bei Persönlichkeitsstörungen auf nicht integrierte Persönlichkeitsanteile zurückzuführen sind. Darum müssen diese durch eine Therapie aktiviert und in das Handeln integriert werden.
Dieses Buch befasst sich ausführlich mit Diagnostik, Therapievereinbarungen, Behandlungsphasen, Therapiefokus und Arbeiten im interdisziplinären Team. Ein tolles Werk für jeden Facharzt.