Schriftzug Marcsu Jähn

Borderline – Pervers oder Paraphil?

Borderline und die gestörte Sexualität

 ❓Ist das noch Perversion oder schon Paraphilie ❓ 

Borderline und die gestörte SexualitätPerversion und Paraphilie – durch sie wird eine Niederlage aus der Kindheit in einen Triumph im Erwachsenenalter umgewandelt! Zitat Robert J. Stoller

Der Begriff der Persönlichkeitsstörung ist heute in aller Munde wird in vielen Forschungen und Vorträgen immer wieder von allen Seiten neu betrachtet. Diese Entwicklungsstörung hinterlässt tiefe Spuren in der Persönlichkeit eines Menschen, da ein junger Mensch während seiner kindlichen Entwicklungsphase im „Reifen“ stark gestört wird und sich damit als Erwachsener zu einer gestörten Persönlichkeit entwickelt. Die Auswirkung davon sehen wir dann in einem völlig widersprüchlichen und unreifen Verhalten, dass oft ins Extreme der Sexualität abdriftet.

Sexualität gehört einfach zum Leben und einem Miteinander dazu. Und darum ist es bemerkenswert, dass Borderline zwar einerseits von allen Seiten betrachtet und durchleuchtet wird – der Zusammenhang zwischen Borderline und Sexualität jedoch – außer durch Otto Kernberg – nur in verschwindend wenigen Studien untersucht wird.

Es wird praktisch über alles geschrieben, was mit Borderline in Verbindung steht:

  • Die Objektbeziehungen,
  • die Impulsivität,
  • die gestörte Identität
  • die Spaltung und Verdrängung,
  • und nicht zuletzt der instabile Umgang mit der Lebens-Realität.

Sexualität jedoch wird in dieser ganzen Aufzählung der Borderline–Symptome lediglich versteckt erwähnt. Wir finden sie zum Beispiel bei der erhöhten Impulsivität. Es wird sogar ausdrücklich hervorgehoben und betont, dass in diesem Bereich das Thema „Sexuelle Funktionsstörungen“ ausgesprochen selten zu beobachten ist. Dafür ist eher das persönliche Erleben der Sexualität stark beeinträchtigt, was wir durch ein heftiges Idealisieren oder Entwerten beobachten können.

Darum steht auch in all den Studien über Borderline und die Sexualität eher der Beziehungsaspekt und nicht die die Funktion der Sexualität im Fokus. Auch wir wollen uns in diesem Beitrag weniger mit einer sexuellen Funktionsstörung befassen, sondern uns einmal mit dem Begriff einer Borderline–Paraphilie befassen.

 👉Paraphilie und Perversion

Paraphilie kommt – wie so viele Ursprungswörter unserer Sprache aus dem Griechischen. Das Grundwort „Para“ bedeutet daneben und „Philia“ beschreibt eine freundschaftliche Liebe. Paraphilie ist somit eine krankhafte Liebe, die so extrem von der Norm abweicht, dass sie sogar im Vergleich zur Perversion eine weitere extreme Steigerung darstellt. Was das nun ist, werden wir gleich besprechen.

Zuerst aber einmal einen Blick auf den Begriff der Perversion … Er kommt diesmal aus dem lateinischen Wortschatz. Perversus“ bedeutet: verdreht oder verkehrt und bezeichnet damit eine krankhafte Empfindung oder ein krankhaft unnormales Verhalten. Wenn wir von Perversion sprechen und diesen von der Paraphilie abgrenzen wollen, dann liegt der Hauptunterschied darin, dass mit Perversion eine neurotische Persönlichkeitsstruktur beschrieben wird, in der die Libido (Die lusthafte Liebe) immer noch eine wichtige Rolle spielt, Verdrängung als Abwehrmechanismus jedoch im Vordergrund steht und Spaltung, Objektidentifizierung und eine Realitätsleugnung im Sexuellen wirksam wird.

Ganz anders die Paraphilie: Hier wird nicht verdrängt, sondern eher intensiv gespalten und verleugnet, was wiederum eindeutig Teil einer Borderline–Persönlichkeitsstruktur ist!

Ich möchte anhand von ein paar Fallbeispielen aus der Literatur von Otto Kernberg und anderen zeigen, dass es wichtig ist, die Sexualität des Borderliners von Perversion und der Paraphilie abzugrenzen.

Wie bereits beschrieben: Perversion hat – trotz der neurotischen Einschränkungen und Hemmungen – immer noch etwas mit Libido zu tun. Paraphilie ist das genau Gegenteil, wie wir noch sehen werden.

Die Borderline–Persönlichkeitsstruktur ist etwas, was aus dem stabilen Rahmen herausfällt und sich immer wieder in Extremen wiederfindet. Eine der Extreme ist dann die Paraphilie – aber auch wirklich nur eine von mehreren. Ich denke hier dann auch an eine Geschlechts-Identitätsstörung, an die Verstümmelung der eigenen Geschlechtsorgane und andere Störungen. Lass uns das einmal im nächsten unter Thema genauer untersuchen:

1. Sexuelle Symptome bei Borderline – Patienten.

Wie bereits gesagt, gibt es nicht allzu viele Studien, welche einen Zusammenhang zwischen Sexualität und der Borderline–Persönlichkeitsstörung betrachten. Es wird zwar einiges geschrieben, aber nur wenig geforscht. Der Grund dafür könnte sein, dass die anderen Auffälligkeiten wie z.B. die Impulsivität, die Bindungsunfähigkeit oder die heftige Wut eher im Vordergrund stehen als die sexuellen Symptome.

Ging es um das Herausfinden des WARUM Borderline entsteht, dann betrachtete man eher die Frauen in diesem Thema. Der Mann und seine möglichen sexuellen Traumatisierungen wurden bislang nur wenig erforscht. Mir persönlich ist auch keine wirklich aussagekräftige Studie zu diesem Thema bekannt.

Vielleicht sollte man aber mal eine Studie der Psychologie-Professorin Mary Zanarini von der McLean Universität in Belmont Massachusetts aus dem Jahre 2003 betrachten. Sie fand nämlich heraus, dass fast die Hälfte der Borderline-Männer Schwierigkeiten in ihren sexuellen Beziehungen hatten, weil sich

  • ihre Symptome entweder verstärkten (in Form von Selbstverletzungen oder suizidalen Handlungen)
  • oder sie hatten Bindungsangst, nicht zuletzt auch wegen ihrer stärker ausgeprägten Symptome.

Eine weitere traurige Erkenntnis der Studie war, dass fast die Hälfte der untersuchten Männer in ihrer Kindheit sexuelle Missbrauch Erfahrungen erlitten. Ein Thema, was im weiteren Verlauf noch angesprochen wird… 

Der Psychiater und Psychotherapeut Dr. Birger Dulz und die leider bereits 1994 verstorbene Dr. Angela Schneider, bezeichneten diese Handlungen als Polymorph–perverse–Sexualität. Polymorph benennt etwas, was in vielen Formen auftreten kann („poly = viel und „morphe“ = Form). Ich finde, dass die Bezeichnung „Polymorph in diesem Zusammenhang gar nicht so schlecht gewählt ist, denn sie beschreibt eine Veränderung eine Transformation der ursprünglichen Perversion.

Das sich das Verhalten einer Gesellschaft ändert, ist nichts Neues. Bereits Sigmund Freud hatte damals den „ur–perversen Typus“ beschrieben, der zu seiner Zeit klassisch mit einem konstanten Handlungsmuster daherkam, wie zum Beispiel die Vorliebe für gewisse Kleidungsstücke / ich denke hier an den Schuhfetischisten… Auch heute gibt es neue Formen der sexuellen Perversion. Sie ist nun bei weitem instabiler und polymorpher noch vor 100 Jahren

  • Was aber hat das alles mit unserem Thema – Sexualität, Perversion und Paraphilie – zu tun?

Borderline tritt heute immer häufiger in Verbindung mit einer anders gelebten Sexualität auf. Die tritt zwar nicht mit körperlichen Funktionsstörungen auf, geht aber deutlich oft tieferen Gefühlen und intimen Situationen aus dem Weg.

👉 Deutlich weniger Intimität und Nähe, dafür aber mehr Abwehr – so könnte man die Formel bezeichnen!

Und weil der Borderline ja auch ein Mensch mit Gefühlen ist, verspürt er nach dem vielen Weglaufen auch den Wunsch nach Geborgenheit und Nähe. Mit der Folge, dass er zwar unzählige Sexualkontakte in seinem Leben hatte, aber nie eine wirkliche Beziehung hat aufbauen können.

  • Was könnte der Grund dafür sein, dass Borderliner häufig nur sehr unbefriedigende Beziehungen haben?

Auch hier möchte ich mal wieder eine interessante Studie zu Wort kommen lassen, diesmal von den beiden Psychoanalytikerinnen Harriet Kimble Wrye und Judith K. Welles: In ihrem Buch über die mütterliche erotische Gegenübertragung haben Sie recht anschaulich gezeigt, warum in den Augen des Borderliners Nähe und Intimität so gefährlich wirken. Die Gründe die sie aufzählen sind Störungen aus der frühen Kindheit, welche alte Fantasien und Impulse immer wieder neu aufleben lassen. In diesen angstvollen Momenten wird Nähe und Intimität als Gefahr wahrgenommen und fast schon selbstzerstörerisch bekämpft.

Ist das alles mal wieder allein die Schuld der Mütter? Nun, das lassen diese Forscher bewusst offen, aber sie zeigen ganz klar, das in der Erotik dieser späteren Erwachsenen, die mütterlich erotische Übertragung von zentraler Bedeutung ist! 

Woran machen Sie das fest? Durch eine sehr genaue Studie zu Übertragung und Gegenübertragung. Patienten übertragen in der Therapie ihre körperlichen Bedürfnisse wie ein Verschmelzen und beim Therapeuten kommt oft dann in der Gegenübertragung das Gefühl hoch, ihr Gegenüber wie ein kleines Kind zu schützen, pflegen oder zu nähren. 

Und genau jetzt ist es wichtig, dass der Therapeut in diesen Übertragungs- und Gegenübertragungsthemen fest geschult ist, um sie zu erkennen und nicht blind auszuagieren – sich also nicht zum „Handlanger“ seines Patienten machen lässt. Ein wirklich spannendes Thema in der Psychotherapie!

Die Abstufungen von neurotisch, über pervers bis paraphil

Otto Kernberg ist meines Wissens derjenige, der sich wohl am intensivsten mit den Themen sexueller Störung, Perversion und der Paraphilie auseinandergesetzt hat. In seinem Werk: „Wut und Hass – über die Bedeutung von Aggression bei Persönlichkeitsstörungen und sexuellen Perversionen“ beschreibt er immer wieder diesen Zusammenhang. Interessanterweise hat er sechs verschiedene Ebenen beschrieben, die so typisch für die Perversion im Bereich Borderline sind und ich hier einmal aufzählen möchte

  1. Die normal neurotische Ebene. Da gibt es immer wieder mal Anteile von Perversion. Sie werden aber nur ab und zu beim Liebesspiel verwendet
  2. Die neurotisch perverse Ebene. Hier werden schon regelmäßig immer wieder perverse Themen eingesetzt.
  3. Die Borderline perverse Ebene. Perversion ist hier ein fester Teil der Umgangssprache.
  4. Die Borderline paraphile Ebene: das ist die Steigerung der Perversion, auf die wir gleich im nächsten Unterpunkt eingehen werden. Kurz gesagt: Perversion in sich immer wieder verändernden Fassungen.
  5. Die malign-narzisstische Ebene:
    Das Wort „malign“ bedeutet grundsätzlich erst mal „böse / schlecht“ und wird in der Medizin mit einer Krankheit in Verbindung gebracht. In unserem Falle sprechen wir dann von einem schweren sadomasochistischen Verhalten. Personen auf diesem Struktur-Niveau ignorieren komplett alle Regeln / Grenzen und sehen in ihrem Gegenüber nicht mehr einen Menschen, sondern nur noch irgendein Objekt, dass sie nach ihrem Willen benutzen und anschließend wegstoßen können.
  6. Die asexuelle Ebene… Diese Borderline-Struktur ist völlig frei von sexuellen Motiven, jedoch angetrieben von einer tiefen Verletztheit und ständigen Rachegefühlen. In den Studien von Otto Kernberg wird immer wieder gezeigt, dass diese Personen in ihrer frühesten Kindheit praktisch gar keine liebevolle Pflege durch die Mutter erhalten haben! Und weil dem so war und ist es später auch nicht möglich, ihn durch irgendeine liebevolle erotische Partnerschaft zu besänftigen.

Teil 2: Paraphilie zerstört jede Beziehung

Der Begriff „Paraphilie“ wurde erst im Jahr 2000 in den DSM 4 aufgenommen.
Der Grund hierfür war, dass die Bezeichnung „Perversion“ neu beurteilt werden musste! Unsere Welt befindet sich ständig in einem Wandel – oft leider nicht zum Guten, sondern eher in die entgegengesetzte Richtung. Wenn schlechtes, wie Perversion noch schlechter wird, dann muss man zwangsläufig die Stufe eins von der Stufe zwei abgrenzen. Und dies geschah mit dem Begriff Paraphilie.

Paraphilie ist – salopp gesagt – Perversion 2.0…

Das Neue in diesem Zusammenhang ist, dass es nicht mehr um eine zwischenmenschliche Beziehung zwischen Mann und Frau geht.

👉 Dass jetzt wichtigste Kriterium ist nun, dass jemand nicht mehr in der Lage ist, in seiner Sexualität, die Interessen seines Partners zu berücksichtigen.

Unter Paraphilie versteht man ein sexuell extrem bedürftiges und triebhaftes Verhalten. Dies alles immer in Verbindung mit sexuellen Fantasien, die sich entweder

  • auf Objekte,
  • ein sadomasochistisches Leiden,
  • das Demütigen von sich selbst oder dem Gegenüber
  • oder sexuelle Praktiken mit Personen, die damit nicht damit einverstanden sind oder sein können (ich denke hier an Kinder oder Behinderte)
    und das alles über einen Zeitraum von mindestens sechs Monaten.

Das ist jetzt mal ein klar anderer Ansatz als der ursprüngliche Begriff „Pervers“. Denn am Anfang war „pervers“ noch eine Bezeichnung für „neurotisch“ und hatte zumindest ein kleines Maß an Libido vorausgesetzt. Die zwei größten Änderungen in diesem Begriff sind also:

  • Die Fähigkeit bzw. die Nicht–Fähigkeit sich in den Anderen einzufühlen.
  • Das Einverständnis von beiden Seiten. Denn, solange jemand „etwas mit jemand anderes machen möchte, der dies genauso auch will – also seine Zustimmung zu der Handlung gibt – hat dies nicht mehr die Wertigkeit einer Krankheit!

Platt ausgedrückt

  • ist „der Perverse“ einfach nur anders und gehört zu einer individuellen Vielfalt
  • und „der Paraphile“ ist ein pathologisch Krankhafter, der sich über die Grenzen und Normen seines Gegenübers hinweg setzt.

Wir leben heute in sich immer stärker verändernden Zeiten und deshalb muss man auch die Methodik einer Diagnose der veränderten Realität anpassen. Viele Menschen – ich denke hier u.a. an Travestie – wechseln ihre eigene Identität immer flexibler und häufiger – ähnlich einer Rolle in einem Theaterstück. Sie haben einfach Freude und Lust daran, ihr Leben immer wieder in entgegengesetzten Bewusstheiten zu verwirklichen. Von diesem Punkt aus betrachtet, könnten wir Borderline auch als eine gesteigerte Reaktion auf den Alltag betrachten – ähnlich wie es Sigmund Freud mit der Hysterie. Er entwickelte den Begriff der Histrionie, um den krankhaft neurotischen Verhaltensweisen in seiner Zeit einen Namen zu geben.

Teil 2.1 Ab wann ist die Störung krankhaft?

Wir müssen in diesem Thema (Perversion / Paraphilie) noch einem anderen Begriff etwas Raum geben: dem Sadomasochismus. Im DSM finden wir folgende Kriterien hierfür:

Für mindestens sechs Monate muss folgendes beobachtbar sein …

  • Immer wiederkehrende, intensiv sexuell erregende Fantasien
  • Sexuelle dranghaftes Verhalten, welches das reelle Leiden und / oder die Erniedrigung eines Gegenübers mit beinhalten
  • Als zweites Kriterium gilt, wenn es beim Gegenüber durch das Ausleben dieses zwanghaften Bedürfnisses zu einem deutlichen Leiden oder anderen zwischenmenschlichen Schwierigkeiten führt.

Der psychiatrisch klassifizierte Sexual-Sadismus wird diagnostiziert, wenn jemand sein sexuelles Bedürfnis mit jemanden auslebt, der damit absolut nicht einverstanden ist und diese Handlung zu einem deutlichen Leiden oder zwischenmenschlichen Schwierigkeiten führt.

Robert Stoller (1925 bis 1991) war ein amerikanischer Psychiater und Analytiker und sollte in diesem Zusammenhang nicht unerwähnt bleiben. Er hat in seinem Buch „Perversion – die erotische Form von Hass“ genau dieses Thema durchleuchtet. Hierbei stellt er klar, dass das entscheidende Merkmal von Perversion der Hass ist. Durch Hass wird andere Menschen Schaden zugefügt, weil dies für ihn dann ein Akt der Rache ist. Rache für das, was er in seiner Kindheit erleben musste, als er sich nicht verteidigen konnte, während er / sie drangsaliert wurde.

Erinnerst du dich noch an meinen einleitenden Gedanken? Perversion und Paraphilie sind die Umwandlung einer Niederlage in einen Triumpf. Zitat Robert Stoller: „Durch die Perversion wird die Wut in einen Sieg über jene verwandelt, die ihn unglücklich machten, denn in der Perversion wird ein Trauma zum Triumpf.

Diese Machtspiele und die Lust am eigenen Schmerz und den des Anderen ist in unserer heutigen Gesellschaft keine Minderheit mehr. Quer durch unsere Gesellschaft wird dies praktiziert und scheint besonders die etwas Besserverdienenden anzusprechen.

In einem Bericht des Sternmagazins konnte man lesen, dass die meisten Mitglieder solcher Clubs

  • der oberen Mittelschicht angehören
  • über eine gute Schulbildung verfügen
  • In der Gesellschaft gut integriert sind
  • und im „restlichen Leben“ in der Regel als stabil und zuverlässig gelten.

Interessant ist m.E. hierbei das nach einer Befragung und Erfahrungsberichten aus der Szene viermal so viele der BDSM-Fans eher den unterwürfig-devoten Part bevorzugen als den Dominanten. Wahrscheinlich dient gerade er als ein Ventil um mal die Verantwortung und den Druck des Lebens einfach loszulassen und endlich auch mal Schwäche zeigen zu dürfen.

👉 Etwas anderes ist m.E. auch wichtig – der Zusammenhang mit dem Thema TraumaAuf Wikipedia wird eine Studie aus dem Jahr 2008 vorgestellt, die an über 3000 Mitgliedern der BDSM-Szene durchgeführt wurde. Über ein Drittel der Teilnehmenden (37,5 %) waren schon ein oder mehrmals Opfer von Diskriminierung, Belästigung oder Vorurteilen. Dies scheint die These des Druckablassens und den des Racheaktes von Robert Stoller zu unterstützen.

  • Ab wann ist es denn eine Störung?

Zuerst sollte klargestellt werden, dass die Störung nicht daran gemessen werden kann, wie stark der Fetisch oder wie ungewöhnlich ein Ritual oder ein Aussehen auf uns wirkt. Das alles sollte man immer im Vergleich zur allgemeinen Kultur oder Ethik der Gesellschaft sehen. Die Grenze ist eine ganz andere!

Die Grenze liegt da, wo jemand im erregten Zustand die Interessen seines Gegenübers nicht mehr wahrnehmen oder berücksichtigen kann!

Dieses – ich kann mich nicht mehr in den Anderen hineinversetzen – dass ist genau die Urform einer Spaltung und zeigt die dramatische Nähe zur Borderline–Struktur, wo ein Spielen mit verschiedenen Rollen nicht mehr möglich ist. Mit anderen Worten: Dies ist eine Partialobjekt–Übertragung, in der das Gegenüber mit all seinen Persönlichkeits-Schattierungen nicht mehr in ein Gesamtes integriert werden kann.

Ein Beispiel aus meinen persönlichen Gesprächen: Eine Familie berichtet ihrer mit Borderline diagnostizierten erwachsenen Tochter kurz über den Wunsch eines im Endstadium befindlichen todkranken Nachbarn, sich freiwillig zu suizidieren. Die Tochter konnte in diesem Moment die Wucht dieser Information nicht mehr ertragen und ist auf die schwarze Seite gekippt. Weitere Erklärungsversuche der Eltern mit guten Argumenten und Informationen, über deren Hilfseinsätze drangen dann nicht mehr durch. Ein klassischer Moment der Spaltung. Hier jedoch ohne gravierende Folgen… Spaltung und dieses sich nicht mehr in die Denke und die Grenzen des Anderen eindenken zu können, ist also ein sehr wichtiges Kriterium!

Und genau hier kann man eine klare Grenze zur klassischen Neurose ziehen: Die Neurose ist eine Angsterkrankung, die

  • Zum einen mit einer großen evtl. auch falsch verstanden Rücksicht für den Gegenüber zu tun hat,
  • Zum Anderen hat sie viel mit Hemmung und Verdrängung zu tun.

Nun aber können wir immer mehr ein Verhalten in der Gesellschaft beobachten das völlig anders zu sein scheint: Keine Verdrängung und keine Hemmung, dafür aber Spaltung und Agieren. Bei ihr steht die Sexualität – ähnlich einem Überdruck-Ventil – ganz in den Diensten einer aggressiver Abwehr noch schädlicherer, oft tödlichen Handlungen. Lass uns etwas tiefer in dieses Thema eintauchen…

Teil 2.2. Der Unterschied zwischen Perversion und Paraphilie

Unsere Welt ist immer mehr im Wandel – ich kann diesen Satz nicht oft genug zitieren. Auf der einen Seite gibt es immer noch die Menschen, die Sigmund Freud damals mit dem Begriff „Perversion“ beschrieben hat, deren Sexualität oft eingeschränkt und ihre Handlungen viel mit Hemmung und Verdrängung zu tun hatten. Aber in neuerer Zeit gibt es immer mehr und auch sichtbarere Störungen, in denen Spaltung und Agieren ganz im Vordergrund stehen und die Sexualität funktionell gar nicht eingeschränkt ist, aber – frei nach Robert Stoller – ganz im Dienst einer aggressiven Abwehr steht. Deshalb ist es auch richtig, dass man den alten Begriff „Perversion“ für die neurotische Version und „Paraphilie“ für die aggressiv, agierende Version nimmt.

Wir finden in der Literatur einige Beispiele hierfür, die ich in einem anderen Beitrag einmal in Ruhe aufbringen möchte. Dies würde den Rahmen für diesen Vortrag deutlich sprengen. Ich lade aber jeden Interessenten dazu ein, sich näher mit Otto Kernberg und seinen Forschungen rund um Borderline und die Störungen der Sexualität auseinandersetzen. Meine Empfehlung: Kernberg „Wut und Hass: Über die Bedeutung von Aggression bei Persönlichkeitsstörungen und sexuellen Perversionen“

Mein Fokus ist eher der Ursprung, der heute immer stärker zu beobachten aggressiven Verhaltensweisen im sexuellen Thema. Darum möchte ich – nicht zuletzt auch wegen des fantastischen Werkes von Robert Stoller – den Blick auf folgendes Thema lenken: 

Teil 2.3. Traumata und sexueller Missbrauch als Ursache für spätere Paraphile Handlungen

In der interessanten Forschung („Geschichte des sexuellen Missbrauchs in der Kindheit und allgemeine Psychopathologie“) hatten die Forscher Figueroa, Silk und andere 1997 im Rahmen einer Studie folgendes ermittelt: Bei den untersuchten und behandelten Versuchsteilnehmern waren vier von fünf Personen – die zusätzlich mit Borderline diagnostiziert wurden – in ihrer Kindheit sexuell missbraucht worden, was dann zu einem deutlichen Anstieg der Symptome führte. Ein wichtiges Ergebnis aus dieser Studie war, dass der Missbrauch – ganz besonders wenn er von engsten Familienmitgliedern verursacht wurde – zu paranoiden Haltungen, Feindseligkeiten und Hass geführt hat.

Solche Studien zeigen immer wieder, dass ein persönlich erlebter Missbrauch in der Kindheit – egal ob ein einzelnes Gewalttrauma oder ein Entwicklungstrauma – oft dazu führt und auch nachweisbar dazu führt, dass man sich selbst später zu einem Missbrauchstäter entwickelt.

Denke immer an die Worte von Robert Stoller: Perversion, Wut und Hass dient vielen Erwachsenen dazu, ein Kindheitstrauma in einen Triumph überführen zu lassen.

Und dies belegen viele Studien, wie zum Beispiel eine aus dem Jahre 2003 von Daniel Salter und anderen „Entwicklung sexuell missbräuchlichen Verhaltens bei sexuell missbrauchten Männern“ Hier wurden in einer 19 Jahre andauernden Forschung – also eine Longitudinale / Längsschnitt-Studie – mehrere Hundert ehemalige männliche Sexual-Opfer beobachtet. Dabei ging es auch um die Frage:

👉 Was könnte einen nun davon abhalten, solch einen Verhalten auszuführen?

Teil 2.4 Was fördert Resilienz?

In einer anderen sehr interessanten Studie des neuseeländischen Forschers Ian Lambie aus dem Jahr 2002 („Resilienz in der Opfer-Täter-Spirale bei sexuellem Missbrauch von Männern“) wurden missbrauchte Jungen untereinander verglichen. Die Frage hierbei war nicht so sehr, warum so viele Missbrauchs-Opfer aus der Kindheit im Erwachsenenalter später Täter wurden – dazu gibt es ja schon die Forschungen von Robert Stoller – sondern vielmehr ging es um die Frage, was für Faktoren es denn gibt, die jemanden davon abhalten (!!!) in eine Opfer-Täter-Spirale einzutreten. Dabei wurden große Unterschiede zwischen späteren Tätern und Resilienten festgestellt. 

Vor allem erhielt die resiliente Gruppe im Vergleich zu den Tätern

  • mehr Unterstützung durch die Familie!
  • Sie hatten mehr Freundschaften mit Gleichaltrigen,
  • Sie waren gebildeter
  • und hatten interessanterweise auch weniger Geschwister.
  • Sie erzählten deutlich weniger über sexuelle Fantasien und sexuelles Verlangen in Bezug auf kleine Kinder. 
  • Die resiliente Gruppe neigte eher dazu, die Auswirkungen ihres sexuellen Missbrauchs zu internalisieren, während die Opfer-Täter-Gruppe eher externalisierende Effekte zeigte, zu denen auch körperlicher Missbrauch gegenüber anderen gehörte. 
  • Die „späteren Resilienten“ gaben deutlich häufiger an, von weniger als drei Tätern misshandelt worden zu sein.

Dies alles zeigt, wie notwendig es ist, Täter und Opfer nicht über einen Kamm zu scheren… Es ist immer eine Kombination aus vielen Faktoren, welche einen Menschen zu einem Täter machen oder ihn resilienter werden lassen. Eine tolle Studie!

Lassen Sie uns miteinander ins Gespräch kommen. 

Marcus Jähn Werde wieder stark durch CoachingEs sind viele Bereiche, die wir ansprechen können: Angefangen vom Umgang Borderline oder einer anderen belastenden Störung, aber auch über Future Faking, Love Bombing und Gaslighting die immer häufiger in unsere Gesellschaft zu beobachten sind. 

  • Was ist das eigentlich, eine Persönlichkeitsstörung, ein Perfektionismus, ein Spaltung oder eine Gegenübertragung?
  • Kann ich trotz Borderline oder Narzissmus eine stabile Partnerschaft aufbauen und damit über Jahre hinweg leben? 
  • Ist eine Kommunikation mit einem Borderliner möglich? Wie hilft hier die U.M.W.E.G.-Methode©? 
  • Kann ich meine Bindungsangst oder Verlustangst irgendwann einmal kontrollieren?
  • Was kann ich tun, wenn ich mich gerade in einer Trennung befinde, oder kurz davor bin?


Ich möchte aber nicht nur über Fragen sprechen, sondern auch praxisgerechte Lösungen anbieten:

  • Eine humorvoll und spielerisch – ja fast tänzerisch – eingesetzte Gewaltfreie Kommunikation in Kombination mit der von mir entwickelten 
  • U.M.W.E.G.-Methode© und nicht zuletzt die Transaktionsanalyse als Sprachkonzept können helfen, auch in schwierigen Situationen noch kühlen Kopf zu bewahren. 

Buchen Sie sich einfach auf meinem Online-Kalender ein Zeitfenster oder nutzen Sie mein klassisches Kontaktformular um mit mir in Verbindung zu treten. Ich freue mich auf Sie. Ihr Marcus

Marcus Jähn Meine Buchempfehlung zu diesem Thema

Warum immer diese Wut?

Unsere Welt ist durchzogen von Wut und Aggression. Aber warum ist dem so? Robert Stoller (amerikanischer Psychoanalytiker) ist dieser Frage zeit seines Lebens nachgegangen. Seine Motto: wenn ich die Perversion verstehe, dann verstehe ich auch das „Normale“. Perversion ist das Verdrehen einer Normalität in etwas Krankhaftes. 

Was ist seine Kernaussage in diesem Buch? Zitat: „Durch Perversion wird die Wut in einen Sieg über die Vergangenheit umgewandelt und ein Trauma in einen Triumph.“ Ernüchternd? Lies dich einmal in dieses wertvolle Buch ein. Und achte auch auf die Aussagen, warum – nach Stoller – in der Lust, in der Familie, in der Gesellschaft und in dem Erhalt der Menschheit eine Notwendigkeit der Perversion besteht. 

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