Schriftzug Marcsu Jähn

Borderline – Sucht, Scham / Schuld und die innere Leere – Ein Trauerspiel im Quadrat

Borderline und Suchterkrankungen treffen wir heute immer stärker in einer Co-Gemeinschaft an. Sie werden fast schon als siamesische Zwillinge bezeichnet. Suchterkrankungen und Abhängigkeiten von Suchtmitteln gehören zwar einerseits zu den häufigsten Problemen auf die Psychiater und Psychologen stoßen – auf der anderen Seite verunsichert diese Thematik aber auch durchaus sehr versierte Therapeuten. Weltweit sprechen wir von circa 100 Millionen Menschen mit Alkoholabhängigkeit und 2,7% der Weltbevölkerung erfüllt laut aktuellen Statistiken Kriterien der BPS / Borderline-Persönlichkeitsstörung.

    • Das entspricht ca. 216.000.000 Menschen
    • 22 Millionen Menschen befinden sich weltweit mit einer Cannabisabhängigkeit. 
    • Circa 27 Millionen Menschen leben in einer Opioid Abhängigkeit.
    • Und circa 11 Millionen Menschen sind abhängig von Kokain und Amphetaminen.

Selbst gestandene Therapeuten reagieren auf diese Süchte mit einer gewissen Berührungsangst oder aber auch mit dem Gefühl, bei diesem Thema nur sehr wenig ausrichten zu können. Es soll sogar Therapeuten geben die ein Sucht verhalten mit Ablehnung oder sogar mit einer Vor-Verurteilung strafen.  … Wie auch immer … das Thema Sucht hat in unserer Gesellschaft eine lange und auch eine sehr wechselhafte Geschichte.

Kaum ein Thema spaltet die Meinung der Gesellschaft so sehr wie das Thema „Sucht“. Die einen heben moralisierend den Finger und sagen sogar, dies sei eine pathologische Krankheit. Andere versuchen das Thema herunter zu spielen und verleugnen es fast schon.

Warum aber besteht dieses massive Ungleichgewicht in diesem Thema? Weil die Sucht selbst im medizinischen Bereich etwas komplett Unverständliches und auch manchmal auch etwas unheimliches darstellt… Die Frage darf in diesem Zusammenhang auch erlaubt sein ob nicht jeder von uns ein gewisses Suchtpotenzial hat? Warum frage ich so gezielt nach diesem Suchtpotenzial? Nun wir sind umgeben von vielen neuen Social-Media-Plattformen, einer Gaming/Spiele Industrie die alle eins gemeinsam haben: eine fast beängstigend perfekte Herangehensweise daran, Menschen zu einem süchtigen Verhalten zu verführen. Was meine ich damit? Es werden immer bessere Algorithmen entwickelt um den Medienkonsum auf Twitter, Facebook, Instagram und Co. so lange wie möglich auszudehnen um anschließend damit Profit zu erzielen.

Erlaube mir darum aus diesem Grund diesen heute überall zu beobachtenden übersteigerten Medienkonsum bereits als einen kritischen Weg zu einer Abhängigkeit zumindest in die Diskussion zu werfen… Da sich aber bereits Milliarden von Menschen diesem Verhalten angeschlossen haben muss ich etwas vorsichtiger argumentieren bzw. eher zögerlich fragen: „Ist die Art und Weise/die Menge des Medienkonsums nicht vielleicht schon die neue Norm der Zukunft – das neue Normal?“

Wenn wir uns jetzt aber von dem Medienkonsum weg und etwas mehr dem stofflichen Konsum zuwenden werden wir sehen, dass es einen engen klinischen Begriff von Suchterkrankungen gibt… der uns hilft diesen von anderen Handlungen – z.B. von einem „normalen“ Genussverhalten abgrenzen…

Warum sage ich das so deutlich? Nun, die Fähigkeit etwas zu genießen führt nicht zwangsläufig zu einer Sucht! Das behaupten nur die Moralapostel! Sigmund Freud hatte ja bereits darauf hingewiesen, dass sich ein seelisches Gleichgewicht besonders dadurch bildet, wenn die Arbeitsfähigkeit und die Genussfähigkeit gut nebeneinander existieren können

Ich möchte mich ab jetzt ausschließlich mit dem psychoanalytischen Begriff von Suchterkrankungen auseinandersetzen Und da dieses Gebiet extrem komplex und vielleicht auch zu umfangreich ist um es in einem einzigen Beitrag zu besprechen möchte ich mich vor allem auf die stofflichen Süchte wie zum Beispiel Alkoholismus, Drogen Missbrauch etc. konzentrieren. Die immateriellen Süchte wie z.B. die Sexsucht, die Spielsucht oder die Social-Media-Sucht werden wir nur von der Ferne streifen.

Teil 2. Die Definition von einer Sucht

Im ICD-10 und ICD – 11 werden die Suchtverhalten klar und deutlich klassifiziert. Im ICD – 10 finden wir dies in der Kategorie F1 als psychische und Verhaltensstörung and durch Psychotropensubstanzen. In ICD – 11 werden sie in der Kategorie 6C4 „Störungen durch Substanz Gebrauch oder Verhaltenssüchte“ aufgeführt.

Die Diagnose nach dem ICD 11 erfordert, dass mindestens zwei von den drei zentralen Kriterien über einen Zeitraum von mindestens zwölf Monaten bestehen müssen… Die Diagnose kann aber auch gestellt werden, wenn die Substanz mindestens ein Monat lang auf Dauer (täglich oder fast täglich) konsumiert wird.

    • Kriterium 1: die beeinträchtigte Kontrolle über den Konsum bezogen auf den Beginn, die Menge oder auch unter Umständen das Ende des Konsums.
    • Kriterium 2: physiologische Merkmale
      – Toleranzveränderung 

      – Entzugserscheinungen nach Konsumstop oder Konsumreduktion
      – wiederholter Konsum der Substanz um Entzugserscheinungen zu vermindern oder zu verhindern
    • Kriterium 3: der Substanzkonsum wird fortschreitend zur Priorität im Leben.
      Das bedeutet, dass die Substanz absoluten Vorrang gegenüber anderen Interessen, Vergnügungen oder alltäglichen Aktivitäten, Verpflichtungen oder der eigenen Pflege erhält. Der Konsum der Droge verschiebt immer mehr andere Aspekte des Lebens und wird oft trotz neuer Probleme – die dadurch hervorgerufen werden – fortgeführt.

Diese neue Herangehensweise Form an die Abhängigkeit unterscheidet sich sehr stark von ICD – 10 wo das Abhängigkeitssyndrom noch in sechs einzelne Kriterien unterteilt wurde und damit etwas feiner justiert war. Wir werden sehen was der neue ICD – 11 zukünftig dadurch an Verbesserungen bringt.

Nach welchen Kriterien wurde bisher im ICD – 10 das Abhängigkeitssyndrom beschrieben?

Um die Diagnose für ein Abhängigkeitssyndrom zu stellen müssen drei oder mehr Kriterien mindestens einen Monat lang gleichzeitig oder wiederholt innerhalb von zwölf Monaten vorhanden sein.

Erstens: der Kontrollverlust

Dies bedeutet, dass der Konsum durchgeführt wird trotz wichtiger anderer Verpflichtungen oder trotz körperlicher Gefährdungen und sich verstärkender sozialer Probleme.

Zweitens: das Verlangen

Es tritt ein fast schon unstillbares Verlangen nach der Substanz auf… Man nennt dies craving. Craving kommt aus dem englischen und meint ein intensives Verlangen oder eine sehr starke Begierde.
Die Wissenschaft gebraucht dieses Wort um ein starkes Verlangen eines Suchtkranken nach einer bestimmten Substanzwirkung zu beschreiben.

– Drittens: erfolglose Versuche, den Konsum zu verringern oder zumindest etwas zu kontrollieren.

– Viertens: ein hoher Zeitaufwand um das Mittel zu beschaffen beziehungsweise für den Konsum, die Erholung von den Folgen trotz einiger Einschränkungen von wichtigen Aktivitäten im Leben.

– Fünftens: körperliche Toleranzentwicklung

Dies führt oft zu einer Steigerung der Dosis und später zu Entzugssymptomen wenn der Konsum einmal abgestellt wird… Logisch ist, dass je mehr diese Punkte zutreffen auch deutlicher die Abhängigkeit bei den Betreffenden diagnostiziert wird. Was wir zusätzlich noch beobachten ist ein Verleugnen oder ein Bagatellisieren / ein Rationalisieren / vielleicht auch ein etwas beschämtes Verheimlichen der Problematik… Die Frau an der Kasse, die fast schon entschuldigend murmelt – wenn der Hochprozentige gescannt wird, dass sie heute noch Gäste erwarte… Wir reden hier jedoch nicht über eine Bagatelle! Der Entzug innerhalb eines Abhängigkeitssyndroms muss immer unter ärztlicher/medizinischer Anleitung durchgeführt werden… Je nach Schwere der Abhängigkeit und dem Suchmittel kann eine Entzugsmaßnahme sogar lebensgefährlich sein.

Suchterkrankungen haben viele unterschiedliche Gesichter … Wir dürfen hierbei nicht nur die Neurobiologischen Bestandteile untersuchen – wie zum Beispiel, was die körperlichen Reaktionen sind … Der Mensch ist und bleibt einfach keine Maschine – hierauf werde ich in der Therapie am Ende des Videos noch intensiver drauf eingehen (Stichwort funktionalisierte Gesellschaft) – neben den Neurobiologischen Aspekten müssen wir uns auch über die psychosozialen und auch verhaltenspsychologischen Perspektiven unterhalten.

Wenn wir uns der Sucht psychoanalytisch nähern, dann müssen wir uns auch mit der psychischen Funktion und der unbewussten Bedeutung befassen, welche das jeweilige Suchtmittel (sei’s jetzt Alkohol oder Drogen) für den seelischen Stoffwechsel bewirken kann. 

Teil 3. Was ist eigentlich Sucht aus der psychoanalytischen Betrachtungsweise?

Wenn wir die Sucht psychoanalytisch betrachten, dann ist sie immer Teil einer komplexen Selbstorganisation. Und wenn wir in die Psychoanalyse gehen, dann ist es selten einfach… Wir müssen auch hier wieder zwischen zwei Dingen unterscheiden:

      • Ist zum einen das süchtige Verhalten eingebettet in eine andere psychische Erkrankung – wie zum Beispiel eine Psychose, Borderline-Störung, eine Depression oder eine Zwangserkrankung?
      • Oder ist zum anderen die Sucht selbst das Zentrum der Problematik? Handelt es sich dann um eine sogenannte strukturelle Sucht?

Wenn sie zum Beispiel eingebettet ist in eine andere psychische Erkrankung oder Störung dann sind die Übergänge – z.B. zu einer Depression – in der Praxis betrachtet fast schon fließend … Aber auch bei einer strukturellen Sucht, wo die Substanz als solches im Fokus steht, müssen wir beachten, dass das Suchmittel alleine fast nie zu einer Sucht führt. Der Gebrauch oder Missbrauch eines Suchtmittels führt zum Beispiel bei dem Einen zu keinerlei Störung aber bei dem anderen stößt man hier auf eine gigantische Anfälligkeit oder eine riesengroße Suchtbereitschaft. Anhand des Beispiels mit Alkohol sehen wir, dass er Genuss hiervon nicht bei jedem das gleiche Suchterhalten erzeugt.

Gemäß einer Umfrage in Deutschland gaben 2021 19 % der Befragten an, mehrmals pro Woche Alkohol zu konsumieren. 19 % von etwas mehr als 80 Millionen Bewohnern sind circa 15,5 Millionen Menschen… Jedoch sind nicht 15,5 Millionen Menschen in Deutschland Alkoholabhängig… Gemäß einer Studie des Bundesministeriums für Gesundheit konsumieren in Deutschland 7,9 Millionen Menschen der Erwachsenen Bevölkerung Alkohol in einer gesundheitlich riskanten Form. 9 Millionen nutzen Alkohol in problematischer Menge. Analysen gehen von jährlich etwa 74.000 Todesfällen verursacht durch Alkoholkonsum aus. Nochmals: der alleinige Kontakt mit Alkohol führt nicht zwangsläufig zu einer Sucht und deren Abhängigkeitsformen.

Alkohol ist aber nicht das einzige Suchtmittel. Wir haben auch einen großen Bereich von Drogen die in Deutschland konsumiert werden. Im Jahre 2021 starben laut dem Bundesdrogenbeauftragten der Bundesregierung über 1800 Menschen durch den Missbrauch von Drogen. Jedoch kommt der Kontakt mit diesen Suchtmitteln (zum Beispiel Heroin) nicht zufällig zu Stande. Der Kontakt steht fast immer im Zusammenhang mit ganz großen Problemen in der Lebensgeschichte des Einzelnen. Ich denke hier an traumatische Erfahrungen, soziale Nichtintegration, Riskante und negative Gruppendynamik u.s.w. … Und da spreche ich nicht nur vom Rande der Gesellschaft, sondern eigentlich auch von der Mitte unserer Gesellschaft, von der weißen Westen Gesellschaft… Das Suchmittel wird dann für etwas gebraucht was im normalen Leben nicht erhalten wird. Es erfüllt dann ganz bestimmte psychische Funktionen.

Auffallend ist, dass die unterschiedliche jeweilige Sucht – Substanz und ihre bestimmte Wirkungsweise ganz fein auf die psychische Struktur von dem Süchtigen/dem Suchtkranken abgestimmt zu sein scheint. Der eine gebraucht Heroin, der andere Koks, der andere Cannabis… 

Woher kommt das Wort Sucht eigentlich?

Man könnte meinen, dass es etymologisch von dem Wort Suche herkommt wie zum Beispiel Sehnsucht, Suche nach Halt, der Versuch aus negativen Alltagssituationen zu fliehen… Das alt – und mittelhochdeutsche Wort Suht später „siech“ bedeutete einfach „krank sein“… Früher wurden tatsächlich alle Krankheiten als eine Sucht bezeichnet. Das Wort „Gelbsucht“ ist ein Relikt aus dieser alten Zeit und ist auch heute noch umgangssprachlich für eine Leberentzündung gebräuchlich. Später, im 17. und 18. Jahrhundert, wurden negative Verhaltensweisen auch noch als Sucht bezeichnet wie zum Beispiel Streitsucht, Gewinnsucht, Herrschsucht und weiteres…

Sucht erfüllt mindestens fünf psychische Funktionen die bei jedem einzelnen Erkrankten jedoch in ganz unterschiedlicher Form und Gewichtung auftreten können

 

      1. Spannungsreduktion
      2. das Betäuben negativer Effekte
      3. das Verlangen nach Verschmelzung
      4. Rückzug
      5. destruktive Gefühle/Selbsthass

Lassen wir uns einmal mit diesen fünf Funktionen psychoanalytisch im Einzelnen beschäftigen

      1. Die Reduzierung von einer nahezu unerträglichen Anspannung

Das was praktisch alle Suchtkranken berichten ist das Erleben einer starken inneren Anspannung, ein Gefühl des Unbehagens, ein Gefühl von starker Frustration die kaum ausgehalten werden kann und in andere psychische Umstände transformiert werden müssen. Oft kann dieses diffuse Gefühl kaum klar benannt werden und wird erst unter dem Einfluss der Droge zugänglich und kann dann in eine Art von Traurigkeit, Freude, Wut und andere Effekte umformatiert werden. Psychoanalytisch sprechen wir hier von einer Initial-Verstimmung. Es handelt sich hier um eine grundlegende Form des „Ich werde nicht satt“ – – vielleicht für eine kurze Zeit durch die Droge reduziert, die dann so etwas wie eine temporäre Ruhe, eine Befriedigung, ein Stillsein ermöglichen kann.

Der tiefenpsychologische Ansatz wird als orale Fixierung bezeichnet: also dem Drang, endlich einmal etwas Besseres, etwas Gutes in sich aufzusaugen und damit zu verschmelzen damit endlich eine innere Ruhe verspürt werden kann. Kommt dir da nicht auch das Bild eines rauchenden Mannes in den Kopf?…

      1. Das Betäuben von negativen Gefühlen

Seitdem es „Doktor Google“ gibt, versucht sich unsere Gesellschaft immer mehr selbst zu behandeln. Unter dem Stichwort Selbstmedikation findest du zum Beispiel die Auswertung, dass im Jahr 2021 circa 3,4 Milliarden € in den öffentlichen Apotheken für die Selbstmedikation ausgegeben wurde. Das Suchtverhalten steht ganz im Dienste einer so genannten psychischen Selbstmedikation. Was versucht der Süchtige zu verändern? Es geht hier vordringlich um das Betäuben eines seelischen Schmerzes, sich von Angst und Trauer zu befreien aber auch um einer Scham oder einem Schuldgefühl aus dem Weg zu gehen… Vielleicht hast du es auch schon einmal gespürt: wenn du weinen oder trauern kannst dann kannst du dich von einem negativen Gefühlen trennen. Viele aber können nicht mehr weinen oder trauern und schaffen es nur noch durch das Einnehmen einer Droge, dass sie von diesen Affekten loslassen können um dann zu weinen, um dann zu trauern oder sich mit den eigenen Empfindungen jemand anderem anzuvertrauen. Unter dem Einfluss des Suchtmittels kann dann einer angestauten Wut und angestauten Aggressionen freien Lauf gelassen werden… Und würde das Suchtmittel nicht genommen werden dann drohen diese inneren Verletzungen die aufgestauten Affekte in einem katastrophalen Vulkanausbruch zu entladen…

Mithilfe des Suchtmittels werden diese Gefühlszustände für den Benutzer dann angeblich kontrollierbar und lassen sich manchmal sogar in ihr Gegenteil verkehren…

    1. das Verlangen nach Verschmelzung/das Verlangen nach einem Eins sein

Je nachdem welche Droge konsumiert wird, kann dann ein überminütiges, ein grandioses Selbst, eine fast schon ekstatische oder narzisstisch befriedigte Freude entstehen. Für einen ganz kurzen Moment gibt es dann dieses Gefühl: ich bin mit mir selbst Eins wenn ich sogar mit der ganzen Welt. 

Die Droge ist dann die Hoffnung auf Beendigung einer lebenslangen Suche nach einem großen umfassenden Geborgenheit die vielleicht nur im Erleben von einem Orgasmus bekannt ist. Ist die Welt also kalt und leer und frustrierend dann braucht derjenige einzig und allein seine Drogen um dieser Welt zu entfliehen um mit seinem Glück eins zu werden.

      1. Der Rückzug

Die Droge kann als Hilfsmittel gebraucht werden um an einen seelischen Rückzugsort zu gelangen… Warum scheint das so einfach zu sein? Nun, die Droge macht ja immer nur was sie soll: sie ist frei von Frustrationen und Enttäuschungen die so oft in zwischenmenschlichen Beziehungen und Effekten zu finden sind. Die Droge ist eine Insel / eine Blase vermeintlicher Sicherheit über die ich immer verfügen und diese erreichen kann. Spannend finde ich den Vergleich zu der Droge des Serienkonsums…

Auch hier – das übermäßige Betrachten von TV Serien strahlt eine sehr große Verführungskraft aus… Seit den Zeiten von Netflix, Amazon Prime, Skye wird dieses immer mehr zu einem starken Thema… Es ist die Sehnsucht nach einer wirklichen Geborgenheit, einem Rückzug in eine Serien-Welt zu der man am Abend nach einem harten Arbeitstag oder vielleicht alleine im Bett sich versucht zu entspannen. Natürlich muss man dies nicht gleich mit einer pathologischen Sucht bezeichnen … Aber nicht umsonst ist ein neues Wort in den letzten Jahren entstanden: das so genannte „Binge Watching“

Dieses Wort kommt aus dem englischen und wird auch als Serienmarathon oder Komaglotzen“ auf Deutsch bezeichnet… Binge bedeutet Gelage und das Collins englisch Dictionary hat 2015 dieses Wort zum Wort des Jahres gekürt… Es wird als kultureller Trend mit immer steigender Popularität beschrieben – denn aufgrund der erhöhten Verfügbarkeit von Video – on Demand steigt die Verfügbarkeit und damit auch die Möglichkeit des Nutzens. Konnten früher die Staffeln einer Serie nur über Monate verteilt im Fernsehen gesehen werden, so ist heute das Videomaterial jederzeit auf Anfrage über Stream via Internet abrufbar… Diese ständige Verfügbarkeit verführt die Menschen zu einem tendenziell überhöhten Konsum…

Nimm dir diesen Serien-Marathon einfach mal als Beispiel um eine wichtige Komponente von Sucht zu beschreiben: Im Extremfall kann dieses Süchtige Verlangen nach einer TV – Serie dazu führen, dass jemand sämtliche Verbindungen zu seiner Außenwelt kappt und dies bei ihm zu einem Verlust der Realität führt. Das Gefühl kommt dann auf, man könnte nur noch mit diesem Suchmittel (der Serie) existieren – was dramatische Konsequenzen für das reale Leben hervorruft.

      1. destruktive Gefühle und der Hass auf sich selbst

Es gibt jedoch nicht nur eine positive Wirkung der Sucht, sondern auch eine vernichtende/destruktive Auswirkung… Und diese vernichtenden zerstörerischen Auswirkungen spüren nicht nur das Umfeld/die Angehörigen eines Süchtigen, nein! Auch der Betroffene selbst. Je nachdem wie stark die Sucht sich entwickelt, beginnt der Süchtige sich selbst zu vernachlässigen, seine Beziehungsfähigkeit leidet und er wirkt nach außen hin immer mehr verwahrlost.

In der Dynamik einer Sucht liegt immer auch etwas Vernichtendes … Oft zeigt sich dann ein Charakter an der Person der normalerweise gar nicht zu ihr passt… Denn häufig sind es ja die feinfühligen und die verletzlichen Personen die sich in eine Scheinwelt durch ein Suchmittel flüchten… Die sich stark fühlen brauchen es ja nicht… Je weiter die Sucht voranschreitet, desto zerstörerischer kann sie wirken im Bereich Freunde, Familie, Gesundheit, Arbeit und persönlichen Lebensvisionen.

Einerseits ist dies auch die logische Folge der Sucht, kann aber auch in vielen Fällen eine innere Motivation für etwas Selbstzerstörerisches im Menschen anregen. Ich denke hier an das Kriterium Nummer 4 für die Borderline – Persönlichkeitsstörung wo gesagt wird, dass in mindestens zwei potentiell selbstschädigen Bereichen und einer starken Impulsivität der Betroffene sich selbst schädigt. Der tiefsitzende Hass auf sich selbst zerstört, was einem vorher wichtig war –  reißt damit nun jegliche Hoffnung und Chancen für die Zukunft ein. Psychoanalytiker sprechen hier von einer selbstzerstörerischen / masochistischen Orgie in die so manche Sucht sich entwickeln kann. 

Dies erinnert an einen der besonders umstrittensten Begriffe in der Theorie der Psychoanalyse: der Todestrieb den Sigmund Freud mit seiner 1920 verfassten Schrift „Jenseits des Lustprinzips“ entwickelte. Sigmund Freud erklärte, dass praktisch jeder Mensch einen Teil in sich hat, der das Leben in einem organischen Zustand des Unbelebten, der Starre und des Todes zurückführen möchte. Beschrieben hat er es an dem Wiederholungszwang als sichtbares Bild des Todestriebes. Dieser Todestrieb ist seiner Meinung nach der Trieb, welcher dem Lebenstrieb/der Libido entgegenarbeitet. Auf der einen Seite der Eros der nach Vereinigung strebt, richtet sich anderseits der Todestrieb nach einer Auflösung dieser Einheit.

Ich möchte gleich aber auf einen anderen Ansatz eingehen der meines Erachtens die Entwicklung hin zu einer Sucht viel Praxisgerechter erklärt. Schauen wir uns nun weiter die Funktion der Sucht aus der psychoanalytischen Betrachtung an.

Jedes süchtige Verlangen hat

      • einen manischen,
      • einen beruhigenden/sedativen
      • und auch einen zerstörerischen/destruktiven Anteil.

Jedoch ist dieser Anteil in der Sucht bei jedem Süchtigen anders. Bei dem einen überwiegt eher der zerstörerische Aspekt bei dem anderen ist es der beruhigende der im Blickfeld steht. nteressant ist, dass die jeweiligen Substanzen die der Betroffene wählt unbewusst genau die richtigen für den jeweiligen sind. Der eine sucht Cannabis zu Beruhigung und der andere nimmt den Koks um sich aufzuputschen. Wie vorhin gesagt, stimmen oft Charakter und Suchtmittel fast schon perfekt miteinander überein…

Teil 4. Warum wird jemand süchtig?

Was sind die Gründe dafür, dass jemand süchtig wird…? Nun, es gibt zum einen eine psychische Funktion von Suchtmitteln die – wie eben besprochen – interessanterweise in Ursache und Wirkung genau mit dem Wunsch des Benutzers übereinstimmt. Und diese Übereinstimmung gilt auch oft als die Ursache dass jemand in seine Lebensgeschichte irgendwann mal zu einem Suchmittel greift. Natürlich gibt es nicht den einen einzigen Grund für eine Sucht – denn es gibt ja auch keine eindeutige Persönlichkeit welche zu 100% süchtig wird. Trotzdem gibt es einige Grundeigenschaften welche wir in der Psychoanalyse herausgearbeitet haben, um eine starke Tendenz (!) zur Sucht zu erkennen.

Nehmen wir nun mal den schweren Alkoholismus. Praktisch jeder der hieran schwer suchterkrankt ist hat in seiner Lebensgeschichte schreckliche Erfahrungen gemacht.

  • eine Ohnmacht gegenüber der Umwelt
  • Die Erfahrung von Kälte und Gleichgültigkeit in der Familie
  • Misshandlung/Missachtung
        1. die Erfahrung nicht gewollt und nicht geliebt zu sein.

Versetz dich einmal in die Lage eines kleinen Kindes was gerade auf die Welt kommt. Nach der Bindungstheorie von John Bowlby und Mary Ainsworth strebt jedes Kind mit dem Moment seiner Geburt / seiner Entbindung wieder zu einer Bindung zu der Umwelt und hier ganz insbesondere zu seiner Mutter. Das nach Bindung suchende Kleinkind erfährt früh eine starke Entwertung von seinem Selbst.

Was aber bedeutet es wirklich, nicht geliebt zu werden? Es bedeutet, dass das Kind in seinen Augen keinen Wert hat und nicht existiert und damit in eine Todesangst verfällt. Aufgrund der fehlenden Erfahrung sagt sich das Kind (wenn auch unbewusst) „das ist zwar nicht schön aber es ist die für mich richtige Lebensform.“ Und unglücklicherweise identifizieren sich die Kinder klar und deutlich dann mit diesem – wenn auch falschen – Selbstbild. Im Laufe seiner Lebensgeschichte werden dann reifere Gedankenschichten über das erste Erleben übergestreift. Ja, das erfolgt auch… Jeder Mensch erfährt auch später mal Lob und Anerkennung…

Wenn aber im Kern einmal eine totale Nichtigkeit, das Gefühl des „ich werde nicht geliebt“ verankert ist, dann wird auch der jeweilige Mensch sich selbst weiter verachten und nicht weiter leben können… auch wenn er in der Zwischenzeit bereits erwachsen ist.

Psychoanalytisch könnte man es auch so benennen: Wir sprechen ja hier von einem Über – Ich, einem Ich, und einem ES. Das ursprüngliche/ach Scheiße über ich legt sich grausam über das kindliche Selbst und lässt ihm keinerlei Spielräume zu, um sich zu entwickeln indem man zum Beispiel zugibt, Fehler machen zu dürfen. „Du musst perfekt sein ansonsten wirst du nicht geliebt“. Aufgrund dieser elementaren Frustration entwickeln sich in den allermeisten Fällen tiefe unbewusste Aggressionen gegen sich selbst und gegen andere. Im Falle von Borderline sprechen wir dann von der Selbstschädigung wo der betroffene Mensch sich in seiner Aggression nur noch an sich selbst austobt.

Dass dies nicht an der Umgebung ohne Wirkung ausbleibt ist verständlich. Durch diesen Selbsthass und dieses Gefühl von einer tiefen Lähmung, dieser Ohnmacht und dieser Wut und diese Entwertung wird die Umgebung mit hineingezogen.

Diese Beziehungsdynamik erweitert sich logischerweise auch auf das Umfeld. Was ist die Folge davon? Wenn wir uns das Kriterium Nummer 2 der Borderline – Persönlichkeitsstörung aus dem ICD-10 anschauen sind es dann die intensiven aber auch instabile zwischenmenschlichen Beziehungen. Es ist ein ständiger Wechsel zwischen Idealisierung und Abwertung.

Der Griff zur Droge ist zum einen die Sehnsucht nach einer idealen Beziehung, nach einer idealen paradiesischen Verbindung die der kleine Embryo im Bauch der Mutter erfahren hat, nach der Entbindung aber nicht mehr hatte. Jetzt trifft er bei seinen Eltern jedoch auf offene Entwertung und Ablehnung, Gewalt und Vernachlässigung und reagiert mit tiefer Wut und Frustration.

Jetzt kommt aber mal eine ganz andere Seite hinzu – und vielleicht mag dies nun etwas in Staunen versetzen: Es gibt nämlich nicht nur die Familien die ihre Kinder grausam entwerten in welchen sich eine Neigung zu einer Sucht entwickelt.

Sehr häufig sind es auch Familien die von außen oberflächlich betrachtet wie eine Bilderbuch-Familie wirken. Das Kind/die Kinder werden materiell gut versorgt, vielleicht werden sie sogar verwöhnt und man schenkt ihnen auch viel Zeit. Wenn man aber etwas genauer hinschaut dann merkt man, dass diese ganzen Zuwendungen in sich hohl und „unbezogen“ wirken. Ein wirklich gefühlsmäßig liebevoller Kontakt zwischen den Eltern und dem Kind scheint hier nicht vorhanden zu sein und man spürt immer eine unsichtbare emotionale Distanz – man könnte sogar von einer emotionalen Kälte sprechen…

Noch trauriger ist der Umstand, dass es viele Familien gibt wo der Wunsch nach Nähe zwar vorhanden ist aber nicht in der Beziehung untereinander realisiert werden kann.

4.1 Die funktionale Familie als Ursache für die Neigung zu einer Sucht

Dieses Zwischenthema was ich jetzt etwas näher beschreiben möchte ist für mich eine der Hauptursachen für die Neigung zu einer Sucht! Ich möchte diesem Punkt viel Aufmerksamkeit schenken da ich einen Weltweiten – schon seit Jahren existierenden – Trend/eine Entwicklung beobachte in die unsere Gesellschaft immer weiter hineinschlittert… Die Beziehungsdynamiken in den Familiengesellschaft werden immer mehr durch rein funktionale Komponenten geprägt.

Wie kann man das verstehen? Nun, normalerweise ist doch eine Bindung durch emotionale Resonanz und Liebe motiviert. Aber immer mehr beobachten wir heute, dass Menschen als Objekt und nicht mehr als Subjekt betrachtet werden. Auf die Familie bezogen bedeutet dies, dass das eigene Kind funktionalisiert wird… D.h. unbewusst gewissen Zwecken dienen soll. Das Kind ist nicht mehr da, weil es da ist und wird nicht mehr geliebt um seiner selbst willen, sondern es wird von seinen Eltern für etwas gebraucht:

      • als sogenannte Orden oder ein Statussymbol
      • um eigene (narzisstische) Wünsche und Bedürfnisse zu befriedigen
      • um die eigene Einsamkeit und Angst zu beenden und das eigene (das elterliche) Leben zu stabilisieren
      • oder um ein Familiengefühl zu vervollständigen…

Nicht nur einmal habe ich mit Personen bereits gearbeitet die in einem überbordenden Drang – weil sie auf ein gewisses Alter hinzugegangen sind – wirklich alles versucht habe, um ein Kind in die Welt zu setzen obwohl ihre Umstände wirklich alle dagegengesprochen haben. Diese daraus entstandenen Kinder sollten eine Funktion erfüllen, welche entweder die Mutter oder der Vater forderten sollten aber ansonsten weiter nicht stören. Interessant wäre es, diese Kinder einmal in 20 beziehungsweise 30 Jahren zu ihrem Leben zu befragen…

Jedoch ist nicht nur die Position des Kindes einer Funktion unterlegen, auch die einzelnen Interaktionen zwischen dem Kind und den Eltern können von einer Funktion überlagert sein. Anstatt dem Kind seine liebevolle persönliche Aufmerksamkeit zu schenken wird einfach etwas gemacht, damit das Kind in seinen Handlungen nicht mehr stört oder dass das Kind einen bestimmten ursprünglichen Zweck wieder erfüllt.

Woran denke ich hier? Nimm mal das Beispiel, dass das Kind anfängt zu weinen. Die Eltern wenden sich ihm jetzt zu um es zu beruhigen. Jedoch nicht aus dem Interesse an dem Kind oder um das Weinen mittels einer mitfühlen Geste zu beenden. Warum diese Frage? Weil in den Augen der Eltern das Schreien ein bestimmtes Konzept von einer harmonischen Familie stört oder bei den Eltern selber Schuldgefühle reaktiviert werden.

Noch ein Grund kann sein, dass die jeweilige Lebens – oder Arbeitssituation die Eltern so sehr belastet, dass sie dann für ein schreiendes und bedürftiges Kind kaum noch Ressourcen haben um ihm dann auch noch ihre Liebe und Aufmerksamkeit zu schenken. Dann beginnt die Zuwendung zu dem Kind einen funktionalen Charakter zu entwickeln. Die Funktion lautet: „liebes Kind, funktioniere wieder und höre auf zu schreien.“ Wenn das Kind dann das richtige Verhalten wieder zeigt – also das von den Eltern gewünschte Verhalten an den Tag legt – dann ist das Ziel der Eltern (!) erreicht…

Natürlich kann dies hin und wieder der richtige Weg sein, besonders wenn man nicht im häuslichen Umfeld ist. Wenn das alles aber in der Eltern – Kind – Beziehung die Handlungsmaxime ist, dann entwickelt sich bei dem Kind eine Frustration weil seine grundlegenden emotionalen Bedürfnisse überhaupt nicht beachtet werden. Einige Kinder werden dann aggressiv andere hingegen zunehmend passiv – sie passen sich der Funktion an, Sie fügen sich den Erwartungen ihrer Eltern ohne jemals die Erfahrung in ihrem Leben machen zu dürfen wie sich ein Problem/wie sich ein „sich nicht wohl fühlen“ durch gegenseitiges wirkliches Interesse und verstehen auflösen lässt. Ohne diesen Lösungsvorschlag – durch gegenseitiges Verstehen kann ein Unwohlsein aufgelöst werden – welches ein Kind in eine passive Überlassung bringt wie dies so mancher Psychoanalytiker beschreibt.

4.2 die funktionale Gesellschaft

Es ist bemerkenswert wie auch auf gesellschaftlicher Ebene Abhängigkeitsmechanismen mit einer funktionalisierenden Beziehung zusammenhängen. In unserer Umgebung, in unserer Gesellschaft ist das gezielte Schaffen von Abhängigkeiten oder der übermäßige Konsum von Medien, Nahrungsmittel, Stoffen allgegenwärtig.

Schau dir doch nur einmal die Werbung an. Wie ist eine Werbung psychologisch betrachtet aufgebaut? Es werden Bedürfnisse geweckt wie zum Beispiel die Sehnsucht nach Anerkennung, sexuelle Bedürfnisse, Bindung – und Beziehungsangebote… Und all das mit dem Ziel, eine bestimmte Funktion zu erfüllen.

Welche Funktion soll Werbung erfüllen? Natürlich zuerst die Aufmerksamkeit der Person bekommen. Das Ziel aber der Aufmerksamkeit ist fast immer der Verkauf von einer Ware. Der Mensch soll durch die Werbung zu einer Handlung manipuliert werden. Wenn ein Mensch manipuliert werden soll, dann wird er nicht mehr als Mensch (Subjekt) betrachtet, sondern in der psychologischen Konzeption ist der angesprochene Mensch dann ein Objekt. Was ist der Unterschied? Ein Mensch mit seinen Gefühlen wird ein Objekt, wenn man ihn versucht mit bestimmten Reizen zu bestimmten Reaktionen zu konditionieren.

Diese Werbung findet in den Abhängigkeitsmechanismen der sozialen Medien eine komplett neue Dimension. Ist es dir schon mal aufgefallen, wie lange du bei Facebook oder Instagram oder TikTok verbleibst? Hast du schon mal eine ganze Nacht in solchen sozialen Blöcken verbracht und dich am Ende gefragt, warum du immer und immer wieder weiter neue Beiträge angeschaut hast? Der wirklich echte und zwischenmenschliche Kontakt und der Austausch von Emotionen werden von einem verborgenen Algorithmus gezielt benutzt um für ganz bestimmte Ziele der Plattform zum Beispiel viel Werbung zu generieren.

Diese heimliche Funktion der Algorithmen dringt tief in unsere Privatsphäre ein, beeinflusst unsere Kommunikation und manipuliert sie für die Zwecke anderer. Zum Beispiel erfolgt dies indem nur ganz bestimmte Informationen dem Benutzer gezeigt werden. Welche Folgen das für unser Selbsterleben hat – wenn ein großer Bereich unserer Bindung und Beziehungsgestaltung von ganzen Generationen auf solchen Plattformen stattfindet – gleicht dem Öffnen der Büchse der Pandora. 

Selbst die Entwickler und Pioniere dieser Plattform zeigen sich inzwischen überwältigt von ihren eigenen Entwicklungen. Im Jahre 2017 sagte Sean Parker, der erste Präsident von Facebook: „Wer weiß, was ist mit dem Gehirn unserer Kinder anstellt?“

Diese Frage zeigt, dass selbst die Entwickler (warum denke ich jetzt hier an die Entwicklung der Atombombe?) von ihrer eigenen Entwicklung und deren Macht überrumpelt wurden…

Noch deutlicher als der Präsident sagt es der ehemalige Verantwortliche bei Facebook für das Wachstum der Nutzerzahl Chamath Palihapitiya: „Die hochfrequente, von Dopamin angetriebenen Feedback – Schleifen, die wir geschaffen haben, zerstören das gesellschaftliche Leben.“ 

Es würde sich wirklich lohnen hierüber einen gesonderten Beitrag zu erstellen… Aber das Thema Suchterkrankung und woher die Sucht kommt sollte heute einmal im Fokus stehen.

Teil 5 Der „Nutzen“ der Droge – ein temporärer Krückstock

Indem unsere Gesellschaft immer funktionaler wird und sich diese Funktionalität tiefer und tiefer in unseren Bindungen verwurzelt, schaffen wir auch eine bestimmte allgegenwärtige kollektive Bereitschaft zu einer Abhängigkeit, respektive einer Sucht… In der Lebensgeschichte von schwer Suchteerkranken geht es sehr oft um Beziehungen die von Anfang an beschädigt waren. Solche beschädigten Beziehung sind zum Beispiel das Fehlen von einer echten emotionalen Zuwendung die praktisch nie oder nur sehr brüchig geschenkt wurde.

Unsere Gesellschaft ist so in sich gebrochen, dass der funktionalisierende Beziehungsmodus oft sogar nur ein hilfloser Versuch der Eltern war, dem Kind wenigstens etwas Gutes zu geben weil sie zu mehr einfach nicht in der Lage waren. Vielleicht haben sie selber in ihrer Kindheit viel Wertlosigkeit und Schmerz erfahren kennen keine andere Art von Kontakt den sie an ihr Kind weitergeben können… Ich vergleiche dies gerne mit einer Backform die eine Beule hat… Jedes dort gebackene Brot hat die gleiche Beule und kann einfach nicht anders ausgeformt werden. Im Kern solch einer Beziehung liegt dann oft auch etwas seelenloses, todtrauriges und hoffnungsloses, weil der unbeschwerte Umgang zwischen Eltern und Kind gar nicht erst erlernt werden kann…

Und jetzt kommt die Droge ins Spiel… der temporäre Krückstock… Indem eine Substanz konsumiert wird, wiederholt sich eine tragische Beziehungsgeschichte. Als wenn es keinen anderen Weg gäbe um sich besser zu fühlen wird ein Suchtmittel von außen eingenommen um das innere Gleichgewicht wieder herbeizuführen.

Nicht durch eine eigene aktive Leistung, sondern durch die passive Wirkung einer Substanz von außen wird versucht dieses innere Gleichgewicht wieder zu erlangen. Doch logischerweise kommt durch diesen Konsum eines Suchmittels auch die Enttäuschung in der Beziehung zu Stande. Denn, dadurch kann keine wirklich echte Beziehungserfahrung internalisiert und integriert werden um eine seelische Struktur aufzubauen.

Kurz auf einmal ein Rückblick was Internalisierung bedeutet…

In unserer psychoanalytischen Entwicklungspsychologie unterscheiden wir drei Prozesse um zu einem eigenen Ich oder zu der eigenen Ich – Identität zu kommen. Die Internalisierung können wir in folgende drei Stufen unterteilen:

      • Inkorporation:

Sie ist die erste der drei Internalisierungsprozesse und bedeutet, dass ein Objekt praktisch verinnerlicht wird.

      • Die Introjektion

Hier werden nicht ganze Personen, sondern einzelne Anschauungen, Motive, Werte und Normen von außen ungeprüft verinnerlicht

      • die Identifikation

Dies ist die dritte und reifste Stufe der psychologischen Entwicklung. Anstatt ungeprüft (wie in den ersten beiden Stufen) werden Situationen oder Personen erst einmal geprüft und nach einem eigenen Wertekatalog ausgesucht. Bestimmte Verhaltensweisen werden dann von außen nach dieser Prüfung übernommen.

 

Kommen wir zurück zu dem Missbrauch von Drogen. Auf der Suche nach einer Beziehung können Drogen gar nicht das erreichen, was durch eine zwischenmenschliche echte Beziehung erreicht wird. Was bleibt, ist eine seelenlose leere Hülle. Diese Abhängigkeit von Suchtmitteln können wir auf der unbewussten Ebene auch als eine andauernde Bindung an die frühen Elternfiguren bezeichnen… Selbst wenn die Eltern das Kind massiv enttäuscht haben, kann das Kind einfach nicht loslassen, weil immer noch die Hoffnung besteht von den Eltern irgendwann doch einmal etwas Gutes zu bekommen. Diese Kinder machen in diesen Familien immer wieder die Erfahrung: so wie sie sind, sind sie nicht gut. Selbst wenn sie nur beobachten, dass die Eltern selber in sich komplett unglücklich sind sagen sich die Kinder trotzdem: „Ich habe daran schuld! Ich habe Schuld, dass meine Eltern unglücklich sind, weil ich meine Eltern nicht glücklich machen kann.“ Kinder die so etwas Denken haben nie die existenziell wichtige Erfahrung gemacht durch das eigene Sein bei einem anderen Menschen, besonders die Eltern, Liebe Glück und Freude hervorrufen zu können. Das Kind hat nie die Erfahrung machen können, das ist es allein durch seine Existenz andere beschenken kann. Die logische Schlussfolgerung daraus ist das Kriterium Nummer 7 bei Borderline: das chronische Gefühl der inneren Leere. „Ich kann nichts Gutes geben, ich habe keinen Sinn in meinem Leben…“ Was daraus folgt ist bei vielen Menschen eine tiefe existenzielle Scham… 

Und tatsächlich finden wir bei allen Suchterkrankungen einen sehr hohen Anteil von Schuld- und Schamgefühlen. „Ich kann andere nichts Gutes geben, ich kann nicht andere glücklich machen“ Auf Deutsch wird dieser fatalen Gedanken entwickelt der sich logischerweise in Scham und Schuld ausbreitet.

Die Scham ist ein tiefes Gefühl nicht gut zu sein oder nicht das zu leisten oder das zu tun was andere von mir verlangen.

Die Schuld entspringt aus dem Gedanken, ich habe etwas Wichtiges nicht getan oder habe etwas Schlimmes getan und damit andere verletzt.

Und hier kommt das tiefe zentrale Dilemma der Sucht zum Vorschein: Es ist ein nicht tragbares Gefühl von Scham und Schuld, einer Wertlosigkeit eine eigene Schlechtigkeit die unbedingt betäubt werden muss damit sie getragen werden kann. Wie aber kann ich so etwas betäuben? Indem ich eine Droge zu mir nehme.

Der Teil Fünf dieses Beitrages lautet Jahr: der „Nutzen“ der Droge. Der Konsum eines Suchtmittels rettet tatsächlich vor einem konkreten depressiven Zusammenbruch und hilft mir diesen Moment von Schuld und Scham psychisch wenigstens zu überleben. Wenigstens ein bisschen Gutes, dass man noch fühlen kann… Eine Krücke“ sich weiter durch das Leben schleppen zu können. Diese kleine positive Seite der Krücke hat aber eine große negative Komponente. Durch den Konsum der Droge wird das Gefühl von Scham und Schuld leider immer stärker… Denn durch den Konsum macht man sich ja auch real schuldigt in dem man sich selber enttäuscht und sein Umfeld praktisch betrügt. Hierdurch entwickelt sich eine immer größere Leere nicht nur im Inneren sondern auch in der Umgebung. Diese große Leere – auch in der Umgebung – ist so vernichtend, dass sie wiederum nur mit Hilfe von einem erneuten Konsum überstanden werden kann. Was für ein Teufelskreis! Wenn dann diese tiefe Leere immer stärker wird und meine gesamte Lebensgeschichte nur noch aus kaputten Beziehungen besteht, dann entwickelt sich oft eine fundamentale Angst vor neuen Beziehungen. Kommt dann eine neue Beziehung zustande wird diese (Borderline lässt grüßen) mit aller Macht von sich gestoßen obwohl man doch den Wunsch nach Verschmelzung tief in sich spürt. Aber nein, jetzt wird diese neue Beziehung zerstört, nur um bloß keine weitere Intimität an sich heran zu lassen, weil man Angst davor hat, dass die eigene Verletzlichkeit von anderen erkannt wird. Jeder neue zwischenmenschliche Kontakt hat das Potenzial von neuer Angst.

Für solche Menschen ist dann der Konsum einer Droge der einzige noch verbleibende Kompromiss im Leben: Eine Droge ist berechenbar denn sie lässt einen ja nicht im Stich. die Droge enttäuscht nicht weil ihre Wirkung voraussehbar ist. Außerdem beurteilt und verurteilt sie mich ja nicht. Die Droge hilft mir meine Gefühle zu regulieren ohne wirklich in einer Beziehung zu stehen. Mit ihr kann ich scheinbar meine gesamten Nähe – Distanz – Probleme lösen. Der Griff zur Droge hilft mir, meinen Wunsch nach einer Verschmelzung zu aufrecht zu erhalten und trotzdem nicht von jemand anderes gesehen oder verurteilt zu werden und auch nicht erkannt zu werden. Im Fachjargon sprechen wir hier von einer Beziehungsdissoziierten Pseudo-Autonomie. Durch die Droge kann ich angeblich zeitgleich abhängig und trotzdem unabhängig sein.

Jedem Beobachter ist aber klar, dass diese Bindung an eine Droge nichts anderes ist als das Vermeiden von Konflikten oder angeblich bedrohlicher Beziehungserfahrungen. 

Teil 6: die Sucht und die Therapie – Zwickmühle

Sucht führt in psychotherapeutischen Therapien zu einer ganz zentralen Behandlungs – Klemme. Einerseits bietet die Droge eine scheinbar schnelle Entlastung, eine Erleichterung vor den Schwierigkeiten aus der Umgebung oder einen Rückzugsort wenn die schwierigen Gefühle oder die Lebenskonflikte zu stark werden. Aber gerade auf diese Themen kommt es in einer Therapie doch an!

Damit eine Therapie funktioniert, muss ein Konflikt nämlich immer in den therapeutischen Bereich gebracht, angesprochen (aus der Sprachlosigkeit geholt werden) und schlussendlich auch bearbeitet werden. Konflikte zu bearbeiten führt aber immer zu Frustrationen und einem Gefühl des Unbehagens.

Wenn ein Konflikt aber durch eine Droge „betreut“ und ruhig gestellt wird, dann kann er logischerweise nicht mehr in einer Therapie angesprochen werden. Das Suchtmittel ist hier wie ein Widerstand zu betrachten um einen therapeutischen Konflikt einfach und passiv auszuweichen. Der Therapeut wird dann durch die Droge ersetzt und könnte vielleicht verärgert zu Sanktionen greifen oder nachgeben und eventuell in eine Co. Abhängigkeit mit dem Patienten verfallen… Das Misere lautet: durch die Therapie soll der Gebrauch der Droge abgestellt werden.

Aber in vielen Fällen ist die Abstinenz von der Droge von Anfang an auch die Bedingung für eine Therapie… Was soll also zuerst erreicht werden? Zuerst sich von der Droge trennen oder soll der Patient durch die Therapie von der Droge getrennt werden. Ein Mittelweg wäre m.E. die Therapiefähigkeit als erstes Zwischenziel … Wenn ein Patient nüchtern zur Therapie kommen kann und die Termine zumindest anfänglich – während der ersten zehn Sitzungen einhalten kann (so die aktuellen gesetzlichen Bestimmungen) – dann kann schon mal miteinander gearbeitet werden. Ist dies nicht möglich, dann muss der Patient in eine spezielle Entwöhnungsklinik.

Die zentralen Fragethemen einer Therapie sind:

      • Wie viel Verantwortung kann und will der Patient für sich selbst übernehmen.
      • Kann er offen über seinen Suchtdruck, über seine genutzten Mittel und auch über eventuelle Rückfälle mit seinem Therapeuten sprechen?
      • Kann dies alles ohne die Angst vor Bestrafung durchgeführt werden?
      • Kann der Therapeut seine verstehende Haltung beibehalten ohne zu einem Kontrollorgan zu werden?

 Warum diese Fragen?

Einerseits übergeben Suchtpatienten oft die Verantwortung für die Therapie wie zum Beispiel das Einhalten der Termine, den therapeutischen Fortschritt an andere – wie hier an den Therapeuten. So, als wäre es seine Aufgabe für diesen Fortschritt zu sorgen und sich der Patient diesem ganzen Prozedere nur passiv fügt oder vielleicht sogar einen leichten passiven Widerstand aufzeigt indem er sich den Terminen oder der Therapie komplett entzieht. 

Andererseits wird aber auch beobachtet, dass viele Therapeuten zu nachsichtig werden und sich dem Patienten wie ein verfügbares Objekt an bieten, welches er dann je nach Bedarf benutzen oder zur Seite legen kann. Das bedeutet, dass der Therapeut in der therapeutischen Beziehung auch funktionalisiert wird.

Eine gelungene Therapie besteht darin, dass der Therapeut nicht als Ersatzdroge auftritt, sondern sich als das Mittel das erst einmal wichtig ist, um einen echten lebendigen Bindungskontakt herzustellen. Das Ziel einer erfolgreichen therapeutischen Behandlung ist dann erreicht, wenn in dieser dem Patienten das ehrliche Interesse an ihm aufgezeigt wird und er hierdurch zum ersten Mal eine emotionale Erfüllung verspüren kann. Das große und übergeordnete Ziel durch diese therapeutische Bindung ist es, die Wirkung der Droge soweit in den Hintergrund treten zu lassen dass ein Leben ohne ihren Konsum möglich wird.

Teil 7 Die zwei Herangehensweisen in der Therapie

 

Wir werden uns nun mit zwei Vorgehensweisen auseinandersetzen die etwas ungewöhnlich erscheinen, jedoch unsagbar effektiv in der Realität sind.

7.1: die Dankbarkeit gegenüber dem Suchtmittel als temporäre „Krücke“ 
7.2: den Blick weg von dem Objekt nun aber hin zu dem Subjekt…

7.1: die Dankbarkeit gegenüber dem Suchtmittel als temporäre „Krücke“

In den vergangenen Jahren hat sich der Fokus immer mehr auf das Thema Dankbarkeit in der Forschung gerichtet. Das Ergebnis ist, dass Dankbarkeit heute eines der am häufigsten untersuchten Themen in der positiven Psychologie ist. Der Erfolg von dieser Vorgehensweise ist, dass ganz langsam und allmählich auch die Dankbarkeit endlich Einzug in die psychotherapeutische Arbeit hält.

Wie aber funktioniert Dankbarkeit in der Psychotherapie? Welchem Zweck dient Sie? Um dies zu beantworten würde ich jetzt gerne einen Blick in die Vergangenheit werfen.

Warum wurde Dankbarkeit in der Vergangenheit der Psychotherapie so wenig beachtet? Nun, Psychotherapie war lange Zeit damit beschäftigt, negative Emotionen überhaupt einmal erst zu verstehen um sie dann anschließend zu reduzieren. Solch ein Konzept des psychotherapeutischen Dankes war und ist vielen Menschen viel zu nah an dem Thema der Spiritualität wozu auch die Dankbarkeit gehört. Darum wurde dies immer nur sehr kritisch beäugt. In den vergangenen Jahren haben wir jedoch eine immer größere Wertschätzung zu spirituellen Themen und den existenziellen Fragestellungen erhalten.

Was spricht für die Dankbarkeit in der Psychotherapie? Dankbarkeit als therapeutisches Werkzeug – und das ist der Grundbegriff des Manipulierens: etwas hilfreiches jemandem an die Hand geben – diese Dankbarkeit besticht als therapeutisches Werkzeug durch ihre Einfachheit und ihre Nähe zu Realität. Es entstammt aus dem lateinischen Wort Manus für Hand und plere, das Füllen bedeutet. Die Hand mit etwas hilfreichem – z.B. einem Werkzeug – zu füllen. Dankbarkeit ist nichts Neues und auch nichts Exotisches. Dankbarkeit schwingt in allen Bereichen unseres Lebens mit. Alles was wir erreicht haben können wir ohne den Beitrag von anderen nicht schaffen. Und darüber muss man sich erst einmal im Klaren sein:

      • eine immer narzisstischer eingestellte Welt sieht den Erfolg stets nur auf sich selbst beschränkt… Jedoch geht es nie ganz alleine. Es ist praktisch immer ein Gemeinschaftskonzept.

Wie kann das Konzept der Dankbarkeit umgesetzt werden? Dankbarkeit kann ich in drei Bereiche unterteilen:

      • Dankbarkeit ist eine Haltung
      • die positives wahrnimmt
      • und dies ist dann auch in seinem sein Wert schätzt.

Dankbarkeit ist vergleichbar mit einem Verstärker des Guten im Leben. Jeder der mal einen Vortrag vor einer großen Menschenmenge gesprochen hat weiß, wie wichtig der Verstärker am Mikrofon ist. Dankbarkeit ist außerdem ein Gefühl, dass unsere Beziehungen zu anderen stärkt und vertieft.

Wie kann nun Dankbarkeit in die Therapie mit einem Süchtigen eingebaut werden? Das Mittel der Sucht sollte ganz eindeutig als „Krücke“ betrachtet werden welches einem in der Vergangenheit (!) vor einem tieferen Absturz bewahrt hat. Nimm dir mal einen Alkoholkranken… Er schämt sich und trägt eine tiefe große Schuld in sich, dafür dass er immer wieder zur Flasche greift… Wenn dieser Betroffene sich jedoch einmal ganz bewusst die Flasche Wein oder Wodka in die Hand nimmt und aus tiefstem Herzen und in aller Ruhe diese Flasche betrachtet und in großer Dankbarkeit zu dem Alkohol sagt: „danke das du mich vor einem noch tieferen Absturz bewahrt hast.“ … was denkst du, wie wird sich seine Einstellung langsam langsam langsam und allmählich zu dem Alkohol verändern? Er wird nicht mehr sein Feind sein, den er unbedingt bekämpfen muss wozu er gar keine Kraft hat…

In der Rolle eines – wenn auch unvollkommen – Helfers bekommt der Alkohol einen ganz neuen Anstrich… Natürlich wird der Alkohol dann nicht sofort in die Ecke gestellt! Das wäre ja auch nur fantastisch oder eine Luftschlossnummer… Aber das Schuldgefühl wird schwinden, die Scham wird weniger und die Kraft die dann übrig bleibt kann in die eigenen Ressourcen gesteckt werden…

Ich höre schon den Aufschrei von vielen Lesern oder Zuschauern dieses Beitrages… Meine Gegenfrage ist aber Folgendes: Was haben die bisherigen Therapie – Strategien im Kampf gegen Alkohol denn wirklich gebracht? Solch eine Frage im Stil des alten Sokrates sollte mir erlaubt werden. Ich weiß, dass ich nichts weiß“ ist ein tolles Zitat aus dieser genialen philosophischen Epoche der alten Griechen. Dieser Satz wird zwar nicht Sokrates, sondern Cicero zugesprochen passt jedoch zu der sokratischen Herangehensweise an ein neues Thema… 

7.2: Weg von dem Objekt – dafür hin zu dem Menschen als Subjekt

In diesem Beitrag habe ich jetzt sehr umfänglich von unserer sehr funktionalisierten Gesellschaft gesprochen… Wozu uns all das geführt hat können wir Überall in unserer Gesellschaft sehen. Wir werden immer mehr von Algorithmen fremdgesteuert… Der Mensch ist nicht mehr ein eigenständiger Mensch mit eigenen Gefühlen sprich ein Subjekt, sondern er wird durch unsere objektivierte, rationalisierte und funktionalisierte Gesellschaft immer mehr reduziert zu einem Objekt – er ist immer mehr fremden Formeln ausgeliefert ohne dass er als Mensch ein Mensch noch sein darf… Kleiner Disclaimer: ich spreche jetzt nicht von der Objektbindungstheorie welche Melanie Klein so wunderbar entwickelt hat… Ich spreche hier wirklich über den ursächlichen Zusammenhang darüber, ob der Mensch noch als Mensch ein Subjekt sein darf oder ob er als Objekt, ein Ding, ein Erzeugnis ein Gegenstand ein Produkt Ist.

Ein Objekt kann auch ein Roboter sein oder eine Maschine auf den man gewisse Knöpfe drückt die dann gewisse andere Ergebnisse herausbefördert… Ein Mensch als Subjekt ist jedoch so vielgestaltig und komplizierter wie praktisch nichts anderes auf dieser Welt! Für Aristoteles war das Subjekt ein anderes Wort für den Träger von Eigenschaften, Wirkungen und Zuständen. Für René Descartes wird das Subjekt als ein denkendes, urteilendes, erkennendes, wollendes und fühlendes ICH verstanden. Du merkst, dass das Wort Subjekt im Laufe der Zeit einen gewissen Wandel in seiner Bedeutung erfahren hat. Heute schränken wir den Begriff des Subjekts auf das „erkennende Ich“ ein – die Vorstellung eines Dualismus – also von einer geistigen Innenwelt und einer materiellen Außenwelt.

Seitdem versteht man in der Philosophie unter dem Begriff Subjekt die Seele, unseren menschlichen Geist der sich seiner Selbst sicher ist und für sich selbst ein bestimmendes Ich – Bewusstsein entwickelt hat. Wenn aber meine Selbstsicherheit und mein eigenes Bewusstsein immer wieder durch diese äußere Anforderung „du musst funktionieren“ torpediert wird, kann sich bei einem Kind kein eindeutiges Ich – Bewusstsein entwickeln.

Diese Leere gilt es in einer psychologischen psychotherapeutischen Therapie bekämpfen. In einer psychotherapeutischen Therapie steht also der Mensch als Subjekt, das eigene Bewusstsein, das eigene ICH ganz zentral im Mittelpunkt… Es wird beobachtet und immer wieder neu in seinen Empfindungen und in seinen Entscheidungen bestärkt…

Einige dieser Übungen kennst du bestimmt selber die darauf ausgerichtet sind unser ICH zu stärken:

      • Dauerhafte Aufmerksamkeit um bewusster zu leben
      • sich selber mögen und sich als Mensch mit Fehlern aber auch Stärken annehmen. Durch ständige Kritik bis hin zum Selbsthass werde ich kein besserer Mensch! 
      • Ein eigenverantwortliches Leben führen.
        Man lernt, das Drehbuch seines eigenen Lebens selber in die Hand zu nehmen. Wir sind nicht alle schutzlos ausgeliefert, sondern können selber für unser Leben die Regie führen. 
      • Das sichere Aussprechen der eigenen Meinung. 
      • Es wird daran geübt eine eigene Meinung zu haben und diese in einer Diskussion auch darzulegen. 
      • Visionen für das eigene Leben finden 
      • Was sind meine Ziele/Visionen und was ist mit mir wichtig? Wer keine eigenen Ziele hat sollte sich nicht wundern, dass er von anderen fremdgesteuert wird. Darum sollten wir alle an unseren eigenen Zielen hart arbeiten. 
      • sich selbst und seinen Werten treu sein. Seine eigene Integrität finden und leben. Es ist nicht nur wichtig zu wissen was (!) wir wollen, sondern wie wir diese Ziele erreichen und umsetzen wollen.

Diese Integrität und diese persönliche Authentizität hilft einem sich von einem fremden Suchtmittel immer mehr zu distanzieren und auf die eigene Stärke zu vertrauen. 

Hast du weitere Fragen zu diesem Thema? Möchtest du aus einer eigenen Sucht herauskommen? Scheue dich nicht mit mir nach neuen Wegen zu suchen, so dass wir gemeinsam aus deiner dich im Moment vielleicht belastenden Situation heraus in ein freies und selbstbestimmtes Leben gehen können…

Ich freue mich auf dich!

Marcus Jähn Meine Buchempfehlung zu diesem Thema

Welche Therapie hilft bei Borderline? 

Borderline ist die Königsdisziplin in den zu behandelnden Störungsbildern. Dieses Buch befasst sich nicht mit einer Therapie zu Hause, in der Praxis, sondern in einem klinischen Umfeld. Die Übertragungsfokussierte Psychotherapie (Transference-Focused Psychotherapy, TFP) ist ein psychodynamisches Verfahren, dass die Beziehungs- und Identitätsstörung von Borderliner ganz in den Mittelpunkt der Therapie stellt. Ihren Ursprung hat sie in der Objektbeziehungstheorie, die davon ausgeht, dass die Schwierigkeiten bei Persönlichkeitsstörungen auf nicht integrierte Persönlichkeitsanteile zurückzuführen sind. Darum müssen diese durch eine Therapie aktiviert und in das Handeln integriert werden. 

Dieses Buch befasst sich ausführlich mit Diagnostik, Therapievereinbarungen, Behandlungsphasen, Therapiefokus und Arbeiten im interdisziplinären Team. Ein tolles Werk für jeden Facharzt. 

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