Schriftzug Marcsu Jähn

Familienpsychologisches Gutachten

(1.) Warum beauftragen Gerichte einen Sachverständigen?
Was ist seine Aufgabe?

2022 gab es in Deutschland bereits

      • 773 Bundegesetze mit 50.738 Paragraphen und
      • 795 Bundesrechtsverordnungen mit 42.590 Paragraphen.

Trotzdem gibt es, sind in der Praxis – rund um das Familienrecht – immer noch vielen Fragen die in einem Gesetz nicht explizit geregelt. Das ist auch logisch, denn das Leben kann man einfach nicht mit Gesetzen in seiner Gänze erfassen. Immer wieder kommen Fragen auf, die von Juristen mit Paragraphen allein nicht eindeutig beantworten können. …  Darum müssen Gerichte durch ein familienpsychologisches Gutachten, dieses Wissen in ihre Überlegungen und Entscheidungen mit einbeziehen. Denn, Richter sind Juristen und keine Psychologen.

Das bedeutet aber nicht per se, dass nun der Sachverständige darüber entscheidet, wie der Fall weiter- oder ausgeht! Das Gericht nimmt seine psychologische Empfehlung einfach in seine Überlegung mit auf und vergleicht diese mit weiteren Aspekten aus dem Fall. Es ist ein Mosaiksteinchen in dem großen Bild des Falls.

Ein Sachverständiger muss sich auch in klar abgegrenzten Grenzen aufhalten. Er darf nicht einfach auf eigene Faust irgendwie, irgendwas erfragen. Für seine Arbeit bekommt er vom Gericht eine klare / wörtlich formulierte Fragestellung die alle Verfahrensbeteiligten (Das Kind / die Eltern / Anwälte als Prozessbevollmächtigte / antragstellende Bezugspersonen (z.B. Großeltern / das Jugendamt und der Verfahrensbeistand) im schriftlichen Beschluss des Gerichts finden können.

Hierbei handelt es sich in der Regel um solche Themen:

      • Welcher Lebensschwerpunkt scheint für das Kind und seine persönliche Entwicklung am besten?
      • Sollen weiterhin beide Eltern oder vielleicht doch nur ein Elternteil künftig wichtige Entscheidungen für das Kind treffen?
      • Wie kann und soll das Kind am besten seine Beziehung zum getrenntlebenden Elternteil aufrechterhalten?
      • Wo liegen die Stärken und Schwächen der Eltern bei der Erziehung des Kindes? Wie kann Ihnen Unterstützung geboten werden?

Recht häufig erwartet das Gericht von dem Sachverständigen nicht nur Antworten auf seine gestellten Fragen. Der Sachverständige soll – wenn möglich – die Eltern auch darin unterstützen, gemeinsame Lösung für den familiären Konflikt zu finden. Dieser Auftrag wird ihm gegenüber jedoch ausdrücklich vom Gericht gegeben (§163 Abs.2 FamFG)

Ein kleiner Exkurs über ein paar ungewöhnliche Worte: Hier wird oft aus dem FamFG zitiert. Das FamFG ist das „Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit.“ Was ist das, die „freiwillige Gerichtsbarkeit“? Es gibt einerseits die streitige Gerichtsbarkeit und anderseits die freiwillige Gerichtsbarkeit. Sie – die freiwillige Gerichtsbarkeit – könnte man vielleicht mit einer vorsorgenden Rechtspflege beschreiben.

Hier finden wir unter anderem

      • Vormundschafts-, Betreuungs-, Personenstands-, Nachlass- und Teilungssachen, Unterbringungs-, Registersachen (Handels-, Genossenschafts, Partnerschafts, Vereins-, und Güterrechtsregister, Grundbuch) und das Urkundenwesen. Bei ihm werden etwas andere Worte gebraucht als in den Strafjustizangelegenheiten. Hier werden Entscheidungen nicht als Urteil, sondern als Beschluss getroffen.

(2.) Was kommt auf die Eltern und die Kinder in einem Gutachten zu?

Im Grunde genommen sind es einfach nur Gespräche, die ein Sachverständiger mit jedem Einzelnen führt. Manchmal werden auch Fragebögen oder psychologische Testverfahren eingesetzt, um den Gutachter dabei zu helfen, die Situation der gesamten Familie besser einschätzen zu können – denn er ist ja auch nur ein Mensch. Diese Tests sind aber nicht nur für den Sachverständigen, sondern auch für die Eltern eine Hilfe, um das Ergebnis seiner Auswertung anschließend besser verstehen zu können.

Wichtig bei allem ist: Es gibt bei dem Verfahren keinen genau festgelegten Ablauf: Dies ist sowohl ein Vor- aber auch ein Nachteil… Der Vorteil liegt auf der Hand: Der Gutachter kann seine Vorgehensweise immer der jeweiligen Situation in der Familie an die vom Gericht gestellten Fragen anpassen. Ganz frei in seinen Handlungen ist er aber nicht. Denn auch für ihn gibt es zumindest mal einen grob abgesteckten Rahmen:

      • Ganz am Anfang bekommt der Sachverständige vom Gericht die Unterlagen / die Akte zugesandt, damit er sich schon ein erstes Bild machen kann. Er muss dabei auch prüfen (§407 ZPO), ob er
        • zum einen für diese Aufgabe auch die notwendige Ausbildung / Sachkenntnis hat (§163 Abs. 1 FamFG) und
        • ob er sie auch in der festgelegten Frist erledigen kann.
        • Wichtig für alle Beteiligten: Wenn notwendige Unterlagen oder Informationen bislang noch nicht beim Gericht vorgelegt wurden, dann kann dies auch noch während der Begutachtung getan werden. Das liegt dann aber im Ermessen des Gerichts, ob es diese an den Gutachter weiterleitet damit er diese noch für den aktuellen Fall mit berücksichtigen soll, oder eben nicht.
      • In der Regel wird das Gutachten mit einem Erstgespräch zwischen dem Gutachter und den Eltern begonnen. Am häufigsten wird es in der Praxis des Sachverständigen durchgeführt. Dieses dauert dann ca. ein bis zwei Stunden. Werden Fragebögen oder psychologische Tests verwendet, oder haben die Eltern weitere Fragen, dann kommt es oft zu einem zweiten Termin.
    1. Danach wird ein Gespräch mit der wichtigsten Person des Geschehens – dem Kind – anberaumt. Dieses Treffen kann auch beim Sachverständigen in seiner Praxis – das heißt an einem für das Kind neutralen Ort stattfinden. Etwas seltener, aber trotzdem nicht ungewöhnlich ist der Wunsch des Gutachters, dass das Gespräch in der Wohnung durchgeführt wird, in dem es hauptsächlich / oder aktuell lebt. Diese für das Kind vertraute Umgebung hilft ihm, sich etwas intensiver in das Lebensumfeld einzufühlen.

Und liebe Eltern, nicht erschrecken, denn auch bei diesem Termin können psychodiagnostische Tests speziell für Kinder verwendet werden. Das ist nichts Schlimmes, denn gerade solche Tests helfen dem Gutachter

      • die Fragen vom Gericht an das Alter und Verständnis des Kindes anzupassen und 
      • erleichtern es ihm aus seiner kindlichen Sicht den familiären Konflikt zu erklären.

(3.) Die Beziehung zwischen Eltern und Kind

Hier kommen wir nun an das wohl wichtigste Thema beim familienpsychologischen Gutachten – wie sieht die Bindung zwischen dem Kind und seinen Bezugspersonen aus. Um sich hierfür ein Bild zu verschaffen,

      • kann es manchmal schon ausreichen, eine kurze Situation zwischen Eltern und Kind in seiner gewohnten Umgebung zu beobachten.
      • In anderen Fällen braucht man hierfür mehrere Termine z.B.
        • im Spielzimmer der Praxis,
        • auf einem öffentlichen Spielplatz oder
        • bei der Kinderübergabe.
      • Eine oft gewählte Methode ist z.B. auch die, dass Eltern und Kind eine kleine Aufgabe gestellt wird, um sie dann beim gemeinsamen Lösen zu beobachten.
      • Das Leben eines Kindes findet nicht nur im Haushalt statt!
        Deshalb prüfen Gutachter auch gerne, wie es sich in der Schule, dem Kindergarten, oder – falls in einer Therapie – auch dort verhält.

        Logischerweise unterliegt dies alles dem Datenschutz und kann nur nach vorheriger Einwilligung und einer Schweigepflichtentbindung durchgeführt werden. Solche Gespräche werden in der Regel telefonisch durchgeführt.

(4.) Lösungsorientiertes Arbeiten ist immer das oberste Ziel (§156 FamFG)

Alles, was sich in der Rechtsprechung um Kindschaftssachen dreht, unterliegt dem Gebot, dass „in jeder Lage des Verfahrens auf ein Einvernehmen der Beteiligten hingewirkt werden soll.“ §156 FamFG. Deshalb bemüht sich ein Gutachter auch – wenn er nach §163 Abs.2 FamFG beauftragt wurde – von Anfang an in seiner Arbeit auf eine Einigung aller Beteiligten hinzuwirken. Er macht dies u.a. indem zwischen den Eltern (das sind ja in der Regel die Beteiligten)

      • erst mal – ohne immer beim Gericht nachfragen zu müssen – vorläufige Regelungen und Absprachen getroffen werden, die dann in der Praxis erprobt und evtl. später den Gegebenheiten weiter angepasst werden.
      • Manchmal kann es auch nützlich sein – natürlich immer nur unter der Berücksichtigung des Datenschutzes – weitere am Fall beteiligte Personen (z.B. Fachpersonen, Verwandte) mit in die Gespräche einzubeziehen.

        Das Ziel ist in jedem Zeitpunkt des Verfahrens herauszufinden welche Regelung für Eltern und Kind am besten helfen, um eine dauerhafte Einigung herzustellen.

(5.) Welche Kosten kommen durch das Gutachten auf einen zu?

Mit der Beauftragung durch das Gericht, bekommt der Sachverständige erst einmal eine Frist gesetzt, bis wann er das Gutachten fertig zu stellen hat. Das ist auch sinnvoll, weil die Situationen in den Familien oft sehr prekär sind und nach einer Entscheidung förmlich schreien. Es gibt aber auch nachvollziehbare Gründe, warum ein Gutachten nicht so schnell erstellt werden kann. Das kann ein Urlaub, ein Umzug, eine Krankheit, unaufschiebbare berufliche Verpflichtungen von Eltern und Kindern sein. Manchmal muss man vorläufige Übereinkünfte auch erst einmal beobachten, wie sie sich entwickeln. Dann ist die oft enge Frist für das Gutachten nicht mehr ausreichend. Sofern nun ein Gutachten eine längere Frist braucht, dann wird dies der Sachverständige immer mit allen Beteiligten – inklusive dem Gericht – abklären.

Zu den eigentlichen Kosten: Der Sachverständige erhält für seine Arbeit 120€ je Stunde zzgl. der Mehrwertsteuer. Wer nun was hierfür zu bezahlen hat, dass hängt wiederum von den finanziellen Verhältnissen der einzelnen Beteiligten und wird am vom Gericht festgelegt.

Wichtig wäre in diesem Zusammenhang auch folgende Information: Prozess- und Verfahrenskostenhilfe-Empfänger haben gemäß der Rechtsprechung des OLG Hamm (Aktenzeichen: 25 W 94/13) sogar einen Rechtsanspruch auf die Erstellung eines Privatgutachtens, welches ich zu jeder Zeit im Laufe des Verfahrens empfehlen würde.

(6.) Und was steht am Ende eines Gutachtens?

Das was am Ende drin steht ist dass, womit sich der Gutachter auseinandergesetzt hat. Darum wäre es hier vermessen zu sagen, was genau das Ergebnis sein wird. Wichtig ist aber folgende Tatsache: Zu jedem Zeitpunkt des Verfahrens haben die Eltern stets die Möglichkeit, sich selber zu einigen. Das Gericht wird diese dann billigen. Logischerweise aber erst nach einer Prüfung der Übereinkunft, denn es könnte ja auch dem Kinde schaden §156 Abs. 2 FamFG.

Nochmals: Von Anfang an des Gerichtsverfahrens, bei der Beauftragung eines Gutachtens und auch während des Gutachtens wenn die ersten Erkenntnisse sichtbar werden, ist das oberste Ziel, eine Einigung zu erzielen. Ist diese am Anfang (noch) zu schwierig, wird das schriftliche Gutachten mit einer Empfehlung erstellt.

So ein Gutachten kann – je nach Anforderung durch das Gerichts – sehr unterschiedlich lang ausfallen: Von wenigen Seiten bis hin zu detaillierten und langen Stellungnahmen ist hier alles möglich.

Ist es erst mal fertig, dann sendet das Gericht dieses Gutachten an die Anwälte der Parteien. Sehr häufig kommt es dann noch zu einer weiteren Gerichtsverhandlung, bei der auch der Sachverständige anwesend sein kann; zum Beispiel, wenn ein Elternteil dies ausdrücklich wünscht. Auch in dieser Verhandlung ist die Maxime, dass die Eltern nochmals dazu ermuntert werden sollen, zu einer Einigung für das Kind zu gelangen. 

(7.) Was ist noch wichtig zu wissen?

    1. Die Beauftragung eines Gutachters kommt zwar durch das Gericht, an ihr Mitzuwirken ist aber freiwillig. Wenn Eltern sich diesem Gutachten verweigern, dann darf das Gericht darauf keine negativen Schlüsse ziehen (BGH, Beschluss vom 17. 2. 2010 – XII ZB 68/09 (OLG München)). Geschieht dies, wird der Sachverständige das dem Gericht mitteilen.

    2. Er muss sowieso alle relevanten Informationen – man spricht hier von entscheidungserheblichen Daten – dem Gericht gegenüber mitteilen. Auch wenn Eltern dies wünschen sollten, so ist er sogar zu dieser Informationsweitergabe per Gesetz verpflichtet – eine „Offenbarungspflicht“ – da die Beauftragung ja durch das Gericht kam. Alle Informationen, die der Sachverständige während seiner Arbeit erhält, gelten als Beweismittel, die nur dem Gericht zur Verfügung gestellt werden dürfen.

Und damit sind wir auch schon beim Datenschutz: Wer wird mit den Informationen aus dem Gutachten arbeiten?

      • Nur der Sachverständige
      • zur Verschwiegenheit verpflichtete Mitarbeiter
      • und das Gericht.

Die Zivilprozessordnung ZPO und die DSGVO (Datenschutz Grundverordnung) regeln, wie lange die Aufbewahrungsfrist einzuhalten ist – mindestens jedoch bis zum Abschluss des Verfahrens. Der Sachverständige ist dafür da, weitere Fragen rund um die Begutachtung sowohl am Anfang aber auch während seiner Arbeit zu beantworten. Man sollte sich also nicht scheuen, ihn zu kontaktieren. Schließlich geht es um eine Einigung in Bezug auf das Kind und der Familie. 

Lassen Sie uns miteinander ins Gespräch kommen. 

Marcus Jähn Werde wieder stark durch CoachingEs sind viele Bereiche, die wir ansprechen können: Angefangen vom Umgang Borderline oder einer anderen belastenden Störung, aber auch über Future Faking, Love Bombing und Gaslighting die immer häufiger in unsere Gesellschaft zu beobachten sind. 

  • Was ist das eigentlich, eine Persönlichkeitsstörung, ein Perfektionismus, ein Spaltung oder eine Gegenübertragung?
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Ich möchte aber nicht nur über Fragen sprechen, sondern auch praxisgerechte Lösungen anbieten:

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