Schriftzug Marcsu Jähn

In meiner Beitragsreihe „Borderline-Skills-to-Go“ und „Skills gegen Stress“ teile ich „die Interozeption“ in die „gelbe Vorbereitungs-Gruppe“ ein. Wenn du wissen möchtest, welche anderen Werkzeuge / Tools / Skills im Kampf gegen Stress und Borderline-Überforderung ich in eine Grüne / Gelbe / Rote Gruppe einteile, dann lade ich dich ein, diesen Beitrag anzusehen: 

Borderline to Go – Skills gegen Stress

Teil 8 – Interozeption – der Blick nach Innen

Interozeption ist der Blick nach innenGestresste und traumatisierte Gehirne arbeiten tatsächlich anders – dies zeigen die Studien im FMRT z.B. von Bessel van der Kolk. Diese Unterschiede liegen im Bereich des MPFK (der mediale präfrontale Kortex), dem anterioren Cingulum, dem parietalen Kortex und besonders im Bereich der Insula auffallend inaktiv. Aber genau das sind die Bereiche, welche wir für eine Interozeption und damit der Stressantwort benötigen.

Was ist Interozeption?

Wovon sprechen wir hier überhaupt beim diesem Begriff Interozeption? Es ist die Fähigkeit, in sich hineinzuhören. Nicht zufällig hört es sich ähnlich an wie Rezeption. Lateinisch „recipere“ bedeutet etwas erhalten. Interozeption ist ein erhalten oder Empfangen von innen. Ein anderes Wort könnte auch innere Achtsamkeit sein. Aber: Kann ich Stress wirklich durch ein „inneres Hören“ bekämpfen? Ja! Und dies hat viel mit unserem Kernbewusstsein (Zitat Antonio Damasio) zu tun.

Was hat Interozeption mit Borderline und mit Stress-Skills zu tun?

Borderline (F60.31 ICD10) ist eine Persönlichkeitsstörung und das ist eine nicht ausgereifte Persönlichkeit – eine sich nicht stabil ausgebildete Persönlichkeit. Eines der Kriterien für Borderline sind temporäre, paranoide Vorstellungen und starke dissoziative Symptome. Alles Affekte, welche ich auch bei anderen Menschen unter großem Stress beobachten könnte – beim Borderliner halt etwas häufiger.

👉 Das Wort Dissoziation ist das, was ich nun etwas näher mit dir betrachten möchte. Der Ursprung ist lateinisch „dissociare“ = trennen oder scheiden. Und merkst du was? Dies hört sich doch auffallend stark nach Spaltung an, oder?

 👉 Aber wovon werde ich durch eine Dissoziation abgespalten?

Es muss etwas sein, was vorher ein Ganzes / etwas assoziiertes Ganzes war. Und hier kommen wir mal wie so oft in meinen Beiträgen zu dem Neurologen Professor Antonio Damasio zurück. In seinen Forschungen (Descartes Irrtum) zeigte er klar und deutlich, dass Gefühle und Verstand nicht voneinander getrennt werden können. Wenn ich aber – zum Beispiel durch traumatischen Stress o.ä. – diese Signale nicht mehr empfange, gerate ich in eine „Empfangs-Spaltung“ – eine Dissoziation – und mein Inneres „schreit förmlich“ nach einem Kontakt. Dieser Kontakt ist die Interozeption.

Wie wichtig der Kontakt zu seinem „Kernbewusstsein“ (Antonio Damasio) ist, zeigt ein anderes Beispiel von ungewöhnlicher Sprachlosigkeit. Bessel van der Kolk – Professor für Psychiatrie und Gründer des Trauma Center in Brookline, Massachusetts / USA – beschreibt in seinem Werk „Verkörperter Schrecken“ den Fall von Yin Mee, einem 5-jährigen Waisenmädchen aus China. Es konnte einfach nicht sprechen lernen. Monatelang versuchte man vergebens mit ihm Kontakt aufzunehmen. Was war das Problem? Eine Mitarbeiterin hatte irgendwann die rettende Idee, das Mädchen mit einer sensumotorischen Therapie zu behandeln. Sie ging mit dem Kind in eine Spezialklinik, die eher einem Indoor-Spielplatz glich. Ying Mee wurde förmlich „gebadet“ in einer Wanne mit Gummibällen, um dadurch ihre Haut(-Grenze) zu spüren (Assoziation)

Die Haut als Grenze des Körpers hilft uns, unser „Kernbewusstsein“ („Ich fühle, also bin ich“) aufzubauen, uns mit uns zu verbinden, also in die Assoziation zu kommen und wirksam gegen Dissoziation im Stress zu begegnen.

Was kann ich tun, um die Interozeption zu lernen?

Hier mal ein paar Vorschläge meinerseits:

  • Therapeutische Massagen. Dabei geht es nicht vordringlich um Muskeln und Faszien, sondern um eine Signalrückkopplung zwischen Therapeuten und Behandelten. So mancher Patient fühlt gar nicht mehr, wo ihn der Therapeut anfasst. Und darum geht es in der Massage … ich spüre wieder meine Haut, meine Grenzen und damit ein stabiles Selbst.
  • Lerne Tango tanzen.
    Tango ist führen und vertrauen. Der eine Körper führt den anderen Körper. Es ist ein beständiges Registrieren des eigenen Selbst und des Selbst des Gegenübers. Grenzen werden mit jedem einzelnen Schritt neu definiert und vereinbart.
  • Erinnerungspendeln
    Zuerst das „positive Pendeln“ Erinnere dich an eine aktuelle Situation, in der du heute das Gefühl hattest, mit dir selbst ganz eins zu sein. Beobachte hierbei dann dein körperliches Erleben – aber ohne es zu beurteilen! Nur wahrnehmen! Pendle wie in einem Rhythmus immer zwischen dem inneren Bild und deinen momentanen Körperempfindungen hin und her. Lass dich dabei nicht hetzen und nimm dir alle Zeit der Welt.
    Denke nun an eine Situation aus den letzten Tagen, als Du dich genauso angenehm mit dir selbst verbunden gefühlt hast. Pendle auch hier vor und zurück zwischen deiner Erinnerung und deinem Körpergefühl – egal wie es sich auch anfühlen mag. Beobachte was hier geschieht, ohne es zu bewerten (Jiddu Krishnamurti – „Die höchste Form der Intelligenz ist es, etwas zu sehen und es nicht zu bewerten“).

    Jetzt bitte ich dich, weiter in deiner Vergangenheit zurück zu gehen – vielleicht ein zwei Monate. Denke wieder an eine Situation, in der Du ganz mit Dir eins warst. Nimm dir wieder die Zeit zu beobachten, was in deinem Körper entsteht und deinem Blick auf dein inneres Bild. Pendle zwischen den beiden Eindrücken – die Erinnerung und dein Körpergefühl – hin und her. Erlaube dir Dich deines gesamten Körpers bewusst zu werden.

  • Jetzt kommt das „negative Pendeln“ Erinnere durch nun an eine Situation, in der du dich ein wenig – also nicht ohnmächtig! – unwohl gefühlt hast. Der Stau auf dem Heimweg oder in ein plötzliches Gedränge der U-Bahn. Zuerst fühlst du dich noch gut, du freust dich auf zu Hause. Dann der Stau …
    Jetzt bitte ich dich einmal zu spüren, was du in deinem Körper spürst. Ist es der übliche Ärger darüber, mal wieder in einem Verkehrsstau zu stecken? Dann nimm dir nun ganz bewusst die Zeit und achte darauf, wie und wo du in den kommenden Minuten diesen Ärger in deinem Körper spürst. Achte besonders darauf, wie sie sich nach einigen Augenblicken anfängt, sich zu verändern – das ist jetzt das eigentliche Ziel der Übung!!! Beobachte diesen Rhythmus zwischen Expansion und Kontraktion. Erkenne, dass unsere Gefühle und Emotionen Handlungsangebote aus unserem Inneren darstellen. Sie bleiben nie (!) für längere Zeit. Sie verändern sich und werden dadurch erträglicher.

    Allein diese Veränderlichkeit wahrzunehmen und sich zu verinnerlichen (bis hin zu einem „somatischen Marker“ – Antonio Damasio) macht ein zukünftiges schlechtes Gefühl tolerierbar.

Ein Wort noch zum Schluss: Sich an etwas zu erinnern – egal ob an Positives oder Negatives – kann den einen oder anderen beunruhigen oder zu sehr aktivieren und dann überwältigen. Ist das bei dir der Fall, dann brich diese Übung ruhig ohne schlechtes Gewissen ab. Du kannst später immer wieder zu Ihr zurückkommen.

Konzentriere dich dann auf etwas Angenehmes, was du erst vor kurzem erlebt hast. Oder setz dich einfach hin, mach einen Spaziergang und erlaube dir ausdrücklich wieder zur Ruhe zu kommen.

Lassen Sie uns miteinander ins Gespräch kommen. 

Marcus Jähn Werde wieder stark durch CoachingEs sind viele Bereiche, die wir ansprechen können: Angefangen vom Umgang Borderline oder einer anderen belastenden Störung, aber auch über Future Faking, Love Bombing und Gaslighting die immer häufiger in unsere Gesellschaft zu beobachten sind. 

  • Was ist das eigentlich, eine Persönlichkeitsstörung, ein Perfektionismus, ein Spaltung oder eine Gegenübertragung?
  • Kann ich trotz Borderline oder Narzissmus eine stabile Partnerschaft aufbauen und damit über Jahre hinweg leben? 
  • Ist eine Kommunikation mit einem Borderliner möglich? Wie hilft hier die U.M.W.E.G.-Methode©? 
  • Kann ich meine Bindungsangst oder Verlustangst irgendwann einmal kontrollieren?
  • Was kann ich tun, wenn ich mich gerade in einer Trennung befinde, oder kurz davor bin?


Ich möchte aber nicht nur über Fragen sprechen, sondern auch praxisgerechte Lösungen anbieten:

  • Eine humorvoll und spielerisch – ja fast tänzerisch – eingesetzte Gewaltfreie Kommunikation in Kombination mit der von mir entwickelten 
  • U.M.W.E.G.-Methode© und nicht zuletzt die Transaktionsanalyse als Sprachkonzept können helfen, auch in schwierigen Situationen noch kühlen Kopf zu bewahren. 

Buchen Sie sich einfach auf meinem Online-Kalender ein Zeitfenster oder nutzen Sie mein klassisches Kontaktformular um mit mir in Verbindung zu treten. Ich freue mich auf Sie. Ihr Marcus

Marcus Jähn Meine Buchempfehlung zu diesem Thema

Was passiert beim Denken?

Selten habe ich ein so sachliches Buch mit so viel Lust gelesen. Antonio Damasio – ein sympathischer Neurowissenschaftler aus Portugal – scheint eher mit dem fMRT als mit seiner nicht weniger sympathischen Ehefrau Hanna verheiratet zu sein. Gemeinsam sind die beiden zeit ihres Lebens der Frage nachgegangen, wie das Fühlen und Denken im Körper entsteht. In seinen Werken zeigt er auf, das die Trennung des Körpers vom Geist nach dem französischen Philosophen Rene Descartes ein jahrhundertealter Irrtum ist. 

Tauche in die Forschungen rund um Phineas Gage und Elliot ein, lerne, wie ein somatischer Marker entsteht und wie sich unser Denken und unsere Gefühle vom Proto-Selbst über das Kernbewusstsein in ein Real- oder erweitertes Bewusstsein entwickelt. 

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