Schriftzug Marcsu Jähn

Einleitung in die Transaktionsanalyse – Kommunikationsspiele der Erwachsenen

  1. Was ist Kommunikation?

Einleitung in die Kommunikationsspiele der Erwachsenen Transaktionsanalyse einfach erklärt Kann Sie uns in der Kommunikation mit einem Borderliner helfen?

Die Kommunikation mit einem Borderliner bringt uns oft an die Grenzen der Sprache 😊 und des Machbaren. Aber es gibt Techniken, die uns helfen, in diesen Situationen die Kontrolle zu bewahren

Was verbirgt sich

 hinter dem Begriff der Kommunikation? Kommunikation ist alles, was an Verständigung zwischen zwei Personen mit Hilfe von Zeichen und Sprache geschieht. Dabei benutzen wir nicht nur unsere Stimme, sondern vor allem auch unseren Körper, unsere Gestik, Mimik und manchmal auch ein Schweigen. Das lateinische Grundwort communicatio bedeutet = Mitteilung; communicare = teilhaben; Eng verwandt ist hier auch der Begriff der Kommune: Mittellateinisch communis = gemeinsam und munis = entgegenkommend

Kommunikation ist also das (!) Mittel, um Menschen miteinander zu verbinden.

Wir können die Welt der Kommunikation in zwei große Bereiche unterteilen:

    1. Die soziale Verbindung mit anderen Menschen und
    2. die Strukturierung der Zeit im Umgang mit anderen Personen. Frei nach

       

       dem Zitat und Buchtitel von Eric Berne: „Was sagen wir, nachdem wir „Guten Tag“ ges
      agt haben…?“

Einteilung der Persönlichkeitsstörungen nach ICD10Wir werden diese beiden Punkte nun in diesem und den weiteren Beiträgen über die Transaktionsanalyse einmal sehr genau „unter die Lupe“ nehmen. Dieser Kanal hat es sich nämlich zum Ziel gesetzt, aus allen ihm zur Verfügung stehenden Quellen ein vernünftiges Umgangs- und Kommunikations-Konzept für Menschen mit einer instabilen Persönlichkeit zu entwickeln. Der Grund hierfür ist recht einfach, macht aber auch nachdenklich: Wir leben in immer instabileren Zeiten. Die Zahl an instabilen Persönlichkeiten und Persönlichkeitsstörungen wächst in immer schnellerer Geschwindigkeit. Hatte der ICD-10 (die medizinische Klassifikationsliste der WHO) in den1990er Jahren – die Zeit seiner Herausgabe – Borderline noch von Narzissmus und anderen Persönlichkeitsstörungen durch Kategorien abgegrenzt, so wird dies im ICD-11 (herausgegeben 2022, Zeitpunkt seiner Einführung in die Praxis war bei der Verfassung dieses Beitrages noch nicht abzusehen) bereits deutlich besser und m.E. auch praxisgerechter gehandhabt.

Der neue ICD 11 und die Einteilung der Persönlichkeitsstörungen

Einteilung der Persönlichkeitsstörungen nach Marcus Jähn und dem ICD-11Im ICD-11 werden alle Persönlichkeitsstörungen zuerst einmal zusammengefasst – die Trennung nach Kategorien ist obsolet. Sie werden zuerst nach einer dreistufigen Intensität und im nächsten Schritt nach übergeordneten Persönlichkeitsmerkmalen / Schwerpunkten aufgeteilt. Das macht deutlich, dass alle Persönlichkeitsstörungen erst einmal aufgrund einer gemeinsamen Ursache entstehen – so sieht es auch Otto Kernberg der Experte in diesem Gebiet. Ich würde noch einen Schritt weiter gehen und diese gemeinsame Ursache als die „Instabilität in der Persönlichkeitsentwicklung2 – im ICD10 noch als F60.30 klassifiziert – benennen. Und wenn jemand in seiner Persönlichkeit instabil ist, dann betrifft dies zu 100% auch auf seine Kommunikation! Aus diesen Gründen heraus ist es m.E. gerade in unseren heutigen Zeiten wichtig, sich mit Kommunikation auseinander zu setzen. Sie ist das Mittel der Wahl um Konflikte auszulösen, aber auch zu beenden.

1.1. Kommunikation mit „einem Borderliner“ – dies ist das oberste Thema dieses Kanals.

Der Begriff des „Borderliners“ soll nun aber bitte nicht als Stigmatisierung verstanden werden! „Den Borderliner“ kann es auch gar nicht geben.

Gemeint ist hier eine Person, die entweder

      • eine fachlich korrekte Diagnose über die nach ICD10 mit F60.31 diagnostizierten Persönlichkeitsstörung hat, oder die
      • – umgangssprachlich – in auffälliger Weise die Kriterien der Borderline-Persönlichkeitsstörung zeigt.

Kommunikation mit einem Borderliner. Zuerst Transaktinsanalyse und dann die Gewaltfreie KommunikationWie kann man nun die Kommunikation mit einem Borderliner oder generell die Kommunikation in Krisenmomenten stabiler gestalten?

Mein Tipp wäre folgender:

  1. Mit Hilfe der sehr analytisch orientierten Transaktionsanalyse zuerst einmal die einzelnen Kommunikationsspiele des Gegenübers verstehen, um dann
  2. mit Unterstützung der GfK (Gewaltfreie Kommunikation von Marshall B Rosenberg) kritische Gespräche wieder in ruhige Bahnen zu lenken…

Diese beiden sehr gegensätzlichen Denkansätze umklammern m.E. das gigantisch große Feld der Kommunikation mit am besten. Die GfK habe ich in anderen Beiträgen bereits angesprochen. In diesem geht es nun um die Transaktionsanalyse

Mit Hilfe der Transaktionsanalyse die Kommunikation mit einem Borderliner verstehen und mit der GfK diese wieder verbessern.

Die Transaktionsanalyse wurde zwischen 1950 und 1970 von dem kanadisch-US-amerikanischen Militär-Psychiater Eric Berne (1910 – 1970) zuerst als ein Persönlichkeits- und Kommunikationsmodell entwickelt. Ich halte sie für eine unschätzbare Hilfe, eine gewisse Ordnung in die große Welt der zwischenmenschlichen Kommunikation zu bringen. Und wenn diese dann mal aus dem Ruder läuft – z.B. in einer Beziehung mit einem Borderliner – hilft sie zwischen richtig und falsch erst einmal zu unterscheiden.Das ist aber nur der erste Schritt. Die Transaktionsanalyse hilft nämlich auch zu erkennen, wann (!) etwas aus dem Ruder gerät – sie ist wie eine Warnlampe.Realistisch betrachtet ist sie anschließend jedoch mit der Aufgabe überfordert, eine gestörte Kommunikation wieder ins Lot zu bringen. Dann hilft uns im zweiten Schritt die GfK (die gewaltfreie Kommunikation) von Marshall B. Rosenberg.Wie ich darauf komme, möchte ich in diesem Beitrag einmal skizzieren, indem ich zuerst einmal die Transaktionsanalyse beginne, zu erklären.

Auch wenn die Transaktionsanalyse sehr kühl, nüchtern und systematisch an das Thema der Kommunikation herangeht, übersieht sie nicht, dass hier immer noch Menschen mit ganz menschlichen Bedürfnissen kommunizieren. Darum starten wir in unserer Übersicht mit einem ur-menschlichen Thema: den sozialen Verbindungen:

2. Reizhunger nach sozialen Verbindungen

Alle zwischenmenschlichen Verbindungen haben eins miteinander gemeinsam: den „Reiz-Hunger“.

Studien zeigen immer wieder, dass Kinder, die – aus welchen Gründen auch immer – über längere Zeit auf körperliche Berührungen und andere Zärtlichkeiten verzichten mussten, deutlich häufiger und auch länger als andere Kinder krank werden. Diese sogenannten „emotionellen Deprivationen“ können sogar tödliche Folgen haben kann.

Dieser Begriff des Reiz-Hungers zeigt, dass unsere wichtigsten Reiz-Faktoren von einer körperlichen Intimität, einer sanften Berührung, einem Kuscheln und Streicheln ausgehen. Eine Tatsache, die man nicht nur im Labor (siehe die Forschungen von Michael Meaney von der McGill Universität in Montral), sondern vor allem im täglichen Leben beobachten kann.

Aber nicht nur Kindern haben diesen Hunger nach Oxytocin (dem Bindungshormon). Auch Erwachsene können eine sensorische Deprivation (Verlust, Mangel körperlicher Reize) erleiden, mit Psychosen und anderen Störungen als Folge.

In seinen Berichten aus dem Konzentrationslager sprach z.B. der österreichische Neurologe und Psychiater Viktor Frankl (1905 – 1997) immer wieder von dieser sensorischen Deprivation bei Menschen, die zu längerer Einzelhaft – oft in Erdlöchern – verurteilt wurden. Ihr Verhalten veränderte sich rasend schnell und selbst die hartgesottensten Lagerinsassen fürchteten sich davor wie auch fast alle Verbrecher in „normalen Gefängnissen“.

Das beste Mittel gegen diese sensorische Deprivation ist eine soziale Integration.

 

 

Körperlich betrachtet kann die emotionelle und sensorische Deprivation sogar organische Schäden verursachen oder zumindest fördern.

Wird das neuronale Netzwerk des Hirnstamms (das auch Retikularsystem genannt) nicht genügend stimuliert, dann können dadurch sogar Nervenzellen absterben. Diese Kettenreaktion startet mit einer emotionellen und sensorischen Deprivation, geht dann über in eine Apathie und endet im schlimmsten Falle mit dem Tode. Das genaue Gegenteil davon – eine Übersättigung unserer Sinne – findet wir heute z.B. in einer Reizüberflutung durch die überhandnehmenden sozialen Netzwerke. Aus diesen Gründen steht der Reiz-Hunger auch auf gleicher Höhe / Augenhöhe mit dem Hunger nach buchstäblicher Nahrung. Und ja, der Reiz-Hunger zeigt viele Parallelen zum Hunger nach Nahrung. In einem Satz zusammengefasst: „Wer nicht gestreichelt wird, bei dem verkümmert das Rückenmark.“

Darum steht auch jeder von uns vor der Frage: „Wie kann man die enge Intimität, die man am Anfang des Lebens mit der eigenen Mutter vor der Entbindung hatte, nun als eigenständiger Mensch ausgleichen?

  • Denn einerseits muss jeder von uns seine eigene Selbständigkeit, seine eigene Autonomie entwickeln …
  • Andererseits kommt aber immer wieder dieser Wunsch nach dieser ersten dyadischen Zweierbeziehung hoch.

Die Lösung hierbei ist – wie so vieles im Leben – ein Kompromiss … Wir lernen, uns mit subtileren, oft nur symbolischen Formen von Zuwendung zufrieden zu geben; Denn schließlich kann sogar nur eine kleine Anerkennung, ein Lächeln, ein -einzelnes gutes Wort – bis zu einem gewissen Grad diesen Zweck erfüllen. Trotzdem besteht der Wunsch nach körperlichem Kontakt unvermindert weiter.Dieser Prozess – er wird auch „Sublimierung“ genannt – ist eine Umwandlung des kindlichen Reizhungers in etwas anderes, z.B. einen Hunger nach Anerkennung.

Und mit zunehmendem Alter findet jeder erwachsene Mensch irgendwie immer seinen eigenen Weg nach Anerkennung.

  • Ein Filmstar benötigt für sein Ego vielleicht regelmäßig den Beifall oder die Fanpost seiner Verehrer.
  • Einem Wissenschaftler reicht es dagegen oft aus, nur von einer Autorität seines Fach gelobt zu werden – es muss ja nicht immer der Nobelpreis sein.

In der Transaktionsanalyse gibt es hierfür den Begriff des „Streichelns“ (stroking) um Anerkennung oder intimen physischen Kontakt zu beschreiben. Ein Kind „streicheln“ wir oft buchstäblich, drücken es sanft an uns oder geben ihm einen liebevollen leichten Klaps. All diese Formen von Zärtlichkeiten gibt es vergleichbar auch in der Kommunikation. Selbst das einfache Zuhören könnte man schon als ein „Streicheln“ bezeichnen. Dieser Begriff beschreibt umgangssprachlich praktisch jede „Aktion“ die eine Anerkennung der Gegenwart eines anderen aufzeigt und ist die grundlegende Maßeinheit von allem sozialen Miteinander.

Die Theorie der Kommunikationsspiele hat verschiedene Grundsätze. Einer davon ist, dass egal welche soziale Verbindung besteht, diese immer noch besser ist als keine Verbindung. Das wurde von S. Levine‘ in einigen interessanten Tierversuchen mit Ratten nachgewiesen (1957 Handling und Gentling von Ratten); Dabei wurden – allein dadurch dass man sich mit den Tieren – wie in dem Test 20 Tage – abgab – nicht nur die physisch, geistige und emotionelle Entwicklung, sondern auch die biologischen Vorgänge im Gehirn und auch die schnellere Reifung der Hypophysen-Nebennieren-Achse – unsere Stressachse – günstig beeinflusst. Das Entscheidende in diesem Test war, dass man durch eine sanfte Behandlung den gleichen gesundheitsfördernden Effekt erzielte wie mit schmerzhaften Elektroschocks. Wenn „streicheln“ so wirksam ist, wie geht dann „streicheln in der Kommunikation“? Damit beschäftigen wir uns nun im folgenden Abschnitt:

 

3. Die Strukturierung der Zeit

 

Lass uns noch einmal den Grundsatz wiederholen: Streicheln bei Kindern und Erwachsenen hat den gleichen Überlebenswert wie ein Hunger nach buchstäblicher Nahrung. Folgende Fragen könnten nun aufkommen:

  • Wie hilft uns dieses Wissen nun in der Praxis?
  • „Was können wir nach einer Begrüßung / dem kulturellen Ritual tun?

Und diese Frage kommt immer auf … egal ob wir nur ein kurzes „Hi“ wie in den westlichen Kulturen üblich, oder ein stundenlanges Ritual im Orient abgehalten haben! Nachdem der erste Reiz-Hunger und der Hunger nach einer Grund-Anerkennung durch das Ritual gestillt wurde, macht sich danach ein dritter Hunger, der Hunger nach Struktur bemerkbar.

Für viele Menschen ist eine unstrukturierte Zeitspanne, in der alle schweigen und keinem etwas Besseres einfällt, als zu fragen: „Warum sind Pizza-Schachteln eckig, wenn die Pizza doch rund ist?“ mehr als unangenehm. Deshalb besteht ein grundlegendes Problem aller Menschen darin, wie man den nächsten Moment, den kommenden Tag oder den Rest des Lebens, strukturieren sollte. Die Lösung hierbei besteht darin, dass man sich gegenseitig bei der Bewältigung dieses Projekts hilft – und zwar durch eine strukturierte zwischenmenschliche Kommunikation.

Die Strukturierung der Kommunikation könnte man auch mit drei Ebenen einer Sprach-Programmierung bezeichnen.

      • Eine materielle,
      • eine soziale und
      • eine individuelle Programmierung

Die erste und grundlegendste Methode der Zeit-Strukturierung ist die Unternehmung / Tätigkeit. In ihr setzen wir uns mit den realen Dingen, dem was (be-)greifbar ist auseinander. Man könnte das zwar auch „Arbeit“ nennen, besser aber wir bleiben bei dem Begriff der Tätigkeit. Denn Arbeit ist hier nicht immer ganz so passend, denn die Sozialpsychiatrie und auch die verschiedenen sozialen Verbindungen werden alle als eine gewisse Form von „Arbeit“ bezeichnet und allein dadurch könnte man schon durcheinander kommen.

  1. Die materielle Programmierung ist die Auseinandersetzung mit der äußeren Welt / mit dem, was real ist.

Auch wenn dies alles auf den ersten Blick nichts mit Kommunikation zu tun zu haben scheint, so ist dies aber „das Sprungbrett“ für ein Streicheln, für eine Anerkennung oder einfach für alle anderen Formen sozialer Verbindungen. Die materielle Programmierung dient im Grunde genommen einzig und allein der reinen Übermittlung von Informationen.

  • Nehmen wir hierfür mal das Beispiel eines Zimmermanns:
    Ein Dachstuhl wird aufgerichtet. Bei dieser Arbeit müssen eine ganze Reihe von Messungen und Einschätzungen durchgeführt werden. Daraus ergeben sich dann weitere unzählige Sozialkontakte die dem ersten Ziel „dem Aufbau eines Dachstuhls“ untergeordnet werden, um das Haus fertig zu stellen.
  1. Die soziale Programmierung

Sie dient dem rituellen bzw. dem „halb-rituellen Höflichkeitsaustausch. Wir könnten sie auch die gute Kinderstube nennen. Überall auf der Welt versuchen Eltern ihren Kindern gute Manieren beizubringen. Das sind dann so einfache Regeln wie:

  • Wie sagt man richtig „guten Tag“?
  • Was tut man in der Öffentlichkeit und besonders auch was man nicht macht..?
  • Wie spricht man jemanden richtig an?
  • Wie zeigt man Trauer / Zurückhaltung?
  • Welche Themen kann man wie in der Öffentlichkeit ansprechen?

Diese Verhaltensnormen haben manchmal weltweite Gültigkeit, manchmal sind sie aber auch nur begrenzt anwendbar. In vielen Ländern schenkt man z.B. einer Gastgeberin Blumen. In Russland muss man dann aber immer darauf achten, dass hier nur Blumen in ungerader Zahl verschenkt werden. Hat der Strauß eine gerade Anzahl an Blumen, dann gehört er nämlich zu einer Beerdigung und nicht zu einer Einladung. Besteck zum Essen? In Indien isst man in der Regel mit den Händen – jedoch nicht mit der linken Hand! Am Anfang einer Unterhaltung sind es diese halb-rituellen Aktionen über aktuelle Themen wie Nachrichten oder das Wetter, die einer eigentlichen Kommunikation vorausgehen. Wir könnten sie am besten als einen reinen „Zeitvertreib“ bezeichnen.

  1. Lernen sich die Leute in einer Unterhaltung dann immer besser kennen, dann kommt langsam aber sicher eine individuelle Programmierung mit verschiedenen „Episoden“

Schaut man nur oberflächlich hin, dann wirken diese Episoden eher zufällig. Wer aber genauer hinsieht kann sehen, dass sie sich

      • an festen Strukturmodellen orientieren, die für eine Auswahl und Klassifizierung verbindlich sind, und
      • dass ihr Verlauf scheinbar unsichtbaren Gesetzen und nicht-ausgesprochenen Regeln folgt.

Diese Spielregeln sind erst mal so lange unsichtbar, wie sie sich – egal ob in freundschaftlicher oder feindlicher Absicht – innerhalb gültiger Regeln abspielen. Anders sieht es aber dann aus, wenn sich jemand über diese Regeln hinwegsetzt: dann erheben auf einmal alle anderen „Spielteilnehmer“ symbolisch den moralischen Zeigefinger oder rufen laut „Foul!“ (was wir heute moralisieren nennen) Diese Episodenfolgen – die im Gegensatz zum „Zeitvertreib“ mehr auf individueller als auf sozialer Programmierung basieren – diese können wir dann als die eigentlichen „Spiele“ bezeichnen! Sie sind Teil unseres gesamten Lebens. Wir finden sie sowohl im kleinen Familienleben aber auch im Zusammenleben innerhalb großer sozialer Organisationen.

Dieser Begriff eines „Spiels“ ist vielleicht etwas verwirrend.

      • Diese „Spiele in der Kommunikation“ können, müssen aber kein „Vergnügen“ sein….
      • Die hierbei beteiligten „Spiel-Partner“ können, müssen sich aber nicht ernsthaft engagieren. Das kann man auch bei jedem Fußball-„Spiel“ beobachten – auch da liegen Vergnügen und Verbissenheit oft eng beieinander.

Diese Art von Spielen, haben viel mit Wett-, Brett- und anderen Spielformen gemeinsam, weil auch sie kritische bis hin zu gefährlichen Folgen haben können. Darum ist es durchaus nicht verkehrt, solche Verhaltensweisen wie Suizidalität, Alkoholismus, Drogenkonsum, Kriminalität, Schizophrenie oder Narzissmus ebenfalls als eine Form von Spielen zu bezeichnen.

  • Das wichtigste Merkmal dieser „Spiele“ sind die Regeln, denen sie unterliegen – und nicht die Emotionen, die sie begleiten

Das wird zum Beispiel dadurch sichtbar, wenn nicht geduldete Zurschaustellung von Emotionen oder andere Regelverstöße von anderen mit Sanktionen belegt werden. Es ist egal ob ein Spiel Vergnügen bereitet, oder bitterernst bis zum Tode gespielt wird … entscheidend sind nur die Regeln und die Sanktionen der Gesellschaft wenn die gültigen Spielregeln missachtet werden. 

Warum gibt es denn dann überhaupt Spiele?

Die „Spiele“ und der „Zeitvertreib“ sind nichts anderes als ein Ersatz für echte Intimerlebnisse. Sie sind lediglich die Stufe einer Art „Vor-Bindung“. Denn wenn einmal echte Intimität und die individuelle Programmierung einsetzt, werden sowohl das soziale Strukturmodell als auch die verdeckten Restriktionen und Motive der Spiele allmählich außer Kraft gesetzt.

Intimität ist die einzig völlig befriedigende Antwort auf

      • den menschlichen Reizhunger,
      • seinen lebenslangen Hunger nach Anerkennung und
      • den Wunsch / den Hunger nach einer Struktur in seinem Leben

Ein wichtiger Grundsatz lautet: Dieser Hunger nach einer Struktur hat in unserem Leben den gleichen Stellenwert wie der Hunger nach äußeren Reizen. Durch das Bedürfnis nach Anerkennung und die Sehnsucht nach äußeren Reizen, versuchen wir einer sensorischen oder emotionellen Verkümmerung aus dem Weg zu gehen, da sie beide sogar bis zu einem körperlichen Verfall führen können. Nicht anders sieht es mit dem Strukturhunger Durch unsere lebenslange Suche nach einer Struktur versuchen wir diese Langeweile im Leben zu vermeidenAuch der dänische Philosoph Sören Kierkegaard (1813 – 1855) hat darauf hingewiesen, wie schwierig sich eine unstrukturierte Zeit uns auswirkt. Würde dieser Zustand eine längere Zeit anhalten, dann hätte die Langeweile eine emotionelle Verkümmerung zur Folge.

➡️ Was aber, wenn jemand als Single durchs Leben geht, wenn er diese Zweierkommunikation gar nicht aufrecht halten kann. Ich denke hier spontan an die Geschichte von Robinson Crusoe, oder den Spielfilm „Cast away“ mit Tom Hanks. Gibt es dann überhaupt die Möglichkeit einer Strukturierung? Ja! Und das sogar auf zwei verschiedene Arten:

  1. mit Hilfe einer Tätigkeit oder
  2. mit Hilfe der eigenen Phantasie.

Ein Mensch kann nämlich auch in einer großen Menschenmenge für sich alleine bleiben; das weiß jeder Lehrer, aber auch ältere Menschen oder jemand, der an einer Depression erkrankt ist. Der Normalfall ist jedoch, dass wir uns heute recht einfach mit anderen Menschen umgeben und mit ihnen in Kontakt treten können. Und hier haben wir gleich mehrere Möglichkeiten, um die Zeit zu strukturieren:

Deshalb eine kleine Übersicht der Zeitstrukturierungen:

      1. Rituale, Sie sind die einfachste Form von Zeitstrukturen. Danach kommen:
      2. der Zeitvertreib,
      3. die Spiele,
      4. die Intimerlebnisse,
      5. unsere Tätigkeiten. Bei den Tätigkeiten sollten wir aber bedenken, das sie zu den materiellen Programmierungen gehören und gleichzeitig auch das Fundament für alle anderen Strukturformen sein können.

 

Was ist das Ziel der Spiele in den Transaktionen?

Jeder Spieler, jeder Mensch möchte aus seinen Transaktionen mit anderen „Mit-Spielern“ seine größtmögliche Befriedigung erlangen. Und je mehr Spiele ihm ermöglicht werden, umso höher ist dann auch seine Befriedigung. Da die meisten unserer Spiele ganz automatisch gespielt werden, nehmen wir sie im täglichen Leben oft nicht als solche wahr – sie passieren automatisch. Viele der Spiele sind auch nur schwer als solche erkennbar, da man mit Spielen irgendwie doch immer die eine oder andere Form von Vergnügen in Verbindung bringt. Und einige Spiele erzielen so selbstzerstörerische Befriedigungen, dass man diese nach normalen Gesichtspunkten auch nur schwer als „Befriedigung oder Vergnügen“ bezeichnen könnte. Deshalb ist es besser, diesen Begriff des Vergnügens, durch den neutralen Begriff des „Nutzens / des Vorteils“ zu ersetzen.

 

Der Nutzen der Spiele / der Transaktionen

Den Nutzen der Spiele kann man auf folgende Formel bringen: Ähnlich dem „nullten Hauptsatz der Thermodynamik“ sucht alles nach einem Gleichgewicht. Deshalb suchen auch die Spiele nach einem körperlichen und geistigen Gleichgewicht – einem Equilibrium, in dem sich die einwirkenden Kräfte gegeneinander ausgleichen.

Dieses Gleichgewicht hat vier Ziele:

      1. Das Lösen innerer Spannungen (ein primär innerer Vorteil)
      2. Die Vermeidung äußerer negativer Einflüsse (ein primär äußerer Vorteil)
      3. Das Streicheln / Zärtlichkeiten (Sekundär-Vorteile) und nicht zuletzt
      4. Den Erhalt des einmal erreichten Gleichgewichts (ein existenzieller Vorteil)

Die ersten drei Ziele entsprechen den von Freud beschriebenen Arten eines „Krankheitsgewinns“:

      • „dem inneren direkten Gewinn“,
      • dem äußeren „direkten Gewinn“
      • und dem „indirekten Gewinn“.

In der Praxis ist es vernünftig, sich bei diesen „Kommunikationsspielen“ / den Transaktionen mehr auf die Vor- als auf die Nachteile zu konzentrieren. Man sollte sich immer fragen: „Welchen Nutzen / welchen Vorteil hat dieses Spiel in der Realität?

Zum Schluss noch die Frage:

Kann man sich eigentlich auch aus Spielen heraushalten? Ja!

Man kann sowohl durch eine bewusste Defensive als auch das Befolgen einer Antithese verhindern, in eine Transaktion mit reingezogen zu werden, das geht… Aber ist dies überhaupt sinnvoll? Mein jahrelanges Studium der Transaktionsanalyse hat mir eines hierbei klargemacht: Die schönsten Sozialkontakte, die man haben kann – egal ob es nach der TA-Sprache eine Tätigkeit ist oder nicht –sind die Spiele und unsere Intimerlebnisse. Da unsere Intimerlebnisse aber nur selten länger andauern und vor allem eine reine Privatangelegenheit sind, sollten wir uns in diesem Rahmen besser mit den unterschiedlichen Formen von Spielen befassen. Und das ist es auch, mit dem wir uns in den kommenden Beiträgen näher befassen.

Marcus Jähn Meine Buchempfehlung zu diesem Thema

Die Kunst der Kommunikation

Thomas Harris (Facharzt und Professor für Psychiatrie) hatte mit Eric Berne die Transaktionsanalyse begründet und auch in der Praxis immer wieder erprobt. Wo Eric Berne sehr in der Theorie aufgeht, erklärt uns Thomas Harris in einer sehr lebendigen Art und Weise, dass die Transaktionsanalyse in unserem Alltag einen wichtigen Beitrag leisten kann. Hier sind Themen wie Kindererziehung, Ehe, Depression und andere psychische Probleme, Gewaltfreie Kommunikation, Spannungen durch Religion und Kultur die Grundlage seiner Studien. 

Ein tolles Buch zur Selbstreflexion. Ich vergleiche es sehr gerne mit einem Schlüssel um das Schloss der eigenen Handlungsrituale zu öffnen. Mit diesem Buch werden die „Drehbücher des eigenen Verhaltens“ sichtbar.

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