Fragen und Antworten um eine Persönlichkeitsstörung
… mit massiven Auswirkungen sowohl auf die betroffene Person selber, aber ganz besonders auch auf die Umgebung. Erfahrungsgemäß machen darum viele Therapeuten einen großen Bogen um dieses Krankheitsbild „Borderline“. Borderline-Patienten gelten als schwierige,
fordernde, schwer behandelbare und kaum greifbare Menschen. Man sagt, dass 3 Borderliner einen Therapeuten bereits schon an seine psychischen Belastungsgrenzen bringen können.
Psychohygiene und gemeinsamer Erfahrungsaustausch zwischen Therapeuten haben deshalb bei der BPS-Therapie einen sehr hohen Stellenwert.
Was jedoch viele vergessen, ist, dass Borderline-Betroffene uns als Gesellschaft mit ihrer Komplexität, Individualität und speziellen Art,
Jeder Mensch verfügt über eigene Selbstheilungskräfte und ist Experte seiner selbst. Er bringt bereits das Wissen über die eigene Heilung mit in die Therapie. Als Therapeut hat man nun die Aufgabe, dieses Wissen an die Oberfläche des Bewusstseins zu bringen, zu reaktivieren, zu fördern und zu verstärken. Häufig kann man die ersten Symptome einer Borderline-Erkrankung bereits in der Jugend oder im jungen Erwachsenenalter erkennen:
Doch die Borderline-Störung – auch Borderline-Syndrom genannt – kann sich ganz unterschiedlich äußern wie wir im weiteren Verlauf noch sehen werden. Den einen typischen Borderline-Patienten gibt es nicht. Was aber sollte man tun, wenn die Diagnose Borderline im Raum steht?
Zuerst empfehle ich, diese “Diagnose” einmal in Ruhe zu überprüfen und darüber nachzudenken was man nun ändern kann:
Diese Frage hat seine Daseinsberechtigung. Denn Persönlichkeitsstörungen nehmen immer mehr gesellschaftlich Überhand, sodass sich andererseits auch immer mehr “Freizeit-Therapeuten” befähigt fühlen – meistens unaufgefordert – Diagnosen von solchen Störungen über andere zu erstellen. Darum möchte ich auf 3 wichtige Dinge hinweisen:
Du siehst hier die 9 Kriterien, nach welchen eine ordentliche Anamnese erstellt wird. Auch wenn sich dies etwas zu umfangreich anfühlt – eine Diagnose entscheidet über den Erfolg einer späteren Therapie.
Darum muss diese strukturiert und voll umfänglich durchgeführt werden.
Wenn Du Dich über diesen strukturierten Vorgang einer Diagnoseerstellung einmal in Ruhe informieren möchtest, dann findest Du hier mehr Material in meinem Blog: Anamnese – kurz erklärt
Borderline ist eine Krankheit, welche genau definiert und von anderen Krankheiten abgegrenzt werden kann. Darum möchte ich diese Kriterien auf der linken Seite nochmals aufzeigen. Diese Kategorien findest Du in dem ICD (dem internationalen Katalog für Krankheiten, herausgegeben von der WHO) unter der Bezeichnung F60.31. Es müssen 5 dieser 9 Kriterien erfüllt sein um von einer Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) zu sprechen. Gehe immer zu einem Facharzt um diese Diagnose zu erstellen.
Meine Empfehlung für eine Diagnose wäre hier klar der Psychiater. Er ist ein ausgebildeter und studierter Arzt sowohl für den Geist / die Seele aber auch für den Körper. Im Gegensatz zum Psychologen oder dem Psychotherapeuten darf er auch Medikamente verschreiben. Der m.E. größte Vorteil eines Psychiaters ist der, dass er Komorbiditäten finden oder ausschließen kann wie z.B. Suchterkrankungen, Autismus, ADHS o.ä.
Im Gegensatz zu einer Demenz, einer Schizophrenie oder einer anderen körperlichen Krankheit in welcher der Handlungsspielraum stark eingeschränkt ist, ist bei der Persönlichkeitsstörung sehr wohl noch eine Verbesserung möglich. Nach heutigem Wissen kann eine Persönlichkeitsstörung jedoch nicht zu 100% geheilt werden. Was aber ist schon 100% normal? Mit diesem Blog möchte ich auch das Denken vermeiden das DIE BORDERLINER krank seien und WIR ANDEREN die Normalen wären gesund. Der Begriff “Normalität” sollte immer mit Vorsicht gebraucht werden – ganz bersonders unter psychologischer Sicht. Denn, sind es nicht gerade die etwas “unnormalen” Persönlichkeiten welche den Blumenstrauß unserer Gesellschaft ein wenig auffrischen? Darum ist m.E. eine 100%ige Genesung auch kein erstrebenswertes Ziel. Borderline-Patienten können (!) von ihrer Störung jedoch so weit entlastet werden, dass ihr Leid (und auch das der Umgebung) auf ein Minimum reduziert wird.
Wie bei jeder “normalen Krankheit” sind hier 2 Voraussetzungen von dem Kranken mitzubringen:
Fazit: Die Möglichkeit zu einer Heilung ist also da! Die Frage ist jedoch wie tief steckt der Kranke in dieser Störung drin…
Bei Jedem ist es etwas anderes! Es gibt nicht die eine Ursache für Borderline. Man diskutiert heute immer noch in der Wissenschaft über die Äthiologie (die Herkunft, der Ursprung) dieser Krankheit.
Wir können heute jedoch 2 Gründe etwas deutlicher hervorheben:
Fakt ist, das Patienten mit einer BPS (Borderline-Persönlichkeits-Störung) häufig eine Vorgeschichte an körperlicher, psychischer oder sexueller Traumatisierung schildern. Die Prävalenzraten (die Häufigkeit) für schwere kindliche Traumatisierungen liegen nach Studien zwischen 50% und 80%! Desweiteren geben diese Patienten häufiger eine Erfahrung von sexuellem Missbrauch in der Kindheit an als Patienten mit anderen Persönlichkeitsstörungen. All diese Befunde und Zahlen legen eine Traumaätiologie (durch ein Trauma verursacht) nahe. Zeitweise wurde in der Vergangenheit sogar darüber diskutiert, den Namen Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) durch den Begriff der “Komplexen Posttraumatischen Persönlichkeitsstörung” (KPTBS) zu ergänzen.
Nach dem ICD10 handelt es sich um eine Bedrohung der körperlichen Integrität. Das bedeutet, die Person hat Angst um Leib und Leben. Sie empfindet dies entkoppelt von der Realität. Das bedeutet, es kann eine kritische Situation vorliegen, muss aber nicht! Da sich die meisten der Traumen in der Kindheit des Patienten ereignen, muss logischerweise der o.g. Begriff des Traumas um die kindliche Erfahrung von psychischer Gewalt und Vernachlässigung erweitert werden. Dies wird von vielen psychoanalytischen Lehrstühlen vertreten wie z.B. von der “Londoner Schule”. Professor Allan Schore begründete den Zusammenhang von Schäden im kindlichen Gehirn welche die sogenannten “attachment Trauma” oder “relational Trauma” auslösen. Solche Prägungen im Kindesalter sind bis ins Erwachsenenalter deutlich nachweisbar. Jetzt wird aber nicht jedes Kind mit traumatischen Erfahrungen zu einem Borderliner… Eine besondere Eigenschaft kommt bei Borderlinern noch hinzu: Die Fähigkeit der Spaltung. In meinem Blog: “Was ist diese Spaltung” gehe ich intensiver hierauf ein. Du findest diesen unter diesem Link: Borderline – Was ist diese Spaltung? Welche Therapie gibt es?
Hier eine kurze Zusammenfassung: Kinder mit der Fähigkeit zur Abspaltung sind in der Lage, z.B. negative und positive Reaktionen voneinander zu trennen und sich nur auf das Eine oder das Andere zu konzentrieren. Wenn ein betrunkener Vater z.B. abends nach Hause kommt und seine Familie beginnt anzuschreien und zu schlagen dann ist dies für das Kind eine lebensbedrohliche Situation und es ist ganz im Trauma des Moments. Wenn der Vater am nächsten Morgen – nun wieder nüchtern – beginnt, sich zu entschuldigen dann würde ein “normaler Mensch” ihm die rote Karte zeigen, denn er erinnert sich ja noch an den Vorabend. Das Kind mit der Fähigkeit zur Spaltung kann diesen schrecklichen Vorabend jedoch komplett abspalten und sich zu 100% dem Vater zuwenden.
Der Nachteil dieser Fähigkeit ist jedoch: wenn der Vater das nächste Mal bedrohlich daherkommt, dann kann sich das Kind nicht mehr an das Gute erinnern und erlebt das Schreckliche in voller Größe und erlebt eine Todesangst da keine beruhigende Erinnerung da ist um seine Affekte zu regulieren. Borderliner leiden gerade unter dieser fehlenden Affektregulierung – in großer Wahrscheinlich ausgelöst durch die Fähigkeit der Spaltung.
Es gibt im DSM eine Einteilung in 3 Cluster / Gruppen von Persönlichkeitsstörungen:
Borderline gehört zu den Cluster B Persönlichkeitsstörungen, den emotional instabilen Störungen. Gruppenstudien zeigen von jeher das Frauen eine viel größere Begabung für Emotionen und eine höhere emotionale Intelligenz haben. Grundsätzlich haben Sie mehr Emotionen als Männer und verfügen darum auch über mehr negative Emotionen. Dieses Kippen der Gefühle (die Instabilität der Affektregulierung) und das emotionale Schwanken ist prinzipiell eher das, was durch das Weibliche dargestellt wird. Darum könnte man annehmen dass es mehr Borderliner(innen) gibt als Borderliner. Dem ist aber nicht so! Es gibt in etwa gleichviel Männer wie Frauen mit dieser Persönlichkeitsstörung!
Früher galten junge Frauen als besonders anfällig für diese Störung.
Neuere Untersuchungen weisen jedoch darauf hin, dass die Geschlechterverteilung grundsätzlich ausgeglichen ist. Warum sind dann aber bis zu 80 % der Patienten in Therapie weiblich? Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich Borderline bei Männern anders äußert als bei Frauen. Männliche Borderliner neigen stärker zu Gewalt gegen andere und landen daher eher in Jugendstrafeinrichtungen als in einer therapeutischen Anstalt.
Grundsätzlich ist es schon mal gut, eine Diagnose zu haben! Besonders wenn es sich um eine Persönlichkeitsstörung handelt bei welcher es noch Raum zum Handeln gibt! Wo fange ich nun als Betroffener an, an meiner Persönlichkeitsstruktur zu arbeiten? Kann ich überhaupt selber etwas machen oder bin ich ausschließlich auf therapeutische Unterstützung von außen angewiesen?
Wenn ich merke, ich habe jetzt einen Impuls zu einer bestimmten negativen Handlung, dann muss ich dagegen angehen und diesen Impuls mit der Zeit abstellen. Leider wurde in den vergangen ca. 30 Jahren von Psychotherapeuten der Fehler gemacht, den Klienten zu raten, dass sie auf ihren Bauch und dessen Impulse hören sollten. Dies war ein falsches und gefährliches Denken. Das Bauchgefühl wurde überschätzt und mit der eigenen Identität gleichgesetzt. Der Bauch ist aber nicht unsere Identität sondern diese kommt aus unserem Herzen (Philosophisch) weil wir dort unsere Werte haben und wir uns im Herzen zu einer Handlung entscheiden. Der Bauch enthält aber keine Werte. Aus ihm kommen z.B. gute Impulse wie dem Partner treu zu bleiben, andererseits möchte er dass wir die nette Kollegin vernaschen. Oder: wir möchten aus dem Bauchgefühl eine Bikinifigur, die Schokolade aber auch. Diese Widersprüche kommen aus dem Bauch und sind in sich widersprüchlich. Die Überbewertung der Psychologen von dem Bauchgefühl hat unsere Gesellschaft in ein Dilemma gestürzt und die Persönlichkeitsstörungen angefacht.
Was also sollte ein Borderliner (aber auch jeder andere Mensch tun)? Wenn ein Betroffener überhaupt erst einmal merkt, sein Bauchimpuls geht in eine gewisse Richtung die aber nicht mit seinen Werten in Übereinstimmung ist, dann ist er schon einen riesigen Schritt weiter. Sich bewusst machen dass der Bauch ein Erpresser ist und einem nicht immer wertvolle Impulse gibt ist der erste Schritt in Richtung Heilung. Dies ist zwar noch keine Lösung des Problems, hilft jedoch die dann notwendigen Schritte in die Wege zu leiten.
Die Zahlen sind hierbei erschreckend hoch. Da man trauriger weise die Patienten postmortum nicht mehr befragen kann ist man hier auf Schätzungen und Vergleiche angewiesen. Durch die Untersuchung von verschiedenen Studien / Statistiken bemüht man sich jedoch, einen halbwegs korrekten Näherungswert für diese Frage zu ermitteln.
Darum sollte man das Thema Suizid immer vordergründig behandeln und auch als Angehöriger ansprechen! 👉 Was kann ich tun, wenn mein Angehöriger BPS-Patient) mit einem Suizid droht? Zögern Sie bitte nicht und rufen Sie professionelle Hilfe! Bei einer Borderline-Persönlichkeitsstörung in Verbindung mit Suiziddrohungen können Sie nicht adäquat helfen. Hier wird therapeutische Hilfe benötigt.
Rufen Sie daher sofort entweder die 112 oder die telefonische Seelsorge unter 0800 111 0 111 an.
Um die Erpressungsversuche von den richtigen Suizidversuchen zu unterscheiden, sollten sie immer auf einen psychiatrischen Dienst zurückgreifen. Anders würde es sich verhalten, wenn Ihr Partner “lediglich” Depressiv wäre. Bei Borderline sind die Fakten jedoch unvergleichlich kritischer.
Warum solch eine Frage?
Nun, weiter oben habe ich davon geschrieben, dass es gefährlich ist, seine Entscheidung nur vom Bauch zu lenken. “Wie viel Bauch ist daher in Borderline?” Die Antwort auf diese zeigt uns auch wie gefährlich Borderline ist.
Um diese Frage vernünftig zu beantworten schauen wir uns nochmal die Kriterien für eine Borderlin-Persönlichkeitsstörung (BPS) im Einzelen an:
Zusammenfassung:
Wir wissen nun, dass es sich bei Borderline um eine Krankheit der Bauchgefühle handelt. “Welchen Handlungsspielraum hätte ich nun um mich selber therapieren zu können?”
Nun, wir haben ja 9 Kriterien für den Borderliner-Befund weiter oben besprochen.
Es mag sein dass ein Borderliner alle 9 Kriterien pathologisch erfüllt oder nur 5 davon. Manch einer der Punkte sind im Moment noch so festgefahren, wie z.B. die Selbstverletzung, andererseits gibt es aber noch Handlungsspielraum bei der Wut. Und genau an diesem Punkt (wo noch Handlungsspielraum ist) muss man dann in der Therapie / auch in der Selbsttherapie ansetzen.
Wenn ich diese Offenheit habe, dann ist auch Spielraum vorhanden um die eigenen Gefühle zu regulieren und zu steuern. Am Anfang nur sehr wenig aber es gibt Hilfen – kurzfristige und auch langfristige! Nehmen wir als Beispiel für eine kurzfristige Regulation meiner Gefühle das 8. Kriterium für Borderline:
– Unangemessene Gefühle der Wut.
→ Zuerst sollte ich mich fragen: “WANN und unter WELCHEN UMSTÄNDEN kommt diese Wut bei mir auf?”
Was kann ich tun, wenn in mir eine unangemessene Wut hochkommt?
Viele Betroffene sprechen davon dass die Wut in der Situation von alleine immer stärker wird und man könne ihr gar nicht mehr ausweichen wenn man in der Situation verbleibt. Mein Rat: Man kann schnell diese Situation verlassen! Und zwar so schnell dass die Wut gar nicht mehr hochkommen kann.
Ein kurzer Gedanke an den Partner wäre noch gut: “Schatz, ich kann meine Gefühle gerade nicht kontrollieren. Lass uns später weiter sprechen damit ich jetzt nicht etwas sage was ich später bereue.” Solch eine Strategie funktioniert wirklich! Außerdem zeugt diese dann beim Gegenüber von Stärke wenn man sich nicht von seinen Gefühlen übermannen lässt. Alles was mit Handlungen (z.B. Wut, Auf- Abwertung, Impulsivität ect.) bei den 9 Borderliner-Kriterien zu tun hat, da hat man in der Therapie viel mehr Handlungsspielraum.
Schwieriger ist es mit z.B. der inneren Leere oder der Identitätsstörung. Wenn man also einen kurzfristigen Erfolg erzielen möchte dann sollte man sich auf die “Handlungskriterien'” bei der (Selbst)-Therapie konzentrieren. Diese “innere Leere” entsteht zudem eher dadurch, dass man in einer Persönlichkeitsstörung viel stärker um das “eigene Ich” kreist und sich selbst der Nächste ist. Dadurch gerät der Andere aus dem Fokus und man sieht nur noch seine eigenen Wünsche. Dies muss man ändern!
👉 Wie kann ich mich ändern um diese innere Leere zu beseitigen?
Viktor Frankl (ein öster. Neurologe / Psychiater) sagte einmal: Wir können unsere Emotion zwar nicht ändern, jedoch unsere Haltung!
Dies ist die Lehre von der Haltung / dem Habitus / den inneren Werten = “Was für ein Mensch möchte ich sein? Wie möchte ich behandelt werden?” Interessant ist, wenn man einen Borderliner fragt, dann möchte dieser nie so behandelt werden, wie er andere Menschen behandelt! Kommen wir darum zurück zu der Frage: Kann ein Borderliner seine Gefühle regulieren? Ja! Zum Beispiel durch die Rückführung von der Frage: Möchte ICH (der Borderliner) so behandelt werden wie ich (wieder der Borderliner) andere behandle? Letztlich entscheidet das Herz, wie ich handeln möchte. Wenn das Herz sich aber entscheidet, nur aus dem Bauch heraus zu agieren, dann kann man sich nicht wirklich ändern.
Borderline ist eine Persönlichkeitsstörung welche den Menschen unfrei macht! Zwänge machen generell unfrei. Das Ziel einer Therapie sollte es also sein, den Betroffenen in seine persönliche Freiheit zu begleiten. Freiheit (lat. libertas) wird in den Nachschlagewerken als eine Möglichkeit beschrieben, sich ohne Zwang zwischen verschiedenen Möglichkeiten entscheiden zu können. Die wohl stärkste Form von Zwang in der Psychoanalyse ist der Wahn welcher am häufigsten z.B. in der Schizophrenie (F.20 nach ICD) auftritt. Wenn das Ziel Freiheit ist, dann möchte ich in diesem Blog einmal 2 unterschiedliche Denkmuster vorstellen um dieser Freiheit wieder näher zu kommen und das zwanghafte, einengende Muster der BPS / der Borderline-Persönlichkeitsstörung hinter sich zu lassen.
Das Denkmodell der Kardinaltugenden (ein etwas philosophischer Weg)
Das Denkmodell vom Kopf-Herz-Bauch (der psychologische Weg)
Keine Sorge, so altmodisch sich das auch anhört, sie verhelfen jedem Menschen zu mehr Freiheit, was beim Borderliner wohl das wichtigste Ziel sein sollte: Freiheit über seine Zwänge zu erhalten. Diese Tugenden sind seit dem 5. Jahrhundert v.u.Z. bei den alten Griechen bekannt und wurden von Platon in seinen Schriften übernommen und damit verbreitet. Später hat der Philosoph Josef Pieper (1904 – 1997, dt. Philosoph) diese mit den christlichen Kardinaltugenden von Thomas von Aquin neu definiert. Die 4 Kardinaltugenden setzen sich zusammen aus der Gerechtigkeit, der Tapferkeit, dem Maß und der Klugheit. Sie sind extrem wirksame Dimensionen um einer Persönlichkeitsstörung Paroli zu bieten. Lass mich dir erklären warum:
Gerechtigkeit: Die natürliche Versuchung eines Menschen ist, zuerst an sich selbst zu denken. Gerechtigkeit bedeutet jedoch alle gleich zu behandeln. Die Gerechtigkeit nimmt meinen Blick von mir weg und sagt: Der Kuchen wird in gleich große Stücke aufgeteilt. Jeder bekommt das Gleiche. Entgegengesetzt zum Darwinismus (ich nehme mir das größte Stück) sagt die Gerechtigkeit: “Ich nehme mir nur das was mir auch wirklich zusteht und meine Umgebung kann sich dann auch auf mich verlassen” Dieser Denke steht das Bauchgefühl leider oft im Wege. Darum ist Gerechtigkeit eine Hilfe immer wieder zu überprüfen: Entspricht dieser Gedanke / dieser Impuls meinen wirklichen Werten?
Zusammenfassung: Warum sind diese Kardinaltugenden eine (!) von mehreren guten Möglichkeiten, einer Persönlichkeitsstörung wirksam entgegenzutreten? Je mehr man als Borderliner vom Menschsein und von der Borderline-Persönlichkeitsstörung versteht – seiner typischen Tendenz zu handeln – um so leichter ist es auch innerlich NEIN zu seinen Impulsen zu sagen. Umso mehr Freiheit kann derjenige auch entwickeln.
Gehen wir etwas in die Neuzeit der wissenschaftlichen Erkenntnis:
Dieses Modell vom Kopf-Herz-Bauch wird heute in der Psychologie immer präsenter ist aber im Grunde genommen bereits 2400 Jahre alt. Wir kennen es als das platonische Modell der 3 Anteile der Seele.
Wir kennen alle unsere Bauchgefühle. Die sind heute so und morgen wieder ganz anders. Die Bauchgefühle kommen und gehen. Sie sind unsere Impulse und auch unsere Antreiber.
Auf der 2. Ebene haben wir unseren Kopf der die Aufgabe hat unsere Bauchgefühle zu beurteilen (ist das wahr / stimmt dieser Bauchgedanke?).
Die 3. Ebene – das Herz – beurteilt nach meinen Werten. “Entspricht dies meiner Vorstellung von Gut und Böse? Möchte ich so sein und so handeln” Das Herz ist die Instanz welche dann letztendlich mein Handeln bestimmt.
Was läuft bei vielen Borderlinern nun falsch?
Sie sagen “das ist mein Bauchgefühl. Ich muss jetzt so handeln”… / “Das fühle ich jetzt und das agiere ich auch aus und es ist mir egal welche Konsequenzen später dabei entstehen.” Das ist komplett falsch! Die gesunde Entscheidung zum Handeln kommt aus dem Herzen nachdem ein Abgleich mit dem Kopf und den Werten aus dem Herzen stattgefunden hat. Wenn nun meine Handlung ohne (!) Berücksichtigung von der Kopf-Beurteilung und den eigenen Werten einzig auf den Bauchgefühlen aufgebaut ist, dann kann es nur schiefgehen. Denken wir immer daran: Borderline ist eine Bauchgefühls-Krankheit.
Das “Durchschalten” des Bauchgefühls / des Impulses zu einer Handlung ist der grundsätzliche Fehler bei der Borderline-Störung.
Wie sollte man besser vorgehen? Wenn solch ein Impuls kommt sollte man überlegen: ob es vernünftig ist (das mache ich mit dem Kopf) und ob es meinen Werten entspricht (das mache ich mit meinem Herzen)
Bauchgefühle sind prinzipiell nicht immer falsch! Sie sind aber auch nicht immer richtig. Nur weil sich etwas stark und gut anfühlt muss es nicht stimmen. Ein Bauchgefühl alleine reicht nicht. Gefühle sind keine Wahrheit! Sie sind heute so und morgen anders – ein flüchtiges Phänomen könnte man sie nennen. Wir müssen diese Impulse darum immer mit dem Kopf überprüfen und mit unseren Werten abgleichen.
Ein Vergleich: Ich kann meine Zuneigung zu meiner Familie ja auch nicht davon abhängig machen wie ich mich im Moment fühle. Würde ich dies tun, wäre nichts beständig. Zusammenfassung: Es hilft einem Borderliner sehr zu verstehen, dass er im Bauch viele Borderline-Impulse hat die andere Menschen nicht haben – das ist sein Schicksal. Damit muss ich lernen umzugehen indem ich bei jeder Handlung vorher überlege: “Ist es vernünftig? Entspricht es meinen Werten? Ist es eine Handlungsmaxime welcher andere auch folgen können (frei nach Kant oder der goldenen Regel)?”
Der Borderliner muss lernen, diese “Reflexionsebene” einzuziehen, bevor das was im Bauch ist ausagiert wird. Andere haben dies in ihrer Kindheit gelernt, der Borderliner muss dies später mit großem Aufwand nachholen.
Medikamente werden zwar oft eingesetzt jedoch wirken diese bei der BPS selber nicht. Zu Beachten ist hierbei aber, dass mit der Borderliner-Persönlichkeitsstörung häufig Begleiterkrankungen auftreten. Bei diesen ist die Medikamentenabgabe vertretbar und auch sinnvoll. Grundsätzlich gilt (Stand heute) das die BPS eine Domäne der Psychotherapie ist. Wenn Du mehr über diese verschieden Formen der Therapien erfahren möchtest dann schaue bitte auf meine Blog: “Borderline-Therapie ist nichts für schwache Nerven”. Du findest den Link hier: Borderliner Therapie – Nichts für schwache Nerven
Wenn man die BPS wirklich loswerden will, kann man gute Ergebnisse erzielen. Voraussetzung ist, dass man (1) sachlich (also ohne Bauchgefühl) an die Sache herangeht und (2) die Kriterien einzeln abarbeitet.
Der erste Schritt ist die Selbsterkenntnis. Wer immer noch “Stolz” auf seine Krankheit ist, oder seine Fehler auf die Krankheit abschiebt ist für eine Therapie nicht bereit. Natürlich ist dies auch Teil der therapeutischen Arbeit, dem Patienten gegenüber diese Selbsterkenntnis – z.B. mittels der Gegenübertragung in der TFP – zu vermitteln. Wenn aber keinerlei Krankheitseinsicht besteht, hat auch der beste Therapeut keinen Ansatzpunkt für eine Therapie.
Die Diagnose Borderline ist also ein Anfang zum Guten! Mit dieser Diagnose kann ich anfangen mit einer zielgerichteten Therapie. Diese Therapien werden immer besser und wirkungsvoller! Noch vor 30 Jahren hielt man dieses Krankheitsbild für nicht therapierbar – dies hat sich komplett gewandelt.
Es sind viele Bereiche, die wir ansprechen können: Angefangen vom Umgang Borderline oder einer anderen belastenden Störung, aber auch über Future Faking, Love Bombing und Gaslighting die immer häufiger in unsere Gesellschaft zu beobachten sind.
Ich möchte aber nicht nur über Fragen sprechen, sondern auch praxisgerechte Lösungen anbieten:
Buchen Sie sich einfach auf meinem Online-Kalender ein Zeitfenster oder nutzen Sie mein klassisches Kontaktformular um mit mir in Verbindung zu treten. Ich freue mich auf Sie. Ihr Marcus
Borderline ist die Königsdisziplin in den zu behandelnden Störungsbildern. Dieses Buch befasst sich nicht mit einer Therapie zu Hause, in der Praxis, sondern in einem klinischen Umfeld. Die Übertragungsfokussierte Psychotherapie (Transference-Focused Psychotherapy, TFP) ist ein psychodynamisches Verfahren, dass die Beziehungs- und Identitätsstörung von Borderliner ganz in den Mittelpunkt der Therapie stellt. Ihren Ursprung hat sie in der Objektbeziehungstheorie, die davon ausgeht, dass die Schwierigkeiten bei Persönlichkeitsstörungen auf nicht integrierte Persönlichkeitsanteile zurückzuführen sind. Darum müssen diese durch eine Therapie aktiviert und in das Handeln integriert werden.
Dieses Buch befasst sich ausführlich mit Diagnostik, Therapievereinbarungen, Behandlungsphasen, Therapiefokus und Arbeiten im interdisziplinären Team. Ein tolles Werk für jeden Facharzt.
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