Borderline Therapie – Teil 4 Gesprächstherapie

Borderline Therapie – Teil 4 – Die Gesprächstherapie

Ein wirklich humanistischer Ansatz! 

Was kann es Schöneres geben als ganz und gar so angenommen zu werden, wie man ist? Tauchen Sie mit mir ein in das wohl menschlichste aller Therapiekonzepte: die humanistische Therapie. 

Carl Rogers gilt als der Hauptvertreter und Initiator dieser Therapieform und darum möchte ich die humanistische Therapie eng mit ihm und seiner Gesprächstherapie verknüpft darlegen.

Was mich persönlich an dieser Therapieform begeistert ist die stark haltende Art des Therapeuten für seinen Klienten. Im Gegensatz zur TFP (die Übertragungs-fokussierte Therapie) welche stark auf Regeln, Abmachungen, einen Vertrag  ausgerichtet ist, geht es in der Gesprächstherapie um den Halt, die Wahrnehmung des Klienten, das Stützen und Stabilisieren seiner Gefühle und damit auch seiner gesamten Person.

Aufgrund der Gegensätze zwischen TFP und Gesprächstherapie könnte man nun als Außenstehender annehmen: „Die Wissenschaft weiß selber nicht was sie für richtig halten kann.“ 
Dem ist aber nicht so! Alle Menschen sind extrem unterschiedlich – Borderline-Patienten zeigen dies auf noch herausragender Weise. Darum muss man sich auf den einzelnen Menschen so einstellen, wie er wirklich ist – manchmal mit sehr konträren Mitteln. Das Ziel bleibt jedoch immer dasselbe:

      • (1) Die Therapie so schnell wie möglich unnötig zu machen
      • (2) Den gestärkten Menschen wieder in den „normalen“ Alltag entlassen.

Die Gesprächstherapie ist eines von – zum Glück – vielen Mitteln um diesen Menschen in ihrem Leid zu helfen.
Schon mal vorab vielen Dank für Ihr Interesse an diesem spannenden Thema! ♥

I.             Die Geschichte der Gesprächstherapie

Ihr Ursprung liegt in den psychotherapeutischen Erfahrungen, die der amerikanische Psychologe Carl Rogers (1902 – 1987) in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts u. a. in seinen Büchern „The Clinical Treatment of the Problem Child“ (1939),„Counseling and Psychotherapy“ (dt. 1972) und „Client-centered therapy“ (dt. 1983) niederschrieb.

Außerhalb von Deutschland wird die Gesprächspsychotherapie Klientenzentrierte Psychotherapie genannt. Das sie bei uns in Deutschland die „Gesprächstherapie“ genannt wird hat seinen Grund darin, das der deutsche Psychologe Reinhard Tausch 1968 dieses Behandlungskonzept aus berufspolitischen Gründen so nennen musste – um diese von anderen Therapieformen deutlich abzugrenzen. 

Rogers hat (1957) seine  Erkenntnisse in seinem bekannten Aufsatz mit dem Titel:  „Die notwendigen und hinreichenden Bedingungen der Veränderung der Person durch Psychotherapie“ zusammengefasst.

Er beschäftigte sich hauptsächlich mit einer Frage: „Was bringt eine Person dazu von sich aus

      1. über ihr Erleben zu sprechen,
      2. sich dabei besser verstehen zu lernen und schließlich
      3. zu einer Veränderung der Einstellung- und des Verhaltens zu kommen?“

II.             Der Rahmen in der Gesprächspsychotherapie

Für eine Psychotherapie nach den Regeln Rogers müssen gewisse sechs Bedingungen (Settings) existieren. 

      1. Zwei Personen stehen in (einem psychologischen) Kontakt miteinander.
      2. Der Klient (Rogers spricht bewusst immer von einem Klienten und grenzt ihn von dem Begriff des Patienten ab), befindet sich in einem Zustand von Inkongruenz (kann im Moment nicht seine gesamten Erfahrung nutzen / erkennen), ist verletzbar und/oder ängstlich.
      3. Der Therapeut, ist in der Beziehung zum Klienten kongruent (ehrlich und wahrhaftig).
      4. Der Therapeut kann den Klienten bedingungslos mit Wertschätzung gegenübertreten. 
      5. Der Therapeut erlebt, dass er die Gefühle des Klienten und seine Empfindungen völlig versteht. 
      6. Der Klient erkennt die Kongruenz, die Wertschätzung des Therapeuten. 

Wie kann ein Therapeut dieses Setting erreichen? Nun, das hängt ganz besonders von der Art und Schwere der Störung des Klienten ab. Darum muss sich der Therapeut ganz auf den Klienten einstellen, mit all seinen Sinnen,

Der Gesprächspsychotherapeut geht völlig klientenzentriert vor, er deutet nicht und gibt auch keine Verhaltensregeln, sondern er fühlt sich in das ein, was den Klienten gerade jetzt in diesem Moment im Inneren beschäftigt.

III. Die 3 Grundhaltungen der Personenzentrierten Gesprächsthe­rapie

Die tragenden Elemente der Perso­nenzentrierten Ge­sprächstherapie, welche die für das Verständnis Rogers wichtig sind,

      1. Kongruenz

      2. Empathie

      3. Bedingungslose positive Akzeptanz

(1) Kongruenz:

Dieses Wort kommt ursprünglich aus dem lateinichen (congruentia) und bedeutet „Übereinstimmung„. 

Unter diesem Begriff der Kongruenz versteht Rogers Echtheit, Unverfälschtheit, und Tran­sparenz des Therapeuten.

Man könnte den Unterschied folgendermaßen vergleichen:

Denke einmal an das Lachen zwischen einer Mutter und ihrem Baby. Da findet sich nichts gestelltes oder gekünsteltes! 
Nun versetze Dich in Gedanken auf eine Cocktailparty. Viele Verhaltensweisen hier sind angepasst unter dem Aspekt der Etikette. Häufig findet sich hier ein aufgesetztes Lachen – ganz das Gegenteil zu dem Mutter-Kind-Verh#ltnis. 
Oder denke an dein letztes Foto wo Dir noch zugerufen wurde: „Lach doch mal“. 

Carl Rogers zeigte klar und deutlich, dass es dem Klienten in einer therapeutischen Beziehung nur möglich ist zu wachsen, wenn ihm der Therapeut so gegen übertritt, wie er wirklich ist.

Das heißt, er ist in dieser Beziehung, in diesem Moment selber auch ganz Mensch, kann also auch über seine Gefühle und Einstellungen offen reden und stellt sich nicht als Jemand dar, der etwa nur aufgrund seiner Ausbildung in der Hierarchie weiter oben angesiedelt ist als der Klient.

Der Therapeut darf sich niemals hinter Fassaden, Rollen oder leeren Floskeln verstecken, sondern muss sich in die Situation besonders auch emotional einbringen können – eine unmittelbare echte Beziehung von Person zu Person eingehen. Hierbei darf er sich als Person nicht verleugnen, keine Abwehrhaltungen einnehmen und vor allem muß er sich als Helfer seines Gegenübers verstehen, der aus dieser Beziehung ebenfalls gestärkt hervorgehen kann.

Diese Transparenz / diese Haltung ermöglicht das Vertrauen des Klienten, er kann sich so seinem Gegenüber öffnen, um sich dann mit dessen Hilfe zu erforschen.

Inkongruenz hingegen, würde dem Klienten / besonders mit einem Borderliner Hintergrund sofort auffallen. Wenn Tonfall, Mimik, Gestik, alles Signale auf verbaler und nonverbaler Ebene – nicht übereinstimmen würde er sich nicht mehr verstanden fühlen und sich demzufolge verschließen.
Aus all diesen Gründen heraus muss der Therapeut eine starke Persönlichkeit haben. Entscheidend für diese Haltung / Einstellung – ist nicht Technik – sondern allein die menschliche Substanz des Therapeuten. Er muss sich in dieser Beziehung selbst erleben, wahrnehmen und einbringen können.

(2) Empathie:

Unter Empathie versteht man ein einfühlendes Verstehen und ein nicht wertendes Einlassen: ein echtes Verständnis für sein Gegenüber.

Ist der Therapeut in einer Beziehung kongruent, so kann er sich dadurch auf sein Gegenüber einzulassen und die Welt mit seinen Augen sehen. Er bemüht sich darum, „den Klienten in seinem Erleben (und seinen damit verbundenen Werten, Motiven, Wünschen und Ängsten) zu verstehen.“ 

Was sich hier recht simpel anhört, ist in der Praxis wohl mit der schwierigste und auch heikelste Aspekt und führte schon zu Lebzeiten Rogers zu heftigen Auseinandersetzungen.

So beschreibt Rogers dieses einfühlsame Verstehen als einen Vorgang im Gespräch, wo der Therapeut „genau die Gefühle und persönlichen Bedeutungen spürt, die der Klient erlebt, und dass er dieses Verstehen anschließend dem Klienten mitteilt. Wenn es „sehr gut läuft“ ist der Therapeut so sehr in der inneren Welt des anderen drinnen, dass er nicht nur die Bedeutung klären kann, deren sich der Patient bewusst ist, sondern auch jene knapp unterhalb der Bewusstseinsschwelle.“ 

Aber ein Wort zur Vorsicht: Da es sich bei diesem Verstehen um das Verstehen des Therapeuten handelt und nicht um das des Klienten, kann es eventuell zu gravierenden Missverständnissen kommen. Man sollte in der Therapeuten/Klienten- Beziehung zuererst einmal davon ausgehen, dass weder er – und noch weniger man selber – seiner gesamten inneren Welt bewusst ist.

Diese innere Welt – die Gefühle, Empfindungen und Werte –  müssen nun langwierig durch  Selbstexploration gemeinsam offen gelegt werden. Durch ständiges spiegeln und verbalisieren mit eigenen Worten versucht der Therapeut hierbei, trennend (nicht interpretierend) die gefühlsmäßigen Inhalte aufzugreifen und ihm dann mitzuteilen, was er von dessen Erlebniswelt glaubt, verstanden zu haben.

So kann er immer tiefer in die Welt des Klienten eintauchen, der sich dann weiter öffnen wird – gerade weil er sich von seinem Gegenüber verstanden fühlt. 

Es geht also nicht lediglich um ein „Papageien-ähnliches Nachplappern“ der Aussagen des Klienten, wie diese Vorgehensweise oft missinterpretiert wurde.

Vielmehr geht es darum, sich einfühlend – nicht interpretativ vom hohen Ross eines medizinisch-therapeutisch-diagnostischen Standpunktes herab – dem Gegenüber als (neugieriger, aber nicht übergriffiger) Mensch zu nähern und sich so in dessen innere Welt hineinzufühlen. Das heißt in seiner Welt zu verstehen und zu akzeptieren, wie er sie empfindet.

(3) Bedingungslose positive Zuwendung:

Rogers beschreibt diese Grundhaltung als „das Akzeptieren, die Anteilnahme oder Wertschätzung“ 

Anders ausgedrückt: Die Haltung des Therapeuten ist wichtiger als die Therapie!

„Wenn der Therapeut eine positive, akzeptierende Einstellung gegenüber dem erlebt, was der Klient in diesem Augenblick „ist“, dann wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Veränderung kommen. Der Therapeut ist bereit, den Klienten sein jeweiliges Gefühl ausleben zu lassen – sei es Verwirrung, Groll, Furcht, Zorn, Mut, Liebe oder Stolz.“

Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Therapeut diesen Gefühlen zustimmen muss. Es bedeutet nur, dass er seinen Gegenüber ohne Wertung und Vorurteil so annimmt, wie er in diesem Moment ist.

Erreichen kann man dies nur, indem man den Gegenüber als eigenständigen Menschen respektiert, mit seiner gesamten Gefühlswelt und den sich daraus ergebenden Handlungen. Man versucht darum auch nicht, dem Gegenüber andere Werte, Meinungen und Empfehlungen aufzuzwingen – auch wenn diese noch so wertvoll zu sein scheinen.

 Der Therapeut muss sich immer im Klaren darüber sein, dass er einer  einem eigenständigen Individuum gegenüber sitzt. Dieses Individuum ist, genau wie der Therapeut selbst, zuallererst einmal ein Mensch. Er setzt sich genauso wie er aus eigenen Gefühlen, Problemen, angelernten Schablonen und eigenen Verhaltensweisen und -mustern zusammen. Kann der Therapeut diese Haltung seinem Gegenüber entgegenbringen, so wird auch jener lernen, sich zu verstehen, zu akzeptieren und zu achten.

Durch diese wertschätzende Haltung lernt der Klient „zwischen seinem Wert als Mensch und der Bewertung seiner Handlungen zu differenzieren.“ 

Solch eine positive Grundeinstellung der Achtung menschlichen Lebens  gegenüber kann man weder schematisieren noch kognitiv erlernen.

Denn diese emotionale Wärme – fast schon Liebe – ist nur echt und wird als solche empfunden, wenn sie „von innen“ kommt.

Dieses Therapiekonzept ist durch seine permanente – über Jahrzehnte hinweg – lange Entwicklung und Überprüfung, eines der am besten erforschten und überprüften Konzepte an sich ist.

All die Überprüfungen zeigen wirklich, dass Veränderungen in der Persönlichkeit und im Gehirn stattfinden (Stichwort: Neuroplastizität des Gehirns) 

Voraussetzung hierfür: Es müssen günstige Bedingungen in der jeweiligen therapeutischen Beziehung herrschen.
Dieses Konzept ist eine der wissenschaftlich bester­forschten, „Vorgehensweisen“. Darum hat es auch andere Verfahren und beeinflusst.

Gestelltes Lachen
Kongruentes Mutter-Kind-Lachen
Die Lernerfahrungen von Carl Rogers im Überblick
      • Das, was Dir am persönlichsten ist, ist das was auch den meisten Menschen gut tut. Nach Rogers: Die Menschen ähneln sich grundsätzlich. Wenn dir ein freundliches Gespräch gut tut, dann wird dies mit höchster Wahrscheinlichkeit auch anderen Menschen gut tun. 
      • „Es hilft nicht so zu tun als wäre man jemand anderes.“ Dieser Rat ermuntert, keine Maske zu tragen, sondern so zu sein wie man wirklich ist. Das bedeutet nicht, „überLeichen“ zu gehen und narzisstisch seinen Willen durchzudrücken. Hier ist die positive Grundhaltung Rogers sehr deutlich: Der Mensch ist grundsätzlich sozial. 
      • „Ich bin am effektivsten wenn ich mich selber so akzeptiere wie ich bin.“ Das Interessante hierbei ist, dass man im Leben am ehesten vorankommt, wenn man sich mit seinen Schwächen aber auch mit seinen Stärken akzeptiert. Ein freies „so isses“ hilft hierbei.
      • „Ich habe es von enormem Wert gefunden, wenn ich mir erlauben kann, eine andere Person zu verstehen.“ Dies ist als eine Erweiterung des vorgenannten Punktes zu verstehen. Rogers trieb sein Wunsch an, den Anderen in seiner Gesamtheit zu verstehen und zu akzeptieren. 
      • „Ich fand es bereichernd, Kanäle zu öffnen, in denen andere mir ihre Gefühle, ihre privaten Erfahrungen und Erkenntnisse mitteilen können“. 
      • „Ich fand es sehr lohnend, wenn ich eine andere Person akzeptieren kann.“ Z.B. ist es für ein therapeutisches Gespräch sehr gut, wenn der Klient seine Gefühle auf den Therapeuten überträgt wie z.B. „Ich mag Sie nicht“. Wahrscheinlich sind diese Gefühle z.B. aus einer früheren Beziehung entstanden, nun auf den Therapeuten angesetzt und der kann damit herrlich arbeiten. 
      • „Je offener ich für die Realitäten in mir und der anderen Person bin, desto weniger möchte ich diese Dinge reparieren.“ Dies zeigt die Grundhaltung Rogers sehr deutlich: Die Kraft zu einer Veränderung kommt seiner Meinung nach immer aus dem Menschen selber. 
      • „Ich kann auf meine Erfahrungen zählen“. Diese Erfahrungen sind zwar nicht das einzig Wahre, jedoch sind diese sehr gute Lehrmeister. Ein anderer Gedanke von Rogers hierzu war: „Wenn es sich gut anfühlt, dann tue es.“ Hier kommt seine Wertschätzung für vage Gedanken hervor welche sich so anfühlen als wären sie bedeutsam. 
      • „In neuen Erfahrungen die Ordnung entdecken und dadurch neue Sichtweisen lernen.“ 
      • „Die Bewertung anderer ist kein Leitmotiv für mich“. Eine Therapie hat auch das Ziel, den Klienten darin zu schulen, eine eigene Meinung zu bilden und dieser Nachzugehen. In der Transaktionsanalyse nennen wir dies ein starkes „Erwachsenen-Ich.“ 
      • „Allein die Fakten sind vertrauenswürdig.“ Dies kann schnell falsch verstanden werden. In Zeiten von „Fake-News“ bedient man sich dieser Mittel um Menschen zu verunsichern. Wir alle suchen nach einem Fundament auf welches wir unsere Entscheidungen stellen können. Wenn dieses durch Fakten untermauert ist, dann ist der Standpunkt fest. Am ehesten kann man diesen Lernsatz in Kombination mit dem  vorangegangenen Punkt sehen: Die Meinung anderer sind Meinungen – was einen voranbringt sind belastbare Fakten. 
      • „Die Erfahrung zeigt, dass Menschen grundsätzlich immer eine positive Richtung verfolgen“ (Rogers positives Welt-/ Menschenbild). 
      • „Das Leben ist wie ein fließender Prozess in welchem nicht fixiert ist.“ Rogers These: Man nähert sich einer „Wahrheit“ am besten indem man nach seiner Interpretation der eigenen Erfahrung lebt. 

Zeit für einen kurzen Rückblick

Es gibt bereits sehr viele Therapien für Borderline-Patienten. Sie alle haben ihre ganz eigene Daseins-Berechtigung. So unterschiedlich alle Menschen sind, so verschieden muss auch die Herangehensweise an eine Therapie derjenigen sein.

Es gibt Gründe für eine direktive Therapie wie zum Beispiel die TFP (Übertragungsfokussierte Therapie), die DBT (Dialektisch Behaviorale Therapie) welche sowohl direktiv als auch haltend ist, aber auch Therapiekonzepte wie die Gesprächstherapie welche sich ganz besonders durch ihre haltende Art und Weise auszeichnen. 

Ein Therapeut hat in der herausfordernden Borderline-Therapie – welche zu Recht als die Königsdisziplin der Therapien bezeichnet wird – die Aufgabe, wie ein Jazz-Musiker, sich immer wieder neu improvisierend auf die wechselnden Stimmungen und Affekte des Klienten einzustellen.

So virtuos ein Klient seine Affekte zeigt, genauso virtuos muss der Therapeut immer wieder seine Herangehensweise adaptieren und anpassen. Das bedeutet nun nicht, dass der Klient die Therapie bestimmt, denn in der Meta-Ebene verfolgt der Therapeut nach wie vor seine Ziele. Seine Improvisationen erlauben ihm jedoch immer wieder Kurven und Umleitungen mit dem Klienten zu gehen, ihm dadurch die Therapie zu erleichtern, jedoch nach wie vor dem großen Ziel der Therapie zu folgen.

Die Gesprächstherapie ist ein mächtiges Werkzeug und bestätigt sich immer wieder in der Praxis. Neurobiologen haben den Satz geprägt: „Nach einem Gespräch ist ihr Gehirn – neuroplastisch betrachtet – nicht mehr dasselbe wie vor dem Gespräch. 

Wenn Sie weitere Fragen zu dieser Therapieform haben, dann freue ich mich auf Ihren Kontakt. Meine Kontaktadresse finden Sie wie immer in der Fußleiste. 

Herzliche Grüße, Ihr Marcus Jähn

– Teil 1 –
Die DBT (Dialektisch Behaviorale Therapie)

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– Teil 2 –
Die Paar- und Familientherapie

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– Teil 3 –
Die stationäre Psychotherapie

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– Teil 4 – 
Die Gesprächstherapie

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– Teil 5 – 
Katathym-imaginative Psychotherapie
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– Teil 6 – 
Stationäre traumazentrierte Psychotherapie
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Borderline Therapie Teil 3 – Psychotherapie auf der Spezialstation

Borderline Therapie Teil 3 – Stationäre Psychotherapie bei BPS in einer Spezialstation

Zwischen drei und fünf Prozent in der Gesellschaft leiden im Laufe ihres Lebens an einer Borderline-Störung – je nachdem, wie streng die Kriterien angelegt werden. Männer sind ebenso häufig betroffen wie Frauen. Dia sie aber nicht so häufig zum Arzt gehen um sich Hilfe zu holen, wird bei ihnen die Störung seltener diagnostiziert. 

BPS-Patienten, welche in eine stationäre Behandlung kommen sind häufig sehr schwer gestört sind und haben fast immer mehrere gescheiterte Behandlungsversuche hinter sich.

Oft sind sie noch sehr jung und viele Stationen haben sich auf diesen Aspekt eingestellt, indem diese die Obergrenze für eine Borderline-Therapie auf ca. 35 Jahre bei den Patienten ansetzen.

Hierdurch wird erreicht,

      • dass Patienten Vater- und Mutterübertragungen nicht unter sich selbst herstellen.
      • Außerdem sind die Lebensinteressen und – ziele einer 18-jährigen und einer 50-jährigen Frau so sehr unterschiedlich, dass die Berücksichtigung von Alltagsproblemen und -interessen die  Arbeit stark verkomplizieren würde.

(1) 5 Gruppen von Borderline-Patienten lassen sich – hypothetisch je nach Ausprägung der Ich-strukturellen Mängel und deren Symptomatik unterscheiden:

    • Ambulant psychotherapierbare Patienten (in der Krise ggf. stationär) mit ausreichender Objektrepräsentanz und Beziehungsfähigkeit sowie geringem Impulskontrollverlust. (Repräsentanz =„innere Vorstellung“ des Selbst)
    • Ich-strukturierend zu therapierende, aber beziehungsgestörtere und Impulsausbruch-gefährdete Patienten (stationär mit Übergang zur ambulanten Therapie idealerweise über eine spezialisierte Tagesklinik).
    • Besonders Ich-schwache Patienten (primär strukturierende Therapie ohne Deuten).
    • Schwerer delinquente Patienten (Einrichtungen mit speziellem Unterbringungsrahmen).
    • (Noch) nichttherapierbare Patienten (z. B. ohne Motivation bzw. Selbstbeobachtungfähigkeit).

Um eine Unterscheidung vorzunehmen, findet zuerst ein persönliches Informationsgespräch statt. Alle anderen Einschätzungen ob eine Therapie sinnvoll wäre  / also fernmündliche – käme einer „unverbindlichen“ Einschätzung gleich.

Dies wäre fatal, denn gerade bei Borderline-Patienten ist eine Verbindlichkeit des Therapeuten für das Gelingen einer Therapie eine wichtige Voraussetzung

II. Rahmenbedingungen einer stationären Psychotherapie

      • Klares Formulieren der Therapieziele
      • Hohe personelle Konstanz im Team.
        Therapeutenwechsel verursachen – aufgrund der mangelhaft ausgeprägten Fähigkeit der Patienten zur Objektrepräsentanz – die typischen Abwehrmechanismen beleben und können neue Störungen sozusagen „nähren“.
      • Verringerung der Teamspaltung, u. a. durch tägliche patientenbezogene offene Besprechungen.
      • Spezielle Fachkenntnisse bei allen Mitarbeitern.
      • Neben systematischer Einzel- und Gruppentherapie die Möglichkeit auch von körpertherapeutischer Einzel- und Gruppenarbeit, da bei missbrauchten/misshandelten Borderline-Patienten regelmäßig schwere und schwerste Störungen des Körperschemas vorhanden sind

 

III. Wichtige Gründe für eine stationäre Therapie:

    • Ausgesprochen geringe Angsttoleranz.
    • Suizidalität, schwere Autoaggressivität (selbstverletzendes Verhalten).
    • Schwere Essstörungen.
    • Innere Konfusion / Verwirrung einschließlich (pseudo)psychotischer Symptome.
    • Schwere dissoziative Symptome (einschließlich multiple Persönlichkeit). (veränderte Wahrnehmung der eigenen Person, Wahrnehmung unmittelbarer Empfindungen, auch körperliche Einschränkungen wie z.B. Einengung des Gesichtsfeldes – ohne (!) Hinweis auf körperliche Erkrankungen) Kriterium 9
    • Eingeschränkte Impulskontrolle (Wiederholte Handlungen ohne vernünftige Motivationz. B. auch Drogenkonsum). Kriterium 4
    • Chaotische Beziehungsmuster, Beziehungslosigkeit bzw.Verlust der sozialen Integration (stationär lassen sich Beziehungsmuster besser als ambulant erkennen und bearbeiten). Kriterium 2
    • Schweres antisoziales Verhalten einschließlich Delinquenz / Straffälligkeit (bei schwerer Delinquenz bedürfte es allerdings eines strukturierteren Settings in kontrollierbarerem Rahmen).

IV. Der allgemeine Rahmen der Therapie

      • Als oberstes Prinzip jeder Borderline-Therapie wird ein variables Setting angesehen, das den jeweiligen Bedürfnissen, Fähigkeiten und Grenzen des Patienten angepasst werden muss. Zu unterscheiden ist das flexible Handeln von einem (unreflektierten) Mitagieren. Es ist wie das Spielen in einer Jazz-Gruppe. Innerhalb eines bestimmten Rahmens wird die Musik ständig variiert und trotzdem macht nicht einer allein sein Ding.
      • Verbundenheit dem Patienten gegenüber.
      • Ein ausbalanciertes Verhältnis zwischen
        • Technische Neutralität als „väterliche“ Komponente und
        • eine haltende Funktion als „mütterliche“ Komponente.
      • Das Verhalten des Patienten muss kontrolliert und gesteuert werden, auch durch deutliche Grenzsetzungen.
      • Im Rahmen einer Psychoedukation wird ein Patient umfassend über die Art seiner Erkrankung und den gewählten Therapierahmen. Dazu zählt auch die Aufklärung über Wirkungen, Nebenwirkungen und den individuellen Grund für eine Medikation.
      • Alle wichtigen Inhalte aus Einzeltherapie-Sitzungen werden dem Stations-Team mitgeteilt, in ihm diskutiert und in ihrer psychodynamischen Bedeutung abgeklärt.
      • Den (oft wechselnden) Symptomen wird weniger Aufmerksamkeit geschenkt. Der Fokus liegt auf der „Ich-Struktur des Patienten und dem Verhalten“ bezüglich seiner Beziehungsgestaltung.

V. Psychotherapeutischer Rahmen der Therapie

    • Die Bereiche der Persönlichkeit mit den geringsten Konflikten werden untersucht zuerst therapiert. Dies geschieht um der bei BPS Patienten typischen Selbstentwertung von Anfang an entgegenzuwirken. (Kriterium 3) 

Erst danach – wenn eine tragfähige Beziehung und eine Ich-Strukturierung aufgebaut wurde – werden die stärker mit Angst verbundenen Konfliktbereiche ins Visier genommen – vor allem die Eltern-Kind-Beziehung, sexueller Missbrauch und körperliche Misshandlung.
Das Ziel solch einer Therapie ist immer das Unnötig werden des Therapeuten.

    • Während der Therapie werden immer wieder sogenannte Schweigepausen eingeführt und ausgehalten. (Kriterium 7)

Sie dienen dazu, dass sich ein Patient mit seinem eigenen Ich auseinandersetzen muss. Zu Beginn der Therapie werden diese schnell unterbrochen – später entwickeln die Patienten jedoch mehr Frustrationstoleranz und sie werden ausgeweitet.

    • Äußerungen des Patienten werden ganz bewusst in Richtung eines verbesserten Realitätsbezugs gelenkt. Im Gegensatz zu einer freien Assoziation – wie sie in einer klassischen Analyse mit Neurotikern stattfindet – steht das verbesserte Verhalten mit der Umgebung im Zentrum der Therapie.
    • Am Anfang werden genetische Deutungen werden vermieden und der Blick wird immer wieder auf den verbesserten Realitätsbezug gelenkt. Später finden dann – bei ausreichender Stabilität – auch genetische Deutungen statt.
    • Der Patient wird mit verleugneten Inhalten und Gefahren nachdrücklich und wiederholt konfrontiert.
    • Die positive Übertragung auf die Umgebung (außer dem Therapeuten) wird gefördert. (Übertragung sind oft verdrängte Gefühle / Erwartungen aus der Kindheit welche auf neue Beziehungen übertragen werden.)
    • Negative Übertragungen werden klar thematisiert indem die Erinnerungen über frühere Bezugspersonen entzerrt werden. Das Ziel ist, die Entdämonisierung und Entidealisierung der Menschen und die korrekte Darstellung ihrer Vorzügen und Schwächen.
    • Dem Patienten wird fortlaufend bestätigt, dass er liebesfähig ist. Die Verzerrungen seiner Liebesbedürfnisse werden angesprochen und Alternativen für die Verwirklichung seiner Bedürfnisse erarbeitet.
    • Dem Patienten wird immer wieder verdeutlicht, dass die technische Neutralität des Therapeuten (der „väterliche Teil der Therapie“) keine Ablehnung bedeutet, sondern durch sie der Patient als Mensch respektiert und gewürdigt wird.
    • Der Therapeut sollte sich als „reale Person“ präsentieren. Sein Verhalten dem Patienten gegenüber sollte mit seinem Denken und Fühlen immer übereinstimmen. D.H. kein falsch aufgesetztes Lächeln.
    • Sehr wichtig: BPS Patienten gestalten neue Beziehungen in einer unbewussten Identifikationsphantasie! Das Ziel ist, die Fremdbestimmung von Anderen durch eine sichere eigene Identität zu ersetzen. (Kriterium 3)

Die positive Folge: hierdurch verlieren Abwehrmechanismen wie projektive Identifizierung, primitive Idealisierung, Entwertung und Machtgefühl an Bedeutung.

    • Spricht der Patient über realtraumatische Erlebnisse ist ein Nachforschen des Therapeuten zu vermeiden.

Stattdessen sollte das, was der Patient sagt, stets ernst genommen werden.
Wichtig sind hierbei die damit verbundenen Gefühle.

Auch noch so wirr erscheinende Berichte über Traumatisierungen sollten vom Therapeuten nicht widerlegt oder argumentativ angezweifelt werden. Diese Berichte sind am Anfang der Therapie sogar wertvoll, repräsentieren sie doch auf der Symbolebene das frühere Erleben.

VI. Anforderung an den Patienten für eine stationäre Psychotherapie im Sinne einer Ich-strukturierenden Therapie

      • Eine Motivation zum Eingehen einer therapeutischen Beziehung – bei oft ungenügender Fähigkeit hierzu – besitzt oder diese jedenfalls absehbar ist.
      • Ein gewisses Maß an Selbstbeobachtung
      • Zu Ich-schwach für eine ambulante Psychotherapie, aber genügend Ichstrukturiert für eine intensive Behandlung (einschließlich Bearbeitung der Realtraumata).
      • Wenn sich bei einer ambulanten Traumabearbeitung die Symptome gravierend verschlechtern. Hier empfiehlt es sich dass die Trauma-Arbeit vorzugsweise unter stationären Bedingungen begonnen werden sollte. Gerade auch wegen der Notwendigkeit einer sichernden Umgebung zur Vermeidung eines Suizids.

Wenn die Bedingungen für eine Ich-strukturelle Arbeit nicht gegeben sind, bedarf es einer strukturierten Milieu-orientierten Arbeit unter Ausklammerung eines Realtraumas, wodurch eine unbeherrschbare Exazerbation / Symptomverschlechterung vermieden werden kann.

Es zeigt sich also immer wieder: Unterschiedliche Therapierahmen sind bei der BPS-Therapie immens wichtig da sie die inviduell wie kaum eine andere ist. Der Vergleich mit einer Jazz-Band kommt hier immer wieder vor.

– Teil 1 –
Die DBT (Dialektisch Behaviorale Therapie)

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– Teil 2 –
Die Paar- und Familientherapie

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– Teil 3 –
Die stationäre Psychotherapie

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– Teil 4 – 
Die Gesprächstherapie

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– Teil 5 – 
Katathym-imaginative Psychotherapie
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– Teil 6 – 
Stationäre traumazentrierte Psychotherapie
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Borderline Therapie Teil 2 Die Paartherapie Familientherapie

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Die Lebenszeitprävalenz (Häufigkeit) der Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) liegt in der Bevölkerung bei ca. 5%. Am häufigsten finden wir sie in der Adoleszenz (Endphase des Jugendalters) und bei jungen Erwachsenen. 

Galt diese Persönlichkeitsstörung vor wenigen Jahrzehnten noch als „Nicht therapierbar“, so können wir heute zum Glück auf immer mehr therapeutische Behandlungsformen, zurückgreifen welche sich mit ihr auseinandersetzen.

In diesem 2. Teil geht es mir um die Paar- und Familientherapie. Ich möchte in diesem Blog zeigen, dass durch die Zusammenarbeit in dem allernächsten „Betroffenen-Kreis“ deutlich positive Ergebnisse erzielt werden können – oft noch bessere als in der Einzeltherapie. 

Lassen Sie uns dieses Krankheitsbild immer mit Respekt und Verständnis betrachten. Dazu möchte ich meinen Beitrag leisten. 

Familientherapeutische Maßnahmen setzen in der Therapie an der Veränderung des familiären Beziehungsnetzes an, um dadurch dem Einzelnen die notwendigen Veränderungen zu ermöglichen.

Besonders bei der Borderline-Therapie von Jugendlichen ist es entscheidend, die Familie mit einzubeziehen, denn häufig hat die Störung ihren Ursprung in der eigenen Familie. Bestehen zusätzlich noch krankhafte Beziehungsmuster innerhalb der Familie, ist eine Familientherapie sehr sinnvoll.

Der Plan hinter all dem ist, dass das Erleben, das Verhalten und die Entwicklung des Einzelnen in enger Wechselwirkung mit seiner Umgebung steht, in welcher er lebt.

Dies gilt sowohl für das aktuelle Leben (wie sprechen hier von der horizontalen Perspektive) und für die in der Vergangenheit gemachten Erfahrungen in der Familie (die sogenannte vertikale Perspektive).

Eine paar- bzw. familientherapeutische Behandlung befasst sich mit folgenden Themen:

      • (1) Familiendynamische Konflikte:

Diese werden häufig über mehrere Generationen geführt und spielen oft ein wichtige Rolle bei Entstehung und Aufrechterhaltung von Problemen und auch Krankheitssymptomen.

Die Familiendynamik hilft, die Krankheitsgeschichte zu verstehen und erlaubt die Formulierung von Hypothesen (Annahmen / Unterstellungen):
              z.B.: „welche Beziehungsstörungen waren wirksam und lösten welche Symptomatik aus?“

      • (2) Der familientherapeutische Ansatz

erlaubt aber auch die Nutzung der Ressourcen in der Partnerschaft und in der Familie, in der die Patientin heute lebt. Es wird all das besprochen, was in der aktuellen Lebensgemeinschaft verändert werden muss, damit die Probleme „wieder in den Griff“ kommen.

Beide Betrachtungsweisen:

    • die lebensgeschichtlich-historische und
    • die aktuell Situation,
      können für den BPS Patienten psychotherapeutisch genutzt werden. Bei Persönlichkeitsstörungen spielt die Herkunftsfamilie fast immer eine wichtige Rolle.
Die Ergebnisse der Familienforschungsstudien zeigen deutlich dass die Borderline-Persönlichkeit
      • wesentlich häufiger in den Familien der Borderline-Patienten gefunden wird als
      • in den Familien jener Patienten, die unter einer Schizophrenie, einer affektiven Störung, oder einer anderen Persönlichkeitsstörung leiden.

 

Vieles spricht dafür

      • dass schwere und schwerste Persönlichkeitsstörungen der Eltern
      • verbunden mit komplizierten Partnerschaften und
      • einer instabilen, manchmal auch einer traumatisierenden Familienumgebung
        bei den Kindern mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer Borderline-Persönlichkeitsstörung führt.

Auch Studien über den Zusammenhang von schweren Beziehungsstörungen und Traumatisierungen unterstützen diese Annahme dadurch, dass innerfamiliäre Traumatisierungen besonders häufig über Generationen weitergegeben werden.

Bei einem noch größeren Prozentsatz ist mit Impulshandlungen und Verhaltensauffälligkeiten zu rechnen.

Das Problem: meistens bleibt die Wiederholung dieser innerfamiliären Szenarien den einzelnen Beteiligten komplett unbewusst und unbemerkt.

Eine Einbeziehung der aktuellen Familie bei einer psychotherapeutischen Behandlung ist grundsätzlich immer angebracht und vernünftig,

      • weil sich Persönlichkeitsstörungen in der Interaktion im bestehenden Beziehungsnetz darstellen und
      • damit auch die Familiendynamik mitbestimmen.

I. Erstgespräch, Diagnostik und Indikationsstellung

(1) Das „erste Familiengespräch“ – ist ein feststehender Begriff in der Familientherapie: 
Es handelt sich dabei meist um zwei bis drei Gespräche, also eine Erstgesprächsphase.

Diese Phase hilft sowohl

      • der Diagnostik als auch
      • der Auftragsklärung.
      • und dient der Entwicklung der therapeutischen Beziehung.

In der Regel werden die Diagnostik und Therapie von derselben Person durchgeführt.

(2) In der so genannten „Problemphase“ des Erstgesprächs geht es um das spezifische Anliegen der Familie bzw. des Paares. 
Hier werden bereits erste Hypothesen gebildet, die dann in den Gesprächen überprüft und verändert werden.

Das Ziel dieser Hypothesenbildung besteht darin über das Erkennen von Beziehungsmustern

      • die eigenen Wahlmöglichkeiten zu erweitern und so
      • für die weitere Entwicklung (des Einzelnen, des Paares, der Familie) neue Optionen zu eröffnen.

Fragen kommen auf wie zum Beispiel folgende:

      • Lässt sich das Verhalten als Rebellion gegen eine neue Lebensphase verstehen? Ist es eine Rebellion gegen das Altern? Wird durch die Familiensituation evtl. die eigene Adoleszenz („Protest-Zeit“, Pupertät) re-aktiviert?
      • Steht vielleicht eine Neubalancierung der Ehebeziehung an? Wie ist es um die Zukunftsperspektiven der Eheleute (für den individuellen und für den gemeinsamen Bereich) bestellt?
      • Zurückliegende Ehekrisen können hinterfragt werden: „Lässt sich in Bezug auf die aktuelle Krise an damalige Bewältigungsstrategien anknüpfen?“ Was schon mal geholfen hat kann sich durchaus wieder bewähren.
      • Dann geht es um das Besprechen eventueller Vor- und Nachteile einer Einzel-,Paar- oder Familientherapie und etwaiger Varianten (z. B. Einzeltherapie der Patientin mit begleitenden Paar-/Familiengesprächen).

Grundsätzlich bietet es sich bei Persönlichkeitsstörungen an, den therapeutischen Schwerpunkt auf die familiären Beziehungskonstellationen zu legen, sowohl auf die Gegenwartsfamilie als auch auf die Herkunftsfamilie. 
Dabei wird versucht, die aktuelle Konstellation zuerst Gegenwarts- und Zukunftsbezogen zu lösen, sowohl im Vorgehen als auch in den Hypothesen.

In fast allen familientherapeutischen Schulen wird routinemäßig die Methode des Genogramms verwendet. Es handelt sich um eine historisch-biographische Perspektive, die sowohl in der Diagnostik als auch in der Therapie zum Einsatz kommt und vor allem der Hypothesenbildung dient.

II. Die Arbeit mit dem Genogramm

 

Es erlaubt einem Therapeuten, rasch einen Überblick

    • über die Familie, ihre Entwicklung und
    • deren mögliche wesentliche Knotenpunkte und potenzielle Probleme zu erhalten.
    • Es zeigt die Verbindung auf zwischen ungünstigem Verhalten und den familiären Prägungen.

Ein Genogramm (Ein Kofferwort bestehend aus Genealogie und Diagramm) kann man gut mit einem Familienstammbaum vergleichen. Alles wird in Symbolen dargestellt:

      • Kreise stehen z.B. für Frauen und Vierecke für Männer.

Diese Symbole werden durch vertikale und horizontale Beziehungslinien verbunden: 

      • Nach oben zweigen die jeweils älteren Generationen ab, nach unten die jüngeren.
      • Links werden die Männer, rechts die Frauen abgebildet.
      • Es werden nicht nur direkte Vorfahren, sondern auch Geschwister und auch andere Bezugspersonen eingetragen, so etwa „verschwundene“ Angehörige wie Ex-Partner oder frühzeitig Verstorbene.
      • Ergänzend zu den Personen werden die Art der Beziehungen, Lebenseckdaten (wie etwa „Flucht nach dem Krieg aus der Ukraine“) sowie weitere wichtige Informationen eingetragen.
      • In Farben werden die emotionalen Bindungen kategorisiert.

Diese graphische Aufarbeitung wesentlicher Daten und Beziehungen in Familien sollte über mindestens drei Generationen aufgebaut werden.

Die sich unbewusst und oft zwanghaft „hinter dem Rücken der Beteiligten“ wiederholenden Handlungsmuster – auch über Generationen hinweg –  werden deutlich,

      • wenn die Probleme der Gegenwart
      • zu den Entwicklungen der Vergangenheit,
      • den belastenden Ereignissen und emotional besetzten Problemen

in Beziehung gesetzt werden. So werden Fixierungen und Stagnationen in der familiären Entwicklung sichtbar.

Durch die Daten des Genogramms spricht dann „der Kalender der Geschichte“ – und emotionell hochbesetzte Deutungen von bisher unbekannten Zusammenhängen liegen für die Familienmitglieder offen auf der Hand.

Die Interpretation des Genogramms

      1. Teil: Die Auswertung

Die Auswertung ist – neben der nachfolgenden Ressourcenerarbeitung – der Hauptteil der Arbeit. Es werden zwei Arten von Informationen aus dem Genogramm ausgewertet.

      • Auf der einen Seite sind die objektiven Daten zu interpretieren, die Daten welche auch „historisch beweisbar“ sind:
      • zum Beispiel Vertreibung von Familienmitgliedern im Krieg, der frühe Tod einzelner Personen, Krankheiten, Trennungen, Geschwisterkonstellationen ect..
      • Auf der anderen Seite stehen die subjektiven Daten:
      • die Charakterisierungen und Einschätzung der Beziehungsqualitäten zwischen den Familienmitgliedern.

Die Trennung zwischen „objektiven“ und „subjektiven“ Daten ermöglicht eine differenziertere Betrachtung:

      • So werden bei der Untersuchung der objektiven Daten allgemeine Hypothesen gebildet.  
      • Bei der Betrachtung der subjektiven Daten werden die persönlichen Wertungen dann durch die Hypothesenbildung untersucht

 

      1. Teil: Die Ressourcenorientierung (Was ist alles möglich?)

Zu den engeren Familienmitgliedern – in der Regel die Eltern und Großeltern – werden dann die persönlichen Stärken und Kernkompetenzen aufgeschrieben.

Hier gilt das Prinzip: Jeder(!) verfügt über positive Stärken und Kernkompetenzen und dass egal ob er / sie dem Familiensystem / dem Patienten direkt Schaden zugefügt hat.

Um das Genogramm entsteht dann etwas wie ein Rahmen, gefüllt mit den Stärken des gesamten Familiensystems.
Diese Visualisierung der familiären Ressourcen berührt den Gegenüber erfahrungsgemäß sehr.

All das macht eine Neubewertung der „inneren Landkarte“ – weg vom „Schwarzsehen“ und hin zu einer positiven Selbstwahrnehmung – wieder möglich und löst nicht selten einen Motivationsschub zur Selbstentwicklung aus!

 

III. Die therapeutische Arbeit

Eine ambulante Paar- oder Familientherapie umfasst in der Regel zwischen 10–20 Sitzungen, die sich über einen Zeitraum von 1–2 Jahren verteilen. Je nach Therapieverlauf und Motivation der Beteiligten gibt es jedoch auch Abweichungen davon.
Salopp formuliert ist die Dauer der Therapie eher kürzer, je systemischer und eher länger, je analytischer sie angelegt ist.

(1) Ein wichtiges Ziel der Paar- und Familientherapie ist es, Entwicklungsprozesse anzustoßen bzw. einen Wandel zu beginnen.

 Die Paar und Familientherapie ist so wichtig das sie sich inzwischen auch in klinischen Versorgungseinrichtungen als zusätzlicher Behandlungsrahmen neben der Einzel- und Gruppentherapie etabliert.

Der Vorteil besteht darin, dass diese Personen an der konkreten Alltags-Beziehung arbeiten können / müssen. 
Denn Wissen allein reicht nicht aus. Es ist wichtig, dieses Neugelernte mit konkreten „Aufgaben“ / Vereinbarungen im alltäglichen Verhalten zu verbinden.

Die Arbeit an der konkreten Beziehung im Alltag mit der Chance, neue Beziehungsmuster zu etablieren, zeigt sich besonders in der Behandlung von Borderline-Störungen als günstig

(2) Die Paar- und Familientherapie ist durch folgende Merkmale gekennzeichnet:

 

      • Regressive (Zurückfallende) Tendenzen werden steuerbar (und eingegrenzt) durch die Anwesenheit der realen Bezugspersonen; denn alles in den Therapiestunden Gesagte hat reale Auswirkungen auf die alltäglichen Beziehungen.
      • Aktuelle Konflikte werden unmittelbar in der aktuellen Beziehungskonstellation bearbeitet, d. h. im realen Lebensumfeld des Patienten, dort wo sie in der Regel auch entstanden sind, ggf. unter Einbeziehung der vertikalen Familienkonstellation (Eltern / Kinder / Großeltern….).

      • Das stärker strukturierende Vorgehen wirkt der Übertragungsbeziehung zum Therapeuten entgegen (er kommt sozusagen aus der „Schuss-Linie heraus). In erster Linie wird darum innerhalb der Beziehungen des Paares / der Familie gearbeitet und nicht in der Übertragungsbeziehung zum Therapeuten.
        Der Therapeut wird hier wieder das, was er auch bei anderen Krankheitsformen ist: ein Allianz-Partner.

 

(3) Welche Erfolgsaussichten hat ein paar. bzw. familientherapeutisches Vorgehen?

Es gibt hierfür eine Menge an fundierter Studien: Insgesamt gilt eine Paar- und Familientherapie wesentlich effektiver als eine Einzeltherapie – wenn es um Probleme geht, die mit familiären / partnerschaftlichen Konflikten zusammenhängen.

IV. Kostenübernahme

Krankenkassen übernehmen in der Psychotherapie die Behandlungskosten, sofern es sich um eine psychische Störung mit „Krankheitswert“ handelt. Dazu gehören u.a.:

      • Angststörungen
      • Depressionen
      • Essstörungen
      • Persönlichkeitsstörungen
      • psychosomatische Störungen
      • Süchte
      • Verhaltensstörungen
      • Zwangsstörungen

Die Paar- und Familientherapie ist darum im Allgemeinen kein Bestandteil des Leistungskatalogs der Krankenkassen.

Allerdings wurden die Psychotherapie-Vereinbarungen (wenn einer der Partner an einer der o.g. psychischen Erkrankungen leidet) um die Möglichkeit ergänzt, bei „spezifischer Hinzuziehung von Bezugspersonen“ Doppelsitzungen (d. h. zweimal 50 Minuten) durchzuführen und abzurechnen; dies gilt für die Verhaltenstherapie, für die tiefenpsychologisch fundierte und für die analytische Psychotherapie (Kassenärztliche Bundesvereinigung 1997).

Immer dann, wenn das Wohl oder die Entwicklung eines Kindes oder Jugendlichen gefährdet ist,

      • können die Kosten für eine Familientherapie auch durch die Jugendämter oder den Sozialhilfeträger übernommen werden.
      • Viele soziale und kirchliche Träger bieten eine Paar- und Familienberatung kostenlos oder recht preiswert an.

Ein kleiner Rückblick

Durch diese Psychoedukation , die Vermittlung von Wissen und Erfahrungen und auch die Vermittlung von möglichen Umgangsformen erhöhen wir die Sicherheit in der Beziehung mit den betroffenen Menschen.
Sicherheit ist dies ein wichtiger Aspekt professionellen Umgangs mit den Betroffenen, aber bei weitem nicht der Einzige.

Genauso wichtig ist die grundsätzliche Offenheit für neue Erfahrungen, eine hohe Flexibilität bei der Bewältigung von Problemen und Krisen sowie eine Gelassenheit bei der Gestaltung von Beziehung.

Mit diesem Blog möchte ich neugierig machen auf den Umgang mit Borderline-Patienten und gleichzeitig meine Achtung und Respekt den betroffenen Menschen (Patienten und auch Umgebung) gegenüber zeigen und bei Ihnen, lieber Leser, erzeugen.

Fühlen Sie sich so frei und kontaktieren Sie mich bei allen hierbei aufkommenden Fragen. Schauen Sie sich auch meinen Youtube Blog zu diesen Themen an. Sie werden hier viele Anregungen zu dem Thema finden. 

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– Teil 1 –
Die DBT (Dialektisch Behaviorale Therapie)

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– Teil 2 –
Die Paar- und Familientherapie

⇓⇓⇓⇓⇓⇓⇓⇓
– Teil 3 –
Die stationäre Psychotherapie

⇓⇓⇓⇓⇓⇓⇓⇓
– Teil 4 – 
Die Gesprächstherapie

⇓⇓⇓⇓⇓⇓⇓⇓
– Teil 5 – 
Katathym-imaginative Psychotherapie
⇓⇓⇓⇓⇓⇓⇓⇓
– Teil 6 – 
Stationäre traumazentrierte Psychotherapie
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Borderline Therapie – Teil 1 Die DBT

Borderline begegnen – Einander respektvoll begegnen.

„Borderline bedeutet für die Betroffenen rund um die Uhr nur Stress, denn die Störung verläuft nicht in „Rauf-Runter-Phasen“, welche von beschwerdefreien Zeiten abzugrenzen wären“.

Borderliner und Umgebungs-Betroffene sind 24/7 in diesem Zustand gefangen.

Darum sollte auch besonders unter humanistischen Gesichtspunkten der Blick auf die Therapie gerichtet sein.

Patienten mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) imponieren durch eine vielfältige und zum Teil sogar wechselnde Symptomatik.

3 psychopathologische Kriterien werden als Kernsymptome bezeichnet:

      • Instabile Beziehungsmuster
      • Instabile Affektivität sowie
      • gestörte Identität.

Zur Zeit gibt es eine ganze Reihe konkurrierender Modelle zur Erklärung der Borderline-Persönlichkeitsstörung, welche dieses Störungsbild folgendermaßen konzeptualisieren:

    • Als strukturelle Störung im Bereich der Persönlichkeitsorganisation,
    • schwere Neurose,
    • als chronisch komplexe Posttraumatische Belastungsstörung,
    • als biosozial bedingte Emotionsregulationsstörung,

biosozial [von griech. bios = Leben, latein. socius = gemeinschaftlich], biosocial, Bezeichnung für tierische Verhaltensweisen, die Vorstufen des menschlichen Sozialverhaltens aufweisen.

    • als atypische affektive Störung (Affekte sind Gefühlsregungen welche von außen stimuliert werden) oder Angststörung
    • als Störung im Bereich der Reflexiven Kompetenz (Mentalisierung – am Verhalten ablesen was im Kopf des anderen vorgeht)) konzeptualisieren
    • In neuerer Zeit gab es zudem Hinweise auf neurobiologische Funktionsdefizite im limbischen System dieser Patienten, die die gestörte emotionale Reagibilität miterklären könnten. Das limbische System steht für die Verarbeitung von Gefühlen und für das Triebverhalten / unsere Impulse.

Es gibt diverse Ansätze und Konzepte um die Borderline-Persönlichkeitsstörung wirksam zu therapieren. 

Im ersten Moment könnte man denken, dass sich diese hier vorgestellten Konzepte in einem Konkurrenzfeld zueinander befinden – dem ist aber nicht so! Keine einzige dieser Strategien erhebt den Anspruch, die „allein seelig machende“ zu sein. Dieses Anspruchsdenken gehört zum Glück der Vergangenheit an. All diese Methoden belegen ihre eigene Wirksamkeit. 

Die beste Wahl des therapeutischen Vorgehens ist m.E. sich zu überlegen, 

    • welche der Therapien wohl der beste Einstieg ist und dann: 
    • welches Therapieelement sollte auf welche weiteren Therapieschritte sinnvoll vorbereiten?

Borderline Therapie wird nicht umsonst die Königsdisziplin genannt. Das was hier gefordert wird ist einem Jass-Musiker gleich, welcher sich permanent auf seine Umgebung (die Band) mit deren Rhythmus, deren Melodie neu einstellen muss. 

So muss auch der Therapeut in einer BPS-Therapie sich immer wieder neu auf den Patienten justieren und sich selbst auch ständig im Auge behalten – was am besten durch eine kollegiale Supervision erfolgt.

Dialektisch-behaviorale Psychotherapie nach Marsha Linehan

Geschichtliche Wurzeln und Grundlagen des Verfahrens

Sie wurde von Marsha Linehan (Jahrgang 1943) einer amerikanischen Professorin für Psychologie entwickelt um zuerst als ambulante Therapie für chronisch suizidale, sich selbstverletzende Frauen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung angewendet zu werden. In Deutschland überwiegen eher die stationären Behandlungsformen

Marsha Linehan hat jahrelang bezüglich der BPS geforscht und verschiedene Projekte geleitet welche letztendlich zu der DBT als Behandlungs-System führten. Sie litt selber jahrelang an Borderline und so war dies auch eine persönliche Strategie gegen ihre eigene Vulnerabilität (Verletzbarkeit) anzugehen.  

In diesem Therapie-Konzept werden

    • verhaltenstherapeutische, kognitive (auf Denkmuster bezogene) und
    • dialektische Strategien miteinander verbunden,
      • so dass gestörte Verhaltensmuster, wie z.B. Defizite verringert oder Überreaktionen angepasst werden und
      • neue, effektivere Verhaltensweisen eingeübt werden.

Frauen stellen die größte – und vermutlich die am schwersten gestörte – Gruppe unter den Borderline-Patientinnen. Die BPS (Borderline-Persönlichkeitsstörung) wird mit 3,0 zu 2,4% deutlich häufiger bei Frauen diagnostiziert als bei Männern.

Die Basis der DBT stellt die kognitive Verhaltenstherapie dar

Auf der Grundlage einer biologisch festgelegten erhöhten Verletzbarkeit führt ein invalidierender Handlungsstil (im Extremfall Traumatisierung, sexueller Missbrauch bei ca. 70% der Patientinnen) in einen Handlungs-Teufelskreis, in welchem

    • das schwierige Verhalten des Kindes und
    • die Invalidierung von Seiten der überforderten Eltern

sich gegenseitig verstärken.

Kurze Erklärung Invalidierend: Ein „Invalidieren“ erfolgt,

    • wenn die Gefühle der Heranwachsenden dauerhaft nicht ausreichend gewürdigt und ernst genommen werden und wenn sie missachtet oder verdreht werden.

Das Kind lernt dadurch nicht, wie es Erregungen benennen, regulieren und emotionale Spannungen aushalten kann.

Die Folge: auch als Erwachsene sind die Betroffenen häufig nicht in der Lage, sich auf die eigenen Gefühle zu verlassen und diesen zu vertrauen – sie sind sozusagen invalidiert.

So wird die für Borderline-Patienten typische emotionale Dysregulation gebahnt.

Sie ist nach Linehan

    • sowohl das Problem, das die Patientinnen zu lösen versuchen,
    • als auch die Ursache weiterer Schwierigkeiten:

Die meisten Symptome von BPS stellen

    • zum einen den Versuch dar, intensive Gefühle zu regulieren,
    • aber sie sind auch die Folge einer emotionalen Fehlregulation.
Aus diesem Gedanken heraus leiten sich die beiden grundlegenden Therapiestrategien ab:
      • (1) Die völlige Annahme des Verhaltens einerseits (sofern es einen kreativen Lösungsversuch darstellt), Das Ziel ist, einerseits
        • das subjektive Empfinden des Patienten anzuerkennen, andererseits
        • zu verdeutlichen, dass noch andere Verhaltens- und Erlebensweisen möglich wären, die gegebenenfalls hilfreicher (funktionaler) wären.

(2) das Beharren, Bestehen auf dessen Veränderung andererseits (weil es dysfunktional ist).

Dieser Widerspruch soll zusammengeführt werden durch ein dialektisches Vorgehen. Mit dialektisch ist gemeint, Gegensätze

    • sowohl als gegeben zu respektieren
    • als auch einen neuen Weg zwischen ihnen zu finden – ähnlich einem Mediationsverfahren.

Damit dieser Balanceakt gelingt benötigt dies alles  

    • eine vertrauensvolle und feste therapeutische Beziehung
    • das Erlernen von Skills / Fertigkeiten, die die Borderline-Patientinnen überhaupt erst in die Lage versetzen, diesen Weg zu beschreiten.

Die DBT wendet das Standard-Repertoire der Verhaltenstherapie an, und in ihre Grundhaltung fließen Elemente der Zen-Meditation ein:

    • das „Freiwerden“ von dem eigenen ICH
    • das Tun und Erleben im Moment des Tuns ohne Bewertung anzuschauen und wahrzunehmen
    • sich selbst, die eigenen Ziele und Wünsche loszulassen

Die Betonung auf die therapeutische Beziehung schließt an psychodynamische Verfahren an

Erklärung: Die Psychodynamische Psychotherapie ist ein psychotherapeutisches Verfahren aus den USA, welches die Methoden der Tiefenpsychologie sowie der Psychoanalyse umfasst. Diese gehen beide davon aus, dass psychische Störungen auf bereits erlebte Konflikte in der Vergangenheit zurückgehen.

Diagnostik

In der DBT wird die Borderline-Persönlichkeitsstörung als eine spezifische (typische)  Persönlichkeitsstörung gesehen, definiert durch ein beobachtbares Verhaltensmuster, das im DSM V und dem Diagnostischen Interview für Borderline-Patienten dem DIB zusammengestellt ist.

Linehan hat die Verhaltensweisen der Borderline-Patienten in folgende 5 Themenfelder systematisiert:

      1. Emotionale Fehlregulation
      2. Zwischenmenschliche Fehlregulation (instabile Beziehungen, Anstrengungen, einen Verlust zu verhindern)
      3. Verhaltensbezogene Fehlregulation (Suiziddrohungen, Parasuizid, impulsive Verhaltensweisen)
      4. Kognitive Fehlregulation (kognitive Rigidität, dichotomes Denken, Depersonalisation, Dissoziation, Wahn)
      5. Fehlregulation der Selbstidentität (instabiles Selbst, chronische Leere).

Allgemeine Therapiestrategie 

 

Die DBT gliedert sich in vier Abschnitte:

(1) Information über die Therapie, ggf. Abschluss eines Therapievertrages mit individuell festgelegten Zielen.

(2) In der ersten Therapiephase geht es um die Reduzierung suizidaler und parasuizidaler sowie therapiegefährdender Verhaltensweisen;

Erklärung: der Begriff Parasuizid bezeichnet jede nichttödliche Handlung eines Menschen, die absichtlich selbstverletzend durchgeführt wird.

in einem zweiten Schritt um die Abänderung anderer, die Lebensqualität stark beeinträchtigender Verhaltensformen. Tritt im weiteren Verlauf erneut therapiegefährdendes Verhalten auf, rückt es sofort in den Fokus (Hierarchisierung der Therapieziele).

(3) Behandlung der posttraumatischen Belastungsstörung.

(4) Stärkung der Selbstachtung, Erreichen individueller Therapieziele. In allen Therapiephasen liegt ein Behandlungsschwerpunkt auf dem Erlernen von Verhaltensfertigkeiten (Skills – Qualifikationen, Fähigkeiten).

Drei für die DBT charakteristische Skills:

Sie beziehen sich auf die Emotionsregulationsstörung dieser Patientinnen und sollen

– dem Entstehen

 und der Eskalation von emotionaler Anspannung entgegenwirken.

 

    • Erhöhung der Stresstoleranz: Die Patientinnen sollen z. B. lernen, unangenehme Ereignisse/Gefühle zu ertragen, wenn sich die Situation nicht verändern lässt, etwa durch radikales Akzeptieren: „Es ist geschehen und ich kann es nicht rückgängig machen!“ Die Patientin soll sich mit diesem Satz in eine einfache Alltagstätigkeit vertiefen, dabei tief durchatmen, die Schultern hängen lassen und innerlich ihr Leiden loslassen.
      • Innere Achtsamkeit: Durch Bewusstheit soll eine verbesserte Steuerungsfähigkeit erreicht werden, z. B. durch sorgfältiges Wahrnehmen und Beschreiben der eigenen inneren Zustände – ohne sie zu bewerten! Eine typische Anweisung: „Nehmen Sie jeden Augenblick an! Nehmen Sie jedes Geschehen an wie eine Pflanze, die den Regen wie auch die Sonne annimmt.“
    • Bewusster Umgang mit Gefühlen: Gefühle beobachten, beschreiben und in ihren Auswirkungen verstehen lernen (z. B.: „Ich habe das Gefühl, aber ich bin nicht das Gefühl!“). In der Gegenrichtung des aktuellen Gefühls handeln u. ä.

Epilog

Durch die Psychoedukation , die Vermittlung von Wissen und Erfahrungen und auch die Vermittlung von möglichen Umgangsformen erhöhen wir die Sicherheit in der Beziehung mit den betroffenen Menschen.
Sicherheit ist ein wichtiger Aspekt professionellen Umgangs mit den Betroffenen, aber nicht der einzige.

Mit genauso wichtig ist die grundsätzliche Offenheit für neue Erfahrungen, eine hohe Flexibilität bei der Bewältigung von Problemen und Krisen sowie eine Gelassenheit bei der Gestaltung von Beziehung.

Mit diesem Blog möchte ich neugierig machen auf den Umgang mit Borderline-Patienten und gleichzeitig meine Achtung und Respekt den betroffenen Menschen (Patienten und auch Umgebung) gegenüber zeigen und bei Ihnen, lieber Leser, erzeugen.

Fühlen Sie sich so frei und kontaktieren Sie mich bei allen hierbei aufkommenden Fragen. Schauen Sie sich auch meinen Youtube Blog zu diesen Themen an. Sie werden hier viele Anregungen zu dem Thema finden. 

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Narzisstische Eltern – Das Gift in der Muttermilch

KEINE LIEBEVOLLE UMARMUNG, SELTEN EIN KUSS ODER EIN MITGEFÜHL, WENN MAL ETWAS SCHIEF LÄUFT…

Kinder von narzisstischen, liebesunfähigen Eltern lernen bereits früh zu entbehren. 
Das Gefühl von Schutz, Wärme und Geborgenheit, welche andere Kinder um sie herum genießen, erfahren sie nicht.

Besonders problematisch dabei: Da sie die Mutter-Kind-Beziehung nur als „kalt und distanziert“ kennen, fällt es ihnen oft erst im Erwachsenenleben auf, dass sie anders aufgewachsen sind als andere Kinder.

Nazistische Eltern sind wirklich ein Horrorszenario – besonders wenn auch noch beide Eltern narzisstisch sind.

Glücklicherweise sind in den meisten Fällen nicht (!) beide Eltern narzisstisch. Rein statistisch gibt es im Moment noch mehr Männer als Frauen welche die Kriterien für Narzissmus erfüllen. Jedoch holen die Frauen auch hier stark auf.

I. Die Kriterien für Narzissmus / Grundlagen der Diagnose

Gestatte mir bitte – bevor ich auf das eigentliche Thema eingehe noch eine kleine aber m.E. sehr wichtige „Einleitungs-Kurve“. 

Wir erleben heute eine wahre Pandemie in Bezug auf Persönlichkeitsstörungen

Zwar wissen wir nicht zu 100% wie viele Menschen hiervon betroffen sind – die meisten Betroffenen beginnen von sich aus ja keine Behandlung und darum gibt es hier nur Schätzungen – man geht aber davon aus, dass 5 bis 10 % der Bevölkerung in ihrem Leben mindestens 1 x an einer Persönlichkeitsstörung erkranken. 

Allein schon aus dieser Häufigkeit heraus fühlen sich viele „Freizeittherapeuten“ geradezu herausgefordert, Diagnosen (Alltagsdiagnosen) über andere abzugeben, was zu einigen Konfrontationen in unserer Gesellschaft führen kann. Wenn ich (1) sage, „Du bist ein Narzisst“ und (2) dies sowohl unaufgefordert als auch (3) ohne therapeutischen Hintergrund geschieht, dann ist dies mehr als problematisch. 

⇒ Erklärung Alltagsdiagnose: Eine nichtwissenschaftliche Diagnostik, die auf unsystematischer, punktueller Beobachtung und subjektiver Beurteilung beruht

Das grundsätzliche Problem der Diagnose von Persönlichkeitsstörungen ist ja, dass man Niemanden in ein Labor stecken kann um dann durch 

    • Laborparameter
    • bildgebende Verfahren ect.

eine belastbare Diagnose zu erstellen. Darum müssen wir den etwas aufwendigeren Weg

    1. der Anamnese / Diagnose und
    2. des psychopathologischen Befundes 

gehen. Und wie Du rechts siehst, ist dies auch eine sehr aufwendige Arbeit. Aufgrund einer momentanen Situation heraus kann man zwar schon viel ableiten – darum der psychopathologische Teil der Anamnese – aber es ist nicht alles.

Das Ziel dieser „kleinen Kurve“ / meiner Einleitung ist, die Flut vorschneller Diagnosen und Beurteilungen anderer zu reduzieren. Wenn es um die eigenen Eltern geht, dann ist dies natürlich nicht aus dem Moment heraus. Trotzdem sind die Kriterien sehr umfangreich und die Praxis zeigt , dass viele mit ihrer Beurteilung anderer Menschen schnell übergriffig werden und den Gegenüber stigmatisieren. 

Um all dies zu vermeiden lade ich Dich ein, Dir mein Video„Darf ich Dich einen Narzissten nennen? Anamnese kurz erklärt“ in Ruhe einmal anzusehen. Du findest es rechts in dem Kasten. ⇒ ⇒ ⇒

Schau Dir mein Video über Anamnese auf Youtube an
⇓⇓⇓⇓⇓

II. Wenn das Kind zum Objekt wird – die „vergiftete Muttermilch“

2.1.“KINDER WERDEN NICHT MEHR ALS SUBJEKT SONDERN ALS OBJEKT BEHANDELT“

Dieser o.g. Satz zeigt das Grundproblem aller narzisstischen Eltern an. Narzisstische Erwachsene wollen absichtlich keine Eltern sein, da andere Menschen in ihrem Leben nur ihren Bedürfnissen zu dienen haben. 
Kinder selber haben aber eigene Bedürfnisse und sind von den Eltern vollkommen abhängig. Dies ist für die narzisstischen Eltern jedoch unangenehm, warum?

Narzissten glauben an Image und Erfolg! Und das starke Image der „stabilen, glücklichen Familie“ ist eine Errungenschaft von vielen, die in ihrem Leben – wie auf einer Liste – „abgehakt“ werden muss. 

Narzisstische Eltern neigen dazu, ihre Kinder als Objekte zu betrachten, die für ihre Imageerhaltung herhalten sollen und als Erweiterung ihrer selbst, wenn das Kind in der Öffentlichkeit wie eine Medaille präsentiert wird. Das Kind dient nun zur Befriedigung der elterlichen egoistischen Bedürfnisse. 

2.2. DIE ERWARTUNGSHALTUNG:

Narzisstische Eltern erwarten von ihren Kindern dass diese Dinge lernen, erkennen und wissen ohne von den Eltern unterrichtet zu werden. Schließlich beschäftigt sich der Narzisst lieber mit sich selbst und lehnt es ab, Zeit damit zu verbringen anderen als sich zu helfen. 

Wozu führt dies? Ehemalige Kinder narzisstischer Eltern berichten darüber, dass sie in der Kindheit ständig diese Spannung und den Druck verspürten, permanent den eigenen Wert beweisen und gleichzeitig ihre Liebe dem narzisstischen Elternteil zeigen müssen. Andererseits können sie sich nicht daran erinnern, von ihren eigenen Eltern diese geforderte Liebe auch mal bekommen zu haben.

Vergleichbar mit einer Einbahnstraße mussten die Kinder Liebe zeigen – erhielten diese jedoch nicht zurück. 

2.3. Beißende Kritik

Macht das Kind dann mal Fehler (und das ist das Recht eines Kindes, Fehler zu machen) dann reagiert der narzisstische Elternteil oft mit beißender Kritik, beschimpft oder bezeichnet das Kind oft als „dumm“ (zu dumm um ein Loch in den Schnee zu pinkeln) oder fordert einen perfektionistischen Standard („dass wird hier so erwartet!“)

Andererseits ist es ein ungeschriebenes Gesetz dass der narzisstische Elternteil selber niemals falsch liegt oder sich entschuldigen müsste.

Dies führt bei dem Kind zu dem Drang

    • auch perfekt zu sein, oder
    • zu einem Zusammenbruch in Scham, Selbstbeschuldigung oder dem Gefühl, fehlerhaft und nicht genug zu sein.

Beide Ergebnisse führen dazu, dass das Kind beginnt sich selbst zu hassen und sich nur noch auf die Bedürfnisse der Eltern zu fokussieren. Was für ein trauriges Leben ….

III. Falsche Werte einer narzisstischen „Erziehung“

1. Du bist nur etwas Wert wenn….

Das Bild nach außen ist einem Narzissten viel Wert. Status, Ruf und das Erscheinungsbild dürfen keinen Kratzer haben. Darum wird ein Kind narzisstischer Eltern nach außen immer im besten Licht dargestellt. Der Missbrauch und Liebesentzug findet dann zu Hause im Verborgenen statt. 

2. Du hast perfekt zu sein, wirst es aber nie werden 

Der eigene Maßstab ist die einzige Lebensweisheit welche die Eltern bereit sind, ihren Kindern mitzugeben. 

Was aber steckt wirklich dahinter? Die Grandiosität der Eltern (1. Kriterium) kann durch die Kinder nur dann bestärkt werden wenn diese perfekt sind – perfekt in den Augen der Eltern. Dann dienen sie den Eltern wie eine Trophäe vor anderen Menschen.

Dienen sie mal nicht als Trophäe sind die Kinder schuldig an der Situation der Eltern:

    • Schuldig dass sie sich nicht selber haben entfalten können („Ohne euch hätte ich die höhere Beamtenlaufbahn nehmen können“)
    • oder dass sie sich nicht haben trennen können.
3. „Werde besser als andere“ – Konkurrenzkampf sogar unter Geschwistern

Wenn mehrere Kinder in der Familie vorhanden sind, dann gibt es das weiße Schaf (meistens der Erstgeborene) und auch ein schwarzes Schaf (der Zweitgeborene). 

Diese beiden werden in der Regel von den Eltern gegeneinander ausgespielt. Das weiße Schaf wird benutzt als Bedürfniserfüller. Er darf keine eigene Entwicklung haben. Das weiße Schaf hat meistens sehr früh gelernt sich an die Eltern anzupassen und mitzuspielen. Darum ist die Gefahr auch recht groß dass das „weiße Schaf“ mehr als die anderen Geschwister die Verhaltensweisen der Eltern übernommen hat. 

Das „schwarze Schaf“ rebelliert in der Regel mehr und macht oft das Gegenteil von dem was die Eltern verlangen. Es ist aber auch nicht in seiner eigenen Persönlichkeit, denn es macht die Dinge ja in erster Linie aus Trotz gegen die Eltern und nicht aus innerer Überzeugung. 

Schwarze Schafe werden viel häufiger verbal drangsaliert. Sie werden dann mit dem nicht angepassten Onkel oder der komischen Tante verglichen. „Du bist ja so wie Onkel …/ Tante  …“ 

So lernen die Kinder von den Eltern auch das Weltbild / die Sicht auf die Welt / das Bewerten anderer Menschen.

Narzissten „Glauben einzigartig zu sein“ (3. Kriterium) und „Zeigen arrogantes, überhebliches Verhalten.“ (9. Kriterium)
Diese beiden Kriterien aus dem DSM5 (siehe oben) zeigen Narzisstische Eltern indem sie vor den Kindern über andere Menschen kritisch, herablassend, entwertend und überheblich reden. Das Lehrerehepaar in der Nachbarschaft, die nicht gemochte Verwandtschaft ect.  war dann regelmäßig Zielscheibe ihres Spotts und ihrer herablassenden Bewertungen. Denn nur sie sind ja einzigartig (Kriterium 3) und haben das Recht ein grandioses Gefühl der Wichtigkeit vor sich her zu tragen (Kriterium 1). Kinder nehmen dies als wahr an und übernehmen dieses Weltbild….

Ein weiterer Unterschied zwischen dem „weißen Schaf“ und dem „schwarzen Schaf“ ist, dass das „weiße Schaf“ einer sehr starken Kontrolle unterliegt und dem „Schwarzen Schaf“ mit Desinteresse begegnet wird. Das „Weiße Schaf / die Prinzessin / Der Erbprinz“ 

Das „Schwarze Schaf / Das Aschenputtel“ braucht gar nicht zu leben. Man darf nicht „Ich“ sein. Dieses Gefühl zieht sich bis ins Erwachsenenalter hinein. Wenn dem kleinen Mädchen schon von klein auf gezeigt wird das es keine bessere Behandlung zu erwarten hat, dann ist das die Form der „Liebe“ welche es sich später als erwachsene Person in einer Beziehung aussucht: Die Ehe mit einem anderen Narzissten der sie so behandelt, wie es ihre Eltern früher mit ihr getan haben ist die logische Konsequenz. „Warum komme ich immer nur an egoistische Männer?“ ⇒ In der  Transaktionsanalyse nennen wir dies einen Lebensskript.  

4. Liebesentzug ist normal in Beziehungen

Spuren die Kinder nicht oder erfüllen sie nicht die Bedürfnisse der narzisstischen Eltern, so kommt der narzisstische Zorn  hervor:

    • „Ich schlag Dich windelweich“ und die Kleiderbürste, der Stock o.ä. wird als Prügelinstrument genommen.
    • Es wird mit Internat gedroht oder auch ausgeführt. 

Was ist oft die Folge von diesen Drohungen? Es kommt hiernach häufig bei kleinen Kindern zu Angststörungen in jüngstem Alter, zum Bettnässen, somatoformen Störungen u.ä.. Die Kinder – immer in der Angst vor einem neuen Zornausbruch der Eltern – verhalten sich dann mehr  und mehr im Hintergrund um ja nicht weiter aufzufallen. Welcher Gedanke kommt dann beim Kind logischerweise auf?

      • ich bin nicht gewollt
      • ich darf nicht existieren. Und wer bin ich überhaupt wenn ich nicht sein darf und meine Existenz meine Eltern bereits stört?
      • So wie ich bin, bin ich es nicht wert geliebt zu werden. 

Die Folge dieser Gedankengänge? Der Selbstwert ist tief, tiefer am tiefsten im Keller. Und je früher sich dieser Gedankengang im Leben eines Kindes festsetzt, umso dauerhafter und endgültiger bleibt er im Inneren des späteren Erwachsenen zementiert.

5. Deine Gefühle zählen nicht

Kinder narzisstischer Eltern bekommen auch keine emotionale Bestätigung und werden im Schmerz allein gelassen. Dies führt dazu dass das Kind von sich selber ein falsches Bild bekommt. Vergleichbar mit einem Chamäleon welches sich an seine Umgebung immer wieder anpasst. Kinder von narzisstischen Eltern kommen später als Erwachsene zumeist perfekt an, da sie gelernt haben, sich unter allen Umständen genauso perfekt anzupassen. Leider haben sie hierbei sich selber schon seit langem in ihrer Kindheit verloren. 

In einer gesunden Beziehung erfolgt ein Spiegeln durch die Eltern. hierdurch zeigen Sie dem Kind

    • „du bist da und das ist gut so“
    • „so wie du bist wirst du von uns geliebt, geborgen und gehalten“. 

Wenn dieses wegfällt, was bleibt dann übrig? „Wer sind wir dann noch?“ mag sich ein solches Kind fragen.  

Kinder narzisstischer Eltern sind praktisch nur eine Erweiterung des Eltern-Selbst und haben keine Privatsphäre. Solche Eltern haben gar kein Problem damit, Dinge des Kindes einfach zu verändern, zu verkaufen ect. Sie verfügen praktisch über das Kind denn dies ist ja kein Subjekt, sondern nur ein Objekt. 

Trennung / Nicht-Trennung?
Trennung ist zuerst nichts mehr als eine Kopfschmerztablette

IV. Hilft nur der Kontaktabbruch um Narzisstischen Eltern zu entkommen?

Distanz ist in diesem Zusammenhang ein zentraler Punkt dies ist für viele Menschen, die frühe Traumatisierung erlebt haben, Bindungs- oder lange unter einer Entwicklungstraumatisierung gelitten haben, ein ganz wichtiges Lebensthema. Es spiegelt sich nicht zuletzt in dieser wichtigen Frage

„Soll ich den Kontakt zu meinen Eltern abbrechen, unterbrechen oder soll ich dies nicht tun?“.

Wer  sich diesem Thema stellt, hat mit Sicherheit gewichtige Gründe dafür und befindet sich mittendrin in einem Prozess / einer Bewegung, welcher ganz viel mit Abgrenzung, Abnabelung, Distanzierung mit Positionierung und dem Wunsch zu heilen, zu tun hat.

Ich möchte bei diesem Thema zuerst mit einem falschen Dogma aufräumen:

4.1. Kein Kind verlässt seine Eltern!

Der eigentliche Kontaktabbruch entsteht nicht, wenn die Kinder ihre Eltern verlassen, sondern  in der Kindheit durch

      • die elterliche Fehl-Erziehung,
      • durch psychische und physische Gewalt
      • durch elterliche Übergriffe und Grenzverletzungen
      • durch nicht oder falsches Verstehen des Kindes,
      • durch narzisstische Störungen der Eltern
        und nicht zuletzt 
      • durch Missbrauch ihrer elterlichen Macht.

Alleine das negative, zerstörerische Verhalten der Eltern führt zu dem Bruch in der Eltern-Kind Beziehung!
Durch das Gehen spiegelt das Kind den Eltern nur zurück, dass sie – entweder erst gar nicht mit ihm in Kontakt waren – oder zumindest nicht auf gute, schöne, nährende Weise.

Das Kind versucht durch das Gehen klar zu machen: „mit dem Kind, mit dem ihr (die Eltern) glaubt in Kontakt zu sein, das bin nicht ich und das gibt es in Wirklichkeit auch nicht.“

Jedes Kind wünscht sich die Nähe zu seinen Eltern und macht nur ungern diesen Schritt, von den Eltern wegzugehen.
Dieses Gehen ist ein Selbstschutz und als eine überlebenswichtige Maßnahme des Kindes anzusehen, um nicht im sinkenden Eltern- und Familienboot mit unterzugehen und um sein eigenes Lebensglücks nicht aufzugeben.
Dabei haben alle Kinder den innigsten Wunsch, Zeit mit ihren Eltern zu verbringen, für sie da und mit Ihnen zusammen zu sein.

Für sie ist es genauso belastend, dass dies nicht auf eine schöne, natürliche und gute Weise möglich ist wie sie es wahrscheinlich bei vielen anderen Familien um sich herum sehen. 

4.2. Mögliche Reaktionen der Eltern:

Es mag schockierend klingen, aber häufig kann man folgendes Beobachten:

Variante 1. Es findet praktisch keinerlei Reaktion seitens narzisstischer Eltern statt wenn die Kinder den Kontakt abbrechen und sie akzeptieren erstaunlich leicht und manchmal kommentarlos den Wunsch der Kinder.

Warum ist dies so? Weil sie nicht daran interessiert sind zu erfahren, was die Veranlassung hierfür war oder wie es den Kindern anschließend geht. Sie möchten sich auf keinem Fall mit der Situation auseinandersetzen da sich ein Narzisst ansonsten ja mit seiner eigenen Fehlerhaftigkeit konfrontiert sähe.

Wie erwähnt mag dies schockierend wirken, dass die eigenen Eltern (egal ob Vater oder Mutter) so leichtfertig darauf reagieren, jeglichen Kontakt zu ihrem Kind zu verlieren. Letztendlich ist diese Variante jedoch die deutlich einfachere für das Kind / den jungen Erwachsenen.

Variante 2. Genau das Gegenteil findet statt und ein sogenannte „Hoovering“ beginnt. Die narzisstischen Eltern – zumeist die Mutter – setzen alles daran, dass das Kind wieder zurück zu gewinnen. 

4.3. Trennen – so wirksam wie ein Schmerzmittel

Trennung / Kontaktabbruch ist aber nicht mehr als eine Kopfschmerztablette. Eine Tablette befreit einen vielleicht von den Schmerzen, jedoch nicht von der Ursache der Schmerzen. 
Die Trennung kann nur eine kurzfristige Erleichterung bringen – die auch wichtig ist. All dies ist aber nur ein (!) notwendiger Schritt von mehren in Richtung umfänglicher Heilung. 

Du musst dich anschließend auch von Deinem „inneren Ich“ trennen. Dies sind all deine negativen Überzeugungen – Deine Basic Beliefs – welche Du seit Deiner Kindheit / Jugend verinnerlicht hast.

    1. Schritt: der eigentliche Kontaktabbruch sollte möglichst kurz und knapp vollzogen werden. Ein kurzes persönliches Gespräch mit den Eltern über das was Sie nicht mehr wollen – dann gehen Sie! Keine langen Diskussionen oder Erklärungen. Das was Sie (!) sagen liegt in der Zukunft: Was sie künftig wollen. Das was die Eltern diskutieren wollen liegt in der Vergangenheit. Die Vergangenheit spielt jetzt aber erst mal keine Rolle.
    2. Schritt: Arbeiten Sie ihre Vergangenheit professionell auf.  Erlernen Sie nun Selbstliebe und Selbstfürsorge für sich und nehmen Sie sich hierfür professionelle therapeutische Unterstützung.

4.4. Die Transaktionsanalyse – eine (!) Möglichkeit der Therapie

Wenn  Sie sich fragen, welche Therapie hierfür sehr wirkungsvoll ist, dann möchte ich Ihnen einen persönlichen Tipp ans Herz legen: Für die Vergangenheitsbewältigung hat sich die Transaktionsanalyse als sehr bewährt erwiesen. Vielleicht haben Sie den folgenden Gedankengang schon mal gehört: „Ich bin ok – Du bist ok.“

Das Ziel der Transaktionsanalyse ist es zu erkennen

      • warum gehen wir so oder so miteinander um?
      • Sie ist ein tolles Werkzeug für Menschen in seelischer Not um selber (!) an sich zu arbeiten – also nicht unbedingt abhängig von einem Therapeuten. 

Zum Beispiel hilft die Transaktionsanalyse Menschen, deren Eltern sich in ihrer Kindheit haben scheiden lassen – also eine Handlung welche oft viele Jahre in der Vergangenheit zurück liegt. 

Eine Scheidung ist im allerbesten Falle eine „Nicht-OK-Situation.“ Bei diesen unglücklichen menschlichen Vorfällen einer Scheidung ist das Erwachsenen-Ich (die Ebene der rationellen Entscheidung) gewöhnlich nur sehr wenig beteiligt.

Und hier liegt das Hauptproblem: Vater und Mutter sind so verstrickt in sogenannten „Überkreuz-Transaktionen“ dass das Kind sich alleine durchkämpfen muss. Selbst wenn die Eltern sich wirklich um das Kind kümmern wollen, so können (!) sie ihnen häufig nicht so viel Hilfe geben, dass es (das Kind) das Zerbrechen der Familie ohne die Ängste und Demütigungen besteht, welche das „Nicht-OK“ weiter verstärken.

Durch die genaue Transaktionsanalyse gibt es dann die Möglichkeit, sich selbst vom Chaos der Vergangenheit zu befreien. Diese hilft dem Kind, sein eigenes „Erwachsenen-Ich“ zu erkennen und mit diesem die eigene Realität und den eigenen Ausweg aus dem Dschungel der Gefühle zu finden. 

Wenn Sie mehr über die Transaktionsanalyse erfahren möchten, dann empfehle ich Ihnen meinen Videoblog. Auf Youtube finden Sie hier eine Liste von verschiedenen Info-Videos über diese spannende Therapieform: Playlist Transaktionsanalyse auf Youtube

Schau dir dieses Thema gerne auch auf Youtube an:  ⇒⇒⇒
Hier finden Sie eine Auswahl meiner Videos über die Transaktions-analyse ⇒⇒⇒

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Der stille Borderliner – die Komplexe Posttraumatische Persönlichkeitsstörung

Der „Stille Borderliner“ ist der 2. Teil meiner Abhandlung über den Themenkomplex: „Borderliner und das kindliche Trauma“Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie sich auch den 1. Teil hierzu einmal in Ruhe ansehen würden. 

Über diesen Link gelangen Sie zu meinem Blog Borderline und das kindliche Trauma – Ein Zusammenhang?

Der „Stille Borderliner“ – oder: die komplexe posttraumatische Belastungsstörung

Der Zusammenhang zwischen der
– Borderliner-Persönlichkeitsstörung und der
– Komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung

I. Was ist ein Trauma?

Fällt das Wort Borderliner-Persönlichkeitsstörung, dann hört man in diesem Zusammenhang auch immer wieder einen weiteren Begriff: Die Posttraumatische Belastungsstörung. 

Was ist ein Trauma? In dem internationalen Katalog der Krankheiten (ICD 10)  lesen wir unter der Ziffer F43.1. folgende Definition:: Die Posttraumatische Belastungsstörung entsteht als eine verzögerte Reaktion auf ein belastendes Ereignis  (Anm. das Trauma) mit außergewöhnlicher Bedrohung oder katastrophenartigem Ausmaß, welche bei fast Jedem eine tiefe Verzweiflung hervorrufen würde.

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Zwischen Borderline und einer komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung besteht eine über 60% hohe GEmeinsamkeit mit Begleitkrankheiten wie z.B. 
          • Angststörungen,
          • depressiven Störungen und
          • dissoziativen Störungen (z.B. Amnesie, Flashback, Depersonalisation ect.)

(1) In großangelegten Studien wurde belegt, das ca 80% der Borderline-Patienten gleichzeitig auch die Kriterien für eine Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung erfüllten. 

(2) 96% der diagnostizierten Borderline-Patienten berichteten – gleich den Patienten der KPTBS – über traumatische Erfahrungen aus der Kindheit, wie z.B. physische und / oder sexuelle Gewalt und Vernachlässigung. 

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Trotz dieser hohen Übereinstimmung gibt es aber auch Unterschiede:

Bei Patienten, welche sowohl die Borderliner-Kriterien als auch die Kriterien für eine Komplexe Posttraumatische Belastungsstörung aufwiesen, gab es folgende Unterschiede zu den „reinen Borderline-Patienten“

    • signifikant mehr sexuelle Traumatisierungen (23% versus 48%)
    • mehr körperliche Gewalterfahrungen (50% versus 70%)
II. Der „stille“ und der „laute“ Borderliner

Es gibt viele Gemeinsamkeiten, aber auch ein paar deutliche Abgrenzungen in der Phänomenologie zwischen dem Borderliner und dem Patienten mit der „Komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung“ KPTBS. 

Wenn wir uns diese einmal genauer ansehen werden wir auch erkennen, warum es umgangssprachlich zu der Benennung: „Stiller Borderliner“ versus „Lauter Borderliner“ gekommen ist.

Um diese Unterschiede herauszuarbeiten hat man aufwendige Diskriminanzanalysen (in einer Gruppe versch. Elemente heraustrennen) durchgeführt und dabei erkannt das 

      • intensive Gefühle von Ärger und
      • unstabile Beziehungen

zu 96% klare Merkmale des Borderliner-Patienten sind und diesen von dem Patienten mit einer Komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung abgrenzen.

Dies passt zu den Beobachtungen welche man in den Kliniken macht. Patienten mit einer Borderliner-Persönlichkeitsstörung erleben ihre Probleme häufiger in agierender Weise im zwischenmenschlichen Bereich. 

Cluster-Persönlichkeitseinstufungen nach dem DSM: 
Die Phänomene des „Lauten“ und des „Stillen“ Borderliners

III. Ein Störungsbild – aber zwei Ausprägungen

Die Borderliner Persönlichkeitsstörung zeichnet sich durch ihre externalisierenden Störungen aus wie

    • Impulsivität
    • Substanzmissbrauch
    • Cluster-B Persönlichkeitszügen (siehe Bild: die „Dramatischen“). Hier finden Sie eine ausfühliche Anleitung zu den Clustern: ⇒ Diagnose Borderline – Was nun?

Die internalisierenden Störungen finden wir eher bei der Komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung vor

      • den Traumafolgestörungen. 

So unterschiedlich beide Ausprägungen auch sein mögen – sie sind ein gemeinsames Störungsbild.

Darum ist es nur konsequent, die Diagnose einer Entwicklungstrauma-Folgestörung in das Kinder-Jugend-Kapitel der Krankheitskataloge (DSM und ICD) aufzunehmen welche sowohl externalisierende als auch internalisierende Symptome umfasst.

Dieses Konzept einer komplexen Traumafolgestörung mit sowohl internalisierenden als auch externalisierenden Symptomen deckt sich sehr gut mit dem was man in den Behandlungszentren in der Praxis sehen kann:

Es gibt viele Mischformen bei jedem einzelnen dieser Patienten. Ein rein externalisierender oder ausschließlich internalisierender Patient existiert nicht. Vielmehr sind diejenigen sogar in der Überzahl welche zwischen den Extremen hin und her wechseln.

Dies alles macht Borderline zu einem Störungsbild hochkomplexer Traumafolge-Erscheinungen.

IV. Was ist die Konsequenz von alledem? Wie sollte die Behandlung aussehen?

Die Praxis zeigt, das eine spezielle Psychotherapie – mit Ausrichtung auf die Traumafolgesymptomatik – derzeit den höchsten Nutzen mit sich bringt.

Hiervon profitieren zwar auch die „reinen Borderliner-Patienten“ aber noch mehr Nutzen erfahren hierdurch diejenigen, welche als Folge von frühkindlichen Traumatisierungen auch die Kriterien der „Komplexen Posttraumatischen Belastungsstörung“ aufzeigen. 

Solch eine Behandlung der Traumafolgesymptomatik muss sich einer ihr ganz eigenen spezifischen Problematik stellen: 

Wie Menschen haben ja zwei besonders hervorstechende Stressbewältigungssysteme:

      1. unser Bindungs-Panik-System
      2. das Furcht-Kognitionssystem
    •  
Die Situation in der Therapie stellt sich folgendermaßen dar:
    1. Störungen im Bereich der Bindungsfähigkeit machen eine Arbeitsbeziehung während der Therapie fast unmöglich.

2. Da das Furcht-Kognitionssystem bei Borderlinern ebenso gestört ist, überreagiert plötzlich die Amygdala und

      • Sinnesreize über den Thalamus,
      • emotionale Bewertungen über das limbische System und
      • Kontextinformationen über den Hippocampus

werden derart miteinander „verschweißt“, sodass der kognitive Bereich des Gehirns – der Präfrontale Kortex – dauerhaft ausgeschaltet bleibt. Der Patient verfällt sozusagen in einen regressiven Zustand (einfach gesagt: er ist in der Angst welcher er als wehrloses Kind ausgesetzt war).

Das Problem:

Aus biologischen Gründen ist es praktisch unmöglich, regressive Zustände zu behandeln ohne die Symptome der Posttraumatischen Belastungsstörung abzubauen. 

Andererseits ist es auch unmöglich, die Posttraumatischen Belastungsstörungen und ihre Symptome OHNE eine Regression hervorzurufen.

Eine mögliche Lösung:

Es gibt einige hoffnungsvolle Ansätze derzeit welche sich mit dieser Problematik bereits erfolgreich auseinandersetzen.

      • Bei der Dialektisch Behavioralen Therapie wird aktuell ein spezifisch für Borderliner-Patienten mit komorbider Posttraumatischer Belastungsstörung angepasstes Behandlungsprogramm entwickelt. 
      • Fokussiert auf die Ressourcenförderung werden Therapieansätze in Traumatherapien entwickelt
      • Sehr vielversprechend sind die Therapien mit der EMDR Technik. Durch geleitete Augenbewegungen – auch bilaterale Stimulation genannt – folgt Patient den Fingern eines Therapeuten mit seinen Augen, während der seine Hand abwechselnd von rechts nach links bewegt. Die Augenbewegungen des Patienten sind mit den Bewegungen in der REM-Schlaf-Phase vergleichbar – der Phase des Schlafes, in der die Geschehnisse des Tages verarbeitet werden.

Eine Denkhypothese ist, das hierbei die geteilte Aufmerksamkeit (zum einen der sich bewegenden Hand und zum anderen den therapeutischen Fragen antwortend) zu einer automatisch verbesserten Verarbeitung der Geschehnisse führt. 
Egal warum: Diese Methode ist nachweislich effektiv, führt schneller als andere Therapieansätze zu einer Verbesserung und wurde bereits durch viele Studien in ihrer Wirksamkeit belegt.

Das Video über dieses Thema kannst Du Dir gerne auch auf Youtube anschauen: 
Du findest es hier ⇒ ⇒ ⇒ ⇒ ⇒ 
Schau dir hier meine weiteren Videos über das Thema Borderline an

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Burnout und Depression ist nicht das Gleiche

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Psychische Erkrankungen sind mittlerweile die Hauptursache an Krankenständen und Frühpension.

18 Millionen Deutsche sind direkt erkrankt oder als deren Angehörige von ihnen betroffen.

Man könnte heute vermuten, Depression und Burnout treten nur deswegen vermehrt auf, weil wir diese Symptome immer stärker Beachtung schenken und wir mehr über uns selber nachdenken

Es gibt jedoch gute Gründe warum diese seelischen Erkrankungen tatsächlich immer mehr zunehmen. Lassen Sie uns gemeinsam mal über dieses spannende Thema laut nachdenken. Schon jetzt bedanke ich mich für Ihre Neugierde.

I. Wie kann ich erfahren, ob ich selber von
Burnout / Depression betroffen bin?

Für eine Antwort hierauf, könnten wir uns gemeinsam mal folgende 12 Fragen stellen:

      • Können Sie sich noch innerlich freuen?
      • Haben Sie weniger Interesse als früher an dem was Sie heute tun?
      • Sind Sie weniger initiativ als früher?
      • Fühlen Sie sich irgendwie erschöpft und ohne Schwung?
      • Sind Sie körperlich erschöpft ohne dass sich ein echter medizinischer Grund findet? 
      • Haben Sie regelmäßig Schmerzen für die es keine wirkliche medizinische Erklärung gibt?
      • Fühlen Sie sich chronisch nervös angespannt / ängstlich?
      • Können Sie keine Entscheidungen mehr treffen über Dinge welche Ihnen früher eigentlich gar nicht so schwer gefallen sind?
      • Haben Sie Schlafstörungen?
      • Haben Sie vielleicht wenig Appetit, Gewicht verloren oder umgekehrt: immer mehr zugenommen?
      • Können Sie sich gar nicht mehr einbremsen und sind immer mehr am Grübeln?
      • Haben sie vielleicht Gedanken, dass das Leben gar keinen Sinn mehr macht

Dies alles sind Warnsymptome, Hinweise unserer Seele und unseres Körpers, die uns etwas mitteilen wollen. Die uns auch sagen wollen: „ändere was

Immerhin erkrankt jeder neunte Mensch an einer Depression im Lauf des Lebens!

II. Was sie vielleicht nicht gewusst haben –
Fakten rund um Depression und Burnout

      • die häufigste Todesursache von Menschen mit Depressionen ist der Herzinfarkt und nicht der Selbstmord. Warum ist das so? Weil mit einer Depression häufig auch einher geht, dass sich Menschen nicht mehr zuerst um ihre eigene Gesundheit kümmern und stattdessen beginnen, ungesund zu leben.
        • Eine Depression zeigt sich bei Männern oft durch Ärger und Gereiztheit und weniger durch Traurigkeit wie bei den Frauen.
      • Haben Sie gewusst dass 2 bis 8 % der Jugendlichen an Depressionen leiden und gerade bei Jugendlichen der Selbstmord die zweit häufigste Todesursache ist?
        • Wussten Sie das fast alle Menschen (> 80%) – die einmal versucht haben sich das Leben zu nehmen – und denen es glücklicherweise nicht gelungen ist – sich rückblickend sehr darüber freuen dass es ihnen nicht gelungen ist?
      • Man nimmt an, dass ungefähr 7 – 8 % der erwerbstätigen Bevölkerung an deutlichen Symptomen (!) von Burnout leidet und noch viel mehr als diese 7 – 8 % sind von Burnout gefährdet. Weiter nimmt man an, dass Burnout nicht nur bei Berufstätigen auftritt sondern auch bei Schülern, Hausfrauen, Angehörigen von  Menschen mit chronischen Erkrankungen oder auch bei Menschen die selbst chronische Erkrankungen haben.

Das alles sind Dinge die häufig nicht so bekannt sind, da Burnout oft nur im Zusammenhang mit Erwerbstätigkeit genannt wird

III. Wie kann es zu Depressionen oder
Burnout-Zuständen kommen?

Wichtig ist dass man hierbei zwischen inneren und äußeren Faktoren unterscheidet:
Meistens handelt es sich jedoch um kombinierte – also sowohl innere als auch äußere – Einwirkungen.

Wie kann es aber zu diesen Phänomen kommen?
Innere Ursachen hängen mit der Person selbst zusammen:

    • Einige Menschen zeichnen sich durch eine starke Resilienz / eine Widerstandskraft gegenüber Belastungen aus.
    • Dann gibt es genetische Faktoren – also Erbanlagen. Wir wissen, dass manche Menschen – die bestimmte Erbanlagen haben – ein viel höheres Risiko haben in belasteten Situationen Depressionen zu bekommen.
    • Ganz wichtig ist auch die persönliche Lebensgeschichte:
      • Dinge die wir in unserer Kindheit erfahren haben
      • Erkrankungen körperlicher oder seelischer Natur die mich schon schwächen können

Dazu kommen nun auch noch äußere Faktoren:

    • Häufig steht der Beruf im Vordergrund:
      • Hierzu zählt die Arbeitsquantität: „wenn man zu viel arbeitet“.
      • Sehr oft ist es aber auch die Arbeitsqualität welche die Betroffenen leiden und in eine Art Burnout-Zustand kommen lässt.
    • Die persönliche Lebenssituation:
      • meine engen Beziehungen
      • meine Familie
      • mein Lebensstil / meine Regeneration.

Verdient das was ich in der Freizeit mache überhaupt den Begriff „Regeneration“?

    • Dann noch die pragmatischen Sachen:
      • Die Finanzen. Viele Menschen befinden sich in Notlagen welche einen massiven Stressfaktor darstellen.
    • Und auf der Meta-Ebene:
      • Der Sinn des Lebens: „Was will ich vom Leben und
      • was will das Leben von mir? Warum und wozu bin ich da? Was sind meine Basic Beliefs, Transzendenzien?
    • Unsere Gesellschaft: diese kann sowohl stützend aber auch gefährlich für uns sein wenn uns z.B. vorgegaukelt wird
      • dass wir ständig alle lustig aktiv fit sexy gebräunt, daueraktiv – gleichzeitig aber auch immer entspannt sein müssen.
        Und wer das nicht ist, der ist ein Versager
      • Frauen z.B. wird durch unsere Gesellschaft das Bild einer Mutter projiziert, bei der es ganz normal sei, dass man Kinder und Beruf mit einem Lächeln auf den Lippen schultert.

III. a. Wie kann Stress eine Depression entstehen lassen?

Ein wichtiger Faktor zum Entstehen einer Depression / eines Burnouts ist  „übermäßiger Stress“

Stress für sich genommen ist aber nicht nur ein negativer Begriff. Stress kann auch eine positive  Herausforderung sein. Es sind auch Dinge, welche uns dazu motivieren uns für etwas zu bemühen ein Ziel zu erreichen.

Ist das Ziel dann mal erreicht, dann ist dies die Basis für Glücksgefühle. Unser Glückshormon Dopamin wird vor allem dann ausgeschüttet wenn wir uns für etwas wirklich angestrengt haben.

Man braucht nur mal einen Marathonläufer zu fragen, warum er denn für die 42 Kilometer nicht das Auto nimmt. Die Antwort spricht dann Bände. Das Ziel aus eigener Kraft zu erreichen bringt die Freude.

Dieses sich selbst Bemühen ist ganz wichtig in unserem Leben! Übermäßiger Stress oder Fehlbelastungen jedoch können sehr schädlich für uns sein und kann wie Handschellen wirken, welche man ums Herz trägt

Wir wissen z.B. dass sogar die Wundheilung von Menschen – welche einen Angehörigen mit einer Demenz oder ähnlichen Krankheit – pflegen, messbar langsamer läuft. All das hat massive Auswirkungen – nicht nur auf die seelischen, sondern auch auf die körperlichen Aspekte. 

Wussten Sie, das durch übermäßigen chronischen Stress auch Gehirnzellen richtiggehend absterben? Selbst bei jüngeren Menschen – 40 bis 45 Jährige – kann dies bereits beobachtet werden. Die kommen dann zum Arzt und haben Angst Demenz zu haben, weil sie sich vor lauter Stress nichts mehr merken und sich auch nicht mehr so gut konzentrieren können.

 

Burnout – 8 Kriterien zum Abgrenzen von einer Depression

Der heutzutage inflationär gebrauchte Begriff Burnout wird durch übermäßigen Gebrauch heute regelrecht entwertet. Darum ist es mir wichtig, diesen klar zu erklären und ihn von anderen Diagnosen abzugrenzen.

Es ist eine Tatsache, dass es Burnout gibt, jedoch nicht so häufig wie manche Pseudoumfragen uns weismachen wollen. Aber was ist das eigentlich? Leider können wir für die Kriterien nicht auf den ICD 10 den internationalen Katalog für Krankheiten zurückgreifen. Burnout ist dort noch nicht als eigenständige Diagnose aufgeführt. Wir finden Burnout lediglich unter der Oberbegriff Z73 – Probleme mit Bezug auf Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung. Aus diesem Grunde habe ich folgende 8 Kriterien einmal zusammengestellt, welche in der Praxis am häufigsten zu beobachten sind:

    1. Burnout ist vergleichbar mit einer eine emotionale Erschöpfung

Das heißt, die Betroffenen können keine freudigen Gefühle mehr empfinden. Alles Positive ist weg – das Negative ist jedoch leider immer noch da.

Betroffene sagen häufig von sich:
– „ich fühle mich ausgelaugt / ausgehöhlt oder ausgebrannt“

    1. Burnout geht einher mit einer zunehmenden Leistungseinbuße.

Am Anfang ist diese nicht unbedingt sichtbar. Vielleicht eher als eine zunehmende Ineffizienz. Das heißt, die Leistung / der Input steigt an – aber was am Ende rauskommt wird stetig weniger.

    1. Eine grundlegend negative Einstellung gegenüber den Menschen mit denen man es zu tun hat

Das könnten bei einem Arzt die Patienten seien, bei einem Lehrer die Schüler, bei einem Geschäftsmann die Kunden ect. Auch gegenüber den Angehörigen kann die Haltung immer negativer werden. Ein Lehrer z.B. denkt dann nur noch negativ über seine Schüler und sein Lehrauftrag . Jeder geht ihm – dem Betroffenen auf die Nerven.

    1. Hinzu kommen weitere Begleitsymptome auf der körperlichen Ebene.

Wo genau diese bei jedem Einzelnen beginnen zeigt, wo sein Körper seine Achillesferse hat und besonders verwundbar ist. z.B. beim:

    • Herz-Kreislauf-System
    • die Verdauung
    • chronische Schmerzen
    • andauernde Müdigkeit
    • Tinnitus / Ohrgeräusche
    • häufige Infekte
    • Lustlosigkeit / keine Lust mehr auf Sexualität und
    • Schlafstörungen
    1. Begleitsymptome auf der geistigen Ebene
  • Konzentrationsschwierigkeiten
  • „Ich kann mich nicht mehr entscheiden / habt keine Ziele mehr bin nicht mehr kreativ
    1. Begleitsymptome auf der Emotions- auf der Gefühlsebene

Hier sehen wir häufig eine Mischung aus einer

  • andauernden inneren Nervosität, Unruhe.
  • Gleichzeitig jedoch von einer Stimmungslage begleitet: Ich fühle mich depressiv, antriebslos

Man kann sich vorstellen: das ist schon eine unangenehme Mischung: Vergleichbar wäre es, wenn wir in einem Auto gleichzeitig voll auf das Gas und die Bremse tretenWas wird passieren? Der Motor wird sich aufreiben wobei sich das Auto selber nicht vorwärts bewegen wird.

So ähnlich geht es diesen Betroffenen welche eigentlich innerlich total nervös sind, aber gleichzeitig depressiv oder mit Angst- und Panikzuständen keinerlei Freude und Motivation mehr verspüren. Eine tiefe innere Leere, Selbstzweifel, vermindertes Selbstwertgefühl zieht sich dann durch das Leben.

    1. Begleitsymptome auf der Verhaltensebene
    • Am Anfang gibt es beim Patienten noch vermehrte Aktivität
    • später dann nimmt die Aktivität massiv ab.
    • Suchtverhalten – häufig in Verbindung mit Alkohol – ist zu beobachten.
    • Fehlleistungen bei den täglichen Aufgaben
    • Besonders bei Männern ist die höhere Risikobereitschaft zu erwähnen welche durch Depression / Burnout hervorkommt. Häufiges unkontrolliertes „ausflippen“ wegen Nichtigkeiten. Und auch übermäßiger Sport wird beobachet.
    1. Die Begleitsymptome auf der sozialen Ebene
    • Burnout hat auch starke Auswirkung auf die Angehörigen.  Diese benötigen zu Recht auch eine Selbsthilfegruppe, denn häufig wissen diese nämlich nicht, wie man mit der Situation am besten umgehen sollte. 

V. Ist Burnout und Depression das Gleiche?

Nein! Es ist nicht das Gleiche! Burnout und Depression überlappt jedoch miteinander.

(1) Was sind die Gemeinsamkeiten?

Ein Burnout geht häufig einher mit einer depressiven Verstimmung oder mit Angststörungen. Fast jeder mit einem fortgeschrittenen Burnout hat eine Form der Depression.

Aber es gibt auch umgekehrt Menschen die eher von innen heraus immer wieder depressive Störungen haben. Die dann alles als überlastend empfinden und dann eher sekundär in einen Burnout artigen Zustand kommen.

(2) Was sind die Unterschiede zwischen einer klassischen Depression und einem Burnout?


⇒ (1) Die klassische Depression kann mehrfach im Leben auftreten. Burnout kommt i.d.R. nur einmal.
⇒ (2) Die klassische Depression kommt fast plötzlich, ein Burnout ist ein schleichender Prozess.
⇒ (3) eine Depression kann ohne äußere Einflüsse auftreten. Burnout ist die Erschöpfung aufgrund von Überbelastung welche i.d.R. von Außen auf einen Einfluss nehmen. 

Bei den klassischen Depressionen sehen wir oft mehrfach im Laufe eines Lebens depressive Phasen – über Wochen, manchmal über Monate lang. Diese beginnen innerhalb von wenigen Tagen / Wochen und das oft ohne erkennbaren äußeren Anlass.

Eine spezielle Gruppe sind die, welche eine sogenannte manisch-depressive Erkrankung haben. Das heißt, sie haben immer wieder Phasen von Depressionen, jedoch auch Phasen wo es ihnen viel (!) zu gut geht. Dann haben sie ganz verrückte Pläne, geben Geld aus obwohl sie es gar nicht hätten, tun einfach nur verrückte Sachen und fallen dann wieder in die Depression zurück.

Dies ist wichtig zu wissen, weil dieses Verhalten manchmal einen Burnout vortäuschen kann – ganz speziell wenn diese Phasen nicht so ausgeprägt sind und sich das alles ein wenig subtiler im Verhalten äußert.

In der manischen Phase sind diese Menschen plötzlich überdurchschnittlich aktiv, benötigen nur noch wenig Schlaf und können irrsinnig viel machen.
Dann fallen sie jedoch wieder in die depressive Phase zurück.

Dies alles kann dann sehr schnell als Burnout diagnostiziert werden. Wenn es aber mehrfach im Leben passiert dann kann man dies – nach heutigem Wissen – klar als NICHT BURNOUT klassifizieren, denn ein Burnout kommt schleichend.

Burnout – die schleichende Gefahr, entwickelt sich häufig über Monate und Jahre – das ist der Unterschied zu der klassischen Depression.
Es entwickelt sich vor allem im Hintergrund einer langandauernden überlastenden Situation.

Bei der Befragung von Burnout-Patienten über die Vorgeschichte stellt man meistens fest, dass am Anfang dieser Entwicklung häufig so etwas steht, den wir einen Burnout-Zyklus nennen.

Mit der bekannteste Forscher über dieses spannende Thema Burnout ist Herbert Freudenberger (1926 – 1999). 1974 veröffentlichte er den ersten wissenschaftlichen Artikel zum Thema Burnout und gilt  seither als der geistige Vater dieses Begriffes.

Was berichten nun die Burnout-Patienten über deren Vorgeschichte?

    • Am Anfang stand fast immer eine idealistische Begeisterung für ein Ziel.
    • Damit einher ging ein verstärkter Einsatz für diese Ziele und eine Überidentifikation.
    • Irgendwann beginnen Konflikte verdrängt zu werden (Stufe 4)
    • und man möchte nicht wahrhaben, das sich Beruf, „der Ich-Bereich“ und andere Lebensbereiche nicht mehr vertragen
    • Dinge, welche früher mal wichtig waren werden zunehmend unwichtiger wie z.B. Familie, Freunde Hobbys
    • Werte welche man früher an sich selbst gestellt habe – zum Beispiel ethische Werte – werden in den Hintergrund gerückt.

Besonders ab der Stufe 6 folgt nun ein Punkt welcher problematisch ist – die Verleugnung von Problemen. Dies bedeutet, die Betroffenen wollen oft selber nicht wahrhaben dass sie überhaupt ein Problem haben, obwohl dies durch Angehörige, Kollegen oder evtl. den Vorgesetzten beobachtet wird.

Diese Verleugnung steht hier zwar erst bei Stufe 6, sie findet häufig schon viel früher statt. Zu einer Zeit wo sich der Patient für etwas stark begeistert, sich mit etwas identifiziert und viel Anerkennung bekommt – vielleicht auch in Form einer Beförderung – da ist man noch wie auf Doping und möchte oft nicht wahrhaben dass all dies einem langfristig nicht gut tut

Diese Verleugnung in der Stufe 6 steht eher für eine Hoffnungslosigkeit, also keine Aussicht auf Veränderungen.

Bis zu dieser Stufe sprechen wir von Vorbeugung – das ist noch nicht eine Krankheit. Hier kann man noch selber einiges gegensteuern

    • z.B. durch gute soziale Kontakte oder
    • durch ausreichend Zeit für mich selber
    • Indem ich mit einem professionellen Gesprächspartner (Therapeuten) über meine Probleme / meine Situation spreche und dadurch wieder Abstand zu allem finde.

Schreitet das alles aber weiter voran, so kommen wir doch zunehmend in Bereiche wo erfahrungsgemäß die Betroffenen sich nicht mehr gut eigenständig helfen können.

Stufe 7 und die Folgenden sind ja gekennzeichnet durch Rückzug aus der Umwelt, einer Verflachung des gesamten Lebens
– „Nichts ist mir noch wirklich wichtig – alles ist grau in grau“

Stufe 9 Depersonalisation: dies bedeutet, dass ich das eigene Leben gar nicht mehr selber lebe.

Stufe 10  bis 12 Schwere innere Leere, Depression, Selbstmordgedanken sind alles Gedanken welche vor einem totalen Zusammenbruch kommen.

In diesen späteren Stadien ist es oft auch erforderlich dass man jemanden stationär – auch über längere Zeit behandelt.

Jedoch zeigt die Praxis eines immer wieder deutlich: man kann aus jeder dieser Stufe auch wieder aussteigen. Es gibt hier keine irreversible Stufe – das heißt dass sie nicht mehr rückgängig zu machen sei.

Natürlich ist ein Ausstieg aus Stufe 2 leichter als aus Stufe 10 – aber es geht!

Bei den höheren Stufen benötigt man evtl. die Unterstützung durch Medikamente, oder eine länger andauernde therapeutische Begleitung oder eine längere Auszeit.

Aus all diesen 12 Stufen kann man aussteigen – nur nicht aus der gedachten Stufe 13 – dem Selbstmord.

Der Burnout-Zyklus nach Freudenberger

Nur wer einmal gebrannt hat kann auch sagen dass er ausgebrannt ist.
Das bedeutet konsequenterweise: nicht jeder der das Burnout vor sich her trägt hat auch wirklich Burnout.

Es gab und gibt Menschen welche immer schon überlastet sind – die sich immer vor irgendwelchen Verpflichtungen drücken.

Bei so jemandem sprechen wir dann eher von einer Persönlichkeitseigenschaft. Die Menschen jedoch, welche wirklich Burnout haben sind oft diejenigen welche es gar nicht sagen und nicht vor sich hertragen. Oftmals versuchen sie alles noch weiter zu ertragen – bis es nicht mehr geht.

VI. Unser Herz – ein Indikator für Burnout?

In vielen Fällen kann man heute über eine Analyse des Herzschlags eine Aussage darüber bekommen, wie die Stressbelastung im Organismus ist.

Wir haben hier zwei Parameter welche beide etwas über den Stresszustand des Patienten aussagen und für die Therapie wertvolle Rückschlüsse geben:

    1. Gemessen wird zum einen die Herzratenvariabilität (HRV). Normalerweise sollte sich die HRV während entspannender Phasen erhöhen, zum Beispiel während des Meditierens oder im Schlaf, wenn das parasympathische System dominiert. Das würde bedeuten, dass unser Herz – je ruhiger es ist – umso holpriger schlägt. Abzugrenzen ist dieses natürlich von einer krankhaften Herz-Rhythmus-Störung.

Auf der anderen Seite nimmt die HRV in stressigen Situationen natürlicherweise ab, wenn die sympathische Seite dem Körper hilft, mit den Anforderungen umzugehen.

Ist jemand jedoch chronisch gestresst oder überanstrengt – dann kann das natürliche Zusammenspiel dieser beiden Systeme gestört werden und der Körper verbleibt in einem sympathisch dominierten Stresszustand, mit geringer HRV und erhöhtem Stresshormonlevel und das alles obwohl die Person ruht. Das Herz schlägt vergleichbar wie ein Roboter / eine Maschine und kommt gar nicht mehr in eine ruhigere Phase. Das alles ist logischerweise sehr belastend für den Körper und kann dann zu zahlreichen mentalen und physischen Gesundheitsproblemen führen.

    1. Es gibt neben der HRV noch einen weitern Indikator über die jeweilige Stresssituation des Patienten. Es handelt sich hierbei um die  die Regenerationsfähigkeit des Organismus.

Um diese herauszufinden macht man mit dem Patienten eine Minute lang eine Atemübung. Er muss ganz tief ein- und ausatmen. Typischerweise kommt es beim Ausatmen dann zu einem deutlich langsameren Herzschlag da dabei die Entspannungsnerven (z.B. der Parasympathikus) im Körper aktiviert werden.

Was passiert beim Burnout-Patienten? Bei ihm verändert sich der Herzschlag beim Atmen überhaupt nicht mehr. Das Herz schlägt weiter in dem maximalen Takt – wie eine Maschine / ein Roboter.

Durch diese beiden Messmethoden kann einem Burnout-Patienten nun recht genau gezeigt werden, inwieweit sich sein Körper in einer sympathischen oder in einer parasympathischen Situation befindet. Auf diese Weise können solche Messungen auch gleich unmittelbar in die Behandlung und in eine eventuelle Prävention einfließen lassen.

Kurzer Einschub zur Erklärung: Der Sympathikus (Sympathicus) oder das sympathische Nervensystem ist neben dem Parasympathikus und dem enterischen Nervensystem (Darmnervensystem) ein Teil des vegetativen Nervensystems (auch autonomes Nervensystem genannt).

VII. Innere & äußere Faktoren verursachen Burnout

Sprechen wir hier eventuell von Menschen, welche bereits so etwas wie eine Disposition / eine Neigung zur Überlastung haben? Sind sie vielleicht zu schwach für das heutige Leben?

Oder sind es die bösen Organisationen welche uns alle immer mehr ausbeuten?

Nun, wir alle sind ein Teil dieser Gesellschaft und jeder Einzelne von uns beeinflusst diese durch sein Tun und Handeln.  

Zuerst gibt es mal äußere Faktoren welche Burnout fördern.

    • Der quantitative Faktor: Arbeitsüberlastung und ständiger Zeitdruck
    • Der qualitative Faktor: häufig sind es eher solche Faktoren wie zum Beispiel
      • „ich kann nichts mitbestimmen oder kontrollieren“ (Das Lied der Toten Hosen fällt mir ein mit der Textpassage: „Jeden Tag roboten gehen“)
      • „ich habe das Gefühl nur ein Mitläufer zu sein“
      • Ein Mangel an Anerkennung wenn mir mein Chef keine Rückmeldung gibt und mir zu meiner Arbeit keine Anerkennung gewährt. Vielleicht bin ich Keyaccounter, eröffne für die Firma neue Umsatzkanäle und werde aber nicht in den nachfolgenden Erfolg mit eingebunden.
      • Unfairness, schlechte Gemeinschaft am Arbeitsplatz oder auch Wertkonflikte – wenn die Werte meines Arbeitgebers nicht mit meinen übereinstimmen.

Interessant ist – im Hinblick auf die Stressforschung – dass wir die höchsten Ausschüttungen an Stresshormonen nicht in Situationen vorfinden, wo Menschen besonders viel zu tun haben, sondern wo diese das Gefühl haben

      • den Prozess nicht selbst mit beeinflussen zu können
      • oder das Gefühl hat nur noch mit gefesselten Händen reagieren und nicht mehr freihändig agieren zu können

Da wir dies heute wissen, ist es ein wesentlicher Teil sowohl in der Behandlung als auch in der Vorbeugung den Menschen wieder das Gefühl zu geben ihr eigenes Leben selber gestalten zu können, handlungsfähig zu sein und nicht der Situation ausgeliefert zu sein

Nun gibt es auch innere Faktoren, welche eine Burnout-Neigung erhöhen können.

    • Innere Glaubenssätze wie z.B. habe dass ich Anerkennung immer nur durch maximale Leistung bekommen
    • dass ich nur geliebt werde für Leistung
    • ich muss perfekt sein / darf keine Fehler machen – Perfektionismus in Reinkultur
    • ich muss alles alleine bewältigen und darf niemand um Hilfe fragen.
    • ich muss alles unter Kontrolle behalten
    • Arbeit ist die einzige Quelle für meinen Lebenssinn
    • Durch Daueraktivität lenke ich mich von meiner inneren Leere ab.

Im Grunde genommen ist keiner dieser Glaubenssätze für sich betrachtet schlecht. Wenn ich mich aber nur auf diese konzentriere und nicht mehr sehe für was ich meine Arbeit verrichte, dann komme ich in eine kritische Situation.

Nehmen wir nur mal den Punkt: „Arbeit ist die einzige Quelle für einen Lebenssinn“. Das kann gutgehen – muss aber nicht. Wir kennen viele Menschen welche nur für die Arbeit leben und glücklich sind.

Das gefährliche hieran ist jedoch, dass das System nur auf einem Bein steht und viel leichter kippen kann, wenn z.B. die Arbeit auf Grund von Kündigung, Krankheit ect. wegfällt.

Solche Menschen gleichen denen die an der Börse mit einer Aktie „All-in“ gehen. Das kann gutgehen – muss aber nicht.

VIII. Behandlungsansätze

„Wie kann man glücklich werden?“ Kein Therapeut kann die Frage umfänglich beantworten, wie sie glücklich werden können. Wir alle haben unsere eigenen Rezepte und Strategien. Schauen wir uns einmal die Möglichkeiten an

    • die Medizin. Es ist sehr wichtig, dass bei einem echtem Burnout / einer Depressionen immer auch ein Arzt konsultiert wird, der sich mit dem Krankheitsbild auch auskennt.
      • Diagnose – Worum handelt es sich?
      • Gibt es Krankheiten welche ich ausschließen muss? Es kann gut sein dass ich z.B. durch eine kleine Schilddrüsenüberfunktion nervös bin, andere Hormone sind zu niedrig oder ich habe eine Blutarmut und fühle mich darum immer schwach und matt. Dies muss einfach abgeklärt werden.
      • Wir sind dankbar dass es heute viele wirksame Medikamente gibt. Trotzdem sollte die Frage gestellt werden: Sind diese sinnvoll oder verschleiern sie etwas Tieferes.

Ein Beispiel: Ein Marathonläufer ist total erschöpft und am Ende seiner Kraft. Wenn er nun ein Dopingmittel nimmt um die letzten Kilometer zu schaffen (was natürlich gegen jedes Reglement ist, dies soll nur als Bsp. dafür gelten das man es kann) und er bricht anschließend zusammen dann ist das Ergebnis schlimmer und oft irreversibel als wenn er den Lauf abgebrochen hätte.

Was wäre manchmal besser als ein Medikament? Unter anderem sich darauf besinnen was der eigentliche Grund / die Ursache meiner jetzigen Situation ist.. Durch Schmerzmittel verliert man schnell den Blick auf die Krankheitsursache. Darum sollten Medikamente nur wohlüberlegt eingesetzt werden.

⇒ Wann aber sind Medikamente sinnvoll? Antidepressiva sind teilweise sogar sehr sinnvoll! Z.B. bei einer ausgeprägten Depression um die Schlafqualität, die Stimmung und den Antrieb wieder zu steigern.

Seien wir aber vorsichtig bei abhängig machenden Medikamenten wie z.B. den Schlafmitteln. Diese sollten nur punktuell und wohldosiert eingesetzt werden um den evtl. Schaden gering und den Nutzen möglichst hoch zu halten.

    • Eine psychotherapeutische Begleitung. Wann kann diese Form der Therapie nützlich sein?
      • Bei tiefsitzenden Verhaltens- und Denkmustern. Solche Muster können mich immer wieder in diese negativen Situationen bringen und darum ist es wichtig, sie zu durchbrechen.
      • Traumatisierungen, Verletzungen und Belastungen aus der Vergangenheit.
      • Wenn ich mir nicht erlaube, meine Gefühle wahrzunehmen und sie dann auch zu gestalten.
    • Die positive Psychologie – eine sehr stark auf Lösung und auf rasche Veränderung zielende Beratungsform
      • Es gibt z.B. eine Frage in der positiven Psychologie welche auch als die Wunderfrage bezeichnet wird. „Angenommen heute Nacht während du schläfst geschieht ein Wunder und Deine Probleme wären alle gelöst, oder weg. Woran würden Sie dies nun bemerken? Was wäre anders? Wer würde dies zuerst bemerken?“ Diese Frage von Steve de Shazer lenkt den Fokus auf die Lösung des Problems und auf die Auswirkungen der Lösung. Es geht hier um das Ziel / den Wunsch hinter dem Ziel / dem Wunsch.
      • Anstatt zu fragen: Was ist die Überschrift zu ihrem Problem?“ kann man sich auch fragen: „Was ist die Überschrift zu meiner Lösung?“ ⇒ Ein völlig anderer Weg / Therapieansatz.
    • Die körperliche Ebene: Ich lasse mir körperlich etwas Gutes zu und lerne meinen Körper wieder spüren.

IX. Strategien gegen einen Burnout

Welche Strategien gegen den Burnout kann man empfehlen? Diese Frage ist berechtigt aber in dieser Form nicht korrekt beantwortbar. Warum?

Wenn Sie diese Frage stellen dann wollen Sie für sich (!) als Individuum eine konkrete Antwort erhalten. Ihr persönliches Leben / ihre Lebenssituation ist aber so individuell dass ihre eigene Lösung selbst dem versiertesten Therapeuten oftmals nicht ersichtlich sein kann.

Ein Beispiel: Eine Frau, verwitwet, im Rentenalter und voller Komplexe. Die verschiedensten therapeutischen Ansätzen liefen ins Leere.

Eines Tages war sie jedoch wie verwandelt. Was war geschehen? Man könnte annehmen sie hätte nun einen Partner gefunden, welcher sie nun stärkt – aber weit gefehlt, es war viel simpler.

Sie hatte einige Tage zuvor ihren ersten Whatsapp-Status gepostet und hierfür bei ihren Kontakten viel positives Feedback erhalten. Dies hatte sie so bestärkt, dass sie mit Facebook begonnen hat und eine ansehnliche Follower-Zahl für ihren „Koch-Rezepte-Account“ hat.

Diese Erfahrung ist nun über ein Jahr her und macht einen immer noch demütig. Welcher noch so versierte Therapeut wäre auf die Idee gekommen, einen Whatsapp-Status zu posten? Darum kann kein Therapeut für sich in Anspruch nehmen Lösungen zu vermitteln.

Wenn man aber keine konkreten Lösungswege anbieten kann – was kann man stattdessen tun?

Die meisten der Lösungen unterliegen einem Muster und dieses wollen wir einmal besprechen.

Das Muster der Lösungen – Prioritäten

Welche Ziele in meinem Leben sind für mich wichtig? Hierfür benötige ich Zeit, einen guten Gesprächspartner und etwas Abstand zu dem Problem.

Unser Leben hat 3 große Standbeine

      • Unser Ich
      • Der Beruf
      • Das Soziale Standbein.

Alle drei Strategien sind für sich betrachtet wichtig. Ist Ihnen aber mal aufgefallen dass es für den Beruf sehr viele Stress-Bewältigungs-Strategien gibt (wie z.B. Zeitmanagement, Arbeitsgestaltung, Aus- und Weiterbildung) die sozialen Systeme und das „Ich“ jedoch oft nur wenig bis gar nicht berücksichtigt werden? Dabei ist die soziale Komponente von sehr großer Bedeutung. 

    • Das soziale Standbein Es sind Familie, Freunde, Kollegen. All diese Menschen sind eine wertvolle Hilfe in meinem Kampf gegen eine Überlastung.
    • Ich – Zeit.
      • Hierzu zählt, dass ich mir meiner Grenzen bewusst werde, diese akzeptiere und einhalte.
      • Das ich eine „Ich-Zeit“ / ein Eigen-Leben beginne und mich selbst berücksichtige. Denken wir nochmals an die eben erwähnte Dame mit dem Whatsapp-Status. Sie war immer von außen gelenkt. Lediglich eine kleine Veränderung hin zu einer Selbstbestimmung half ihr, weitere Schritte in die Wege zu leiten.

Diese Ich-Zeit ist ein unschätzbarer Teil in meinem Leben um gegen äußere Belastungen sinnvoll angehen zu können.

Bei den meisten Menschen sehen die Prioritäten leider so wie in dem Bild links aus.

Die Lösungsstrategie lautet daher : Die Prioritäten richtig setzen.

„Wir alle kommen als Original zur Welt und sterben doch nur als Kopie.“ Dieses Zitat wird dem Psychoanalytiker Arno Gruen zugeschrieben. Sein Buch: „Dem Leben entfremdet – Warum wie wieder lernen müssen zu empfinden“ ist in diesem Zusammenhang sehr lesenswert.

Kann man dem Burnout entgehen? Mit dem richtigen setzen von Prioritäten ist man diesem Ziel einen großen Schritt näher gekommen.

Möchten Sie mehr Informationen?

Schauen Sie sich einiger meiner Videos zum Thema Perfektionismus, Burnout, Depression und der Leistungsgesellschaft an.

Über Kontakt können Sie mich gerne zu einem persönlichen Gespräch buchen.

Depression – Fragen und Antworten
Der Perfektionismus und die Leistungs-gesellschaft 
Burnout und chronischer Stress
Was ist Perfektionismus?

Borderline und das kindliche Trauma – Ein Zusammenhang?

Borderline – Welche Rolle spielt die Traumatisierung in der Kindheit?

Kurz auf den Punkt gebracht: Jede Menge! Vielleicht sind Traumen / Traumatas sogar der (!) Grund für Persönlichkeitsstörungen. 

Bei den Befragungen von Borderline-Patienten wurde von diesen schon immer deutlich auf körperliche, psychische oder sexuelle Traumatisierungen in ihrer Kindheit / Jugend hingewiesen.

Bis vor einigen Jahren wurde solchen Aussagen jedoch nur wenig Beachtung geschenkt. Der Zusammenhang zwischen traumatischen Erfahrungen und einer Persönlichkeitsstörung waren in der Vergangenheit noch nicht so deutlich wie es heute ist.
Heute sind die Zahlen jedoch erdrückend deutlich: 

    • 50 bis 80% der interviewten Borderline-Patienten berichten über schwere kindliche Traumen (Hermann, Perry u. van der Kolk 1989) 
    • Bei keiner anderen Persönlichkeitsstörung berichten so viele von sexuellem Missbrauch in der Kindheit wie die Borderliner-Patienten. 

All dies ist Grund genug sich einmal intensiv mit dem Zusammenhang zwischen Borderline und einer kindlichen Traumatisierung auseinander zu setzen. 

Schau dir dieses Thema als Video bei Youtube an
I. Das kindliche Gehirn zum Zeitpunkt der Geburt

Wenn wir das Thema Trauma in der Kindheit besprechen und zeigen dass sich diese von einem Trauma im Erwachsenen-Alter unterscheiden, dann muss kurz gezeigt werden, WARUM dies so ist.

Zum Zeitpunkt der Geburt ist das menschliche Gehirn – im Unterschied zu dem Gehirn fast aller anderen Lebewesen auf der Erde – bei weitem nicht ausgebildet.

Der sogenannte Präfrontale Cortex benötigt noch ca. 18 bis 24 Monate um zumindest größtenteils seinen Aufgaben nachkommen zu können. In diesen ersten beiden Lebensjahren bildet er sich noch und dies tut er auf der Grundlage einer dyadischen Beziehung zur Mutter. Wenn Du etwas tiefer in das Thema einsteigen möchtest so schaue hier meinen Blog an: Die Entwicklungsstufen des Kindes

Wozu dient der präfrontale Cortex überhaupt?
Er ist der Sitz unserer Persönlichkeit und in diesem Bereich werden die unterschiedlichen Prozesse im Gehirn gesteuert. Knapp zusammengefasst: Er ist der „denkende Teil“ unseres Gehirns. Der andere Teil ist der „impulsive Teil“. 

Tiere besitzen nur einen sehr kleinen präfrontalen Cortex. Darum können nur die intelligentesten Tierarten  2 bis 3 Handlungen im Voraus planen, z. B. um an eine Nahrung heranzukommen. Wir werden es also nie erleben, dass ein Hund etwas so Komplexes macht, wie einen Urlaub zu planen und anschließend seinen Koffer packt.

Kommt jetzt eine Stresssituation  / oder eine traumatisierende Situation, dann stellt der präfrontale Cortex den Betrieb ein.  Im Bild sehen wir auch warum, denn es hat etwas mit dem Informationsfluss in unserem Gehirn zu tun:

Eine Information – z.B. von den Augen – geht normalerweise zum visuellen Cortex. Dann wird sie zum präfrontalen Cortex gesendet, welcher nun die Information bewertet und über die beste Reaktion entscheidet. Danach wird die Entscheidung an den motorischen Cortex gesendet, der unsere Muskeln kontrolliert.

Wie funktioniert dies alles bei Stress? 
Dann wird dieser normale Fluss unterbrochen und stark verkürzt. Der präfrontale Cortex wird übergangen, die Information gelangt sofort vom Sinnessystem zum motorischen Cortex innerhalb des “impulsiven” Gehirns. Dies verkürzt die Reaktionszeit unheimlich! Fliegt uns eine Mücke in Richtung Auge reagiert unser Gehirn ohne den Präfrontalen Cortex in einem Bruchteil der Zeit. 

Eigentlich ganz toll! dies alles hat aber einen Haken: Dieser wunderbare Mechanismus wurde nicht für chronische Stresssituationen geschaffen, denen die meisten unter uns heutzutage allzu oft ausgesetzt sind. Wenn wir z.B. in einem stundenlagen Stau stehen und es für eine wichtige Besprechung schon zu spät geworden ist, bedarf es keiner Flucht- oder Kampfreaktion, aber trotzdem ist die Stressreaktion aktiviert.

Je mehr das Gehirn diesem dauerhaften Stress ausgesetzt ist, desto mehr wird der präfrontale Cortex trainiert, sich dauerhaft abzuschalten. Dies wiederum schadet dem Gehirn.

Jetzt kommen wir wieder zurück zu unserem Kleinkind: Je mehr Stress das Kleinkind mit einem noch unausgebildeten Präfrontalen Cortex ausgebildet ist, um weniger wird der Präfrontale Cortex im Laufe der Jahre gebildet und trainiert. Wie wir im weiteren Verlauf sehen werden hat dies Folgen bis ins Erwachsenen-Alter.

II. Was ist ein Trauma?

Die WHO (die Weltgesundheitsorganisation) gibt seit vielen Jahren eine Klassifikation aller Krankheiten und Krankheitsbegriffe heraus, den sogenannten ICD (Internationale Klassifizierung von Krankheiten). Diesen gibt es seit dem Jahr 1900 und befindet sich aktuell in der 10. Auflage. In diesem finden wir auch die objektive Begriffserklärung eines Traumas.

Ein Trauma ist eine Bedrohung der körperlichen Integrität (Unverletzlichkeit).

Was bedeutet diese Begriffserklärung in Verbindung mit Borderline?
Wenn wir diese als einzige Erklärung nehmen, dann müssen wir sagen: „eine Borderline-Persönlichkeitsstörung ist nur selten eine komplexe Traumafolgestörung.“
Warum? Weil eine Entwicklungstraumatisierung (also viele kleine sich wiederholende Formen von körperlicher, geistiger und sexueller Gewalt) welche besonders häufig an Kindern verübt werden, ausdrücklich NICHT in den Traumakriterien des ICD enthalten sind. 

Dies ist wichtig zu beachten, wenn wir über die Heilung von Traumen bei einer Persönlichkeitsstörung sprechen.  

III. Das kindliche Trauma / das Entwicklungstrauma

Leider erleben viele Kinder in der heutigen Zeit starke Traumen welche auch ein Trauma im Sinne des ICD-10 sind. 

Noch trauriger ist aber der Fakt, dass noch viel mehr Kinder heute Entwicklungstraumen in ihrer Kindheit ausgesetzt sind.

Ein Entwicklungstrauma ist Gewalt welche sich in psychicher, psychicher oder sexueller Form immer wieder wiederholt und sozusagen kumuliert. Darin eingeschlossen sind alle Formen von Gewalt – auch die kleineren – aber auch die Vernachlässigung des Kindes.

Diese Form von Gewalt sollten wir sehr ernst nehmen. Sie zu benennen ist jedoch nicht neu. Bereits in den 1960er Jahren wurde durch die sogenannten „Londoner Schule der Psychoanalyse“ auf die Bindungsschädigungen von sich wiederholenden kumulativen Traumen hingewiesen. Besonders Professor Allan Schore möchte ich mit seinen Arbeiten über dieses Thema (Affect regulation and the repair of the selfISBN 0-393-70407-6.)

Was ist das Schlimme an einem Trauma in der Kindheit?

Wir wissen heute, dass das Gehirn eines neugeborenen Kindes zum Zeitpunkt der Geburt kognitiv / sprachlich nur in ganz geringem Umfang ausgebildet ist. Der Bereich des Präfrontalen Cortex muss sich in den ersten ca. 2 Jahren zuerst einmal ausbilden.  Wie reagiert das kleine Gehirn auf äußere Belastungssituationen in dieser ersten Phase des Lebens? Mit Panik und Hilflosigkeit und diese werden dann – wenn sich die Situation immer wieder wiederholt – als neurologische/psychosomatische Reaktion verinnerlicht. 

Es gibt neurophysiologische/-psychologische Erkenntnisse, dass diese „Verinnerlichungen“ im Gehirn auf ganz spezielle Weise gespeichert werden. Aus diesem Grund können sie nicht einfach „wieder gut gemacht werden“ / oder überschrieben werden durch positive Erfahrungen zu einem späteren Zeitpunkt. Hier muss die Psychotherapie helfend eingreifen. 

Weiter fatal ist: Dies alles – die Panikreaktionen und die Hilflosigkeit – sind  Reaktionsweisen, die es dem Betroffenen in der Kindheit ermöglicht haben, traumatische Lebensumstände auszuhalten.
Wir dürfen diese darum nicht einfach als  „Störungen“ oder „Krankheiten“ bezeichnen oder abtun. Sie 

belegen vielmehr ein besonders hohes Maß an Überlebensfähigkeit! Abseits der traumatisierenden Umstände – also im späteren „normalen“ Leben – werden sie jedoch dysfunktional und bringen neues Leid.

IV. Vernachlässigung ist Kindesmisshandlung!

Allein in Deutschland zählten die Jugendämter im Jahr 2018 > 50.000 Fälle von Kindeswohlgefährdung und Vernachlässigung.

In den USA zeigen Studien (Breslau, Kessler et al. 1998) sogar, dass bis zu  5% aller Kinder von Vernachlässigung betroffen sind. Vernachlässigung zählt damit zu der häufigsten Form aller Kindesmisshandlungen. 

Was ist Vernachlässigung?

Unter anderem ist dies eine andauernde „Nicht-Verfügbarkeit“ oder eine dauerhafte „emotionale Abwesenheit der wichtigsten Bezugspersonen“. Zum Beispiel tritt dies auf, wenn die Eltern alkohol-, drogenabhängig sind oder selber unter einer psychischen Krankheit leiden. 

Mittlerweile gibt es immer mehr Studien die belegen, dass eine Vernachlässigung in bestimmten vulnerablen (besonders empfindsamen) Entwicklungsphasen zu schweren Folgeschäden führen kann. Man spricht hier von „toxischem Stress“ welcher später zu einem Dominoeffekt führt. 

Die Angst vor dem Verlassenwerden ist real bei Babys!

Der Versuch: Es wurden Verhaltensstudien mit gesunden Kleinkindern in einer für sie fremden Umgebung durchgeführt. Die Bezugsperson (Mutter) verließ den Raum und umgehend reagierten die Babys mit starker Angst.

Dies zeigt: Verlassenwerden erzeugt eine real existierende Angst!

Was bedeutet dies für die Entwicklung eines Kindes bei dauerhafter Vernachlässigung? Dies schafft für das Kind eine extrem belastende Situation. Das Kind kann nicht in ausreichendem Maße die dringend benötigte liebevolle Spiegelung des Gegenübers empfangen und ein starkes Ich-Bewusstsein aufbauen. Die fehlende Geborgenheit versetzt das Kleinkind in einen andauernden Spannungszustand.
Die Folge: Kinder die über einen längeren Zeitraum solch mangelhaften Entfaltungs- und Entwicklungsumständen ausgesetzt sind können ihre Affekte nur sehr schlecht regulieren und haben ein desorientiertes Bindungsmuster. 
Da sind wir wieder bei den 9 Kriterien eines Borderliners.  

V. Psychische Gewalt an Kindern

Vergleichbar starke Auswirkungen wie die Vernachlässigung haben 
– Anschreien / Beschimpfen / Demütigen / Entwerten

Durch diese Handlungen wird dem Kind / dem Jugendlichen vermittelt er sei ungewollt, ungeliebt, wertlos und voller Fehler.

Eine Therapieform welche bei Borderliner-Patienten seit Jahren effektiv eingesetzt wird ist die DBT – die dialektisch behaviorale Therapie. In dieser werden solche Behandlungsmuster als „Invalidierung des Kindes“ bezeichnet. Solche Kinder sind später als Herangewachsene psychisch „invalide“. 
Vergleichbar mit der Vernachlässigung entsteht zwischen der Bezugsperson und dem Kind durch diese psychische Gewalt eine massive Störung der emotionalen Bindung. 

Die Auswirkungen der Störung zwischen dem Kleinkund und der „Primär-Bindung“ hat Auswirkung auf alle folgenden Bindungen im Erwachsenenalter.!

Typisch sind hier dann eine starke, andauernde Verunsicherung bezüglich des Selbstwertes, der eigenen Meinung und die Unfähigkeit sich abzugrenzen. 
Die Selbstregulation und der Umgang mit äußeren Stressoren ist dauerhaft gestört. 

Wichtig ist: in dieser Zeit des Heranwachsens entstehen dann Störungen in der Persönlichkeit (die Persönlichkeitsstörungen) weil das Verhaltensmuster des kleinen Kindes – was eine Überlebensstrategie war – in das Verhaltensmuster des Erwachsenen übernommen wurde. Hier ist es aber fehl am Platze und führt zu Konflikten in der Umgebung. 

VI. Schwierigkeiten in der Traumatherapie

Die psychotherapeutische Behandlung der Traumen von Borderline-Patienten muss sich einer ganz spezifischen Problematik stellen: 
Wir kennen zwei zentrale Stressbewältigungssysteme beim Menschen:

    1. das Bindungs-Panik-System
    2. das Furcht-Kognitionssystem (Hüther u. Sachsse 2007)

Beide sind beim Borderliner massiv geschädigt – mit welchen Folgen?

    • Ist die Bindungsfähigkeit gestört, dann kann nur schwer eine „Arbeitsbeziehung“ zwischen dem Patienten und dem Therapeuten für eine erfolgreiche Therapie hergestellt werden.
    • Ist das Furcht-Kognitionssystem belastet, kann der Patient in stressigen Momenten nicht mehr klar denken. In diesen Augenblicken kommt es bei dem Patienten zu Intrusionen (Trigger), Flashbacks, Überreaktion und Vermeidungsverhalten.

Mit anderen Worten:

      • Einerseits ist es biologisch nicht möglich zu therapieren (also die posttraumatischen Belastungen zu verringern), wenn der Patient in einen regressiven Angstzustand zurückfällt und in seiner Angst wieder erstarrt. 
      • Andererseits ist es auch unmöglich diese posttraumatischen Belastungen aus der Kindheit ins Bewusstsein zurück zu bringen OHNE die Regression (das Zurückfallen in die Angststarre) angemessen zu behandeln.

Jedoch gibt es neue Behandlungsansätze welche vielversprechend diese Verschränkung der Problematik aufgreifen und angehen. 

Beispielhaft möchte ich hier die EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing“ Methode erwähnen. Die Wirksamkeit solcher Methoden wurde bereits mehrfach nachgewiesen (Sachsse, Vogel, Leichsenring 2006)

Epilog

Traumatisierungen, extreme Formen kindlicher Vernachlässigung und Gewalt sind eng mit der Borderline – Persönlichkeitsstörung verbunden. 

Wenn ein Patient mit einer Borderliner-Persönlichkeitsstörung zusätzlich noch eine komorbide (ein zusätzliches Krankheitsbild) Traumafolgestörung aufweißt, dann kann er von einer psychotherapeutischen Behandlung profitieren, welche gezielt an der Traumafolgesymptomatik ansetzt. 

 

Wenn Sie mit mir über weitere Themen sprechen möchten und ich Ihnen eine persönliche Hilfe anbieten kann, dann zögern Sie nicht, mich unter dem unten angeführten Kontakt anzusprechen. Ich freue mich auf Sie!

 

Schau dir hier meine weiteren Videos über Borderline an

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Diagnose Borderline – Was nun?

Diagnose Borderline – und jetzt?

Fragen und Antworten um eine Persönlichkeitsstörung

Borderline ist eine Persönlichkeitsstörung mit massiven Auswirkungen sowohl auf die betroffene Person selber, aber ganz besonders auch auf die Umgebung.

Erfahrungsgemäß machen darum viele Therapeuten einen großen Bogen um dieses Krankheitsbild „Borderline“. Borderline-Patienten gelten als schwierige,
fordernde, schwer behandelbare und kaum greifbare Menschen. Man sagt, dass 3 Borderliner einen Therapeuten bereits schon an seine psychischen Belastungsgrenzen bringen können.
Psychohygiene und gemeinsamer Erfahrungsaustausch zwischen Therapeuten haben deshalb bei der BPS-Therapie einen sehr hohen Stellenwert.


Was jedoch viele vergessen, ist, dass Borderline-Betroffene uns als Gesellschaft mit ihrer Komplexität,
Individualität und speziellen Art,

    1. wie kaum eine andere psychische Erkrankung, in den therapeutischen Grenzen und Möglichkeiten herausfordern,
    2. uns sehr viele Erfahrungsreichtümer bringen und zu therapeutischem Wachstum anregen.
    3. Wenn wir sie darum ein Stück auf ihrem Lebensweg begleiten dürfen und sie in ihrer Individualität ernst nehmen, können wir viel von ihnen lernen.

Jeder Mensch verfügt über eigene Selbstheilungskräfte und ist Experte seiner selbst. Er bringt bereits das Wissen über die eigene Heilung mit in die Therapie. Als Therapeut hat man nun  die Aufgabe, dieses Wissen an die Oberfläche des Bewusstseins zu bringen, zu reaktivieren, zu fördern und zu verstärken. 

Häufig kann man die ersten Symptome einer Borderline-Erkrankung bereits in der Jugend oder im jungen Erwachsenenalter erkennen:

– Stimmungsschwankungen, 
– Impulsivität,

– selbstverletzendes Verhalten
sind mögliche Anzeichen für diese Störung.

Doch die Borderline-Störung – auch Borderline-Syndrom genannt –  kann sich ganz unterschiedlich äußern wie wir im weiteren Verlauf noch sehen werden. Den einen typischen Borderline-Patienten gibt es nicht.  

Was aber sollte man tun, wenn die Diagnose Borderline im Raum steht? Zuerst empfehle ich, diese „Diagnose“ einmal in Ruhe zu überprüfen und darüber nachzudenken was man nun ändern kann: 

I. Wie glaubhaft ist die gestellte Diagnose?

Diese Frage hat seine Daseinsberechtigung. Denn Persönlichkeitsstörungen nehmen immer mehr gesellschaftlich Überhand, sodass sich andererseits auch immer mehr „Freizeit-Therapeuten“ befähigt fühlen – meistens unaufgefordert – Diagnosen von solchen Störungen über andere zu erstellen. 

Darum möchte ich auf 3 wichtige Dinge hinweisen: 
1. Eine Diagnose sollte immer nach einer professionellen Struktur erstellt werden. 2. Sind die Kriterien nach dem ICD oder dem DSM (beides weltweit anerkannte Kataloge von Krankheiten welche von der WHO bzw. der APA herausgegeben wurde) erstellt und begründet? 3. Hat diese Diagnose ein Facharzt, möglichst ein Psychiater erstellt?

Du siehst hier die 9 Kriterien, nach welchen eine ordentliche Anamnese erstellt wird.
Auch wenn sich dies etwas zu umfangreich anfühlt – eine Diagnose entscheidet über den Erfolg einer späteren Therapie.
Darum muss diese strukturiert und voll umfänglich durchgeführt werden.
Wenn Du Dich über diesen strukturierten Vorgang einer Diagnoseerstellung einmal in Ruhe informieren möchtest, dann findest Du hier mehr Material in meinem Blog: Anamnese – kurz erklärt

Die Kriterien von Borderline:

Borderline ist eine Krankheit, welche genau definiert und von anderen Krankheiten abgegrenzt werden kann. Darum möchte ich diese Kriterien auf der linken Seite nochmals aufzeigen. Diese Kategorien findest Du in dem ICD (dem internationalen Katalog für Krankheiten, herausgegeben von der WHO) unter der Bezeichnung F60.31. Es müssen 5 dieser 9 Kriterien erfüllt sein um von einer Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) zu sprechen.  

Gehe immer zu einem Facharzt um diese Diagnose zu erstellen.

Meine Empfehlung für eine Diagnose wäre hier klar der Psychiater. Er ist ein ausgebildeter und studierter Arzt sowohl für den Geist / die Seele aber auch für den Körper. Im Gegensatz zum Psychologen oder dem Psychotherapeuten darf er auch Medikamente verschreiben. 
Der m.E. größte Vorteil eines Psychiaters ist der, dass er Komorbiditäten finden oder ausschließen kann wie z.B. Suchterkrankungen, Autismus, ADHS  o.ä.

II. Kann Borderline geheilt werden?

Im Gegensatz zu einer Demenz, einer Schizophrenie oder einer anderen körperlichen Krankheit in welcher der Handlungsspielraum stark eingeschränkt ist, ist bei der Persönlichkeitsstörung sehr wohl noch eine Verbesserung möglich. 

Nach heutigem Wissen kann eine Persönlichkeitsstörung jedoch nicht zu 100% geheilt werden. Was aber ist schon 100% normal? Mit diesem Blog möchte ich auch das Denken vermeiden das DIE BORDERLINER krank seien und WIR ANDEREN die Normalen wären gesund.
Der Begriff „Normalität“ sollte immer mit Vorsicht gebraucht werden – ganz bersonders unter psychologischer Sicht. Denn, sind es nicht gerade die etwas „unnormalen“ Persönlichkeiten welche den Blumenstrauß unserer Gesellschaft ein wenig auffrischen? Darum ist m.E. eine 100%ige Genesung auch kein erstrebenswertes Ziel.

Borderline-Patienten können (!) von ihrer Störung jedoch so weit entlastet werden, dass ihr Leid (und auch das der Umgebung) auf ein Minimum reduziert wird.

Wie bei jeder „normalen Krankheit“ sind hier 2 Voraussetzungen von dem Kranken mitzubringen:

    1. Es muss eine Krankheitseinsicht bestehen. Genauso wie jemand mit einem Knochenbruch diesen als solchen erkennt, muss ein Mensch mit einer Persönlichkeitsstörung diese als solche erkennen. Genau hier liegt aber schon das wesentliche Problem: Wer mit einer Persönlichkeitsstörung aufwächst, kann ja keinen Unterschied zu einer ungestörten Persönlichkeit feststellen. Für ihn ist seine Persönlichkeit normal, nur die Reaktion der Umgebung ist nicht normal.
    2. Es muss eine klare Bereitschaft zu einer Änderung erkennbar sein. Der Patient mit dem Knochenbruch muss ja auch zum Arzt / ins Krankenhaus gehen und einen deutlichen Behandlungsauftrag erteilen. Diesen Behandlungsauftrag muss nun der Borderliner selber stellen – nicht seine Umgebung, egal wie sehr sie unter dieser Persönlichkeitsstörung auch leiden mag. Wenn der Borderliner jedoch in seinem Denken verharrt, dass er (!) ja das Opfer seiner Krankheit ist (womöglich sogar stolz auf diese ist) und alle nun auf ihn wegen seiner Krankheit Rücksicht nehmen müssen, dann kann eine Heilung nicht beginnen. 

Fazit: Die Möglichkeit zu einer Heilung ist also da! Die Frage ist jedoch wie tief steckt der Kranke in dieser Störung drin…

III. Warum wird jemand zum Borderliner und ein anderer nicht?

Bei Jedem ist es etwas anderes! Es gibt nicht die eine Ursache für Borderline. Man diskutiert heute immer noch in der Wissenschaft über die Äthiologie (die Herkunft, der Ursprung) dieser Krankheit.  

Wir können heute jedoch 2 Gründe etwas deutlicher hervorheben:

      1. die Traumaätiologie
      2. die Fähigkeit der Spaltung

Fakt ist, das Patienten mit einer BPS (Borderline-Persönlichkeits-Störung) häufig eine Vorgeschichte an körperlicher, psychischer oder sexueller Traumatisierung schildern. Die Prävalenzraten (die Häufigkeit) für schwere kindliche Traumatisierungen liegen nach Studien zwischen 50% und 80%! 
Desweiteren geben diese Patienten häufiger eine Erfahrung von sexuellem Missbrauch in der Kindheit an als Patienten mit anderen Persönlichkeitsstörungen. 

All diese Befunde und Zahlen legen eine Traumaätiologie (durch ein Trauma verursacht) nahe. Zeitweise wurde in der Vergangenheit sogar darüber diskutiert, den Namen Borderline-Persönlichkeitsstörung (BPS) durch den Begriff der „Komplexen Posttraumatischen Persönlichkeitsstörung“ (KPTBS) zu ergänzen.

Begriffserklärung Trauma:

Nach dem ICD10 handelt es sich um eine Bedrohung der körperlichen Integrität. Das bedeutet, die Person hat Angst um Leib und Leben. Sie empfindet dies entkoppelt von der Realität. Das bedeutet, es kann eine kritische Situation vorliegen, muss aber nicht! 

Da sich die meisten der Traumen in der Kindheit des Patienten ereignen, muss logischerweise der o.g. Begriff des Traumas um die kindliche Erfahrung von psychischer Gewalt und Vernachlässigung erweitert werden.

Dies wird von vielen psychoanalytischen Lehrstühlen vertreten wie z.B. von der „Londoner Schule“. Professor Allan Schore begründete den Zusammenhang von Schäden im kindlichen Gehirn welche die sogenannten „attachment Trauma“ oder „relational Trauma“ auslösen. Solche Prägungen im Kindesalter sind bis ins Erwachsenenalter deutlich nachweisbar.

Jetzt wird aber nicht jedes Kind mit traumatischen Erfahrungen zu einem Borderliner… Eine besondere Eigenschaft kommt bei Borderlinern noch hinzu: Die Fähigkeit der Spaltung. 
In meinem Blog: „Was ist diese Spaltung“ gehe ich intensiver hierauf ein. Du findest diesen unter diesem Link: Borderline – Was ist diese Spaltung? Welche Therapie gibt es?

Hier eine kurze Zusammenfassung: Kinder mit der Fähigkeit zur Abspaltung sind in der Lage, z.B. negative und positive Reaktionen voneinander zu trennen und sich nur auf das Eine oder das Andere zu konzentrieren. Wenn ein betrunkener Vater z.B. abends nach Hause kommt und seine Familie beginnt anzuschreien und zu schlagen dann ist dies für das Kind eine lebensbedrohliche Situation und es ist ganz im Trauma des Moments. Wenn der Vater am nächsten Morgen – nun wieder nüchtern – beginnt, sich zu entschuldigen dann würde ein „normaler Mensch“ ihm die rote Karte zeigen, denn er erinnert sich ja noch an den Vorabend. Das Kind mit der Fähigkeit zur Spaltung kann diesen schrecklichen Vorabend jedoch komplett abspalten und sich zu 100% dem Vater zuwenden.
Der Nachteil dieser Fähigkeit ist jedoch: wenn der Vater das nächste Mal bedrohlich daherkommt, dann kann sich das Kind nicht mehr an das Gute erinnern und erlebt das Schreckliche in voller Größe und erlebt eine Todesangst da keine beruhigende Erinnerung da ist um seine Affekte zu regulieren.

Borderliner leiden gerade unter dieser fehlenden Affektregulierung – in großer Wahrscheinlich ausgelöst durch die Fähigkeit der Spaltung. 

IV. Sind Frauen anfälliger, Borderliner zu werden?

Es gibt im DSM eine Einteilung in 3 Cluster / Gruppen von Persönlichkeitsstörungen: 

    • Cluster A: Sonderbar, exzentrisch. z.B. Schizophrenie
    • Cluster B: Dramatisch, emotional. z.B. Narzissmus, Borderline, Histrionische PS (Persönlichkeitsstörung)
    • Cluster C: vermeidende, zwanghafte PS. z.B. Angstneurosen

Borderline gehört zu den Cluster B Persönlichkeitsstörungen, den emotional instabilen Störungen.
Gruppenstudien zeigen von jeher das Frauen eine viel größere Begabung für Emotionen und eine höhere emotionale Intelligenz haben. Grundsätzlich haben Sie mehr Emotionen als Männer und verfügen darum auch über mehr negative Emotionen. 

Dieses Kippen der Gefühle (die Instabilität der Affektregulierung) und das emotionale Schwanken ist prinzipiell eher das, was durch das Weibliche dargestellt wird. Darum könnte man annehmen dass es mehr Borderliner(innen) gibt als Borderliner. Dem ist aber nicht so! Es gibt in etwa gleichviel Männer wie Frauen mit dieser Persönlichkeitsstörung! 

Früher galten junge Frauen als besonders anfällig für diese Störung.
Neuere Untersuchungen weisen jedoch darauf hin, dass die Geschlechterverteilung grundsätzlich ausgeglichen ist.

Warum sind dann aber bis zu 80 % der Patienten in Therapie weiblich? Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich Borderline bei Männern anders äußert als bei Frauen. Männliche Borderliner neigen stärker zu Gewalt gegen andere und landen daher eher in Jugendstrafeinrichtungen als in einer therapeutischen Anstalt.

V. Ich bin Borderliner – Wo kann ich selber in der Therapie ansetzen?

Grundsätzlich ist es schon mal gut, eine Diagnose zu haben! Besonders wenn es sich um eine Persönlichkeitsstörung handelt bei welcher es noch Raum zum Handeln gibt!

Wo fange ich nun als Betroffener an, an meiner Persönlichkeitsstruktur zu arbeiten? Kann ich überhaupt selber etwas machen oder bin ich ausschließlich auf therapeutische Unterstützung von außen angewiesen?

Der effektivste Hebel ist der: Wie gehe ich mit anderen Menschen um…

Wenn ich merke, ich habe jetzt einen Impuls zu einer bestimmten negativen Handlung, dann muss ich dagegen angehen und diesen Impuls mit der Zeit abstellen.

Leider wurde in den vergangen ca. 30 Jahren von Psychotherapeuten der Fehler gemacht, den Klienten zu raten, dass sie auf ihren Bauch und dessen Impulse hören sollten. Dies war ein falsches und gefährliches Denken. Das Bauchgefühl wurde überschätzt und mit der eigenen Identität gleichgesetzt. Der Bauch ist aber nicht unsere Identität sondern diese kommt aus unserem Herzen (Philosophisch) weil wir dort unsere Werte haben und wir uns im Herzen zu einer Handlung entscheiden. 
Der Bauch enthält aber keine Werte. Aus ihm kommen z.B. gute Impulse wie dem Partner treu zu bleiben, andererseits möchte er dass wir die nette Kollegin vernaschen. Oder: wir möchten aus dem Bauchgefühl eine Bikinifigur, die Schokolade aber auch. Diese Widersprüche kommen aus dem Bauch und sind in sich widersprüchlich. 

Die Überbewertung der Psychologen von dem Bauchgefühl hat unsere Gesellschaft in ein Dilemma gestürzt und die Persönlichkeitsstörungen angefacht. 

Was also sollte ein Borderliner (aber auch jeder andere Mensch tun)? Wenn ein Betroffener überhaupt erst einmal merkt, sein Bauchimpuls geht in eine gewisse Richtung die aber nicht mit seinen Werten in Übereinstimmung ist, dann ist er schon einen riesigen Schritt weiter. 

Sich bewusst machen dass der Bauch ein Erpresser ist und einem nicht immer wertvolle Impulse gibt ist der erste Schritt in Richtung Heilung. 

Dies ist zwar noch keine Lösung des Problems, hilft jedoch die dann notwendigen Schritte in die Wege zu leiten.

VI. Wie ernst ist das Suizidproblem im Bereich Borderliner?

Die Zahlen sind hierbei erschreckend hoch. Da man trauriger weise die Patienten postmortum nicht mehr befragen kann ist man hier auf Schätzungen und Vergleiche angewiesen. Durch die Untersuchung von verschiedenen Studien / Statistiken bemüht man sich jedoch, einen halbwegs korrekten Näherungswert für diese Frage zu ermitteln. 

    • In einer Studie von 1991 (Runeson -1991, zitiert nach Grüttert- 2000) fanden Forscher bei einer postmorten Untersuchung von 58 jungen Suizidenten einen Zusammenhang von 33% für eine BPS – diagnostiziert nach DSM-Kriterien. 
    • Die Studie von Gunderson 1984 spricht von einer Quote in Höhe von 75% aller BPS-Patienten welche einen oder mehrere Suizidversuche begehen. 
    • Nach einer Untersuchung von Friedmann 1983 begehen sogar nahezu 100% der Borderliner-Patienten welche zusätzlich an einer komorbiden Depression leiden Suizidversuche. 

Darum sollte man das Thema Suizid immer vordergründig behandeln und auch als Angehöriger ansprechen!

Was kann ich tun, wenn mein Angehöriger BPS-Patient) mit einem Suizid droht?

Zögern Sie bitte nicht und rufen Sie professionelle Hilfe! Bei einer Borderline-Persönlichkeitsstörung in Verbindung mit Suiziddrohungen können Sie nicht adäquat helfen. Hier wird therapeutische Hilfe benötigt. 

Rufen Sie daher sofort entweder die 112 oder die telefonische Seelsorge unter 0800 111 0 111 an. 

Warum sollten Sie die Angelegenheit nicht selber regeln?
Es gibt hierfür 2 unterschiedliche Gründe:
    1. Aller Wahrscheinlichkeit nach haben sie keine Krisen-Interventions-Ausbildung genossen und stoßen damit schnell an die Grenzen ihrer Möglichkeiten. Vergleich: Wenn Sie kein Steuerberater sind, würden sie ja auch nicht die Steuererklärung für andere erstellen – wie viel weniger möchten Sie die Verantwortung für diese Krisensituation übernehmen?
    2. Im Rahmen des Themas Borderliner müssen wir uns klar machen, dass gerade die Menschen mit dieser Persönlichkeitsstörung, eine Suizidandrohung für eine emotionale Erpressung nutzen. Denken Sie bitte immer daran: eines der wichtigsten Kriterien für die BPS ist die paniche Angst vor dem Verlassenwerden. Hierfür wird der Borderliner sprichwörtlich immer wieder an die Border (die Grenze) des machbaren gehen um Sie in der Beziehung zu halten. 

Um die Erpressungsversuche von den richtigen Suizidversuchen zu unterscheiden, sollten sie immer auf einen psychiatrischen Dienst zurückgreifen. 
Anders würde es sich verhalten, wenn Ihr Partner „lediglich“ Depressiv wäre. Bei Borderline sind die Fakten jedoch unvergleichlich kritischer. 

VII. Ist Borderline eine Krankheit der Bauchgefühle? 

Warum solch eine Frage?
Nun, weiter oben habe ich davon geschrieben, dass es gefährlich ist, seine Entscheidung nur vom Bauch zu lenken. „Wie viel Bauch ist daher in Borderline?“ Die Antwort auf diese  zeigt uns auch wie gefährlich Borderline ist. 

Um diese Frage vernünftig zu beantworten schauen wir uns nochmal die Kriterien für eine Borderlin-Persönlichkeitsstörung (BPS) im Einzelen an: 

      1. Ein verzweifeltes Bemühen, reales oder imaginäres Alleinsein zu verhindern. 
        Hier zeigt sich eine Angstphantasie verlassen zu werden. Angst ist ein Bauchgefühl.
      2. Ein Muster von instabilen und intensiven zwischenmenschlichen Beziehungen in Verbindung mit Idealisierung und Abwertung des Partners.
        ⇒ Idealisierung kommt von Verliebtheit. Das ist eindeutig ein Bauchgefühl. Auch bei der Entwertung ist meist wenig Reflexion vorhanden. 
      3. Identitätsstörungen: Eine ausgeprägte Instabilität des Selbstbildes oder des Gefühls für sich selbst.
        ⇒ „Wer bin ich eigentlich?“ Durch dieses „Hin-und-Her“ bin ich auf dem hohen Meer der Emotionen.
      4. Impulsivität in mindestens zwei potentiell selbstschädigenden Bereichen (z.B. Geldausgeben, Sex, Substanzmissbrauch, rücksichtsloses Fahren, Fressanfälle).
        ⇒ Hier ist viel Bauchgefühl vorhanden und wenig Rationalität. 
      5. Wiederkehrende Suiziddrohungen, -andeutungen oder –versuche und selbstschädigendes Verhalten.
        ⇒ Punkt 4 und 5 sind eng miteinander verwandt. 
      6. Affektive Instabilität, die durch eine ausgeprägte Orientierung an der aktuellen Stimmung gekennzeichnet ist (z.B. starke episodische Niedergeschlagenheit, Reizbarkeit oder Angst).
        ⇒ Affekte sind Gefühle und daher ist dieses Kriterium per Definition ein reines Bauchgefühl 
      7. Chronisches Gefühl der Leere.
        ⇒ Definition „Gefühl“ 
      8. Unangemessen starke Wut oder Schwierigkeiten, Wut oder Ärger zu kontrollieren (z.B. häufige Wutausbrüche, andauernder Ärger, wiederholte Prügeleien).
        ⇒ Wut und Ärger sind Gefühle
      9. Vorübergehende stressabhängige paranoide Vorstellungen oder schwere dissoziative Symptome.
        ⇒ Von allen 9 angeführten Symptomen ist diese noch am geringsten ein Bauchgefühl. 

Zusammenfassung:

      • Borderline ist eine Krankheit der Bauchgefühle. 
      • Da es aber genau dies ist, kann andererseits auch entsprechend therapiert werden. (Hoffnung)

 

VIII. WIe Kann ich – auch als Borderliner – lernen, meine Gefühle zu steuern / regeln?

Wir wissen nun, dass es sich bei Borderline um eine Krankheit der Bauchgefühle handelt.  „Welchen Handlungsspielraum hätte ich nun um mich selber therapieren zu können?“

Nun, wir haben ja 9 Kriterien für den Borderliner-Befund weiter oben besprochen.
Es mag sein dass ein Borderliner alle 9 Kriterien pathologisch erfüllt oder nur 5 davon. Manch einer der Punkte sind im Moment noch so festgefahren, wie z.B. die Selbstverletzung, andererseits gibt es aber noch Handlungsspielraum bei der Wut. Und genau an diesem Punkt (wo noch Handlungsspielraum ist) muss man dann in der Therapie / auch in der Selbsttherapie ansetzen.

    • Schritt 1: In meinem Kopf muss ich mir zuallererst eingestehen dass ich Borderline habe!
    • Schritt 2: Bin ich bereit 1. zu sehen was dieses Borderline ist und 2. was es  alles anrichtet? 3. Das dies nicht das ist wie ich andere Menschen eigentlich behandeln möchte weil es nicht meinen Werten entspricht?

Wenn ich diese Offenheit habe, dann ist auch Spielraum vorhanden um die eigenen Gefühle zu regulieren und zu steuern. Am Anfang nur sehr wenig aber es gibt Hilfen – kurzfristige und auch langfristige!

Nehmen wir als Beispiel für eine kurzfristige Regulation meiner Gefühle das 8. Kriterium für Borderline: 
– Unangemessene Gefühle der Wut.

→ Zuerst sollte ich mich fragen: „WANN und unter WELCHEN UMSTÄNDEN kommt diese Wut bei mir auf?“

Was kann ich tun, wenn in mir eine unangemessene Wut hochkommt?  
Viele Betroffene sprechen davon dass die Wut in der Situation von alleine immer stärker wird und man könne ihr gar nicht mehr ausweichen wenn man in der Situation verbleibt.
Mein Rat: Man kann schnell diese Situation verlassen! Und zwar so schnell dass die Wut gar nicht mehr hochkommen kann.
Ein kurzer Gedanke an den Partner wäre noch gut: „Schatz, ich kann meine Gefühle gerade nicht kontrollieren. Lass uns später weiter sprechen damit ich jetzt nicht etwas sage was ich später bereue.“

Solch eine Strategie funktioniert wirklich! Außerdem zeugt diese dann beim Gegenüber von Stärke wenn man sich nicht von seinen Gefühlen übermannen lässt. 

Alles was mit Handlungen (z.B. Wut, Auf- Abwertung, Impulsivität ect.) bei den 9 Borderliner-Kriterien zu tun hat, da hat man in der Therapie viel mehr Handlungsspielraum.

Schwieriger ist es mit z.B. der inneren Leere oder der Identitätsstörung. Wenn man also einen kurzfristigen Erfolg erzielen möchte dann sollte man sich auf die „Handlungskriterien'“ bei der (Selbst)-Therapie konzentrieren. 

Diese „innere Leere“ entsteht zudem eher dadurch, dass man in einer Persönlichkeitsstörung viel stärker um das „eigene Ich“ kreist und sich selbst der Nächste ist. Dadurch gerät der Andere aus dem Fokus und man sieht nur noch seine eigenen Wünsche. Dies muss man ändern! 

Wie kann ich mich ändern um diese innere Leere zu beseitigen?

Viktor Frankl (ein öster. Neurologe / Psychiater) sagte einmal: Wir können unsere Emotion zwar nicht ändern, jedoch unsere Haltung! 
Dies ist die Lehre von der Haltung / dem Habitus / den inneren Werten = „Was für ein Mensch möchte ich sein? Wie möchte ich behandelt werden?“

Interessant ist, wenn man einen Borderliner fragt, dann möchte dieser nie so behandelt werden, wie er andere Menschen behandelt!

Kommen wir darum zurück zu der Frage: Kann ein Borderliner seine Gefühle regulieren? Ja! Zum Beispiel durch die Rückführung von der Frage: Möchte ICH (der Borderliner) so behandelt werden wie ich (wieder der Borderliner) andere behandle?

Letztlich entscheidet das Herz, wie ich handeln möchte. Wenn das Herz sich aber entscheidet, nur aus dem Bauch heraus zu agieren, dann kann man sich nicht wirklich ändern. 

IX. Wie gewinne ich meine Freiheit wieder zurück?
(Teil 1 die Kardinaltugenden)

Borderline ist eine Persönlichkeitsstörung welche den Menschen unfrei macht! Zwänge machen generell unfrei.

Das Ziel einer Therapie sollte es also sein, den Betroffenen in seine persönliche Freiheit zu begleiten. 

Freiheit (lat. libertas) wird in den Nachschlagewerken als eine Möglichkeit beschrieben, sich ohne Zwang zwischen verschiedenen Möglichkeiten entscheiden zu können.
Die wohl stärkste Form von Zwang in der Psychoanalyse ist der Wahn welcher am häufigsten z.B. in der Schizophrenie (F.20 nach ICD) auftritt. 

Wenn das Ziel Freiheit ist, dann möchte ich in diesem Blog einmal 2 unterschiedliche Denkmuster vorstellen um dieser Freiheit wieder näher zu kommen und das zwanghafte, einengende Muster der BPS / der Borderline-Persönlichkeitsstörung hinter sich zu lassen.

    1. Das Denkmodell der Kardinaltugenden (ein etwas philosophischer Weg)
    2. Das Denkmodell vom Kopf-Herz-Bauch (der psychologische Weg)

Schauen wir uns zuerst einmal die Dimensionen der Kardinaltugenden an. Keine Sorge, so altmodisch sich das auch anhört, sie verhelfen jedem Menschen zu mehr Freiheit, was beim Borderliner wohl das wichtigste Ziel sein sollte: Freiheit über seine Zwänge zu erhalten.

Diese Tugenden sind seit dem 5. Jahrhundert v.u.Z. bei den alten Griechen bekannt und wurden von Platon in seinen Schriften übernommen und damit verbreitet. Später hat der Philosoph Josef Pieper (1904 – 1997, dt. Philosoph) diese mit den christlichen Kardinaltugenden von Thomas von Aquin neu definiert. 

Die 4 Kardinaltugenden setzen sich zusammen aus der Gerechtigkeit, der Tapferkeit, dem Maß und der Klugheit. Sie sind extrem wirksame Dimensionen um einer Persönlichkeitsstörung Paroli zu bieten. Lass mich dir erklären warum:

    • Gerechtigkeit: Die natürliche Versuchung eines Menschen ist, zuerst an sich selbst zu denken. Gerechtigkeit bedeutet jedoch alle gleich zu behandeln. Die Gerechtigkeit nimmt meinen Blick von mir weg und sagt: Der Kuchen wird in gleich große Stücke aufgeteilt. Jeder bekommt das Gleiche. 
      Entgegengesetzt zum Darwinismus (ich nehme mir das größte Stück) sagt die Gerechtigkeit: „Ich nehme mir nur das was mir auch wirklich zusteht und meine Umgebung kann sich dann auch auf mich verlassen“ Dieser Denke steht das Bauchgefühl leider oft im Wege. 
      Darum ist Gerechtigkeit eine Hilfe immer wieder zu überprüfen: Entspricht dieser Gedanke / dieser Impuls meinen wirklichen Werten? 

    • Tapferkeit: Tapferkeit bedeutet Aushalten können.
      Das 1. Kriterium der Borderliner-Störung ist ja diese massive Angst, Verlassen zu werden. Da hilft es tapfer zu sein. Tapfer bedeutet nicht, keine Angst zu haben, sondern dieses Gefühl tapfer aushalten zu können.
      Borderliner gehen in ihrer Angst (Verlassen zu werden) so weit, dass sie die Freiheit des Partners so kontrollierend einschränken dass dieser erst recht irgendwann aus der Beziehung ausbricht. 
      Durch die Tapferkeit kann der Betroffene nun jedoch tapfer seine eigene Krankheit sehen. Dies hört sich so einfach an, ist für den Borderliner aber sehr schwer. Ein weiteres dieser Kriterien ist z.B. seine innere Leere. Durch die Tapferkeit kann er diese sehen (wie bei einer Diagnose) und kann dann die Kraft aufwenden gegen die innere Leere anzugehen. Nochmals: sie bedeutet nicht, dass jemand keine Angst hat sondern seine Ängste tapfer auszuhalten. 
    • Maß / Temperantia Hier bekomme ich die höchste Form der Freiheit von meinen Bauchgefühlen! Sie hat viel mit Selbstkontrolle zu.
      Ein Beispiel: ich habe das Bauchgefühl faul im Bett liegen zu bleiben. Ich entscheide mich aber dagegen, weil ich es von meinen Werten her als falsch ansehe den ganzen Tag im Bett liegen zu bleiben. 
      Je mehr jemand diese Tugend anwendet umso leichter fällt es ihm später, diese auch anzuwenden – es wird mit Gebrauch immer leichter.
      Diese innere Freiheit – sich für seine Werte zu entscheiden – ist ganz besonders beim Borderliner eingeschränkt. 
    • Klugheit: Sie wird als die Hüterin / die Leiterin dieser 4 Eigenschaften bezeichnet. Sie hebt den Kopf heraus aus den Gefühlen und koordiniert die anderen Tugenden. 
      Dieses Bild ist bei einer BPS recht gut: Wenn man den Kopf etwas „herausstreckt“ und nun (selbst)reflexiv sich beobachtet: „Wo bin ich nun? Bin ich jetzt in der Wut oder in der Fremdabwertung des Anderen?“ dann kann ich gegensteuern.
      Denn: je weniger ich verstehe warum ich etwas tue, um so stärker tue ich es. Wenn ich es aber verstehe habe ich Mechanismen mein Tun zu kontrollieren.
      Die Klugheit hilft mir mich zu orientieren: Wo ist Norden Süden …. und wo will ich eigentlich hin?

Zusammenfassung: Warum sind diese Kardinaltugenden eine (!) von mehreren guten Möglichkeiten, einer Persönlichkeitsstörung wirksam entgegenzutreten? 

Je mehr man als Borderliner vom Menschsein und von der Borderline-Persönlichkeitsstörung versteht – seiner typischen Tendenz zu handeln – um so leichter ist es auch innerlich NEIN zu seinen Impulsen zu sagen. Umso mehr Freiheit kann derjenige auch entwickeln. 

XI. Wie gewinne ich meine Freiheit wieder zurück?
(teil 2: 
Das Kopf – Herz – Bauch – Modell)

Gehen wir etwas in die Neuzeit der wissenschaftlichen Erkenntnis: 

Dieses Modell vom Kopf-Herz-Bauch wird heute in der Psychologie immer präsenter ist aber im Grunde genommen bereits 2400 Jahre alt. Wir kennen es als das platonische Modell der 3 Anteile der Seele.

Wir kennen alle unsere Bauchgefühle. Die sind heute so und morgen wieder ganz anders. Die Bauchgefühle kommen und gehen. Sie sind unsere Impulse und auch unsere Antreiber. 
Auf der 2. Ebene haben wir unseren Kopf der die Aufgabe hat unsere Bauchgefühle zu beurteilen (ist das wahr / stimmt dieser Bauchgedanke?). 
Die 3. Ebene – das Herz – beurteilt nach meinen Werten. „Entspricht dies meiner Vorstellung von Gut und Böse? Möchte ich so sein und so handeln“ Das Herz ist die Instanz welche dann letztendlich mein Handeln bestimmt. 

Was läuft bei vielen Borderlinern nun falsch?
Sie sagen „das ist mein Bauchgefühl. Ich muss jetzt so handeln“… / „Das fühle ich jetzt und das agiere ich auch aus und es ist mir egal welche Konsequenzen später dabei entstehen.“ 

Das ist komplett falsch! 
Die gesunde Entscheidung zum Handeln kommt aus dem Herzen nachdem ein Abgleich mit dem Kopf und den Werten aus dem Herzen stattgefunden hat. Wenn nun meine Handlung ohne (!) Berücksichtigung von der Kopf-Beurteilung und den eigenen Werten einzig auf den Bauchgefühlen aufgebaut ist, dann kann es nur schiefgehen. Denken wir immer daran: Borderline ist eine Bauchgefühls-Krankheit. 

Das „Durchschalten“ des Bauchgefühls / des Impulses zu einer Handlung ist der grundsätzliche Fehler bei der Borderline-Störung.
Wie sollte man besser vorgehen? Wenn solch ein Impuls kommt sollte man überlegen:

    • ob es vernünftig ist (das mache ich mit dem Kopf) und
    • ob es meinen Werten entspricht (das mache ich mit meinem Herzen) 

Bauchgefühle sind prinzipiell nicht immer falsch! Sie sind aber auch nicht immer richtig. Nur weil sich etwas stark und gut anfühlt muss es nicht stimmen.

Ein Bauchgefühl alleine reicht nicht. Gefühle sind keine Wahrheit! Sie sind heute so und morgen anders – ein flüchtiges Phänomen könnte man sie nennen.
Wir müssen diese Impulse darum immer mit dem Kopf überprüfen und mit unseren Werten abgleichen.
Ein Vergleich: Ich kann meine Zuneigung zu meiner Familie ja auch nicht davon abhängig machen wie ich mich im Moment fühle. Würde ich dies tun, wäre nichts beständig. 

 Zusammenfassung: Es hilft einem Borderliner sehr zu verstehen, dass er im Bauch viele Borderline-Impulse hat die andere Menschen nicht haben – das ist sein Schicksal.

Damit muss ich lernen umzugehen indem ich bei jeder Handlung vorher überlege:
„Ist es vernünftig? Entspricht es meinen Werten? Ist es eine Handlungsmaxime welcher andere auch folgen können (frei nach Kant oder der goldenen Regel)?“


Der Borderliner muss lernen, diese „Reflexionsebene“ einzuziehen, bevor das was im Bauch ist ausagiert wird. 
Andere haben dies in ihrer Kindheit gelernt, der Borderliner muss dies später mit großem Aufwand nachholen.

X. Helfen Medikamente bei Borderline?

Medikamente werden zwar oft eingesetzt jedoch wirken diese bei der BPS selber nicht. 

Zu Beachten ist hierbei aber, dass mit der Borderliner-Persönlichkeitsstörung häufig Begleiterkrankungen auftreten. Bei diesen ist die Medikamentenabgabe vertretbar und auch sinnvoll.

Grundsätzlich gilt (Stand heute) das die BPS eine Domäne der Psychotherapie ist. Wenn Du mehr über diese verschieden Formen der Therapien erfahren möchtest dann schaue bitte auf meine Blog: „Borderline-Therapie ist nichts für schwache Nerven“. Du findest den Link hier: Borderliner Therapie – Nichts für schwache Nerven

Epilog

Wenn man die BPS wirklich loswerden will, kann man gute Ergebnisse erzielen. Voraussetzung ist, dass man (1) sachlich (also ohne Bauchgefühl) an die Sache herangeht und (2) die Kriterien einzeln abarbeitet. 

Der erste Schritt ist die Selbsterkenntnis. Wer immer noch „Stolz“ auf seine Krankheit ist, oder seine Fehler auf die Krankheit abschiebt ist für eine Therapie nicht bereit. 
Natürlich ist dies auch Teil der therapeutischen Arbeit, dem Patienten gegenüber diese Selbsterkenntnis – z.B. mittels der Gegenübertragung in der TFP – zu vermitteln. Wenn aber keinerlei Krankheitseinsicht besteht, hat auch der beste Therapeut keinen Ansatzpunkt für eine Therapie. 

Die Diagnose Borderline ist also ein Anfang zum Guten! Mit dieser Diagnose kann ich anfangen mit einer zielgerichteten Therapie. Diese Therapien werden immer besser und wirkungsvoller! Noch vor 30 Jahren hielt man dieses Krankheitsbild für nicht therapierbar – dies hat sich komplett gewandelt. 

Hast Du weitere Fragen oder möchtest Du von mir in Deiner Therapie unterstützt werden? Dann nutze weiter unten das Kontaktformular. Ich freue mich Dich kennen zu lernen. 
Egal ob Du persönlich Betroffener oder Angehöriger eines Betroffenen bist: es gibt Hilfen!

Darf ich Dich ein Stück Deines Weges hierbei begleiten? 

Schau dir hier meine Videos über Borderline an

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