Ich saß vor ein paar Jahren mal bei einem Zahnarzt und las dort im Wartezimmer eine medizinische Zeitschrift (Wissenschaft und Praxis“).
Ein Artikel fiel mir mit seinem speziellen Thema berufsbedingt natürlich sofort ins Auge: „Worte wie Medizin – Kommunikation mit ängstlichen Patienten“.
Das zentrale Thema in diesem Bericht waren die Suggestionen, also die Beeinflussung des Menschen mit dem Ziel zu einem ganz bestimmten Verhalten oder eine Einstellung zu veranlassen.
Sehr intensiv wurde hier über den Nocebo-Effekt und den Placebo Effekt gesprochen.
Nocebo-Effekt kommt von dem lateinischen nocere = „Schaden zufügen. Ich werde Schaden verursachen.“
Placebo kommt auch aus dem lateinischen und heißt: „Ich werde gefallen“. Es wirkt wie ein Scheinmedikament, weil es häufig keinen Arzneistoff und damit auch keine wirkliche pharmakologische Wirkung haben kann. Aber es bewirkt eine innere Haltung! Eine positive Veränderung des Gesundheitszustandes.
Meine Neugier war geweckt und ich begann mich seitdem sehr intensiv mit der Frage zu beschäftigen, wieso Worte auf unser Gehirn so stark wirken.
In meinen persönlichen Nachforschungen stieß ich dann auf den medizinischen Nobelpreis aus dem Jahre 2000. In diesem besonderen Jahr hatte ihn Eric Kandel erhalten.
Eric Kandel (Jahrgang 1929) ist ein österreichisch, amerikanischer Psychiater, Physiologe, Neurowissenschaftler.
Aufgrund seiner jüdischen Herkunft musste er mit zehn Jahren alleine mit seinem älteren Bruder auf einem Schiff nach Amerika fliehen – seine Eltern kamen erst ca. 1 Jahr später nach.
Dort in den Staaten wuchs er bei seinen Großeltern auf und begann – auf Anraten seines Mentors – Neurowissenschaften und Psychoanalyse zu studieren.
Sein Ziel war es herauszufinden warum Menschen — die an dem einen Tag ganz normal sind dann am anderen Tag ein komplett anderes, sich widersprechendes Nazi–Denken an den Tag legen können.
Was er im Laufe der Jahrzehnte an Antworten herausfand, kann man mit „spektakulär“ kaum besser beschreiben.
Der wohl interessanteste Satz von ihm war und ist:
„Nach diesem Gespräch werden sie und ich ein anderes Gehirn haben als vorher!
Dies kommt dadurch, weil sich Gedanken und Erinnerungen in den Neuronen festsetzen. Anschließende anatomische Veränderungen sind dann das Fundament für die Speicherung von Erinnerungen.“
Früher glaubte man, dass unser Gehirn eine Festplatte sei, wie wir sie auch im Handel heute kaufen können: festgelegt auf eine gewisse Größe.
Wie kam man darauf? Nun, man nahm an, dass die circa 100 Milliarden Neuronen jeweils den Speicher für eine einzelne Informationseinheit darstellen. Eine Zelle speichere ein Bit.
Bei einer Zellenanzahl von 100 Milliarden Gehirn-Zellen spricht man also von einer Speicherkapazität von ca. 100 Gigabit. Das wäre dann weniger als eine PC Festplatte heute speichern könnte.
Wenn dies so wäre, ist der Mensch dann bereits im Hintertreffen, wenn es um den direkten Vergleich mit den aktuellen Speichermedien geht?
Nein, eher das Gegenteil ist der Fall!!! Denn der Mensch kann sich an viel mehr Erinnerungen erinnern als er es mit 100 Giga Bit überhaupt können dürfte.
Kurz zusammen gefasst, was Eric Kandel herausfand:
Das Gehirn kann bis zu 1000 mal mehr (vielleicht sogar noch mehr) an Informationen speichern als man bislang angenommen hatte – wir reden hier von der Möglichkeit, ca. 100 Terrabyte an Daten speichern zu können – und auch das ist nur vage formuliert. Forscher haben sich bereits dahingehend geäußert, dass das Gehirn wahrscheinlich unbegrenzt Daten speichern kann!
Wie kommt man auf solch starke Aussagen? Man hat herausgefunden, dass nicht im Neuron die Informationseinheit sitzt.
Eric Kandels Arbeiten haben gezeigt, dass ein Neuron bis zu 1000 Synapsen bilden kann. Dieses Bilden von Synapsen ist die Grundlage allem Speichern von Informationen.
Wenn das stimmt, was Eric Kandel herausgefunden hat, dann haben wir noch viele Jahre Vorsprung vor dem Computer.
Zu dem gigantisch größeren Speicherplatz als heute handelsübliche Speichermedien bieten, gibt es noch zwei weitere gravierende Unterschiede zwischen dem menschlichen Gehirn und z.B. dem Gehirn aus dem Tierreich:
Menschen haben sprachliche Fähigkeiten an welche die Tiere bei weitem nicht herankommen. Auf der einen Seite sehen wir zwar, wie Delfine, Wale und andere Säugetiere miteinander kommunizieren; auch Vögel singen permanent Lieder. Aber im Vergleich zu den kulturellen Möglichkeiten des menschlichen Gehirns ist das nicht vergleichbar.
Wir Menschen haben eine kulturelle Entwicklung und bauen darauf auf. Das können Tiere nicht bewerkstelligen.
Diese Eigenschaft, sich während eines Gespräches zumindest teilweise in den anderen hineinzuversetzen, ist den Tieren sehr fremd. Man sieht dies ansatzweise nur zum Beispiel bei ein paar höher ausgestatteten Primaten.
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Was passiert im Gehirn beim Lernen?
Eine Nervenzelle besteht aus 3 verschiedenen Teilen
Diese 3 Teile bilden das Neuron. Die Gehirn-Nervenzelle kann im Unterschied zu den anderen Nervenzellen, elektrische Impulse sowol erzeugen als auch weiterleiten.
Der Unterschied von den beiden Fortsätzen ist:
Die Dentriten sind die „kurzen Fortsätze“ des Neurons. Sie empfangen Signale von außerhalb / also anderen Zellen und geben diese in Richtung Zellkörper weiter.
Die Axiome sind die „langen Fortsätze“ des Neurons und leiten die Informationen vom Zellkörper genau in die andere Richtung – raus zu den Endigungen – den Endknöpchen.
Diese Gehirnzelle kommuniziert nun mit anderen Zellen. Nehmen wir mal eine weitere Zelle die von diesem Neuron jetzt eine Informationen erhält.
Zwischen diesen beiden liegt jedoch ein Spalt – die Synapse. Die Synapse ist genau die Stelle, über welche eine Verknüpfung zu einer anderen Zelle besteht um mit ihr zu kommunizieren.
Nun macht sie dies aber nicht mit Hilfe von elektrischen Signalen, sondern indem sie
Warum dies so umständlich bei jeder Synapse passiert, war lange Zeit den Hirnforschern unbekannt. Führt es doch eher zu massiven Verzögerungen in den Datenübertragungen…
Die Forschungen von Eric Kandel haben die Antwort auf diese Fragen gefunden und damit eine Tür von gigantischer Bedeutung in der Hirnforschung geöffnet:
Diese Frage nach dem “Warum gibt es Synapsen?” und „Warum werden Informationen im Gehirn nicht rein elektrisch und damit ökonomischer / schneller transportiert“ wurde eher durch einen Umweg beantwortet.
Eric Kandel Forschungsfrage war nämlich folgende:
Er fand heraus, dass sich die Synapsen bei der Entstehung eines Kurzzeitgedächtnisses anatomisch nicht (!) verändern – ihr Aufbau blieb stets derselbe. Alle Veränderungen beim Nutzen des Kurzzeitgedächtnisses finden nur auf biochemischer Ebene in der Zelle statt.
Wenn man aber durch andauerndes, wiederholtes Training nun ein Langzeitgedächtnis produziert, dann (!) beginnen neue synaptische Verbindungen zu wachsen.
Eine schon vorhandene Synapse
Das ist die strukturelle Veränderung, wenn wir lernen. Das ist LERNEN!!!
Das Kurzzeitgedächtnis ist nur auf die Synapse und ihre chemische Reaktion beschränkt. Beim Langzeitgedächtnis kommt, wie gesagt, auch der Zellkern ins Spiel.
Das „Spiel“ hierbei ist wirklich faszinierend.
Schauen dir das mal in einem 30 Sekunden-Film auf der Seite kurz an.
Hier sehen wir die Boten – RNA, die im Zellkern produziert dann ausgeschüttet und in den Axonen hinunter transportiert wird.
Dieser helle Partikel, der sich das Axon hinunter bewegt, ist ein Bündel von Anweisungen für den Proteinbau.
Die Synapse verwendet dann ihre lokalen Mittel, um ein neues Protein herzustellen.
Ziel dieses ganzen, dieses Transports von Proteinen und Botschaften im Axon, all das hat nur einen einzigen Zweck: Das produzieren von neuen Verbindungen als Endprodukt. Das ist lernen!
All das zeigt, dass wir die Psychiatrie in einem ganz anderen Licht sehen sollten.
Es sind viele Bereiche, die wir ansprechen können: Angefangen vom Umgang Borderline oder einer anderen belastenden Störung, aber auch über Future Faking, Love Bombing und Gaslighting die immer häufiger in unsere Gesellschaft zu beobachten sind.
Ich möchte aber nicht nur über Fragen sprechen, sondern auch praxisgerechte Lösungen anbieten:
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Selten habe ich ein “trocken sachliches Buch” mit so viel Lust gelesen. Antonio Damasio – ein sympathischer Neurowissenschaftler aus Portugal – scheint eher mit dem fMRT als mit seiner nicht weniger sympathischen Ehefrau Hanna verheiratet zu sein. Gemeinsam sind die beiden zeit ihres Lebens der Frage nachgegangen, wie das Fühlen und Denken im Körper entsteht. In seinen Werken zeigt er auf, das die Trennung des Körpers vom Geist nach dem französischen Philosophen Rene Descartes ein jahrhundertealter Irrtum ist.
Tauche in die Forschungen rund um Phineas Gage und Elliot ein, lerne, wie ein somatischer Marker entsteht und wie sich unser Denken und unsere Gefühle vom Proto-Selbst über das Kernbewusstsein in ein Real- oder erweitertes Bewusstsein entwickelt.