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Borderline

Rumpelstilzchen war ein Borderliner!

Rupelstilzchen war ein BorderlinerDieses Störungsbild (ich distanziere mich gerne von dem Begriff „Krankheit“) des Borderliner – Syndroms wurde zuerst 1884 medizinisch erwähnt.

Wahrscheinlich war es aber schon deutlich vorher in der Gesellschaft vorhanden. Denn es wurde von aufmerksamen Menschen und Geschichtenerzählern erkannt und in ihre damaligen Geschichten eingefügt.

Eine der berühmtesten Zusammenstellungen von Geschichten erstellten die Gebrüder Grimm in den Jahren 1812-1814. Die erste Fassung ihrer Sammlung „Kinder- und Hausmärchen“ erschien 1812. Bis 1850 folgten dann noch weitere 5 Auflagen der Sprachwissenschaftler aus Hanau.

Das Märchen von Rumpelstilzchen z.B. hat erstaunlich viele  Parallelen zum Thema Borderline.

Worum geht es in dem Märchen vom Rumpelstilzchen?

Da war ein armer Müller der, anscheinend um in dem Ansehen des Königs wichtiger zu werden, ihm erzählte dass seine schöne Tochter Stroh zu Gold spinnen könnte. Logischerweise wollte der König nun die Tochter sehen und der Müller hat sie ihm dann auch ins Schloss gebracht. Dann sperrt der König das schöne Mädchen in eine Kammer und befahl ihr das dort bereits deponierte Stroh zu Gold zu spinnen. Als kleinen „Motivationsschub“ sagte er dann noch zum Abschied: „Wenn Du es nicht schaffst, dann müsstest Du sterben.“ Das arme Mädchen hatte logischerweise fürchterliche Angst und war komplett ratlos.

Unerwartet erhält sie nun Hilfe durch ein kleines Männchen welches zuerst für kleine Geschenke von dem Mädchen tatsächlich Stroh zu Gold spinnen konnte. Das wiederholt sich ein paarmal bis die Tochter (in der Zwischenzeit hatte sie der König wegen ihres „Reichtums“ geheiratet, kein weiteres Geschenk als Belohnung den Männchen mehr geben konnte. Da verlangt diese Figur als Bezahlung für das Spinnen das erste Kind der ehemaligen Müllers Tochter. Die stimmt in ihrer Not am Ende zu. 

Die Zeit vergeht, die junge Frau ist bereits Königin und bekommt ein Kind. Jetzt fordert das kleine Männchen seinen Lohn: „das Kind“. Die Königin und Mutter möchte ihr Kind jedoch auf alle Fälle behalten und versucht unter ganz viel flehen, weinen und jammern allen möglichen Ersatz dem Männchen anzubieten. 

Wir wissen alle wie das Märchen weitergeht: das Männchen würde nur auf das Kind verzichten, wenn die Mutter ihm seinen Namen nennen könnte. Viele Boten werden jetzt durch das Land geschickt von denen einer ein seltsames Männchen beobachtet wie es schreiend um ein Feuer springt und immer wieder singt: „Ach wie gut, dass niemand weiß, dass ich Rumpelstilzchen heiß!“ Jetzt endlich kann die Königin dem kleinen Männchen Seinen Namen mitteilen worauf er – Rumpelstilzchen – wütend schreit: „Das hat dir der Teufel gesagt, das hat dir der Teufel gesagt!“ Vor lauter Zorn tritt er dann mit seinem rechten Fuß so tief in die Erde, dass er bis zum Bauch in der Erde feststeckt. Rasend vor Wut packt Rumpelstilzchen seinen linken Fuß mit beiden Händen und reißt sich dann selbst mitten entzwei.

Fassen wir dieses Märchen mal ohne Emotionen aus der Analytischen Sichtweise zusammen – die Transaktionsanalyse dient hier als Grundlage

Ganz offensichtlich ist der Hauptverantwortliche dieser Geschichte ein narzisstisch gestörter Vater. Er erzählt dem König von Fähigkeiten seiner Tochter ohne dass diese solch eine Fähigkeit (also Stroh zu Gold zu spinnen) überhaupt besitzt. Der Vater will egoistischer Weise einfach nur sein Ansehen bei dem König erhöhen. Dies ist ein offensichtlicher narzisstischer Missbrauch der Tochter. Wenn dieser Übertreibungs-Missbrauch im Rahmen der Borderlinestörung betrachtet wird, so kann das Spinnen von Stroh zu Gold auch als Erzeugung eine Erektion und damit als sexueller Akt interpretiert werden.

Damit handelt es sich dann folgerichtig um einen sexuellen Missbrauch der im Rahmen der Borderline-Diagnose leider nur allzu häufig anzutreffen ist. Im Rahmen dieses Missbrauchs (egal ob nun durch Übertreibung oder auch durch sexuellen Missbrauch) entwickelt die Tochter eine Spaltung um seelisch zu überleben. Sie spaltet sich einmal in die Person ohne die Fähigkeit (das Mädchen) und dann in die Person mit der Fähigkeit Stroh zu Gold zu spinnen (dem Rumpelstilzchen). 

Das Mädchen erscheint uns nett, hilflos, gut und förmlich den bösen ausgeliefert. Rumpelstilzchen andererseits verkörpert die aggressiven, die bösen Anteile und die autonomen Anteile. (Hier erinnere ich mich an den Film „Twins mit Arnold Schwarzenegger und Danny de Vito) Die Seite mit der Fähigkeit zur (evtl. auch sexuellen) Befriedigung des Königs (also das Rumpelstilzchen) ist dem Mädchen komplett unbekannt. … Abgespalten! Die fremde Seite (das Rumpelstilzchen) fordert sie (das Mädchen) immer wieder auf erkannt, von ihr benannt zu werden. Gleichzeitig ist es sich aber auch sicher darin, von dem Mädchen nicht erkannt zu werden. 

Man könnte dieses Zitat von den Brüdern Grimm („ach wie gut das niemand weiß dass ich Rumpelstilzchen heiß“) auch so umformulieren: „Ach wie gut, dass ich (!) nicht weiß, dass ich auch noch Rumpelstilzchen heiß“. Der verborgene Teil der Persönlichkeit muss zum Erhalt der Spaltung als eigener Anteil dissoziiert / abgespalten bleiben. In vielen Fällen – zum Beispiel bei einer Missbrauch Situation dient diese Spaltung als wichtiger Schutzfaktor! Bei weiterem Interesse zum Thema „Die Spaltung des Borderliners“ schaue dir doch mal das Video unter folgendem Link an: https://youtu.be/6GaPIIuHsJ0

Irgendwann – während der Ehe mit dem König – entsteht dann doch die Fähigkeit des Mädchens zu einer Objekt Beziehung. Und zwar mit dem frisch geborenen Kind. Um diese Objekt-Beziehung kämpfen nun die sich widersprechen Anteile in der Tochter. Beide wollen das Objekt (das geborene Kind) ganz allein für sich. Als das Mädchen diese Beziehung jedoch gegen jegliche Erwartung aufrecht halten und für sie kämpfen kann entwickelt sie nun eine Objekt Konstanz.Durch diese Objekt-Konstanz wird es ihr endlich möglich,

(1) den anderen abgespaltenen Anteil zu erkennen 
(2) und auch zu benennen.

Als der Tochter am Ende klar wird, dass beide Teile (das Mädchen und das Rumpelstilzchen) eigentlich nur eine einzige Person sind, nämlich sie selbst und sie den anderen, den bösen Anteil nun auch identifizieren kann, begehrt der böse Anteil wütend über diese „Entartung“ auf um sich am Ende selbst zu zerstören.

Jetzt nehmen wir uns das Märchen mal in der Urfassung vor.

Es gibt dort tatsächlich einen kleinen aber wichtigen Unterschied: Nicht der Bote, sondern der König höchstpersönlich (!) entdeckt im Wald das Rumpelstilzchen, berichtet der Königin von diesem kleinen Wesen was in ein Feuer herrum springt und ständig schreit. Er beschreibt es als ein „gar zu lächerliches Männchen“.

Die Königin enttarnt dieses Männchen und

  • dann schreit das andere Ich: „das hat dir der Teufel gesagt!“,
  • Läuft zornig weg
  • und kommt nie wieder zurück.

Das Happy End ist in dieser Ur-Version wirklich gelungen: Mit ein klein wenig Phantasie erkennen wir, dass die Dissoziation beendet ist und dann nun – über eine tragfähige Beziehung zwischen König/ Mann und Vaterfigur – eine Integration stattgefunden hat.

👉 Die Abwehrmechanismen

In diesem Märchen (jetzt sind wir in der Gebrüder-Grimm-Fassung)  lassen sich die typischen Abwehrmechanismen welche wir bei einer Borderline-Störung sehen gut erkennen:

      1. Die Spaltung (in die „gute“ Tochter und das „böse“ Rumpelstilzchen.
      2. Die primitive Idealisierung des Rumpelstilzchen, dem die Tochter nur wegen eines einfachen Versprechens („Ich kann Stroh zu Gold zu spinnen“) – also etwas vollkommen Unmögliches zu machen ohne jeden Zweifel / Widerstand ihren Schmuck gibt.
      3. Eine projektive Identifizierung (der Tochter/Königin mit ihrem Kind – angedeutet dadurch, dass die „schöne Tochter“ ein „schönes Kind“ zur Welt bringt.
      4. Das Omnipotenz-Gefühl. Nachdem die Tochter den Namen vom viele mächtigeren Rumpelstilzchen erfahren hat, spielt es sogar mit seinem Namen:
        „Heißt du Hinz?“
        Und genauso verschwendet auch das Rumpelstilzchen voller Allmachts-Phantasie keinen Gedanken daran, am Ende vielleicht doch noch erkannt zu werden.
      5. Die Entwertung: Das „Alter Ego Rumpelstilzchen“ entwertet die Tochter voller Omnipotenz-Gefühl indem es singt: „Heute back ich, morgen brau ich, übermorgen hol ich der Königin ihr Kind.“
      6. Die Verleugnung der Gefahr durch das Rumpelstilzchen. Zum Beispiel durch das Vergessen von dessen Forderung an das Mädchen, ihm später das (zu diesem Zeitpunkt noch ungeborene) Kind zu geben.

„Ach wie gut das niemand weiß…“:

Die Existenz der Borderline – Störung wird heute immer noch in Fachkreisen häufig geleugnet oder als Begriff für „eine einfach nur undefinierbare Störung der Psyche“ vollkommen falsch verwendet. Auch in der Forschung gibt es im Zusammenhang mit Borderline-Störung leider nur wenige Untersuchungen.

      • Wie z.B. die Frage nach der Epidemiologie
      • oder der Borderline-Störung im Alter.

Und das alles, obwohl diese Studien heute dringender nötig sind als je zuvor. Vielleicht hängt dies auch damit zusammen dass bei der Borderline-Störung die Abwehr, welche die gestörten Patienten oft bei der Umgebung auslösen (der Ausdruck der Gegenübertragung) auch für die Mediziner und all die anderen Therapeuten gilt.

Ein kleiner Exkurs: was ist eine Gegenübertragung? Übertragungen sind Projektionen biografischer Emotionen – also das, was ich in meinem Leben biografisch einmal erlebt habe – es ist eine Übertragung / Projektion vom Patienten auf den Therapeuten.

Die Gegenübertragung ist genau das gleiche, jedoch aber in umgekehrter Richtung: Es ist die Projektion von biografisch (selbst-) erlebten Emotionen vom Therapeuten zurück auf den Patienten.

Weiter zu den Ebenen der Abwehrmechanismen: Selbst die Patienten (nicht wie eben gerade besprochen nur die Umgebung) wehren sich oft mit Händen und Füßen

  • gegen die Integration,
  • gegen eine Erkenntnis das es zwischen dem „gut“ und dem „böse“/ also zwischen einem „Schwarz und Weiß“ immer noch Grautöne und Zwischentöne gibt.

Patienten mit der Borderline – Störung wollen ihre Therapie sehr häufig an dem Punkt abbrechen

    • wenn ihre Probleme schonungslos / offen benannt werden
    • und sie nun vor dem Punkt stehen, dass diese gezielt therapiert werden.

Dann ist für Sie der Moment gekommen, um zu sagen: „ach wie gut, dass niemand weiß…“

Borderline – Die Symptomebene:

In dem Märchen lassen sich auch auf der Symptomebene viele Hinweise auf die Borderlinestörung finden. Immer wieder geht es ja um den Begriff: „Ach wie gut, dass niemand weiß…“

      1. da ist diese diffuse Angst vor dem Unbekannten
      2. Auf der strukturellen Ebene finden wir die Abwehr durch Verleugnung (als das Kind geboren wurde hatte sie Rumpelstilzchen bereits vergessen).
      3. Da ist die Abwehr gegen die Aufhebung der Spaltung.
      4. Primitive Idealisierung
      5. Projektive Identifizierung
      6. Verleugnung /Entwertung
      7. Ein Omnipotenz-Gefühl.

Die Analyse eines Märchens wie zum Beispiel dass das Rumpelstilzchen ist typisch für die Methodik der Transaktionsanalyse. Möglichst frei von Emotionen wird ein Vorgang so betrachtet wie er eigentlich stattfindet und in seinen Bestandteilen (Reiz/Reaktion) einander zugeordnet. Wie spannend so etwas sein kann, möchte ich dir auch mit dem Video beschreiben welches du unter dem Link auf der rechten findest: Du magst erstaunt sein wenn du den Titel hörst: „Das böse Rotkäppchen und der gute Wolf.“ Lass dir dieses Video nicht entgehen und schau es mit einem kleinen Schmunzeln in Ruhe an.

Borderline Therapie? Lassen Sie uns miteinander ins Gespräch kommen. 

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