Der Borderliner – Sein zerstörerischer Einfluss auf die Umgebung

Der Borderliner – sein zerstörerischer Einfluss auf die Umgebung

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Was passiert, wenn ein Borderliner in eine vorher funktionierende Gruppe eintritt?

Diese Gruppe können Schulklassen sein, Arbeitsteams, Krankenhäuser, Sportvereine und so weiter.

Mit diesem Beitrag  möchte ich typische Verhaltensmuster und Krisenmuster zwischen Gruppen und einzelnen Patienten (Borderline Patienten) darstellen.

Lass mich das folgendermaßen beschreiben:
Borderline Patienten können durch die Aktivierung alter Objektbeziehungsmuster und Abwehrstrategien innerhalb der Gruppe deren

      • unverarbeiteten Konflikte und
      • primitiven Beziehungsmuster – wie sie in der Jugend (Adoleszenz) vorherrschten – wieder auslösen.

Das oft sehr aggressive Auftreten eines Borderliners entspricht einer gehemmten, abgewehrten und darum hoch ansteckenden unterschwelligen aggressiven Dynamik innerhalb der „alten“ Gruppe. Es öffnet sozusagen „alte Wunden“ bei der Gruppe.

Häufig beginnt sich dann eine Kollusionen zu bilden. Eine Kollusion kann man am besten mit dem Bilden von kleinen Gruppen vergleichen. Die eine Gruppe wird aktiv indem sie ihre eigenen alten Themen ausagiert und die andere steht fast ohnmächtig daneben und muss diese neue Situation akzeptieren.

Gibt es eine Möglichkeit solche Dynamiken

      • zu verstehen?
      • Zu analysieren?
      • oder zu einer gemeinsamen Gruppenhaltung zurück zu finden?

Ja, das gibt es! Aber zuerst einmal: Warum diese Frage?
⇒ Weil, wenn der Borderliner die Gruppe mit seinen unreifen Verhalten beeinflusst, dann kommt es zum allgemeinen Stillstand jeglicher Entwicklung. …
Der Sportverein kommt nicht vorwärts, in der Familie dreht man sich im Kreis, im Betrieb wird keine sinnvolle Arbeit geleistet.

Und was passiert bei dem Borderliner? Während seine Umgebung gelähmt ist (da sie von den unverarbeiteten Aspekten des Borderliners infiziert wurde und eigene ungelöste Themen der Vergangenheit sie blockieren,) kann der Borderliner in aller Ruhe seine alten und vertrauten Beziehungsmuster fortsetzen anstatt sich in der neuen Gruppe neu zu entwickeln.

Da es viele Gruppen in unserer Gesellschaft heute gibt wie zum Beispiel

        • Schulklassen, Sportvereine, das Arbeitsumfeld, private Freundschaftsgruppen

möchte ich das Krisenmuster und den Umgang mit Borderline Patienten einmal aus der Sicht derjenigen Gruppe von Personen beschreiben, die sich ursächlich am häufigsten hiermit beschäftigen müssen – dem Klinik-Personal.

Wir können  die Art und Weise jedoch, also dieses Handlungsmuster, auf jede andere Gruppe in unserer Gesellschaft übertragen.!

Was sind die Handlungsmuster von Borderline Patienten in einer geschlossenen Gruppe?

1.1. Regression und Erlösungshoffnung
1.2. narzisstische Verführung und Gegenübertragung 
1.3. Gruppendynamik und regressive Gruppenprozesse

Zuerst einmal ein Fallbeispiel anhand deren wir die Situation am besten beschreiben können:

Auf einer Station in einer Klinik gab es einen Borderline-Patienten, mit dem Therapieauftrag:
– seine sozialen Anpassungen zu verbessern um später wieder normale Beziehung zu unterhalten und eine normale Arbeit aufzunehmen.

Der Patient hat dann auf der Station ein Verhältnis mit einer anderen Patientin angefangen und dies auch dem Therapeuten offen kommuniziert.

Der Therapeut (eigentlich ein sehr erfahrener Therapeut) hat später in einer Teambesprechung diesen Fall geschildert und für den jungen Mann Partei ergriffen.
Schließlich sei er ja ehrlich gewesen und hat offen ihm diese Beziehung geschildert. Der Therapeut hatte das Gefühl, dass der Patient nun eine wichtige Erfahrung durchmacht und schlug vor, diese Beziehung zu dulden – auch wenn ihm das ein wenig Bauchschmerzen bereitet.

Die Stationsregel besagt nämlich, dass Patienten während eines Aufenthaltes keine (sexuelle Beziehung) zu einem mit Patienten unterhalten sollen.

Was war jetzt die Folge bei der Teambesprechung? Das Team zeigt sich – wie erwartet – gespalten in zwei Gruppen:

      • einige Mitglieder sind der Meinung des ersten Therapeuten und man könnte mit dem Patienten eine Ausnahme machen.
      • Die andere Hälfte hat den Eindruck dass dieser Grenzübergriff des Patienten zu einem bestimmten Verhaltensmuster des Patienten gehört. Durch seine Kleidung, seine Körperhaltung und die Art und Weise wie er sein Zimmer mit Zeitungsausschnitten tapeziert zeigt, dass er immer wieder aufs Neue Grenzen überschreiten möchte.

Das ist eine typische Kollusion 

Nun  befindet sich die Gruppe  in einem Dilemma:

    • entweder gegen die Regel-Verletzung des Patienten einschreiten … Dann stünden sie aber wie ein Tyrann gegenüber einem einzelnen ohnmächtigen Opfer (der Patient)
    • Oder sie lassen sich vom Patienten tyrannisieren und werden selbst ein ohnmächtiges Opfer (jetzt als gesamte Gruppe.)

Solch eine Beziehungsfalle ist typisch bei der Behandlung von Borderline Patienten. Er spielt hierbei unterschiedliche Anteile (unverarbeitete Anteile) innerhalb (!) des Teams gegen sie untereinander aus.

Dies geschieht sehr virtuos – ähnlich wie es auch ein kleines Kind versucht, Elternteile gegeneinander auszuspielen.

Was passiert nun bei dem Betreuungsteam im Krankenhaus (aus dem Beispiel)? Es bewirkt, dass sie eigene Adoleszenzanteile von Teammitgliedern (diese Lust am Regelbruch und an der Provokation)  billigen und sogar fördern.

Schnell kann eine Kollusion beobachtet werden (Gruppenbildung).: Ein Teil der Gruppe beginnt nun eigene unfair arbeitete aber vorhandene Themen aus ihrer Jugendzeit auszuagieren während andere Teile der Gruppe eine Ohnmacht dabei empfinden da sie nun mit ansehen müssen wie die Gruppe gespalten wird.

Noch mal die Frage von vorhin:

Gibt es denn eine Möglichkeit solch eine Dynamik

      • zu verstehen
      • Zu analysieren und
      • Zu einer gemeinsamen Team-Haltung zurück zu finden?

Denn, wenn die Gruppe dies nicht erreicht, dann kommt es zum Stillstand einer therapeutischen Entwicklung:

      • Der Borderliner bleibt fest in seinem Verhaltensmuster stecken und
      • das neue Team, die neue Gruppe steht wie gelähmt da weil sie von den unfair arbeiteten Aspekten des Patienten infiziert wurde und eigene ungelöste Themen nun die Arbeit blockieren.

Wer das verstanden hat, weiß warum Borderliner ihre Umgebung so häufig in Probleme stürzen:

      1. Der Borderliner steht in einer Problembehandlung auf einer frühen unausgereiften Stufe. Diese Stufe ist so unausgereift dass man das sogar als Krankheit bezeichnen kann. Nun kommt er zu einer neuen Gruppe die wir mal als normal bezeichnen. Trotzdem hat jeder normale Mensch auch Anteile in sich die selber noch unausgereift sind, jedoch nicht so stark wie bei einem Borderliner.

2. Der Borderliner schafft es nun durch seine Handlungen, genau diese unreifen Persönlichkeitsanteile von uns zu aktivieren (oder von der Umgebung).

Schauen wir jetzt im weiteren Verlauf einige Muster an, anhand denen wir erkennen können wie ein Borderliner sich selber im Weg steht und anderen in der Umgebung Probleme bereitet.

Das Muster der Krise mit einem Borderliner

1.1. Regression und Hoffen auf Erlösung

Wie läuft es normalerweise ab, wenn jemand neu in eine fremde Umgebung kommt? Dann ist die natürliche, erste Reaktion der Gruppe einem Neuankömmling wohlwollend entgegen zu treten.

Er kann sich sozusagen erst einmal „fallen lassen.“

Bei Menschen mit einer Angsthaltung oder einer neurotischen Haltung ist dies auch sehr gut, um die Abwehrstrukturen etwas zu lockern und einen Zugang zu den Menschen zu erhalten.

Bei Borderline Patienten kann das gleiche Angebot (Regressionsangebot) jedoch eine Illusion von einer völligen Versorgung und die Gefahr einer Fragmentierung der Ich-Struktur fördern.

Das ist ein wichtiger Aspekt im Umgang mit einem Borderliner! Nochmals: die haltende Umgebung fördert eine Regression –  damit ist ein Zurückfallen in früherer Verhaltensweisen gemeint.

Bei jemanden der eher neurotisch durch das Leben geht kann sich der sichere Zustand wieder einstellen als er von seinen Eltern gehalten wurde. Das ist gut!

Bei einem Borderliner kommt aber wieder der alte Zustand seiner frühsten Kindheit zum Vorschein wo er immer hin und her gependelt ist zwischen dem Zustand des Seins und dem Zustand der Vernichtung.

Ich möchte ermuntern mein Video hierzu zu betrachten: „Wut oder Angst – was treibt den Borderliner an?

Für einen Borderliner besteht das eigene ICH in der Regel aus zwei Bildern die voneinander abgespalten sind.

Das eine Bild entspricht dem eines hilflosen Kindes und das andere dem eines allmächtigen Guten oder allmächtigen zerstörerischen selbst.

Kommt ein Borderline Patienten in die Klinik / in eine neue Umgebung passieren in der Regel drei Schritte:

(1) Zuerst wird in der Klinik der Therapeut / oder in einer neuen Gruppe der wahrscheinliche Anführer, zwangsläufig als derjenige wahrgenommen der mit „magischen allmächtigen Qualitäten“ ausgestattet ist und allein sein Kontakt mit dem Patienten kann schon eine Heilung bewirken ohne dass der Patient irgendetwas dafür tun müsste. ... „Das ist natürlich Quatsch, aber so ist das in seiner Vorstellung“.

(2) Irgendwann später wird dem Patienten jedoch klar dass er sich in seiner eigenen Vorstellung getäuscht hat. Dann wendet sich der Patient voller Wut von seinem Objekt dem Therapeuten ab. Hat aber nun selber Angst davor dass das Objekt (der Therapeut) ihm gegenüber nun schlecht eingestellt ist.

(3) dann wird sich ein neues Objekt gesucht und mit ihm die gleiche Erfahrung aufs Neue wiederholt wird – so als hätte er vorher diese Erfahrung nie gemacht. 

Kommt ein Borderliner also in eine stark haltende Umgebung (wie zum Beispiel in einer therapeutischen Klinik) wird diese Illusion der Hilfe durch eine symbiotische Verschmelzung mit dem Therapeuten oder einem vermeintlichen Anführer ständig neu provoziert und ständig neu enttäuscht. Ein Teufelskreislauf kommt dadurch ins Leben

Hört sich das alles kompliziert an? Ganz bestimmt! Wir müssen aber bedenken, dass dies die traurige Realität für viele Borderliner ist! Wie er hier aus diesem Hamsterrad wieder heraus kann, werden wir gegen Ende des Artikels besprechen.

1.2. die narzisstische Verführung des Borderliners.

Die Regression ist vielleicht etwas kompliziert beim ersten Mal zu verstehen. Etwas leichter wird es mit der narzisstischen Verführung und der Übertragung auf ein Gegenüber.

Jeder von uns trägt gewisse Anteile von Nazismus in sich. Es gibt in der ersten Stufe des jungen Lebens den gesunden Narzissmus welcher sich dann über die „Du-Beziehung mit der Außenwelt  zu einem gesunden Narzissmus mit der Umgebung entwickelt (S.Freud / M.Buber)

Der überwiegende Teil der Menschheit –  und ganz besonders Personen in helfenden therapeutischen Berufen (ich denke jetzt an eine Klinik) – besteht aus Personen / Mitarbeitern welche sich selbst als sensible, sorgende und wohlwollende Personen sehen würden.

Dahinter liegt die logische Annahme, dass ein Patient durch eine haltende Haltung

        • wieder Vertrauen ins Leben finden kann und durch stützende Kontakte
        • sein eigenes Selbstbewusstsein stärken und entwickeln kann
        • dass er sich mit vorher abgelehnten Anteilen in seiner Person wieder versöhnen und dadurch wieder auf den Weg der Heilung gehen kann.

Das ist ein ganz normaler Behandlungsverlauf wie er bei neurotischen Patienten, Angstpatienten und anderen grundsätzlich auch richtig ist.

So vorzugehen, kann aber bei Patienten mit einer Borderlinestörung genau das Gegenteil hervorrufen: es kann dazu führen, dass ein Borderliner sein Gegenüber als allmächtigen und allwissenden Helfer betrachtet („so wie mit Ihnen konnte ich noch mit keinem anderen Menschen reden“).

Was ist oft die Folge? So von Lob überschüttet kommt ein (unerfahrener) Therapeut oder jeder andere „normale Mensch“ auch, in einen narzisstischen Sog wenn er von seinem Gegenüber dermaßen über die Gebühr bevorzugt und ausgezeichnet wird. Das kann auch dazu führen dass ein Therapeut sich innerlich vom Rest der Therapeuten-Gruppe entfernt und allmählich seine vorherige Objektivität bei der Behandlung seines Borderline-Patienten verliert. Damit verliert er aber auch die Möglichkeit, seinem Patienten in seiner Krankheits-Situation zu helfen!

So langsam schnappt dann eine Falle zu:

(1) Wenn der Therapeut wieder in die Objektivität wechseln möchte, könnte das den Patienten ärgerlich machen und das Risiko kommt auf, diese spezielle Beziehung zu verlieren.

(2) Noch größer ist das Risiko dass der Therapeut seine eigene Vorstellung verlieren könnte ein warmer und allmächtiger Heiler zu sein – allmächtig ist er natürlich nicht, er bekommt dieses Gefühl nur von dem Borderline Patienten suggeriert.

(3) Was ist jetzt die Folge im Außenverhältnis zu der Gruppe? Dies führt zu einer Spaltung des Teams: die Einen wollen verständnisvoller sein und die Anderen wollen engere Grenzen setzen.

Ganz allgemein führen diese vier Schritte zu immer mehr Abwehrmechanismen zwischen Patienten und Mitarbeitern (Therapeuten).:

      1. Verführung
      2. Verletzter Narzissmus
      3. Abwendung des Patienten
      4. Zunahme von Machtkämpfen

Was aber hat ein Borderliner davon, dass er permanent diesen Prozess von Verführung und Machtkampf aufrecht hält? Wenn wir uns die Kriterien des Borderline es noch einmal anschauen dann ist Das siebte Kriterium: chronisches Gefühl der Leere.

Durch die permanenten Verführungen und Machtkämpfe erreicht frt  Borderliner zwei Ziele:

(1) er bleibt im Kontakt mit seiner Umgebung und

(2) kann eine genauere Untersuchung seines tiefen Gefühls der Leere durch seine Umgebung verhindern.

Mit welcher Berechtigung führt er diese Machtkämpfe? Für einen Außenstehenden ist das alles doch völlig widersinnig.

Er begründet diese Machtkämpfe damit, indem er behauptet seine Umgebung hätte ihn in seiner Überzeugung getäuscht. Seine Umgebung hat ihm Dinge versprochen die Sie nicht erfüllt hat. Als Konsequenz davon fühlt er sich nun enttäuscht und fühlt sich im Recht dazu seine Machtkämpfe anzufangen.

Dies ist häufig aber so spontan und widersinnig das dies der Umgebung gar nicht auffällt. Sie kann sich kognitiv nicht so schnell auf diese Tatsachen konzentrieren

      • dass solch ein Versprechen nie ausgesprochen wurde
      • sondern das all das lediglich dem Wunsch des Borderline-Patienten entspricht.

Durch die narzisstische Verführung und Gegenübertragung verfügt der Borderline Patient über eine ganz spezielle Fähigkeit, seine Umgebung in einen magischen Denkkreisel hinein zu ziehen und durch diesen zu einer Realitätsverzerrung in der gesamten Umgebung beizutragen.

Falls du Asterix Leser bist dann erinnere dich einmal an das Buch „Streit um Asterix“ mit der Handlungsfigur des Destructivus welcher immer nur Zwietracht säte.

1.3. Gruppendynamik und regressive Gruppenprozesse

Die zwei besprochenen Punkte bis jetzt waren:

1.1. die Regression welche durch eine schützende Umgebung verursacht und von Borderliner ausgenutzt wird.

1.2. Der narzisstische Sog welcher ein ganzes Team, eine ganze Gruppe spalten kann.

Jetzt, im Punkt 1.3. geht es ursächlich darum, wie die neue Umgebung geleitet, geführt und ganz besonders: organisiert ist. Daraus ergeben sich viele interessante Wechselwirkungen mit dem Borderliner Patienten.

Ich spreche in diesem Artikel beispielhaft über die Situation, dass ein Borderliner Patient in eine Klinik kommt und dort behandelt wird.
Deine Aufgabe – lieber Leser – ist es, diese Gedankengänge auf deine persönliche Umgebung zu übertragen.
– Bist du in der Schule und hast jemanden der immer Streit verursacht?
– Bist du auf eine Arbeitsstelle und hast du jemanden der Streit verursacht
– oder gibt es den einen Zwietracht säenden in deinem Freundeskreis?

Für all diese Rahmenbedingungen ist dieser Artikel gedacht!

Versetze ich jetzt einmal die Situation: Ein Borderline Patient kommt neu in eine stationäre / klinische Therapie. Er wird dort auf drei Rahmenbedingungen stoßen:

(1) Die Klinik kann aufgrund ihrer Aufgabentätigkeit (Patienten zu heilen) nur wenig klare Rollen, Regeln und Normen haben. Da, wo Menschen behandelt werden, ist man umgeben von Einzelfällen und völlig individuellen Rahmenbedingungen. 

(2) Der Borderliner, kann sich jetzt in dieser neuen Umgebung nicht mehr auf seine normalen sozialen, familiären und beruflichen Rollen zurückfallen lassen die zuvor seine Identität in der Vergangenheit gestützt haben.

(3) aufgrund seines Naturells nimmt der Borderliner nun in dieser stationären Umgebung viele verschiedene neue Beziehungen auf – und dies führt zu einer weiteren Destabilisierung seines Gleichgewichtes.

Viele neue / und verschiedene Objektbeziehungen sind aber Gift für einen Borderliner. Warum ist dem so?

(1) Ein Borderliner hat ein deutlich niedrigeres Strukturniveau. Dies ist kein Vorwurf sondern bezieht sich auf das Kriterium Nr. 2 und Nr. 3 eines Borderliners (nach DSM 5)

      • Kriterium Nr.2: ein Muster von instabilen und intensiven zwischenmenschlichen Beziehung. Ein Wechsel zwischen Idealisierung und Abwertung.
      • Krierium Nr. 3: die Identitätsstörung. Eine andauernde Instabilität des Selbstbildes oder das Gefühl für sich selbst.

Hierdurch gelangt er extrem schnell zu neuen Bekanntschaften die aber ihrerseits nur sehr oberflächlich aktiviert werden.

Und die Formel lautet: je mehr oberflächliche Beziehungen, umso pathogener wird der Konflikt in der Beziehung (1) zum Selbst (2) zu den Mitbewohnern und (3) zu den Therapeuten.

Das Pathogene in diesen Beziehungen zeigt sich durch

    • infantile Abhängigkeitswünsche
    • heftige Ängste vor Verfolgung und Vernichtung,
    • primitive Abwehrmechanismen zur Bewältigung dieser Ängste wie z.B.
        • Spaltung, Verleugnung und Projektive Identifizierung.

Wir besprechen ja hier in dem Punkt 1.3. die Struktur der neuen Umgebung. Welche Dynamik entstehen durch die Organisation der neuen Umgebung?

Je weniger strukturiert die neue stationäre Umgebung ist (und das trifft auf viele psychiatrische Kliniken zu)
desto stärker ist das Potenzial dass die Patienten in Regression geraten.

Andererseits: Es gibt auch erfolgreiche Kliniken!
Diese zeichnen sich durch ein hohes Maß an klaren Strukturen, Anforderungskatalogen für Mitarbeiter und Patienten und einer schnellen Integration des Patienten in einen festen Tagesablauf aus. Das stabilisiert einen Borderliner wirklich!

1.4. die drei Grundannahmen

Bislang haben wir in den obigen Punkten darüber gesprochen, dass Rahmenbedingungen das Regressionspotenzial von einzelnen Menschen fördert.

Es gibt aber auch Prozesse und Rahmenbedingungen welche ganze Gruppen von Personen wie zum Beispiel Patienten und Therapeuten in der Gesamtheit erfassen können.
Solch eine Gruppendynamik nennt man „Grundannahme

Eine Grundannahme ist nichts Kompliziertes. Es entspricht nur einer allgemeinen Annahme für eine Gruppe nach der sie ihre Handlungen ausführen. „Ich nehme an, also tue ich. / Wir nehmen an, also tuen WIR“

Welche drei Annahmen können nun in den Gruppen aktiviert werden?

1.4.1. die Abhängigkeitsgruppe

Die Gruppenmitglieder binden sich in eine Abhängigkeit von einer einzelnen Person, einem so genannten Anführer welchem sie zutrauen dass er mehr Fähigkeiten hat als sie. Dieser Führer kann ein Gruppenmitglied sein aber auch ein Teamleiter oder Gruppenleiter, also irgendeine andere Person.

In dieser Dynamik geben die Gruppenmitglieder ihre eigenen Selbststeuerungsfähigkeiten auf und projizieren die Fähigkeit zur Erfüllung ihrer Wünsche nach Rettung, Ernährung und Schutz in den Führer.

Natürlich ist das Quatsch! Und diese Figur kann die „magischen Erwartungen“ logischerweise nie erfüllen. Was passiert dann? Dann schlägt die Erwartungs- und Unterwerfungshaltung regelmäßig in Wut und Aggressivität gegen diese Führer-Person um der nun entwertet, bekämpft und in der Fantasie vernichtet wird. Vielleicht wird er auch durch einen neuen Führer oder durch eine neue Grundannahme in der Gruppe ersetzt .

Kommt Dir das eventuell bekannt vor? Das Kriterium Nr. 2 bei Borderline Persönlichkeitsstörung ist: „ein Muster von instabilen und intensiven zwischenmenschlichen Beziehungen. Ein Wechsel zwischen Idealisierung und Abwertung.“

Bitte bedenke hierbei, dass so etwas auch bei Nicht-Borderlinern im alltäglichen Leben immer wieder stattfinden kann. Bei der Borderline Persönlichkeitsstörung ist dies jedoch sehr deutlich vorherrschend – praktische ein Erkennungs-Kriterium!

1.4.2. die Kampf-Flucht-Gruppe

Diese Gruppe verbindet sich gemeinsam gegen einen Außen-Feind. Dieser Außen-Feind vereint die Gruppe vorübergehend so dass sie entweder gemeinsam in einen Angriff oder gemeinsam in eine Flucht gehen. Das, was die Gruppenmitglieder miteinander teilen, ist eine gemeinsame paranoide Wahrnehmung.

Hier sind wir bei Kriterium Nummer 9: Die vorübergehende, stressabhängige paranoide Vorstellung oder schwere dissoziative Symptome.

1.4.3 die Paarbildungsgruppe

Diese 3. Gruppe gleicht der der Gruppe Nummer 1 in fast allen Bereichen. Der einzige Unterschied: die Gruppe projiziert ihre Wünsche und Sehnsüchte nicht auf eine einzelne Person, sondern auf ein Pärchen (meist heterosexuell). Von ihm wird erwartet, dass es alle Probleme der Gruppe lösen könnte. Aber auch diese Erwartung wird häufig recht schnell enttäuscht und führt dann dazu, dass die Gruppe ihre eigene Grundannahme ändert.


Was haben diese Grundannahmen mit unserem täglichen Leben und ganz besonders mit dem Umgang mit einem Borderliner Patienten zu tun?

Für das tägliche Leben kann man sich folgendes merken:

Je unstrukturierter eine Gruppe in sich ist – und je weniger präzise Aufgaben definiert sind, desto stärker werden genau diese drei Grundannahmen im täglichen Leben aktiviert. 

Dies findet man in Familien vor, im Kindergarten in der Schule überall wo Menschenansammlungen stattfinden. Und meistens gehen diese auch ganz ordentlich vonstatten und es passiert nichts Negatives.

Nun sprechen wir aber über das Verhalten eines Menschen mit einer Borderline Persönlichkeitsstörung. … Ein Mensch mit einer Borderline Persönlichkeitsstörung reagiert besonders sensibel auf unstrukturierte Gruppen und aktiviert umso massiver deren Grundannahmen.

Am aller häufigsten entsteht die Dynamik einer Abhängigkeitsgruppe (1.4.1.) mit den entsprechenden Wünschen an eine Person (in der Klinik ist dies meistens der Therapeut). 

Werden die Hoffnungen und Wünsche, die in den Therapeuten gesetzt werden enttäuscht schlägt die Stimmung oft um in eine Kampf – Flucht – Gruppe (1.4.2.) und die Gruppe der Therapeuten (!) wird dann zum bedrohlichen Außenfeind der nun die Gruppe der Borderline Patienten miteinander vereint. 

In solch einer Situation werden Borderline Patienten schnell zu Oppositionsführern da sie eine hohe Bereitschaft zu einer paranoiden Wahrnehmung und zusätzlich noch ein hohes Aggressionspotenzial haben.

Genau hier haben wir das Problem: durch die paranoide Wahrnehmung und des hohen Aggressionspotenzial sind Borderline- Patienten sehr häufig ganz weit vorne damit, Streit und Aggression mit anderen Menschen auszuleben! Das ist das ursächliche Problem einer Borderline Persönlichkeitsstörung !!!

Was ist die beste Methodik wenn in einer Gruppe solch eine Borderline Aktivität zu spüren ist? Soll man sie laufen lassen? Oder soll man eingreifen?

Klare Frage, klare Antwort: Das Aufdecken solch einer Dynamik führt dazu dass die Gruppe fast immer ihre Arbeitsfähigkeit zurückerlangt und sich wieder auf ihre eigenen Fähigkeiten besinnt.

Wird nicht eingegriffen, kann in diesem Umfeld (wir sprechen hier ja immer noch von einer Therapieklinik) eine lähmende und destruktive Atmosphäre entstehen in der dann diese Spannungen ausagiert werden durch Suizide, Schlägereien und Missachtung sämtlicher Regeln von oben.

Der haltende Charakter einer stationären Psychotherapie kann also die Pathologie von Borderline-Patienten verstärken anstatt diese aufzulösen.

Aber nur Regeln und Gesetze sind auch nicht richtig. Ein gewisses Maß an Regression ist nämlich die Grundbedingung dafür dass ein Patient seine abgespaltenen und unbewussten Objekt-Beziehungsmuster auch wieder darstellen und erleben kann.

Ein Übermaß an Regeln und Vorschriften und ein distanziertes Verhalten der Therapeuten (um regressive Entwicklungen zu vermeiden) hätte die Konsequenz:

        • dass eine Diagnose nur schwer möglich ist 
        • das Bearbeiten der Pathogenen Konflikte überhaupt nicht mehr möglich ist
        • und der Patient im besten Fall lediglich in die Normen der Station reingepresst wird.

Das Reinpressen hat aber keinen therapeutischen Wert! Wir kennen das von der Kindererziehung: nur harte Gesetze lassen das Kind sich auch nicht entfalten. Und groß ist der Unterschied zwischen Schule Kindergarten Familie und einer Therapie mit Borderline Patienten nicht. Es geht immer darum, ein ausgewogenes und der Situation angepasstes Maß sowohl an haltenden Rahmenbedingungen und festen Regeln zu beachten und aufzustellen.

Kapitel 2 – Wie können Krisen in Gruppen gelöst werden?

Nehmen wir uns noch mal das Musterbeispiel von Anfang zur Hand: der junge Mann hat sich über gewisse Regeln hinweg gesetzt und die Gruppe der Therapeuten war gespalten. Der eine Therapeut sagte man sollte etwas offener damit umgehen und die andere Gruppe sagte „Nein sein gesamtes Verhalten ist destruktiv und gegen alle Regeln“.

Wie wurde diese Situation in dieser Klinik gelöst?

Ganz am Schluss wurde der Chefarzt als Außenstehender befragt. Er war ganz erstaunt von der Gedankenlosigkeit der Gruppe die dem Patienten wie ein Schaf zur eigenen Schlachtung hinterher gelaufen ist.

Er fragte in die Runde: „was war eigentlich ganz am Anfang der therapeutische Auftrag des Patienten?“

Der ursprüngliche Auftrag war es nämlich, dem Patienten zu helfen sein Beziehungs- und sein Sozialverhalten zu verbessern. Jetzt fiel es den Therapeuten auf dass das Verhalten des Patienten den bewussten Behandlungsauftrag komplett im Widerspruch stand und das Team erlebte am eigenen Leibe durch seine Provokation, seine Entwertungen wie er die Therapie gefährdete und die Arbeitssituation torpedierte.

(1) Der erste Schritt muss nun sein: die Therapeuten müssen dem Patienten ein eigenes Verständnis über sein Verhalten geben (offene Worte)

(2) um im zweiten Schritt dann die Grenze von ihm einzufordern damit überhaupt noch eine Chance bleibt, ein beziehungsförderliche Sozialverhalten zu erlernen.

Eigentlich ganz einfach! Ein Kind welches „bockig“ ist, bekommt ja auch in einem vernünftigen Maße von seinen Eltern Grenzen gesetzt damit es dann sein Sozialverhalten verbessern kann. Nochmals: Schule, Kindergarten, Arbeitsumfeld und Therapie von Borderliner haben viele Überschneidungen.

Schauen wir uns nun drei Schritte an wie eine Krise in der Therapie oder in dem Umgang mit einem Borderliner gelöst werden kann.

2.1. Das Containing / die Emotions „Black-Box“

Das so genannte Containing ist mit das Wirksamste was in der Therapie mit einem Patienten getan werden kann. Ein Patient hat ein unerträgliches Leiden und möchte davon erlöst werden.

Jetzt vergleichen wir den Patienten mal mit einem hilflosen Baby:

Die Mutter eines kleinen Kindes nimmt die Affekte / die Reaktionen des Babys (Hunger, Angst, Unzufriedenheit) welche das Baby im ersten Moment selber noch nicht verarbeiten kann als projizierte Elemente in sich auf (das ist das so genannte Containing).

Sie als Mutter verarbeitet diese jetzt stellvertretend für das Baby. Dies ist ein emotional – kognitiver Prozess in welchem die Mutter den geistigen Zustand des Babys nacherlebt, ihn bedenkt und dann in eine Erwachsenenhandlung oder in ein erwachsenes Verhalten zurück überführt.

Zum Beispiel kann das Schreien des Babys die Mutter dann zum Füttern, zum Halten des Babys oder einfach mit dem Baby agieren motivieren.

Das Baby, welches noch nicht diese emotionale kognitive Kapazität von seiner Mutter hat kann sich aber mit diesem Containment / das Halten der Mutter voll identifizieren und auf diese Art und Weise selbst diesen Verarbeitungsprozess erlernen.

Jetzt übertragen wir das mal in die Psychotherapie.

Containing zeichnen in der Psychologie den Vorgang in denen der Therapeut die Projektionen eines Patienten erst mal aufnimmt – ohne die eigenen Emotionen dort hinein zu tragen.
Im zweiten Schritt verwandelt der Therapeut diese Informationen die den Patienten ja noch unerträglich sind in etwas erträgliches und gibt es ihm in einem dritten Schritt zurück.

Containing ist fast schon psychotherapeutische Verdauungsarbeit von unerträglichen Gefühlen – anstatt diese unerträglichen Gefühle welche vom Borderliner Patienten ausgesendet werden unreflektiert wieder zurück zu senden. Das Gegenteil wäre das Spiegeln der Gefühle.

Der Patient nimmt sein Gegenüber (den Therapeuten) als eine Person war, welche es schafft mit den eigenen unerträglichen Gefühl fertig zu werden. Dies hilft im Borderliner nun, sich mit seinem Gegenüber zu identifizieren.
Und dadurch kann es dazu kommen, dass der Patient nach und nach die Fähigkeit selber entwickelt unerträgliche Gefühle selber in etwas Erträglich zu verwandeln und dann auch auszuhalten. Einen solchen Vorgang nennen wir den Begriff der „Ich-Stärkung“

Diese „ich – Stärkung“ ist auch sehr notwendig wenn wir uns wieder einmal den Borderline Kriterien zuwenden.

Das Kriterium Nummer 3 lautet ja: Identitätsstörung: eine ausgeprägte und andere unter Instabilität des Selbstbildes oder des Gefühls für sich selbst.

2.2. Das „offene System“

Als offene Systeme können wir sämtliche Organisationen bezeichnen wie zum Beispiel Betriebe, Sportvereine, Schulen, und Kliniken die – um lebensfähig zu sein, oder eine Aufgabe durchzuführen – mit ihrer Außenwelt permanent in einem Austausch stehen müssen.

Praktisch alles auf dieser Welt ist im Endeffekt ein offenes System. Es muss nur funktionieren! Bei einem Betrieb sind es zum Beispiel Rohstoffe die reinkommen, die dann verarbeitet werden und dann als fertiges Produkt an den Kunden in der Außenwelt verkauft werden.

In einer Klinik wären die Rohstoffe die behandlungsbedürftigen Patienten. Die werden jetzt therapiert und am Schluss als geheilt entweder entlassen, verlegt oder weiter vermittelt.

Jedes offene System kann durch seine primäre Aufgabe definiert werden: das ist der Zweck der Organisation. Bei einem Betrieb kann es zum Beispiel Herstellung und Verkauf von Produkten sein. Bei einer Klinik die Behandlung von Patienten, im Kindergarten das Beschützen und in der Schule das Vermitteln von Lerninhalten an die Schüler.

Dieses offene System kann sowohl auf Gruppen, Organisationen und Gesellschaften angewendet werden aber auch auf einzelne Personen.

Unser ICH ist auch eine Steuerungsfunktion – ein offenes System.

Die Ich-Funktion vermittelt zwischen der äußeren und der inneren Welt und definiert eine Grenze zwischen innen und außen. Wie ein Manager steuert er es und diese Steuerung des Ichs wird in der Adoleszenz, in der Jugendzeit erlernt.

Ist jemand psychopathologisch krank so ist diese Steuerungsfunktion des ICH´s  komplett zusammengebrochen, mit den Folgen:

(1) damit können keine realitätsgerechten Beziehungen gestaltet werden und
(2) die Befriedigung von Bedürfnissen des Patienten (also seine primär Aufgabe) ist gefährdet.

Jetzt kommt der Therapeut ins Spiel:

Die Aufgabe eines Therapeuten ist vergleichbar mit der eines Beraters für ein Unternehmen. Die wichtigsten Aufgaben eines Firmenberater sind:

(1) die Organisationsstruktur in der Firma wieder herzustellen. D.h. also die Steuerungsfunktion wieder einrichten. 
(2) Den Betrieb wieder in eine Situation zu bringen dass er selbst geleitet und eigenständig fortgeführt wird. Für unser Beispiel, dass das ich wieder die Fähigkeit hat die Leitung über den Patienten selbst zu übernehmen.

Was macht die Arbeit mit einem Borderliner so schwer?

Das Verhalten eines Borderliners ist häufig geprägt von

(1) einem gestörten Verhalten und 
(2) einem starken psychischen Schmerz.

Diese zwei Phänomene lösen in der Regel in der Umgebung starke kollektive Abwehrdynamiken aus.

Die drei Gruppen der Abwehrdynamiken sind:

(1) eine kollektive Verleugnung von solch schweren Störung 
(2) eine stark haltende und versorgende Dynamik (die Mutter-Seite)
(3) eine rigide und strafende Haltung. (die Vater-Seite)

Es ist ganz klar, dass sich diese drei Dynamiken gegeneinander ausschließen. Es kann entweder nur das eine oder das andere getan werden.

Dabei ist die Lösung recht einfach: es sind lediglich zwei Faktoren zu berücksichtigen

(1) Das Beachten der Grenzen 
(2) eine effektive Ausübung der Steuerungsfunktion an den Grenzen

Nehmen wir wieder das Beispiel der Klinik:
– wenn eine Gruppe untereinander klare Richtlinien hat, Grenzen beachtet und in sich klare Steuerungsfunktionen beachtet – 
dann kann ein Borderliner Patient dies als Modell für den Umgang mit seinen eigenen Steuerungsfunktionen an seinem eigenen ich und seinen eigenen ich –Grenzen übernehmen

Welche Grenzen könnten zum Beispiel einen Borderliner gesetzt werden? In einer Therapiegruppe kann das zum Beispiel sein

    • die Aufrechterhaltung des Rahmens für die Therapie (Zeit Ort Dauer und Art der therapeutischen Arbeit.) Das ist nichts anderes als Grenzen setzen. 

Versucht der Borderliner die Grenzen seiner Umgebung zu torpedieren muss die Umgebung (die Therapeuten) wieder die zwei Schritte anwenden:

(1) offenes Ansprechen des Verhaltens 
(2) Das Einfordern von Grenzen und respektieren dieser Grenzen.

Es ist egal ob die Grenzen durch eine Klinik, eine Familie, einem Fußballverein oder in der Schule gesetzt werden – Borderliner wachsen in der Regel in einer Umgebung auf die es Ihnen in der Jugendphase nicht ermöglicht hat, Grenzen für sich selbst und andere zu erlernen und zu respektieren.

Dieses 2–Schritte–System hilft einem Borderliner dabei, seine eigenen Grenzen wieder zu stabilisieren und seine eigenen Steuerungs- und Leitungsfunktionen selber wieder aufzunehmen.

2.3. Die Wichtigkeit von Hierarchien!

Zwar kann eine ständige Regelverletzung von einem Borderliner als diagnostisch–therapeutisches Problem angesehen werden … aber (noch wichtiger) stellen solche Regelverletzungen eine Gefährdung des Gesamtsystems dar.

Werden einem Borderliner keine Grenzen gesetzt, kann dies das gesamte System gefährden! Und hier spreche ich nicht nur von einer Klinik, sondern auch von einer Familie, Schule, Arbeitsplatz und dem geliebten Sportverein.

Was sind richtige Grenzen?

Grenzen werden durch die richtige Hierarchie gesetzt.

In einem Betrieb ist das ganz einfach:
ganz oben steht die Firmenleitung, danach kommen die Abteilungsleiter oder das mittlere Management bis hin zum Arbeiter.

Setzt sich jemand über diese Grenzen hinweg, oder werden keine Grenzen gesetzt, entwickelt sich ein zu liberaler Stil der eine Konfrontation mit den täglichen Aufgaben oder besonderer Probleme  unmöglich macht und damit den gesamten Rahmen des Betriebes, der Familie etc. zerstören kann.

Was ist im täglichen Leben eine gesunde Hierarchie?

Ich bemerke häufig bei Ehepaaren, welche miteinander im Streit leben, dass deren Hierarchien verschoben sind. Dann werden die Kinder oftmals höher geachtet als der eigene Partner. Dies führt unweigerlich zu starken Problemen.

Aber die oberste Stufe in der persönlichen Hierarchie, sollten weder die Kinder, noch der Partner sein sondern es sollten unsere Werte sein.

Das Bild auf der Seite soll eine gesunde Hierarchie im privaten Umfeld einmal demonstrieren.

Wie kann eine gesunde Hierarchie aufrecht erhalten werden?

Es ist egal ob wir über eine Klinik, eine Familie oder eine Schule sprechen. Das Team, die Mitarbeiter müssen sich von dem gesamten System gehalten und unterstützt fühlen um die eigenen Aufgaben erfüllen zu können. Da der Fisch immer vom Kopf her stinkt, hat die aller erste Leitung immer die Geschäftsführung, der Vereinsvorstand oder die Eltern.

Drei Dinge sind in einer Hierarchie wichtig:

(1) die Leitung muss klar und eindeutig ausgeübt werden 
(2) die Verantwortungsbereiche müssen transparent voneinander abgegrenzt werden. 
(3) Durch Supervision (Gespräche, Beratung, Reflexion) können Probleme direkt angesprochen und gelöst werden.

Das Ziel hiervon ist: es geht immer um die Uhr eigentliche Primäraufgabe. Eine Klinik hat als Primäraufgabe die Behandlung der Patienten. Ein Unternehmen hat das Ziel, Gewinne zu erzielen. Eine Familie hat ganz andere Ziele. Eine Hierarchie ist das zentrale Muster einer gesunden Familie, Klinik, Gesellschaft.

Eine kurze Zusammenfassung

(1) Zu viel Versorgungscharakter ist Gift in der Behandlung von Borderline Patienten.

(2) Durch zu wenig Grenzen und Struktur aber zu viel haltende Kontakte werden bei einem Borderliner Krisen geschürt, bei denen immer erst mal falsche Hoffnungen genährt und anschließend enttäuscht werden.

(3) Auch die Umgebung hat eine gewisse Teilschuld dass Borderliner auf sie Einfluss haben: es ist die narzisstische Empfänglichkeit von uns allen die zu einer Realitätsverzerrung führen, zu Machtkämpfen und zu Spaltungen innerhalb unserer Gesellschaft.

(4) Durch ein professionelles Containing von Therapeuten, können Handlungen des Borderliners in sprachlich darstellbare Beziehungsmuster übersetzt werden. Das ist die Rolle eines Therapeuten! Pathologisches Handeln in Worte umsetzen und damit behandelbar machen.

(5) Durch klare Grenzen und eine vernünftige Hierarchie können regressive Entwicklungen der Gruppe verhindert werden. Zusätzlich bekommt der Patient dadurch eine Hilfe seine eigenen Grenzen wieder herzustellen (Learning bei doing)

(6) Um das Containing vernünftig durchzuführen müssen alle Gruppenmitglieder in den Gesamtsystem getragen und unterstützt werden. Wir können es auch mit Wertschätzung übersetzen oder mit einem so genannten Team Spirit

Schau Dir diesen Bericht auch gerne als Video bei Youtube an!

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Trotz Borderline – Persönlichkeitsstörung – einen Sinn im Leben finden

Trotz Borderline einen Sinn im Leben

 

Möchtest Du dieses Video auf Youtube sehen? Hier geht es zu dem Videolink: ⇒ -Trotz Borderline einen Sinn im Leben finden. Persönlichkeitsstörungen richtig begegnen.

1. Die Sinnsuche – Eine „radikale Akzeptanz des Lebens“

Zu Recht stellen Menschen mit großen Problemen und schweren Schicksalen die Frage nach dem Sinn im Leben. Therapeutisch kann man dies

      • entweder als depressive Symptome behandeln oder
      • man könnte die Alternative wählen und den Fragenden an die Religion oder an die Philosophie verweisen.

Darf ein Therapeut einen Patienten jedoch bei der Suche nach dem Sinn helfen? Ist dies nicht die ureigene Aufgabe der Religion oder der Philosophie?

Sigmund Freud hat doch auch die Religion als gesellschaftlichen Massenwahn bezeichnet und Karl Marx hat es etwas deutlicher ausgedrückt: „Religion ist Opium für das Volk“.

Mir drängt sich häufig der Gedankengang auf, dass in der Psychotherapie der Frage nach dem Sinn des Lebens oft aus dem Weg gegangen wird und das gerade dann, wenn es in der Therapie etwas schwieriger wird. Dann zieht man sich zurück und flüchtet sich förmlich auf eine Überebene um den elementaren Fragen des Patienten aus dem Weg zu gehen.

Das bringt uns aber einer Lösung nicht näher!
Einen Patienten interessiert es nicht ob ich Sinnfragen, Religion oder Esoterik für richtig oder falsch halte.
Einen Patienten (Borderline Patienten) interessiert es, welchen Sinn sein! Leben haben kann.

Jeder Mensch, egal ob mit einer Borderline Persönlichkeitsstörung, einer komplexen Trauma Folgestörung oder oder oder wird sich irgendwann nicht mehr vor einer Frage drücken können: welchen Sinn kann ich noch in meinem Leben haben trotz meiner Schicksale?

Wir sind umgeben von Schicksalen und Lebensläufen die geradezu von Hilflosigkeit strotzen. Besonders diese Menschen mit schweren Schicksalen stellen sich die Frage nach dem Sinn des Lebens jedoch am häufigsten.

Die Frage nach dem Sinn des Lebens ist eine Frage aus der Not heraus. Es geht um den Sinn hinter dem Leiden, dem Sinn hinter dem Tod.
Eine therapeutische Position ist folgende:

      • Wer die Frage nach dem Sinn des Lebens stellt leidet unter einer behandlungsbedürftigen Depression. Sie ist immer ein Symptom einer Depression oder zumindest ein Hinweis auf eine unterschwellige Suizidalität.
      • Häufig wird darauf geantwortet: bei Fragen nach dem Sinn des Lebens fragen Sie bitte nicht Ihren Arzt oder Apotheker sondern lieber ihren Seelsorger.
        So zu antworten bedeutet aber für den Therapeuten sich aus der Schlinge dieser Frage zu ziehen. Ein Therapeut kann sich dieser Frage aber auch stellen und versuchen Sie respektvoll und seriös zu reflektieren.
Die Frage nach dem Sinn eines Lebens ist immer berechtigt!
Was aber ist aus einer therapeutischen Sicht heraus der erste Schritt?

Der erste Schritt in Bezug auf die Sinnfragen oder traumatischen Lebensereignissen oder belastenden Lebenssituationen – wie zum Beispiel Borderline – kann nur eine radikale Akzeptanz der Realität sein!

Traumata, Erkrankungen und schlechte Lebenssituation ereignen sich. Sowas nennt man Shit HappensAll die vielen traumatischen Erfahrungen und Schicksalsschläge gehören einfach zum Leben — auf Lateinisch Conditio humana.

Und wenn wir mal ganz ehrlich sind, wir leben heute in einer Zeit und besonders in Zentraleuropa – einer Region, in der weitaus weniger Menschen traumatisiert werden als in früheren Jahren oder aber auch in anderen Gegenden der Welt.

Wir leben frei von Kriegen, haben recht wenig Naturkatastrophen, eine im Vergleich zu anderen Gegenden sehr niedrige Kriminalitätsrate und bleiben (auch angesichts von Corona) von tödlichen Krankheit Epidemien weitgehend verschont.

Wir leben in einer Luxus-Situation! Wir können diskutieren ob Mobbing oder Arbeitslosigkeit ein Trauma ist – und bei manchen Lebensbiografien ist das schlimmste Ereignis der Tod des geliebten Haustieres als der Patient noch jung war. Andere Kulturkreise hätten diese Luxusprobleme gerne anstatt ihrer eigenen.

Gemäß Studien gibt es für schwere traumatische Erfahrungen eine Lebenszeit-Prävalenz (Häufung) von ein bis fünf schweren Traumen. Hier geht es wahrscheinlich auch um eine Definitionsfrage was ein Trauma ist.

Im Grunde genommen reden wir hier immer vom Traumatyp 1 – dem sogenannten Monotrauma. Und bei dem Monotrauma müssen wir noch etwas grundsätzlich Positives mit einkalkulieren:

Circa 85 % aller Monotraumata sind nach 6-12 Monaten integriert. Was heißt das? Nach dem Hirnforscher und Neurobiologe Gerald Hüther sind wir Menschen und Traumatisierungen Erfahrungen sozusagen adaptiert. (angepasst).

Seitdem es Menschen gibt muss dieser sich mit lebensgefährlichen Situationen auseinandersetzen und unser Stressbewältigungssystem ist perfekt darauf geeignet / geeicht Traumatisierungen so aufzuarbeiten dass wir grundsätzlich keine dauerhafte PTBS entwickeln.

Wie kann man das sagen? Als 2004 der gigantisch große Tsunami in Süd Ost Asien über die Länder fegte, versanken bei weitem nicht alle Betroffenen / Überlebenden in einer posttraumatischen Belastungsstörungen.

Faktoren wie Familie, Sicherheit, Schutz Verständnis Loyalität Parteilichkeit werden durch die „Herde“ vermittelt und in diesem Klima gewinnt das Sicherheitssystem (unser Stressbewältigungssystem) langsam wieder an Stabilität, die Flashbacks werden immer weniger und das grundsätzliche Sicherheitsgefühl stellt sich wieder ein.

Ab wann kann man sagen dass ein Trauma im Leben eines Menschen integriert ist?

      1. wenn jemand an sein Trauma denken kann, ohne sich darüber heftig aufzuregen 
      2.  Wenn keine vegetativen Symptome Symptome mehr hervorgerufen werden wie zum Beispiel sich zu schneiden, in eine Sucht oder Depression zu verfallen. 

Interessant ist dass – wenn ich weiter oben behauptet habe 85 % aller Monotraumen werden innerhalb von 6-12 Monaten im Leben eines Patienten wieder integriert – so gibt es doch einige Arten von Traumata welche in ihrer Art und Weise zu über 50 % nicht (!) bewältigt werden können.

Die Ursache dieser Traumata sind
– sexualisierte Gewalt, Folterung, Tod eines nahen Angehörigen (besonders der Tod eines Kindes).
Und der Gedankengang „Die Zeit heilt nicht alle Wunden!“ hat seine Berechtigung.

Grundsätzlich können wir sagen: wenn Symptome der posttraumatischen Belastungsstörung noch länger als sechs Monate nach dem traumatischen Ereignis existieren, dann handelt es sich um eine chronische PTBS.

Was fördert zum Beispiel die Verarbeitung eines Traumas im positiven Sinne? Es ist die Kompetenz und die Belastbarkeit der sozialen Umgebung, der sozialen Bezugsgruppe.

Wie wichtig die soziale Bezugsgruppe ist möchte ich mit folgendem Beispiel erklären:

Eine junge Mutter hat bei einem Zugunglück ihr Kind verloren und war nun traumatisiert. Sie brauchte die soziale Bezugsgruppe – ihre nächste Verwandtschaft – sehr dringend.

Das Problem: die Großeltern des verunglückten Kindes befanden sich selbst in einer traumatisierten Verfassung. Sie erwarteten nun von der Mutter dass diese für sie in ihrer eigenen Trauer und Not da sein sollte. Für uns als Beobachter natürlich unverständlich und entsprechend dem fand die Patientin auch gar keinen eigenen Raum um ihr eigenes Trauma zu bewältigen.

⇒ Alte Familienstrategien kommen durch Traumen oft zum Vorschein – das muss man wissen.

Dieses Verhalten der Großeltern gegenüber der Mutter war schon in deren Jugend vorhanden und so entwickelte sich eine eigene Familiendynamik und eine neue Konkurrenzsituation:

      • wer nun das größte Recht auf die tiefste Trauer hat und
      • wer das Recht auf die meiste Zuwendung von dem anderen einfordern konnte.

Wir können hier von einem tiefen Nazismus der Großeltern sprechen. In diesem Falle war es erforderlich die Großeltern für sich ganz alleine zu therapieren damit die Mutter Raum für sich, ihre Traumverarbeitung und ihre eigene Trauer finden konnte.

Wie bereits erwähnt passiert es nicht selten, dass –  wenn eine traumatische Situation entsteht – eine lang unterschwellig existierende und angespannte familiäre Situation nun hochkommt und der Traumaverarbeitung im Wege steht.

Dann steht einem traumatisierten Menschen die natürliche Bezugsgruppe, die natürliche Traumatherapie der Umgebung nicht zur Verfügung, — damit meine ich die Aufarbeitung der traumatischen Erfahrung im Schutz einer stabilen familiären Bezugsgruppe.

Oft passiert dann noch ein weiterer Schritt: dann kommen die so genannten Echo – Gefühle heran

    • nachtragende Gefühle werden sie auch genannt wie zum Beispiel (1) Wiedergutmachungsansprüche oder (2) Vergeltungswünsche.

Dann geht man dazu über vors Gericht zu ziehen um Wiedergutmachung zu erlangen oder man sinnt auf Rache (Auge um Auge, Zahn um Zahn). Damit wird Rache zu einem neuen Unrecht was dann wiederum neue Vergeltung fordert.

Im Rahmen dieser Echo – Gefühle ist Psychotherapie völlig ungeeignet Rachewünsche zu befriedigen. Das ist eines der schwierigsten Themen im Bereich der Psychotherapie. (Siehe Video: Vergeben ist nicht verzeihen). Hier geht es zum Video: Video: Vergeben ist nicht immer Verzeihen

Ein weiterer interessanter Punkt ist folgender:

Nach einem Trauma (so belegen es Studien) entwickelt sich weitaus häufiger eine Depression als eine chronische PTBS!!!

Nach einer traumatischen Reizüberflutung wird dies oftmals vom Opfer durch eine eigene massive Reduktion von Reizen im Inneren behandelt. Eine Vita Minima entwickelt sich dann bis zu einem inneren Stillstand.

Auf den ersten Blick erscheint so etwas gar nicht als die Folge von einem Trauma und häufig ist es auch vielen Menschen selber oder in der Umgebung gar nicht bewusst. Solche Reduzierungen bis auf den Stillstand der eigenen Gefühle sind therapeutisch und auch medikamentös nur sehr schwer therapierbar.

2. psychotherapeutische Herangehensweisen zum Sinn des Lebens

Die Psychotherapie hat nicht die Aufgabe dem Sinn des Lebens oder der Frage nach dem Sinn des Lebens eine Antwort zu geben. Was sie aber kann ist Gedankenrichtungen in unserer Gesellschaft nach deren Sinn zu hinterfragen.

Der Grund dafür ist folgender: ein Mensch kann nur dann sinnvoll leben wenn er in seinem Leben einen Sinn sieht. Ein Mensch erträgt es einfach nicht sinnlos zu leben. Dies hat schon Viktor Frankl in den 1930er Jahren erkannt.

Aus dieser Not heraus, dass Menschen in allen Dingen immer einen Sinn  suchen, entwickelte er die sinnzentrierte Psychotherapie. Wir kennen Sie unter dem Namen Logo Therapie (Logos = Sinn).

Die Logo Therapie ist aber nicht die einzige Form der Psychotherapie welche sich mit den Sinn-Betrachtungen im Leben befasst. Folgende vier weitere Richtungen / Denkmodelle möchte ich exemplarisch erwähnen:

(1) die Existenzanalyse

(2) die Hypnotherapie von Milton Erickson

(3) die Forschungen von Alfred Adler. Er schrieb zum Beispiel das Buch (Sinn des Lebens) indem er zeigt, dass für einen Menschen ein Leben nur dann sinnvoll ist wenn es auch sozial sinnvoll ist.

(4) die Arbeiten über die posttraumatische Verbitterungsstörung vom Verhaltenstherapeuten Michael Linden. Professor Linden geht an die Frage nach dem Sinn des Lebens sehr rational und strukturiert heran. Am Ende des Videos gehe ich noch auf einzelne Punkte seiner Weisheitstherapie ein.

Wenn wir uns mit dem Thema befassen: ein Sinn des Lebens trotz traumatischer Erfahrungen – welche einen Menschen bis hin zum Borderline bringen – müssen wir kurz wissen was ein Trauma auslöst.

In drei Bereichen zerstört jedes Trauma das Weltbild eines Menschen.

(1) jedes Trauma ist eine grobe Verletzung zentraler Grundannahmen und der Werte .

(2) ein Trauma stellt die Gerechtigkeit der Welt und des Lebens grundsätzlich in Frage

(3) Ein Trauma bedeutet den Verlust der eigenen Selbstwirksamkeit.

Religion und Philosophie bauen die Werte und Grundannahmen und damit den Begriff Gerechtigkeit und Selbstwirksamkeit bei einem Menschen auf.

Ein Trauma reißt dies jedoch nieder.


Bedeutet das nun, dass Religion und Philosophie falsch sind? Das muss nicht sein! Durch die Brille der Psychotherapie kann man eine andere Sichtweise auf Religion und Philosophie bekommen – und damit einher auch eine andere Sichtweise auf den Sinn des Lebens.

Nochmals: Psychotherapie hat nicht die Aufgabe dem Leben einen Sinn zu vermitteln sondern eine abgeänderte Sichtweise auf das was Religion und Philosophie uns und unsere Gesellschaft im Groben vermitteln.

Schauen wir uns die drei genannten Punkte noch einmal an:

⇒ Durch Religion und Philosophie erhalten wir Grundannahmen, einen Glauben an die Gerechtigkeit der Welt und einen Glauben an unsere eigene Selbstwirksamkeit.

(1) Ein Trauma zerstört solche Betrachtungsweisen. Ist jetzt das Trauma richtig oder sind es die religiösen oder philosophischen Betrachtungsweisen?

Ich sage: weder das eine noch das andere hat 100-prozentige Weisheit für sich alleine gepachtet.
Mein Ratschlag wäre: einmal durch die rationelle Brille einer psychotherapeutischen Sicht heraus die religiösen Aspekte in Ruhe zu betrachten.

Denn, in dem Status in dem sich unsere Welt heute befindet, wird es immer grobe Verletzungen von Grundannahmen und Werten geben,

es wird immer die Gerechtigkeit infrage gestellt und es wird immer die Selbstwirksamkeit des Einzelnen angegriffen.

Aber gerade diese drei religiösen und philosophischen Konzepte: 
(1) zentrale Grundannahmen
(2) Glaube an die Gerechtigkeit der Welt
(3) Glaube an die eigene Selbstwirksamkeit
helfen uns eine gewisse Berechenbarkeit in unserem Leben aufzubauen. 

Hierdurch hat der Einzelne die Möglichkeit auf die Welt Einfluss zu nehmen. Anstatt immer wieder neue Grundannahmen zu unterstellen geht er von grundsätzlichen Annahmen in der Gesellschaft aus und wendet diese auch auf andere Menschen welche er neu kennenlernt an.

Ein Trauma kann diese zerstören oder zumindest ins Wanken bringen,

Die Arbeit der Psychotherapie ist es nun, diesen Faktor der Ungewissheit, Unsicherheit, der Schicksalhaftigkeit, Unberechenbarkeit des Lebens nicht in etwas Schlimmeres gleiten zu lassen.

Denn: von der traumatischen Erfahrung bis zum Verlust des Sinns im Leben ist es für viele Menschen nur ein kleiner Schritt. Sie sagen sozusagen: „Wenn mir in meinem Leben solch ein Trauma schon zugestoßen ist dann macht mein Leben doch keinen Sinn.! Hat das Leben denn dann generell einen Sinn?“
Gemäß einer Ärztezeitschrift begehen > 50% der Borderliner-Patienten mindestens einen Suizidversuch. 

Das im Hinterkopf ist auch der Hauptgrund warum ich mit diesem Artikel einmal die Sinnfrage aus religiöser und philosophischer Sicht mit einer therapeutischen Brille betrachten möchte.

3. Die Frage nach dem Sinn und die Antworten der Religionen

Ganz am Anfang möchte ich einen Fakt betonen:
⇒ ich habe weder ein Theologie- oder
ein Philosophiestudium
⇒ noch irgendeine erwähnenswerte Qualifikation, das Thema Religion in seiner Gesamtheit zu besprechen.

Ich möchte lediglich gewisse Grundaussagen in der Religion einmal aus einer therapeutischen Brille betrachten um daraus einen Nutzen für den Einzelnen zu ziehen. Einen Nutzen, um den persönlichen Sinn im Leben zu finden. Dies ist absolut kein Bashing von Religionen sondern ein respektvolles Hinterfragen und ein Fördern von positivem Denken.

Mit ein wenig Humor und Augenzwinkern kann man Religion auf ein paar sehr kurze Grundannahmen reduzieren. 
Vielleicht kennt der ein oder andere diese T-Shirts mit der Aufschrift
Shit Happens – The Religions ….

Unter dieser Aufschrift/Überschrift kommen dann die verschiedenen Weltreligionen mit einer Kurzantwort ihrer Lehren. Diese T-Shirts kann man nicht nur in New York in einem Straßenstand kaufen sondern überall von der Welt aus im Internet.

Nochmals: Mit ein wenig Humor kann man sagen, dass die Antworten einen wichtigen Teilaspekt der religiösen Antwort darstellen. Aber sie verkürzen die religiöse Lehre natürlich über die Gebühr. Lasst uns deshalb diese kurzen Antworten einfach mal symbolisch für die Grundaussage der einzelnen Religions-Richtungen nehmen.

Nochmals: es geht mir nicht darum eine vergleichende Religionskritik durchzuführen. Das ist nicht mein Ziel! Mit dem therapeutischen Blick möchte ich auf das Positive der Grundaussagen und eine eventuell mögliche Gefahr hinweisen. Mehr nicht! Also: was können wir mit einem kurzen Blick auf die Religionen für uns mitnehmen?

(1) radikale Akzeptanz!

Das T-Shirt beginnt ganz oben mit dem Begriff „Shit Happens“. Das ist schon mal ein erster wichtiger Schritt! Der erste Schritt um einen Sinn im Leben zu finden ist die radikale Akzeptanz von dem was das Leben bietet.

Eine sehr bekannte Behandlungsform bei Borderline-Patienten ist zum Beispiel die DBT von Marsha Linehan. Sie selbst ist Zen – Buddhistin.

In dieser Therapieformen  finden wir also das ein religiöses Element in die eigentliche Therapie Einzug gehalten hat.

(2) Das göttliche Wesen erkennen – die Grenzen unseres Gehirns.

Über alle Religionen hinweg finden wir immer wieder eine Grundaussage von vielen Religionsrichtungen im Umgang mit dem göttlichen Wesen.

Gott ist nicht greifbar denn er hat keinen Anfang und kein Ende
Er ist sowohl die Einheit als auch die Vielheit
Das Alles und das Nichts er sei die Existenz und die Nicht-Existenz.

Viele Religionen (nicht alle) verbieten den Gläubigen z.B. dem göttlichen Wesen entweder einen Namen zu geben oder es in einer Statue abzubilden. 

Der Neurowissenschaftler und Psychologe aus Ulm Manfred Spitzer hat hierzu etwas ganz Interessantes im Jahr 1996 mit seinem Buch „Geist im Netz“ aufgezeigt was diesem Gedanken der Religion einen neuen interessanten und aktuellen Rahmen verleiht. In seinem Buch zeigt er, dass sich unser Gehirn seit der frühesten Kindheit nicht über das Wahrnehmen von konkreten Objekten programmiert sondern über die Wahrnehmung von Unterschieden!

Das Spielzeug – wie zum Beispiel die Puppe – wird nicht als gesamtes Spielzeug wahrgenommen und abgespeichert sondern wir setzen es ganz langsam aus gewissen Diskrepanzen wie hell dunkel braun rot oben unten klein Weich und hart zusammen.

Nach den neuesten Forschungen über unser Gehirn braucht dieses also – um etwas wahrzunehmen – Dinge die unterschiedlich sind von den anderen Dingen. Unser Gehirn nimmt in der Welt nur Alternativen wahr, etwas Anderes, eine Diskrepanz einen Widerspruch oder einen Unterschied. Sollte es etwas in der Welt geben zu dem es keine Alternative gibt dann können wir es mit unseren Sinnesorgane logischerweise nicht erkennen.

Da kommt mir das in den Sinn was Laotse vertritt: „wenn wir etwas das Tao nennen, ist es nicht mehr das Tao.“ 
In der Bibel heißt es zum Beispiel: du sollst dir kein Bild oder irgendein Gleichnis von mir als Gott machen.

Dieser Punkt 2 zeigt auf, warum wir so eine Schwierigkeit haben, einen allmächtigen Schöpfer mit unserem Gehirn zu begreifen, wenn wir ihn nicht sehen und nicht mit etwas Materiellem vergleichen können.

(3) Das Bedürfnis nach Religion

Kurios ist, dass der Mensch ganz offenkundig ein starkes Religionsbedürfnis hat.
Obwohl dieses Wesen (Gott) außerhalb von unseren Wahrnehmungs- und Erkenntnismöglichkeiten liegt, zerbrechen sich seit Menschengedenken Personen darüber den Kopf um dieses göttliche Wesen aus der Religion mit ihrem persönlichen Verstand und der Frage nach dem Sinn des Lebens in Übereinstimmung zu bringen.

Was sagt denn die Neurobiologie in Bezug auf das Religionsbedürfnis? Schauen wir nochmal auf Manfred Spitzer der in seinem Buch auf folgende Situation hingewiesen hat:

Wenn es in der afrikanischen Steppe zwei Gruppen von Personen gibt die aus irgendeinem Grund folgende unterschiedliche Denke hat:

        • die eine Gruppe denkt, dass die Sonne ein mächtiger Verbündeter ist, sie fördert, sie wärmt beschützt und leitet wie ein göttlicher Übervater.
        • Die andere Gruppe hat diese Vorstellung jedoch nicht entwickelt.

Nun kommt eine Naturkatastrophe und betrifft beide Menschengruppen. Welche dieser Gruppe wird dieses Ereignis wohl besser bewältigen? Die Antwort ist wichtig, denn sie bezieht sich in ihrer Wirksamkeit auf unsere gesamte Gesellschaft.

⇒ es ist die Gruppe mit der Überzeugung dass ein gotthaftes Wesen sie unterstützt und fördert.

Religion ist ein Überlebensvorteil. Religion gibt Hoffnung und motiviert durchzuhalten bis bessere Tage kommen.  Wenn es der Gruppe gelingt an diesem Glauben – dass es besser wird – festzuhalten dann kann sie aus einer Krise sogar gestärkt hervorgehen.

Das – was Religion auszeichnet – hat einen ganz wichtigen therapeutischen Eigenschaft: aus Krisen nicht geschwächt sondern sogar gestärkt rauszugehen. Das ist auch das ureigene Ziel der Psychotherapie.

Ein Borderliner, welcher sich tief in einer Krise bis hin zur Frage nach dem Sinn des Lebens befindet, könnte also auch gestärkt aus einer Krise hervorgehen.

Können die Religionen den Menschen aber in Krisen unterstützen? Schauen wir uns die Religionen ganz kurz einmal im Überblick etwas näher an und verwenden wir diesen Begriff den wir vorhin auf dem T-Shirt gesehen haben: „Shit Happens“

(4a) Shit Happens- Warum passiert das alles nur mir? ⇒ Der jüdische Glaube.

Das Judentum ist auf Moses gegründet und im alten Testament gibt es eine dialogische Beziehung zur Gottheit.
Der Dialog mit Gott, das Gebet ist für den Menschen

      • eine Kraftquelle 
      • eine Ressource,
      • eine Möglichkeit der Selbstfindung und der Stabilisierung.
      • In diesem Dialog hat der Einzelne die Möglichkeit zu klagen oder einzuklagen. Das beste Beispiel hierfür ist die Klagemauer.

Eine zentrale Figur in der jüdischen Religion ist der Bericht über Hiob. Hierüber wurden viele Bücher, Musikstücke, Theaterstücke u.s.w. geschrieben.
Der Gott in der Hiob-Geschichte wird von dem Teufel angesprochen und geht mit ihm gewissermaßen einen Pakt ein. Der Deal ist die Treue Hiobs zu Gott.
Hiob fühlt sich in dem darauf folgenden Drama von Gott zuerst ungerecht behandelt.

Dann kommen auch noch 3 angebliche Freunde und drängen ihn zu akzeptieren dass er selber an seiner Situation schuld sei. Hiob aber knickt nicht ein und sagt, Gott sei letzten Endes an alldem was ihm widerfährt nicht beteiligt.

Der Glaube an einen gerechten Gott und an seine gerechten Taten gab Hiob die Größe in seinem Leiden durchzuhalten. Am Ende der Geschichte wurde er ja auch dann von dem gerechten Gott gesegnet was im Judentum viele andere ermuntert hat, diesem Beispiel von Hiob zu folgen.


(4b) Shit Happens – es ist alles der Wille Allahs

“Inschallah“. Es ist von Gott gegeben / so Gott will. Dies stellt eine radikale Akzeptanz und ein Annehmen des eigenen Schicksals dar.

Der Mensch, der in allem einen Sinn im Leben sucht, übergibt an diesem Punkt den Sinn und die Sinnhaftigkeit an Gott. Zwar ist vieles unergründlich aber dieser Gott ist ja auch selber unergründlich – und so hat alles wieder einen Sinn.

Eigentlich beweist dieser Schritt eine starke innere Haltung:.
⇒ Zu dem Zeitpunkt wenn ein Mensch ein Trauma wirklich aus tiefster Seele als Bestandteil des Lebens annehmen kann, dieses nicht wieder gutmachen muss oder auf Rache sinnen muss, verliert dieses Trauma an Macht.

Therapeutisch betrachtet ist dies wunderbar: es bindet die traumatische Vergangenheit nicht mehr in die Gegenwart, gibt dem Traumatisierten eine neue Freiheit und eine neue Leichtigkeit im Leben.

Da es aber keine Wirkung ohne Nebenwirkung gibt so besteht auch hier eine gewisse Gefahr: Die Gefahr der radikalen Akzeptanz ist der so genannte Fatalismus und eine Passivität im Leben.

„Ich kann ja sowieso nichts ändern“. Dieser Begriff Inschallah wird oft als Ausrede für Faulheit und Verantwortungslosigkeit genommen.

Dieser Gefahr ist sich der Islam selber bewusst. …
Interessant ist deswegen auch die Kamellegende. (aus: Der Kaufmann und der Papagei von Nossrat Peseschkian einem Mit-Begründer der positiven Psychologie)

Mohammed hat den ganzen Tag gepredigt und mit einer Gruppe gebetet. Abends kommt einer seiner interessierten Zuhörer zu ihm gelaufen und klagt: „ich habe doch den ganzen Tag zu Gott gebetet Gottes Wort gehört. Jetzt ist mein Kamel in der Wüste gelaufen. Was soll ich nun tun?“ Mohammed antwortet lächelnd: „betest du das nächste Mal zu Gott, binde dein Kamel fest an.“

Ein weiteres Sprichwort besagt: du sollst Allah nicht mit Dingen belästigen, welche du selbst erledigen kannst.!“

Wer dies beachtet hat sein Leben wieder selbst in der Hand und übergibt sich keinem 100%igen Fatalismus (wie im Inschallah)
Und sein eigenes Leben wieder selbst in die Hand nehmen zu können ist ja ein wichtiges therapeutisches Ziel.


(4c) Shit happens – Wenn „shit happens“ dann ist es meine Schuld ⇒ Der katholische Glaube….

Irgendeiner muss doch schuld haben!!!
Dieser Satz
ist in dem Kopf vieler Menschen verankert.
In der katholischen Religion gibt es sogar 2 Begründungen für die Existenz und damit einen Sinn in der Sünde:

(1) die Erbsünde und der Teufel

Das Problem lautet : Wenn die Welt und das Schicksal ungerecht ist, es jedoch einen ungerechten Gott nicht geben kann, dann muss die Schuld woanders liegen – z.B.  bei den Menschen.

In der katholischen Religion gibt es die Erbsünde. Jeder Mensch wird mit Sünde geboren und die gesamte Existenz eines Menschen ist von Schuld belegt.

Hierdurch versucht der Mensch dem Ganzen wieder einen Sinn zu geben. Wo ist die Ursache der Schuld und wer ist verantwortlich hierfür? Wenn Gott nicht ungerecht sein kann dann muss es den Teufel geben der die Menschen in Sünde und Tod getrieben hat.

(2) Die Schuld vorhergehender Generationen

Als zweiten Faktor von Schuld wird dann die Schuld früherer Generationen genommen. Im alten Testament gibt es den Ausspruch: „ich werde die Schuld eurer Väter bis in die dritte und vierte Generation verfolgen.“ (2. Buch Moose 34:7)

Aus der therapeutischen Sicht passt dies hervorragend zu den Befunden der Weitergabe und Verarbeitung von Traumatisierungen wie zum Beispiel mit dem Holocaust. Noch heute wird die Schuld der deutschen Bevölkerung zugeschrieben die schon in der zweiten und dritten Generation sind nach der bereits verstorbenen Täter-Generation.

Diese Sichtweise – wenn ich in meinem Leben keine Schuld bei mir finde dann verarbeite ich die Schuld aus einem früheren Leben dient zu nichts anderem als eine Grundannahme zu retten: unsere Überzeugung dass die Welt und der Gott darin gerecht ist. Zur Not geht es nur um den Preis sich selbst anzuklagen. Wir nennen dies: „Blaming the Victim“

„Blaming the Victim“ (Opferbeschuldigung ist die Beschreibung für ein Vorgehen, das die Schuld für einen Übergriff beim Opfer selbst sucht und nicht beim Täter)


(4d) Wenn „shit happens“ – dann arbeite noch härter ⇒ Der Protestantismus

In dem Protestantismus ist die calvinistische Überzeugung (Johannes Calvin *1509 #1564, Reformator) sehr stark vorhanden. Eine ihrer Grundannahmen ist die Selbstwirksamkeit: „Jeder ist seines eigenen Glückes Schmied.“ Das bedeutet nichts anderes als dass ich an den Früchten meiner Arbeit erkennen kann ob Gottes Segen auf mir oder auf meinen Werken liegt.

Solch ein Denken hat die kapitalistische Bewegung von der Schweiz aus in die ganze Welt beflügelt und hat im Grunde genommen eine eigene resilienzfördernde Wirkung.

Wie immer keine Wirkung ohne Nebenwirkung: wenn etwas Schlimmes geschehen ist,

      • dann hab ich halt nicht genug gearbeitet,
      • war nicht konzentriert genug oder
      • nicht diszipliniert genug.
      • Bin ich gescheitert, bin ich immer selbst schuld!

Das ist jedoch in vielen Fällen völlig ungerecht und stürzt den Betroffenen wieder in eine neue Sinnkrise!


(4e) Wenn Shit happens – dann bedeutet es mir nichts … ⇒ der Buddhismus

Erst die Leidenschaft schafft Leiden. Erst durch die Bewertung mache ich aus einer Situation etwas Gutes, etwas Schlechtes oder gar eine Katastrophe. 
Nach dem Religionsstifter Buddah sollte jeder Mensch

    • die Leidenschaften ablegen und 
    • leidenschaftslos die Welt radikal so akzeptieren wie sie ist.

Dies ist dies ein wichtiger therapeutischer Aspekt: Nachtragende Affekte, Emotionen und Körperreaktionen von den eigentlichen Ereignissen abzukoppeln! In einer posttraumatischen Behandlung durch einen Therapeuten ist genau dies das Therapieziel!

Es geht stets darum, das traumatische Ereignis loszulassen und es in die Vergangenheit freizugeben.

Die Kehrseite der Medaille ist aber Folgende: wir alle kommen mit angeborenen Gefühlsmustern – wie zum Beispiel Wut Trauer Angst und Ekel Überraschung und Freude – auf die Welt.

Wenn eine Religion nun diese Empfehlung gibt, solche Gefühle loszulassen, so entspricht dieser Weg zumindest nicht unserer angeborenen Natur. Es bedarf einer großen mentalen Stärke und Reife, diese Schritte in die Tat umzusetzen. Es geht aber – und hier kommt die Therapie ins Spiel.


(4f) Shit happens- Shit existiert einfach nicht (Zen – Buddhismus)

Gemäß der Zen-Lehre existieren Schicksalsschläge nicht! Nichts ist vorherbestimmt – alles geschieht durch die Wechselwirkung von dem Individuum mit seiner Umgebung.

In dieser Haltung steckt eine sowohl eine milde Weisheit als auch eine unglaubliche Stärke… 

Wie immer: Keine Wirkung ohne Nebenwirkung: 
Wenn einerseits Schicksalsschläge nicht existieren oder nicht an mich herankommen, andererseits Leid und Trauer (was menschlich ist) jedoch verboten oder unterdrückt wird – dann ist diese Haltung sehr konfliktbehaftet weil diese dann unmenschlich. ist:

Es gibt eine Legende in der Lehre des Zen welche diesen Widerspruch verdeutlicht:

Als ein alter Lehrmeister des Zen verstarb trauerte sein Schüler intensiv und heftig. Dieser Schüler war in der Zwischenzeit selber ein Lehrer geworden. Ihm liefen die Tränen übers Gesicht als sein alter Meister verbrannt wurde.

Neben ihm stand ein weiterer Schüler der seinen Lehrer nun erstaunt anblickte: „Lehrer ihr habt mir immer gesagt dass nichts existiert. Es ist nichts so erstrebenswert als das man sich über irgendetwas freuen oder wegen Irgendetwas zu leiden habe. Jetzt weint ihr heftig beim Tod eures Meisters. Warum?“ Die Antwort: Weil auch ich ein Mensch bin.“


Eine kleine Zusammenfassung nach diesem kurzen Überblick über die großen Religionen:

Nur mit Hilfe eines T-Shirt-Aufdruckes Religionen zu beschreiben ist logischerweise nicht ausreichend. Alle Religionen haben noch mehr Antworten auf Sinn-Fragen zur Verfügung die alle ihre eigenen Stärken und Schwächen, ihre Chancen und Gefahren aufzeigen.

Sich mit ihnen zu befassen kann die eigene Sichtweise und damit den eigenen Horizont jedoch immer erweitern —— und das gerade dann, wenn man Menschen psychotherapeutisch fördern möchte.

Denn, in allen diesen Religionen findet man immer ein Körnchen Weisheit welches dem Einzelnen hilft in seinem eigenen Leben Fortschritte zu machen.

(5) Die Weisheit – Psychotherapie nach Professor Michael Linden.

Immer noch ist unser Thema: wie kann ich in meinem Leben einen Sinn finden trotz vieler Schicksalsschläge.

Man kann dieses Thema heute nicht mehr bearbeiten ohne zumindest einen kleinen Blick auf das Thema „posttraumatische Verbitterungsstörung“ zu werfen. Professor Michael Linden hat seit vielen Jahren dieses Thema aufgearbeitet und seine Ratschläge gehören meiner Meinung nach zur Grundausbildung jeder Psychotherapie.

Es geht hierbei immer um 2 Fragen: 
(1) was ist Weisheit? 
(2) wie kann ich Weisheit in der Therapie und im Leben anwenden?

Zu (1) was ist Weisheit?

Wissen, Erkenntnis, Weisheit. Dieser 3-Schritt ist die eigentliche logische Schrittfolge um Weisheit zu erreichen.

      • (Wissen) Ich weiß dass ein Auto im Autoverkehr gefährlich für mich werden kann.
      • (Erkenntnis) Ich erkenne da hinten ein Auto welches auf mich zukommt und mir gefährlich werden kann.
      • (Weisheit) Weisheit ist dann, diesem fahrenden Auto aus dem Weg zu gehen und sich selber in Sicherheit zu bringen.

Dies ist eine recht gute Möglichkeit, Weisheit mit einfachen Worten zu beschreiben. Anders ausgedrückt: Weisheit ist richtig angewandte Erkenntnis und richtig angewandtes Wissen. Sämtliche Ausbildung nützt mir nichts, wenn ich dieses Wissen nicht richtig anwende.

Zu (2) Wie kann ich Weisheit in der Therapie und im Leben anwenden?

Es gibt die verschiedensten Therapiearten. Egal ob wir über die Transaktionsanalyse, die kognitive Verhaltenstherapie, die Gesprächstherapie sprechen – es ist immer eine Form von Therapielösung welche angewandt wird, um ein Leiden zu verringern und möglichst ganz auszumerzen.

Durch die Anamnese wird festgestellt in welchen Persönlichkeitsanteilen der Patient gewisse Defizite hat und an diesen wird dann in der Weisheitstherapie gearbeitet um diese fehlenden Eigenschaften wieder aufzubauen.

Du siehst ja an der Seite ein Bild mit den 11 Basisfähigkeiten die jeder ur-eigentlich mitbringen sollte.

(1) die Fähigkeit zum Perspektivwechsel bedeutet: die Sichtweise einer anderen Person anzunehmen welche an diesem speziellen Problem auch beteiligt ist. Wie betrachtet sie zum Beispiel die gesamte Situation?

(2 die Selbstdistanz. Ähnlich dem Perspektivwechsel heißt es auch hier, die Sichtweise einer anderen Person wahrzunehmen. In der Selbstdistanz ist es aber speziell sich selbst (!) aus der Perspektive der anderen Person wahrzunehmen.

(3) Empathie

Das Nachempfinden von Gefühlen Anderer. Jemand schneidet sich in die Hand und ich habe einen ähnlichen Schmerz welchen ich nun verspüre.

(4) Emotions-Wahrnehmung und Emotions-Akzeptanz

Sehr ähnlich zu Punkt 3 ist die Akzeptanz von Emotionen – also auch hier die Fähigkeit Gefühle von anderen akzeptieren. Aber ganz wichtig: auch von sich selbst (!) wahrzunehmen und zu akzeptieren.

(5) Humor

Humor ist im Grunde der heitere Umgang mit den eigenen Fehlern oder den Fehlern Anderer.
Meines Erachtens ist dies die zentrale Fähigkeit zum vernünftigen Umgang mit den eigenen Schwierigkeiten. Humor ist eine Mentalisierungshilfe und schafft eine gesunde Distanz zwischen den Menschen. In einem humorvollen Zustand ist der Betreffende nicht mehr Opfer der Situation, seiner Gefühle oder seiner Lebensumstände sondern hat einen eigenen Meta – Standpunkt.

Was ist Mentalisierung? Mentalisierung ist die Fähigkeit eigenes (oder das des Anderen) Verhalten zu interpretieren. Also nicht nur das Verhalten des Gegenübers wird betrachtet, sondern am Verhalten des anderen wird abgelesen was in seinem Kopf vor sich geht.

Vielleicht ist das Wort Achtsamkeit etwas geläufiger. Die Konzepte von Mentalisierung und Achtsamkeit sind sich sehr ähnlich. 

Besonders Personen mit einer Borderline Persönlichkeitsstörung haben die Fähigkeit zum Galgenhumor, Zynismus und zum Sarkasmus.
Humor ohne Mentalisierung ist jedoch nicht möglich.
Das zeigt, dass Menschen mit einer Borderline Persönlichkeitsstörung keine grundsätzliche Mentalisierungsstörung haben, sondern lediglich unter bestimmten Phasen bzw. Situationen – zum Beispiel bei starkem zwischenmenschlichen Stress – hierzu neigen.

(6) Fakten- und Problemlösewissen

Wissen allein reicht nicht, es muss richtig umgesetzt werden. Und da hilft zum Beispiel Coaching, Beratung oder konkrete Unterstützung aus der näheren Umgebung.

Ein Vergleich: Eltern bringen ihren kleinen Kindern bei mit Hilfe von Taschengeld einen richtigen Umgang mit Geld zu lernen. Ist das Geld für die Woche oder im Monat zu Ende lassen Sie ihre Kinder nicht alleine sondern besprechen mit Ihnen wie sie das Geld in der nächsten Zeitperiode sinnvoll ausgeben können so dass es über den Monat verteilt reicht – Und vielleicht sogar noch etwas gespart werden kann.

Der 1954 geborene deutsche Philosoph Roman Casper hat hierzu ein sehr interessantes Buch geschrieben: „das Sein bestimmt das Bewusstsein.“

Die folgenden Punkte 7,8 und 9 dienen jetzt dazu, die Weisheit zu aktivieren.

(7) Kontextualismus

Es ist das Wissen, dass alle Umstände, Situationen und Probleme von ihrer Situation und von ihrer Zeit einem bestimmten Kontext zugeordnet werden müssen.

Im Buddhismus gibt es die Lehre, dass niemand denselben Fluss zweimal durchqueren kann. Denn beim zweiten Mal ist der Mensch ein anderer und auch der Fluss hat sich verändert.

Ein Neurobiologe sagte einmal den Satz: „nach diesem Gespräch sind sie ein anderer Mensch denn durch die Neuroplastizität hat sich ihr Gehirn auch materiell verändert.“

Kontextualismus bedeutet also: die Zeiten ändern sich, Situationen ändern sich, Umstände ändern sich. Da dem so ist, darfst du eine Situation niemals als sicher oder im Gegensatz dazu als absolut hoffnungslos beschreiben.

Never Never Never give up. Ein Zitat was Winston Churchill zugeschrieben wird. Er hat bewiesen, dass die Umstände zwar schlimm sein können sich aber nicht ewig so halten können.

(8) Werterelativismus

Grundsätzlich müssen wir anerkennen, dass andere Menschen andere Werte und Lebensziele haben als du und ich.

Da steht ein Konzernchef auf einer Aktionärsversammlung, strahlend vor seiner Zuhörerschaft und sagt dass das Unternehmen große Gewinne gemacht hat. Im nächsten Jahr werden weitere Mitarbeiter entlassen und die Gewinne würden noch früher sein.
Zu seinem Erstaunen kommt ihm starke Empörung durch die Medien entgegen. Dieser Konzernchef sagte später in einem Interview, dass er das alles nicht versteht. Wenn die Gewinne niedrig wären, würde die Aktien sinken. Dann würden andere Banken diese Bank aufkaufen und würden mehr Mitarbeiter entlassen als von ihm ursprünglich geplant sei.

Er hatte in seinem eigenen Wertesystem nichts anderes getan als wertekonform, sozial und sehr gewissenhaft zu arbeiten. Wärst du jetzt ein Mitarbeiter in diesem Konzern und hättest deinen Arbeitsplatz verloren kann es sein das du trotzdem mit Verbitterung reagierst.

Was in der einen Wertewelt etwas Böses und Egoistisches ist kann in der Wertewelt des Anderen sozial, altruistisch und vielleicht sogar religiös Gott gewollt sein. Die Gefahr vom Werterelativismus ist die Gefahr der Beliebigkeit.

Darum bemühen sich Regierungen und ganze Menschenrechtsorganisationen sowohl Menschenrechte, Grundrechte und Grundwerte als universelle Werte erdenweit festzulegen.

(9) Selbstrelativierung.

Hier sind wir fast schon wieder am Anfang unseres Beitrages angelangt und es schließt sich ein gewisser Kreis. Bei der Selbstrelativierung geht es um die Fähigkeit zu akzeptieren, dass Vieles nicht nach unserem eigenen Willen läuft und man nicht immer der wichtigste Mensch auf der Welt ist.

Wenn man das einmal zusammenfasst und nüchtern betrachtet ist es eine permanente Kränkung des Selbstwertgefühls und stellt dauerhaft die Selbstwirksamkeit infrage.

Wer jedoch diese Fähigkeit der Selbstrelativierung erlernt und mit einer Akzeptanz dieses Faktes durch das Leben geht wird ein viel ruhigeres Leben führen als der genaue Gegenteil: der Querulant. Ein Querulant vollzieht nicht den Perspektivwechsel, die Selbstdistanz oder bemüht sich nicht um Empathie.

Selbstrelativierung bedeutet, sich selbst nicht zu wichtig zu nehmen.

(10) die Ungewissheitstoleranz.

Es gibt ein altes liebliche Sprichwort das sagt: Zeit und unvorhergesehenes trifft sie alle.“ (Prediger 9 Vers 11)

Ein Youtuber war einen Tag vor dem 11. September 2001 auf der Aussichtsplattform vom World Trade Center. Nur einen Tag später und er wäre nicht mehr am Leben gewesen. So etwas müssen wir einfach tolerieren. Wir können uns nie sicher sein wie sich unser Verhalten kurzfristig und mittelfristig auswirken kann. Jedes Wort, jedes Geschehen und auch dieser Artikel kann Konsequenzen nach sich ziehen die ungewollt waren.

(11) die Fähigkeit mit Paradoxien zu leben.

Das Wort paradox kommt aus dem altgriechischen und bedeutet gegen die Erwartung, gegen die gewöhnliche Meinung, Unglaublich!“

Eine Person sagte einmal in der Therapie:“ der Typ war ein Schwein und ich habe ihn geliebt.“ Das ist zwar komplett widersprüchlich und in der Realität nicht aufzulösen oder zu versöhnen. Aber manche Lebenssituationen waren einfach zutiefst paradox und das muss man mit Shit Happens oder mit einem „so ist es“ hinter sich lassen.

Mein persönliches Schlusswort: 

Das letzte Lebewesen, welches das Wasser verstehen wird ist  ⇒ der Fisch.

Das Leben ist so vielgestaltig dass wir das Leben am besten durchleben indem wir es komplett und radikal akzeptieren.

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Das Trauma – Was passiert im Gehirn

Das Trauma – Was passiert im Gehirn?

Die posttraumatische Belastungsstörung wird im amerikanischen Sprachraum „Posttraumatische Stresserkrankung“ genannt.

Erst seit ca. 20 Jahren ist diese in die internationalen Diagnostik Systeme aufgenommen worden. Hier unterscheiden wir zwischen dem ICD-10 und dem DSM-5 von der APA.

Der Begriff Trauma kommt aus dem Griechischen und bedeutet Wunde / Verletzung. Das Wort Verletzung können wir noch erweitern und zwar: Verletzung von außen.

Bei einem Trauma unterscheidet man zwischen 2 Typen:

Typ 1 Traumata Einmalige starke, lebensbedrohliche sehr beängstigende Erlebnisse

Typ 2 Traumata: wiederholte Traumatisierungen wie zum Beispiel durch Schläge in der Kindheit, durch sexuellen Missbrauch oder aber wenn ein Gefangener in einem Lager gequält und misshandelt wird

Beide Möglichkeiten (Typ 1 und 2] können zu einem Krankheitsbild führen, das sehr quälend sein kann. Viele Soldaten entwickeln z.B. eine posttraumatische Belastungsstörung.  

Was bestimmt alles die Häufigkeit einer PTBS?

(1)die Lebensumstände:

– wenn ich in einer sehr sicheren situation / Umgebung lebe ist die Wahrscheinlichkeit relativ gering

– während Krisensituationen

– wenn ich in schwierigen Wohnverhältnissen lebe

– Wenn ich im Einsatz als Soldat, feuerwehrmann oder Polizist bin

ist die Wahrscheinlichkeit wesentlich größer 

(2) Das „Geschlecht“ 

Ich weiß dass es ein wenig gewagt ist – jedoch ist dies nicht negativ gemeint, sondern lediglich dem Umstand geschuldet, dass Frauen insgesamt doppelt so häufig von der posttraumatischen Belastungsstörung betroffen sind wie im Vergleich dazu die Männer. 

(3) der Beruf / das Leben 

die berufliche Situation oder die Lebenssituationen sind ein wichtiger Faktor für die Häufigkeit. 

(4) Das Trauma 

Nicht zuletzt das Trauma selbst bestimmt die Häufigkeit von posttraumatischen Belastungsstörungen.

Das wohl schlimmste Trauma dass man als Mensch erleben kann ist eine Vergewaltigung 

Die Vergewaltigung ist oft

– mit Lebensbedrohlichkeit verbunden 

– schwerster Erniedrigung und 

– Rücksichtslosigkeit eines anderen Menschen 

Dies ist so traumatisierend dass mehr als 50% der Frauen – die Opfer einer Vergewaltigung werden – zumindest eine vorübergehende posttraumatische Stresserkrankung haben

All das zeigt aber auch: es ist nicht sinnvoll, eine generelle Häufigkeit anzugeben. Es gibt einfach zu viele äußere Variablen. Über die gesamte Bevölkerung geht man etwa davon aus dass 4% an einer solchen Erkrankung leiden.

Wichtig ist noch zu wissen, dass diese Erkrankung eine relativ hohe „Spontan-Remission-Rate“  hat. Von einer Remission sprechen wir, wenn die Symptome wieder anklingen 7 nachlassen.

1.  Wie zeigt sich ein Trauma?

 

 

1.1. Ganz am Anfang muss etwas von außen geschehen: 
das Erleben eines Typ 1 oder eines Typ 2 Traumas.

1.2. Dann müssen sich in dem weiteren Verlauf stark quälende Erinnerungen einstellen:
– die Vergewaltigung wird zum Beispiel wiederholt geträumt
bestimmte Geräusche oder Gerüche erinnern an die traumatische Situation erinnern – und diese beginnt wie ein plötzlich angeschalteter Film – das damalige Erleben wieder ablaufen zu lassen.

      • Die Betroffenen sind dann davon so gefangen dass sie praktisch den Bezug zur Gegenwart / Realität vorübergehend verlieren  —  sich in einer Art dissoziativen Zustand

Dies ist dermaßen unangenehm und ängstigt die Menschen so sehr, dass sie in einem dauerhaften vegetativen Über-Erregungszustand sind:

Die Symptome sind dann
– erhöhte Pulsrate / Schwitzen / Schlafstörung / zittern.

 

1.3. Das Vermeidungsverhalten

Die vorher mühevoll ausgeklinkten Erinnerungen werden durch äußere Stimuli / Reize / Trigger wieder hervorgebracht und der arme Mensch erinnert sich wieder voll an das Trauma. 

Sie führen dann dazu, dass man alles tut um solche Stimuli zu vermeiden / oder zu umgehen:

– wenn jemand nachts überfallen worden ist, dann möchte er bei Dämmerlicht das Haus nicht mehr verlässt

 – Nach einem Autounfall möchte er nicht mehr Auto fahren.

– Nach einem Unfall zum Beispiel im Arbeitsbereich, meidet er diesen Ort…

Er zieht sich immer mehr zurück / meidet jede Situation die ihn auch nur annähernd in die Richtung des Reizes bringt. Er reduziert sich so dass wir hier von einer Vita Minima sprechen / ein stark reduziertes Leben – nur um jegliche Erinnerung an das Trauma zu vermeiden 

Dies führt aber paradoxerweise genau zum Gegenteil:

    • er wird sich seines Traumas permanent bewusst — denn schließlich richtet er sein ganzes Leben darauf aus.

(2) Was ist die Ursache für ein Trauma?


2.1. die Neurobiologischen Faktoren:


(1) Die genetische Disposition

Aus Untersuchungen von eineiigen Zwillingen wissen wir, dass wenn einer der beiden Zwillinge in einer traumatischen Situation eine posttraumatische Belastungsstörung entwickelt hat, dann ist die Wahrscheinlichkeit, dass der andere Zwilling im Verlauf seines Lebens in einer vergleichbaren Belastung auch dieses Krankheitsbild entwickelt überproportional hoch. Wir können hier wirklich von einer genetischen Prägung sprechen.

 Vieles über die anderen neurobiologischen Ursachen – welche für die Entstehung einer PTBS wichtig wären, sind bis heute noch nicht genau geklärt.

Eine wichtige Frage ist zum Beispiel: Warum entwickeln nach schweren Verkehrsunfällen weniger als 10% das Krankheitsbild einer PTBS – mehr als 90% jedoch nicht?

Wo sind die neurobiologischen Unterschiede für die Resilienz auf der einen Seite und für die Vulnerabilität auf der anderen Seite?

Ein Erklärungsversuch ist folgender:
Neuere Untersuchungen weisen darauf hin, dass das System der Stresshormone eine wichtige Funktion hierbei hat.

In mehreren Studien fällt auf, dass Menschen – die eine PTBS entwickeln – einen Hypocortisolismus aufweisen – also ein Mangel am Stress-Hormon Cortisol im Blut.

Was ist die Auswirkung hiervon?
1. Cortisol wirkt wie eine Bremse für die Ausschüttung von Katecholaminen — Adrenalin, Dopamin, Noradrenalin.

    1. Adrenalin selbst unterdrückt die Frontalhirn Funktion / das kognitive Denken.
    1. Das Frontalhirn ist aber wichtig ist um die Stressreaktion der Amygdala herunter zu regulieren
    1. Die Amygdala ist ja der zentrale Bereich im Gehirn der für intensive emotionale Reaktionen und auch für die Ausschüttung von Hormonen verantwortlich ist, welche die vegetative Stressreaktion regulieren.

Dies ist derzeit die am meisten favorisierte neurobiologische Erklärung der PTBS.

2.2. Die psychologischen Faktoren

(1) Hier muss man prüfen, ist derjenige bereits schon früher schon mal psychisch erkrankt?

Menschen, welche schon mal depressiv waren oder eine Angsterkrankung durchgemacht haben reagieren  empfindsamer auf Traumata und entwickeln häufiger eine PTBS.

(2) Außerdem ist die Art der sozialen Unterstützung extrem wichtig. 

– Erhalte ich nach einem Trauma viel soziale Unterstützung und Begleitung so ist die Wahrscheinlichkeit zu erkranken deutlich geringer

– als wenn ich damit alleine bin und damit das Problem schlechter mit anderen besprechen und irgendwann auch mal überwinden kann.

(3) Was sind die Diagnose-Kriterien für ein Trauma?

 

– Das Krankheitsbild muss für 4 Wochen bestehen

– Es muss zu deutlichen Beeinträchtigungen im Leben führen.

 

Klingen die Symptome schneller ab, dann würde man von einer akuten Belastungsreaktion sprechen. Die akute Belastungsreaktion ist bei einem schweren Trauma fast normal. Sie entwickelt sich jedoch nach einigen Tagen oder wenigen Wochen wieder zurück. 

Hält das Krankheitsbild aber 4 Wochen oder länger an, dann spricht man von einer Posttraumatischen Belastungsstörung.

Wir sehen dies zum Beispiel bei den Holocaust Opfern aus der Nazizeit. Selbst viele Jahrzehnte nach der schweren Traumatisierung haben sie noch immer das Vollbild einer Posttraumatischen Stress Erkrankung 

Viele Holocaust Opfer – die nach dem Krieg in Israel lebten hatten jahrelang nächtliche Träume von Misshandlungen und litten unter Todesangst. Sie taten alles tun um zu vermeiden mit der deutschen Sprache wieder in Kontakt zu kommen – weil sie wussten dass das sofort eine starke Intensivierung ihrer Symptome hervorgerufen hätte.

(4) Die Behandlung von Traumen

 

Bei der Behandlung werden aktuell 2 Vorgehensweisen diskutiert 

(1) das eine sind psychotherapeutische Verfahren 

(2) das andere sind medikamentöse Behandlungen

Studien und der Wunsch der Patienten zeigen jedoch sehr deutlich dass die Vorteile und die Präferenzen hin zur Psychotherapie gehen.

Man kann Posttraumatische Stresserkrankungen zum Beispiel durch Antidepressiva mildern.  In der Regel hält die Besserung hierdurch nur so lange an, wie das Medikament auch eingenommen wird

Die allermeisten Patienten wünschen sich jedoch, dass das psychologische Trauma auch mit psychologischen Mitteln behandelt und geheilt wird. 

Innerhalb der Psychotherapien gibt es verschiedene Ansatzpunkte.

Die weitaus besten Studien sprechen derzeit für die kognitive Verhaltenstherapie in deren Mittelpunkt die sogenannte Exposition Behandlung steht.

    • Exposition ist der absichtliche Kontakt mit einem äußeren Einfluss.
    • Exposition ist in unserem Falle also der Versuch,
      • die Erinnerung an das Trauma mit der starken Angst von den vegetativen Begleitsymptomen abzukoppeln

Wie bei praktisch allen Strategien in der Angsttherapie, geht man von folgendem aus

      • in einer angsterzeugenden Situation erlebt man nur ca. 20 bis 30 Minuten ein hohes Maß dieser Angst mit den vegetativen Begleiterscheinungen. Dann klingt die Angst langsam wieder ab

 

(2) Durch wiederholtes Eintreten in die angsterzeugende Situation entsteht allmählich eine Entkoppelung / Trennung der angstauslösenden Vorstellungen mit der emotionalen und vegetativen Angstreaktion

      • diese Entkopplung reduziert dann auch die Angst vor der Angst

Schritt 1 der Therapie: zuerst muss man das Vertrauen des Patienten zu gewinnen 

Schritt 2: Dann muss man dem Patienten die Strategie genau erklären um ihn für die Mitarbeit in der Therapie zu gewinnen

 

Schritt 3: Er muss bei den Sitzungen mit dem Therapeuten in das Trauma zurückgehen bis endlich diese Entkoppelung von Angst und vegetativen Reaktionen bei der Erinnerung einritt. 

Das Ziel ist, dass in der Zukunft die Erinnerung an die traumatische Situation keine weiteren Paniken mehr auslöst.

Hierdurch entzieht man auch den Vermeidungsstrategien allmählich den Boden welche das Leben vieler Menschen mit Posttraumatischen Stresserkrankungen massiv beeinträchtigen.

(5)    Neue Forschungsansätze in der Therapie

Die Psychotherapien haben  einen starken Nachteil:

      • sie sind für die Patienten massiv belastend.

Stellen wir uns nur mal vor, dass man eine Frau – welche eine Vergewaltigung durchlebt hat – in der Therapie dazu auffordert sich wiederholt (!) immer wieder sehr intensiv an die Vergewaltigungssituation zu erinnern…

Und dies geschieht so lange bis die Entkoppelung von Angst, Ekel, Schrecken, Herzrasen und Schweißausbrüchen aufhört und die Erinnerung angstfrei und ohne massive vegetative Symptomatik möglich wird.

Da dies extrem belastend ist, sucht man nach Verfahren mit denen man das alles vereinfachen kann.

Ein Weg ist die sogenannte EMDR-Therapie (Eye Movement Desensitization and Reprocessing

– Desensibilisierung und Verarbeitung durch Augenbewegung)

 EMDR hört sich kompliziert an, ist jedoch vergleichsweise simpel – und hoch effektiv! Man bittet die Patienten,

      • kurz in diese Situation hinein zu gehen – mit den entsprechenden Emotionen –
      • und bittet sie dann, einem Finger des Therapeuten zu folgen 

Alleine durch diese Augenfolge-Bewegungen ist es dem Gehirn ziemlich schwer, das intensive Angsterleben aufrecht zu erhalten 

Das Ergebnis ist, dass man rasch auch wieder aus der Situation mit seinen vegetativen Symptomen heraus kommt.

Man geht also

      • immer wieder in kurzen Episoden in die Erinnerung hinein,
      • dann lässt man die Augen den Bewegungen folgen. 
      • Dadurch wird eine Reduktion des Angstlevels erzeugt.
      • Mit jeder Wiederholung wird das Verfahren für die Patienten einfacher 
      • bis schlussendlich die Entkopplung zwischen Angst und vegetativer Reaktion erfolgt ist.

Dies ist ein effektiver Weg in der Psychotherapie – durch solch eine Ablenkung-Strategie das Verfahren für die Patienten akzeptabler zu machen und mehr Patienten dazu zu gewinnen, diesen effektiven Weg der Exposition zu gehen

  • Die zweite Möglichkeit einer Behandlung ist die Medikamentöse Behandlung.

Man überlegt derzeit, inwieweit die Gabe von Kortison die Entwicklung einer Posttraumatischen Stresserkrankung verhindern kann.

Auch hierüber gibt es bereits einige Studien die zeigen, dass die unmittelbare Gabe von Kortison nach einem Trauma deutlich die Rate von PTBS reduzieren kann 

Beachten muss man aber,

    • dass die Studienlage noch am Anfang steht
    • und es sich hierbei nur um einen von mehreren pharmakologischen Versuchen in der Behandlungsstrategie handelt um auf der neurobiologischen Ebene das Entwickeln einer PTBS zu verhindern

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Borderline und extreme Sexualität Sadomasochismus

Borderline und sein Verhältnis zu extremer Sexualität (Sadomasochismus)

Mit Sadomasochismus sind in diesem Beitrag vorwiegend die ungefährlichen und harmlosen sexuellen Vorlieben bei sadomasochistischen Handlungen gemeint, die von Beiden Personen angewendet und auch von Beiden akzeptiert werden.

Zu Sadomasochismus zählen bereits Handlungen wie das Benutzen einer Augenbinde, Handschellen oder das Kratzen des Anderen. Grundsätzlich gibt es auch keine klare Grenzlinie zwischen sogenannten „normalen“ sexuellen Praktiken und denen bei Sadomasochismus.

Daher  tun sich unsere beiden Hauptnachschlagewerke (ICD10 und DSM-5) etwas schwer, den Sadomasochismus zu definieren.:

Der DMS-V gibt für den sexuellen Masochismus/Sadismus folgende Kriterien an:

        • Die sexuellen Phantasien, Bedürfnisse und Verhaltensweisen verursachen starke Leiden / Beeinträchtigung in wichtigen Lebensbereichen.
        • Sexuelle Phantasien (Paraphilien) sind eine Reaktion auf psychische Belastungen und werden beim Patienten zunehmen
        • wenn er zusätzliche psychischen Störungen hat
          • oder die Möglichkeit vorhanden sind, diese paraphilen Wünsche ausleben zu können.

Die ICD-10 andererseits geht davon aus, dass eine Störung (Sexueller Sadomasochismus) nur vorliegt,

        • wenn die sadomasochistischen Betätigungen die Hauptursache der Erregung oder für die sexuelle Befriedigung unerlässlich sind.

1.     Sadomasochistische Praktiken

 

Mit diesem Beitrag möchte ich auf keinem Fall eine Diskussion darüber starten, was denn nun paraphil ist und was nicht.

Mit dem Aufzeigen von ein paar ausgewählten Beispielen sadomasochistischer Praktiken (ohne Anspruch auf Vollständigkeit) möchte ich aber auf deren allgemeinen Zusammenhang mit Persönlichkeitsstörungen aufzeigen.

Viele dieser Praktiken fallen

      • durch ihr selbstverletzendes Verhalten auf und
      • durch die Art der ihnen eigenen Form der Beziehungsgestaltung
        • inklusive der Nähe-Distanz-Regulierung

welche ja das erste der 9 Kriterien für Borderliner im DSM ist.

  • Demütigung

■ Befehle: Er (der Masochist) muss stehen, während alle anderen sitzen; darf häufig kein Wort sprechen. Der Sadist andererseits muss immer respektvoll und höflich angesprochen werden.

■ absolute Unterwerfung: er auf jedes Wort „gehorchen“, zum Beispiel aus einem Napf vom Fußboden essen.

  • Bondage

■ das Verschnüren des Masochisten mit Stricken, Lederbändern oder Riemen

■ der passive Partner wird z.B. an ein „Andreaskreuz“ oder an Haken in der Zimmerdecke oder den Wänden gebunden

■ Das Ziel liegt darin, den Anderen bewegungsunfähig zu machen und so das Gefühl des Ausgeliefertseins zu verstärken oder durch die Fesselung eine bestimmte Körperhaltung zu „erzwingen“

  • Spanking

■ Zufügen von leichten bis zu extrem harten Schlägen mit der flachen Hand oder einem Gürtel oder Ähnlichem Flagellation

■ Eine Steigerung findet statt wenn der Masochisten mit verschiedenen Schlagwerkzeugen „bearbeitet“ (wie Peitschen, Reitgerten, Rohrstöcken, Brennnesseln) wird. Die Effekte reichen von leichten Hautrötungen über blaue Flecken und Platzwunden bis zu blutigen Striemen

  • Folterspiele

■ Der Masochisten wird mit Nadeln, Rasierklingen, heißem Wachs, Metallklammern und Gewichten an Brustwarzen und im Genitalbereich oder mit einer Brandmarkung „behandelt“. Häufig kommt es zu Durchbohrungen der Haut wenn Ketten oder Ringen an diesen Stellen befestigt werden.

Andere Praktiken hierbei sind: Stromschläge, das Einführen von Gegenständen in Körperöffnungen, oder Würgen

  • Andere

Amelotatismus von griech. a „ohne“, melo „Glied“, tasis „Zuneigung“): sexuelles Interesse an Personen mit verkrüppelten oder amputierten Gliedmaßen. Ein anderes Wort wäre Deformations-Fetischismus.  

Koprophilie, Urophilie: sexuelle Befriedigung durch Essen oder Spielen mit Exkrementen

Vampirismus: sexuelle Stimulation durch das Trinken von Blut

Sodomie: sexuelle Handlungen mit Tieren

Gerade  diese beschriebenen Extrem-Formen von Sadomasochismus werden zur Stabilisierung der belasteten Psyche ausgelebt. Dies dient besonders Borderline-Patienten zur Reduzierung der übermächtigen diffusen Angst.

Wichtig: Bei der Betrachtung dieser Handlungen kommen wir immer wieder zurück auf das Muster von Übertragungen (wie z.B. Ängsten). Wir werden hierauf noch später tiefer eingehen.

2.     Angst ist das (!) zentrale Gefühl bei Borderline-Störungen

 

      • Angst ist das Zentralsymptom der Borderline-Störungen!!!
      • die mit der „Vernichtungsangst des Säuglings“ beginnt
      • seine Wiederbelebung durch die Realtraumatisierung erfährt
      • Und sich in den Angsthandlungen eines Borderliners

Diese aus der frühesten Kindheit kommende, traumatische sogenannte diffuse Angst entspricht eher einer Grundangst als einer konkreten Erwartungsangst von reellen Dingen.

Sie wird „automatisch“ aufgebaut wie eine innere Abwehr gegen unbewusst erwartete Bedrohungen (häufig in Bezug zu Beziehungen).

Sie äußert sich oft „versteckt“ sowohl auf der tatsächlichen / deskriptiven  Ebene wie der strukturellen Ebene

    • Deskriptive (d. h. symptomatische) Ebene: Die Symptome dienen der Angstausrichtung beziehungsweise -kanalisierung (Phobie, paranoide Symptome), der Angstminimierung (Dissoziation) beziehungsweise der »Angsteliminierung« (narzißtische Leere, emotionales Vakuum).
    • Strukturelle Ebene: Entängstigung ist
      • – sowohl über den zentralen Abwehrmechanismus (Spaltung) und die Hilfsabwehrmechanismen (insbesondere projektive Identifizierung,
      • – aber auch über Entwertung, primitive Idealisierung usw.) möglich.

 

  • 2.2. Säuglingsangst

Als Säugling hast Du am Anfang nur 2 Zustände: „Sein und Vernichtung“ Andere Alternativen existieren nicht in unserem zur Geburt noch unausgereiften Gehirn. Im Speziellen ist hier der noch nicht ausgebildete Präfrontale Cortex gemeint. Andererseits ist das Limbische System bereits voll aktiv. Dies ist wichtig um alles Weitere zu verstehen.

Ein kurzer Blick auf die Tierwelt zeigt es ganz deutlich: Angst vor Vernichtung steuert das Verhalten selbst primitiver Lebewesen.

Säuglingsforscher haben in Studien erkannt, das falsches Halten im Kind extremes Unbehagen hervorruft.

Hierdurch entsteht beim Säugling

das Gefühl, die äußere Realität ist zur Beruhigung nicht zu gebrauchen, und Ängste, die wir als ‘psychotisch’ bezeichnen können.“

Dieses sind Beschreibungen von Ängsten eines Säuglings,

    • der zwar eine konkrete Gefahr nicht erkennen, sie auch nicht fantasieren kann,
    • aber dennoch Angst vor dem inneren „GAU“ haben kann – ohne eine Idee, wie dieser aussehen könnte.

Der einzige Schutz dagegen ist die „haltende Funktion“ besonders der Mutter. So wie der Säugling das Gehaltenwerden braucht

      • und die haltende Funktion wahrnimmt,
      • so genau nimmt er auch das Fehlen wahr.

Wichtig ist zu wissen, dass Säuglinge nicht fantasieren könnten. Deshalb hätten sie in erster Linie für sie realistische Ängste, die zeitlich begrenzt seien, sofern sich die angstauslösende Situation verändere.

Hierdurch durchlebt der kleine Mensch förmlich eine Vernichtungsangst, denn er kann ja nicht ahnen, dass das Essen schon naht, wenn der Hunger bereits vorhanden ist, oder dass die Decke schon bereit liegt, wenn er zu frieren beginnt.

In seltener Einhelligkeit bestätigen Angst-Patienten / Borderline-Patienten, dass man ihre Angst ganz genau so beschreiben könne.

2.3. Angst als Folge eines Traumas

 

Die erste konkrete Reaktion auf ein Trauma (ganz besonders spreche ich hier den sexuellen Missbrauch und die körperliche Misshandlung an) ist Angst um sich selbst, da das Trauma als lebensbedrohlich erlebt wird.

Dies geschieht nicht zuletzt auch aufgrund der tief im Unterbewusstsein gespeicherten Erinnerungen an die Vernichtungsangst des Säuglings.

Frühkindliche prätraumatische Erfahrungen und wohl auch pränatale Erfahrungen können den Patienten anfällig machen für künftige Persönlichkeitsstörungen.

Besonders auch deswegen weil das Realtrauma fast immer kein einzelnes Träume sondern eine Entwicklungstraume ist. Es entsteht häufig innerhalb einer längeren Zeit in einer „schwierigen Familienatmosphäre“  

Erst später, manchmal erst Jahre nach dem Trauma, erfolgt eine beziehungsbezogene Reaktion, also Wut bzw. Hass;

Wut als objektbezogenes Gefühl ist daher erst die zweite Gefühls- Reaktion auf Traumata. Dies betrifft Hass bzw. Wut auf den Täter wie auch – insbesondere nach Inzesterlebnissen – Hass und Wut auf sich selbst.

Zunächst wird aber während der Traumatisierung die Angst um sich selbst erlebt,

      • Häufig mit der Folge z. B. von Dissoziationen als Angstentlastung – als gelte die Bedrohung dann nur dem Körper wie einer leeren Hülle, aber nicht dem Selbst. Der Leidende spaltet sich sozusagen ab…

Ein „Problem“ bei welche den kleinsten Menschen – den Säuglingen – zugefügt werden ist folgendes:

Bei Erwachsenen werden Erinnerungen / auch Traumatisierungserinnerungen  im deklarativ-expliziten Gedächtnis gespeichert – dem Hippocampus. Dieser Hippocampus ist jedoch in den ersten Lebensjahren noch viel zu unreif sei, um klare Gedächtnisinhalte wie Personen und Sprache speichern zu können;

Andererseits ist aber das emotionale Gedächtnis z.B. mit der Amygdala von Anfang an voll funktionsfähig:

„Auf diese Weise ist z.B. erklärbar, daß lebensgeschichtlich frühe intensive Gefühlserfahrungen – wie z.B. die Vernichtungsangst von Säuglingen – unter ganz bestimmten Bedingungen, die den Erfahrungen im Säuglingsalter ähneln reaktiviert werden können – ohne dass eine Chance besteht, den zugehörigen Kontext, die seinerzeit erlebte Gesamtsituation, im Gedächtnis wieder voll zugänglich zu machen.“

Das ist auch Grund warum sich Vergewaltigungsopfer zwar meistens an das Trauma und seine Gefühle selbst genau erinnern können, seltener aber den fremden Täter zu beschreiben vermögen.

2.4. Die nicht greifbare diffuse Angst

Um diese unerklärliche und nicht greifbare permanente Angst zu reduzieren, fängt der junge traumatisierte Mensch an, diverse Abwehrmechanismen und Symptome auszubilden. Zu diesen gehört u.a. auch die Aggression, die im Sinne einer Externalisierung der eigenen Entängstigung und Entlastung dient.

Zum Beispiel: bei Skinheads / oder Rechten die Aggressionen gegen vermeintlich bedrohliche Personen wie z.B. Ausländer 7 Minderheiten ect..

Angst ist also die Basis von Wut/Hass/Aggression

Diese Angst ist später fast permanent vorhanden, manchmal abgewehrt und nicht spürbar, aber in engen Beziehungen stets verstärkt – also auch in der Therapie (das ist ein wichtiger Aspekt).

Angst gehört – neben Depression – zu den häufigsten Affekten von Borderline-Patienten – so jedenfalls die Selbsteinschätzung; Interessant ist aber, dass die Patienten von ihren Befragern relativ selten als ängstlich bzw. furchtsam eingeschätzt werden:

„Es besteht hier also ein Unterschied zwischen dem, was die Patienten von sich berichten und dem, was von den Interviewern bei ihnen wahrgenommen wird“

Zu erklären ist dies z.B. wegen der Verleugnung von Angst bei den Borderliner-Patienten.

Eine Clusteranalyse erbrachte z.B., dass es bei den Borderline-Patienten zwei Untergruppen gibt (lt. Diagnostischen Interview für das Borderlinesyndrom):

      • Die eine Gruppe mit hohen Werten im Bereich Wut habe niedrige Werte im Bereich Angst und
      • die andere Gruppe mit hohen Werten im Bereich Angst niedrige Werte im Bereich Wut:

Wut und Angst treten anscheinend nicht in gleichem Maße zusammen auf und die Gruppen lassen sich anhand dieser Emotionen unterscheiden.

Die Vermutung hier ist, dass die Gruppe, welche vor allem Angst verspürt, primär sexuell missbraucht und jene mit Wut primär körperlich misshandelt wurde.

Mit welchen Ängsten leben diese Borderline-Patienten?

■ Angst vor Ohnmacht durch konflikthafte Impulse (Kriterium 6)

■ Angst vor struktureller Regression / einem Zurückfallen in frühkindliche Abwehrmechanismen

■ Angst vor dem Alleinsein (Kriterium 1, 7)

■ Angst vor Selbstverlust (Kriterium 3)

■ Angst vor Nähe und gleichzeitigem Verlassenwerden (Kriterium 1, 2)

■ Herstellung einer Affektlosigkeit (Kriterium 6)

■ Herstellung von Anhedonie (fehlendes Glücksgefühl) (Kriterium 9)

■ Ersetzen durch einen anderen Affekt / Agieren (Kriterium 4)

■ Projektion (Kriterium 9)

Insbesondere zwischen der Angst vor dem Alleinsein/Verlassenwerden, aber auch der Angst vor Nähe, und sadomasochistischen Praktiken besteht ein deutlicher psychodynamischer Zusammenhang.

All dieser Handlungen ist sich der Borderliner-Patient mehr oder weniger selbst bewusst und versucht die Konsequenzen seiner Handlungen mit seinen Mitteln zu reduzieren. Nun sind seine Mittel aber nicht ausgereift. Diese befinden sich immer noch auf dem Niveau eines Säuglings / Kleinkindes. Dementsprechend irritiert reagiert dann auch seine Umgebung auf dieses kindliche Verhalten.

 

2.5. Mechanismus zur Reduzierung der frei flottierenden, diffusen Angst bei BorderlinePatienten

 

Die vielen Symptome wie Phobien, Zwänge, Drogenmissbrauch und auch extreme Sexualität dienen dazu, mit der unfassbaren und für den Patienten nicht greifbaren Angst sozusagen wieder „konstruktiv“ umzugehen:

    • indem diese Angst ausgerichtet wird (z. B. Phobie, Paranoia), Kriterium 9
    • Versucht wird zu kontrollieren (Zwänge) Kriterium 5
    • Indem die Angst abgespalten und so nicht mehr spürbar wird (Dissoziationen, Drogen).

Auch die Abwehrmechanismen gegen die Umgebung, ermöglichen in sich betrachtet eine Angstreduzierung. Wie kann man sich das vorstellen?

Zum Beispiel durch die Gestaltung von Beziehungen im Sinne einer „Sortierung“. So können der Bezugspersonen besser Verortet werden (ein Schubladenmuster).

      • Dies geschieht über Idealisierung und Entwertung oder (Kriterium 2)
      • auch durch eine Spaltung in „gut“ und „böse“
      • und auch im Sinne einer Zerstörung von Beziehungen zur Vermeidung der mit Beziehungen verbundenen (Verlust-)Ängste. (Kriterium 1)

All das ist zwar nur eine Pseudolösung, hilft dem Borderliner jedoch seine Angst zu reduzieren. Grundlage ist hierbei immer das Gefühl der Freiheit / der Wahlfreiheit – auch wenn es sich nur um eine Wahl zwischen Pest und Cholera handelt…

In diesem Artikel geht es ja um die extremen sexuellen Praktiken. Die unterschiedlichen Ausprägungen der Sexualpraktiken wie z.B. Sadomasochismus dienen dazu die eigene Angst nicht mehr zu spüren / zu reduzieren oder zu vermeiden (Zum Beispiel durch das Ersetzen einer emotionalen Nähe durch Handlungen mit Pseudonähe – wie es bei „gekaufter Liebe“ geschieht).

Wenn die Angst nicht reduzierbar ist, gibt es noch einen anderen Weg: Das Ersetzen der diffusen Angst durch eine fokussierte / zielgerichtete und damit beherrschbare Angst!

Beobachtet wird zum Beispiel, dass schwere und gerade auch mit Ängsten verbundene Symptome verschwinden, wenn eine weitere Katastrophe hereinbricht – z.B. ein Feuer o.ä. Nach dem Abklingen des Unglücks / der Evakuierung beginnt dann in der Regel die Symptomatik erneut.

Das Bedürfnis nach Strafe durch den Tod bei der chronischen Empfindung, selbst unwert zu sein, ersetzt die Angst „vor dem Leben an sich“, also einer diffusen, einer „frei flottierenden“ Angst.

 

 

3. Reduktion der Angst als Therapieziel

 

In der Therapie  muss eine angstfreie Atmosphäre geschaffen und gehalten werden – dazu zählt auch das Berichten „peinlicher“ Vorgänge und Fantasien. Ein Weglassen von Tabuthemen oder ein sogenanntes „Moralisieren während des Berichtens“  verhindert die Bearbeitung sexueller Probleme.

Besonders wenn gute Erfahrungen mit dem Therapeuten gemacht werden ist die Chance hoch, stabilere private Beziehungen neu einzugehen.

 

Das zentrale Thema einer Therapie ist es,

      • eine Atmosphäre herzustellen und aufrechtzuerhalten, welche eine verändernde und haltende Funktion hat.

Diese „haltende Funktion“ ist zwingend nötig zum Entwickeln einer „reifen“ Beziehungsfähigkeit.

Warum ist gerade dies so effektiv? Grundsätzlich werden ja alle Beziehungserfahrungen im Gehirn, in unseren neuronalen Netzwerken abgespeichert.

Diese lassen sich nicht auch nicht löschen – weder durch Medikamente noch durch Psychotherapie. „Die Amygdala vergisst nie….!“

Darum ist das zentrale Wirkprinzip:

    • Der Patient soll in der Therapie möglichst viele „gute“ Beziehungserfahrungen (auch therapeutische Beziehungen) machen,
    • damit die „alten“ Erfahrungen durch die neuen mehr oder weniger „neutralisiert“ werden.

 

      • Für den Patienten bedeutet dieses vor allem:
        • Angenommen werden,
        • ausreichende Angstfreiheit und
        • ausreichende Beziehungssicherheit.

 

      • Für das Behandlungsteam bedeutet dieses vor allem:
        • sich immer wieder auf neue Menschen
        • und ihr schwieriges Beziehungsverhalten, das ja auch ein Beziehungsangebot beinhaltet, individuell und flexibel einzulassen.

 

Hierzu gehört allerdings ein schwieriger therapeutischer „Drahtseilakt“: die Unterscheidung zwischen

    • der Angst des Patienten bezüglich Sexualität und
    • der Angst des Therapeuten bezüglich der Sexualität des Patienten und der eigenen Person.

 

Wir nennen dies  eine projektive Identifizierung„Der Patient  überträgt / projiziert unerträgliche innere Erlebnisse auf ein Gegenüber / ein Objekt. Er versucht das unerträgliche Erlebnis aus seiner Vergangenheit damit abzuwehren

    • indem er sein Gegenüber kontrolliert und
    • ihn dazu bringt, die auf ihn projizierten Gefühle zu erleben.“

 

Wichtig hierbei zu beachten: Soll die Therapie auch bezüglich der sexuellen Störungen des Patienten gelingen, muss der Therapeut seine Gefühle immer daraufhin prüfen, ob diese aus ihm selbst heraus entstanden sind oder ihm per Projektion vom Patienten „untergejubelt“ wurden.

Werden diese sexuellen Gefühle des Patienten dem Therapeuten extrem suspekt kann dies entweder zur Nichtbearbeitung der Sexualität des Patienten oder zur Vermittlung eigener Moralvorstellungen führt. Das müssen jedoch nicht die unserer Patienten sein. Dann würde der Therapeut eher einem Geistlichen als einem Psychotherapeuten gleichen.

 

 

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Borderline Therapie – Teil 5 Katathym imaginative Psychotherapie

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Borderline Therapie – Teil 5 – Die Katathym imaginative Psychotherapie

Die mächtige aber auch gefährliche Fremdsprache in der Psychotherapie 

Das gesprochene Wort ist die mächtigste Waffe eines Therapeuten.

Was aber macht ein Therapeut, wenn sein Patient so traumatisiert ist, dass er keine Worte findet? 

Hierbei kann die katathyme Imagination in der Psychotherapie helfen! Diese funktioniert praktisch wie eine zweite Fremdsprache.

Katathym bedeutet: Vorstellung von Gefühlen. (Griechisch kata = herab, thymos = Gefühl)
Imaginativ bedeutet: Die Vorstellung von Bildern
Katathyme-Imaginative Psychotherapie ist nichts anderes als der Ausdruck von inneren Gefühlen mit Hilfe von Bildern. 

Um nun ein wenig Ordnung in dieses System des Tagtraumes und seinen möglichen Erklärungen zu bringen gibt es seit einigen Jahrzehnten die Katathyme Imaginative Psychotherapie. 

I. Geschichtliche Wurzeln

(Kurz gefasst ist die KiP ein methodisches Vorgehen in der Tagtraumtechnik)

Die Katathym-imaginative Psychotherapie (K.i.P.) ist eine Form tiefenpsychologisch-fundierter Psychotherapie. Sie wurde entwickelt von Hans-carl Leuner (1919 – 1996).

Hierbei werden vor allem Imaginationen (bildhafte Vorstellungen) genutzt, um

      • unbewusste Motivationen, Phantasien, Konflikte und Abwehrmechanismen und
      • die Übertragungsbeziehung und Widerstände zu anderen Menschen zu veranschaulichen
      • und deren Bearbeitung sowohl auf symbolischer Ebene als auch im Gespräch zu fördern.

Das Verfahren entspringt der Psychoanalyse die davon ausgeht dass unsere sichtbaren Konflikte von unsichtbaren inneren Dynamiken ausgehen. 

Imaginationen sind spontane oder durch Motivvorgabe angeregte bildhafte Symbolisierungen.

Sie sind Ergebnisse einer zwar verbal vermittelbaren, aber primär nicht mit Worten diskursiven (ein argumentativer Dialog) Ich-Leistung.

In den erarbeiteten Bildern und deren Symbolen erarbeiten sich dann die zentralen unbewussten Beziehungskonflikte, deren Bewältigungs- und Abwehrformen welche sich der Patient im Laufe seines Lebens zugelegt hat.

In folgenden Therapien kann man sie gut einsetzen:

      • in der Konfliktverarbeitung,
      • zur Ich-Stärkung und Strukturförderung,
      • und nicht zuletzt für die Diagnose unterschwelliger Konflikte.

Die Hauptvorteile der therapeutisch angeregten Veränderung sind die

      • bessere Konflikteinsicht und das Selbstverstehen 
      • die korrigierende Erfahrung durch eine stützende therapeutischen Beziehung.

Imaginationen sind doppelt wertvoll:

Alle so genannten Standardmotive der Grundstufe enthalten auch Aspekte der Diagnose in der Psychodynamik. Die hauptsächlich in der Grundstufe verwendeten Motive sind u.a. Folgende: 

    • Wiese: Dieses Bild beschriebt die aktuelle Lebenssituation.
    • Bachlauf: Die Art und Weise wie das Wasser fließt, zeigt an wie wir auf Veränderungen ansprechen
    • Berg: Dies ist das Leistungsthema. Was fühle ich, wenn ich auf einen Berg steigen soll? Gelingt solch ein Aufstieg recht einfach so bin ich auf meiner Arbeit eher unbelastet. 
    • Haus. Dieses Bild steht für die eigene Person. Kann ich mir ein Haus gut vorstellen, z.B. mit vielen Details, habe ich eher einen Bezug zu mir
    • Lichtung: die noch offenen Lebensfragen. Was kommt aus dem Dunkel im Wald? Wovor habe ich angst in meinem Leben?
    • Boot: meine Umwelt. Wenn ich mich in ein Boot setze, ist es groß und ruhig, ein schnelles Rennboot, eine wackelige Nussschale? Dies zeigt, ob ich mich meiner Umgebung hilflos ausgeliefert fühle, diese akzeptiere oder mein Schicksal selber gerne in die Hand nehme. 
        • In der Mittelstufe: das angsbesetzte Tier z.B. Löwe, Wolf auf der Lichtung…. Auto, Reise in den eigenen Körper,
        • In der Oberstufe: Höhle, Vulkan,
        • in der Traumatherapie: inneres Kind, sicherer Ort, imaginäre Helferwesen.

Die Beschreibungen hier sind nur beispielhaft und rudimentär zu verstehen und deuten lediglich an, in welche Richtung der Therapeut mit Hilfe dieser Bilder den Weg mit dem Patienten geht. 

Es kann sich ein Leistungsproblem beim Aufstieg auf einen Berg zeigen, eine Selbst- und Selbstwertproblematik im Blumentest oder Entwicklungsbrüche beim Gang an einem Bachlauf zur Quelle oder zur Mündung.

Die K.i.P. nutzt ihre Motive darum immer zweifach: sowohl diagnostisch als auch therapeutisch.

 

Wichtig in diesem Zusammenhang sind aber noch die 2 folgenden Aspekte:

(1) Der Therapeut ist nicht derjenige, welcher aus den Bildern nun eine Deutung herausarbeitet. Selbst wenn der Patient den Therapeuten aktiv fragt: „Was bedeutet nun mein beschriebenes Bild von der Wiese?“ wird dieser die Deutung der Zeit und dem Patienten immer wieder zurück übertragen. Sein Ziel ist es, den Patienten darin zu fördern, seine Empfindungen zu den Bildern langsam und sicher kognitiv beschreiben zu können. 

(2) Nicht die Bilder sind das, was in der K.i.P. wichtig ist, sondern die Emotionen, Gefühle und Affekte welche sich aus diesen beim Patienten ergeben. Der Therapeut wird also nicht sagen: „Stellen Sie sich mal eine grüne schöne Wiese vor“. Nachdem der Patient von sich aus die Wiese aus eigener Perspektive beschrieben hat, interessiert den Therapeuten noch viel mehr, was er nun hierbei empfindet. 

Die Allgemeine Therapiestrategie in der K.i.P.

Von Kleinkind an werden Erfahrungen als einflussreiche Bilder gespeichert. Die Sprache und damit das kognitive Erfahren kommt erst viel später.
Hirnforscher belegen, dass die frühkindliche Erinnerung erst ab dem Ende des dritten Lebensjahres einsetzt. Ein Gedächtnis, das bis in das Säuglingsalter reicht, ist nach heutigem Wissen physisch unmöglich.

Diese Bildschemata formen nun das Denken, Fühlen und Verhalten des jungen Menschen, auch wenn sie nicht bewusst und sprachlich greifbar sind.

Die Wirkungsweise der Katathymen-Imaginativen Psychotherapie mit Hilfe von Bildern sieht nun folgendermaßen aus: 

Wie alles aus dem Bewusstsein Verdrängte können diese Schemata und Bilder über die Sinne beim Patienten wieder in einen sprachlichem Ausdruck gebracht werden. Diese Traumbilder (Imaginationen) eignen sich dazu doppelt gut:
– sie sind sowohl Träger als auch „Bearbeiter“ der unbewussten Inhalte und Muster.

Sprache ist in der therapeutischen Beziehung zwar ein wichtiges Kommunikationsmedium, traumatisierte Patienten stehen aber häufig sprachlos ihren eigenen Erfahrungen gegenüber. Sie können sich oft besser mit Hilfe von Symbolisierungen, Tagträumen oder Imaginationen als mit Worten verständlich machen.

Später (!) helfen diese Imaginationen in der K.i.P. jedoch bei dem Diskurs / der Entwicklung eines sprachlichen Dialogs.

Durch diese völlig andere Herangehensweise an die Therapie mittels Imaginationen eignet sich die K.i.P. besonders bei „therapieerfahrenen“ Patienten. „Therapieerfahren“ meint hier, all diejenigen Patienten, welche bereits in den klassischen Therapien (welche stark auf das gesprochene Wort hinzielen) erfolglos behandelt wurden. 

Der Therapeut bietet das begleitete Imaginieren als zusätzliches Mittel der Kommunikation und Grundlage für ein – um Erleben, Spüren und Fühlen erweitertes – Verstehen des Selbst und des Anderen an. Praktisch wie eine zweite Sprache!

Der „Mehrwert“ liegt im dialogischen Angebot eines nicht hauptsächlich auf Sprache vertrauenden Mediums, welches dem Patienten helfen kann, im Umgang mit sich und seiner Welt erweiterte kognitive Lernwege und Handlungsspielräume zu entdecken.

Patienten mit schweren Traumaerfahrungen, haben oft Probleme, zu phantasieren, symbolisieren oder zu imaginieren:

      • Aufgrund ihrer Erlebnisse sind sie so stark misstrauisch, dass sie oft ihren eigenen Wahrnehmungen nicht trauen wollen.
      • Sie haben Probleme, zwischen innen und außen zu trennen. Oft werden eigene feindselige Impulse als von außen kommend erlebt und auf den Gegenüber übertragen.
      • Erinnerungen und Affekte – weil generell zu schmerzlich – werden abgespalten. Können diese Abspaltungen nicht mehr aufrechterhalten werden, drohen Affekthandlungen wie z. B. Suizidversuche.

Gerade Traumapatienten sagen häufig, dass ihnen das Sprechen über ihre Erfahrungen unmöglich sei. Mit Hilfe der geführten Imaginationen, speziell ausgewählter K.i.P.-Motive, kann ihre „Sprachlosigkeit“ überwunden werden.

Eine zentrale Bedeutung hat das Motiv des „schutzgebenden Raumes“: Dieser „Schutzraum“ in der Imagination ist der Grundpfeiler des therapeutischen Prozesses.
Er muss fest in den Imaginationen verankert werden, um dem Patienten in schwierigen Situationen immer wieder die Möglichkeit des Rückzugs in einen schützenden Rahmen zu geben.

2 Beispiele eines möglichen Schutzraumes sind die Folgenden:

    • Eine hermetisch abgeschlossene Felshöhle mit Wänden aus Stahl und ausschließlich nur für den Patienten erreichbar;
    • Eine Gefängniszelle: einerseits karg, andererseits aber auch schützend vor den eigenen aggressiven Affekten.
      Wenn dieser „Schutzraum“ das erste mal bei dem Patienten angesprochen wird, entsteht recht häufig ein Erstaunen über deren Wirksamkeit.
      1. Schutz: Sie dienen erst einmal nur dem Schutz vor einer Reizüberflutung, vor Impulsdurchbrüchen.
      2. Fester Standpunkt: In der Imagination bilden diese Schutzräume anschließend den Ausgangspunkt für weiteres Handeln des Patienten. Einerseits wird eine Reizüberflutung verhindert, andererseits fördert und stärkt man die Selbstfindung, Selbständigkeit und Emotionalisierungsfähigkeit des Patienten.
      3. Sichtbarwerden: Durch den Schutzraum wird die Vulnerabilität, die besondere Verletzbarkeit und Bedürftigkeit sichtbar. Aber auch die vernichtende Wut, die Scham- Schuldgefühle, und alle Kränkungen. Dies alles geschieht durch den Perspektivwechsel. wie in einem sicheren Käfig aus welchem man einen Hai in Ruhe beobachten kann, ohne sich aus Existenzangst in einen Fluchtmodus zu begeben.
      4. Externalisieren: Die Gefahr, den Therapeuten – die Beziehung zum Objekt – zu gefährden indem sie ihre negativen Gefühle auf diesen übertragen, wird hierdurch verringert. Die Patienten erhalten durch die Bilder (Imaginationen) die Möglichkeit, ihr inneres Erleben nach außen zu verlagern. Dies nennt man externalisieren. 

Der Schutzraum verhindert Regressionen und / oder das Auslösen unserer „Fight / Flee / Freeze“ Reaktionen aus dem limbischen System. So wird in Ruhe eine kognitive Aufbau- und Reparaturarbeit möglich.

Geeignet bei stark rationalisierenden Patienten

Die Darstellung innerer Konflikte mit der Hilfe von Bildern ermöglicht es dem Patienten, sich gewissermaßen „maskiert“ zu bewegen und sich vorsichtig seinen Konflikten zu nähernDas bringt große Vorteile für die Arbeit an Widerständen.

„Der Zugang zu unbewussten Konflikten ist sanft und aufkommende Widerstände können dadurch schneller bearbeitet werden“. Dieser Effekt kann die Therapiedauer massiv verkürzen, weshalb sich die KiP besonders für Kurztherapien von 15 bis 30 Sitzungen eignet.

Eine weitere Besonderheit der KiP ist, dass das wortreiche Verbalisieren des Erlebten nicht das eigentliche Therapieziel ist. Wie oben bereits beschrieben ist das Erleben
              – auf der Bildebene / das Probehandeln / die Suche nach neuen Lösungsmöglichkeiten im bildhaften Kontext 
deutlich wichtiger.

Die KiP eignet sich deshalb vor allem für Patienten,die weniger gut verbalisieren und reflektieren können. Nur in wenigen Fällen ist die Methode nicht indiziert.

Auf die KiP sollte verzichtet werden,

      • wenn Patienten Bilder nicht mögen und sich aktiv gegen solch ein Verfahren verschließen 
      • während akuter Psychosen oder akuter schwerer,depressiver Zustände.
      • teilweise auch bei Borderlinern mit starker Neigung zu extrem regressiven Zuständen

Zu den hauptsächlichen Behandlungsfeldern zählen

(1) psychosomatische Störungen.
Die KiP hat sich für diese Störungsgruppe bewährt, da die bildhafte Symbolisierung zwischen Körperempfinden und Emotionen wie ein Botschafter / Mediator vermittelt.

(2) Daneben wird KiP häufig bei Patienten mit festgefügten  Abwehrstrukturen und bei stark rationalisierenden, emotional blockierten oder unentwickelten Patienten eingesetzt. Die Patienten werden durch die Bilder auf einer Fühl- und Spürebene angesprochen – eine Sprache die ihnen wahrscheinlich am Anfang noch sehr fremd sein mag.

(3) bei neurotischen und funktionellen Beschwerden.

(4) Zur Krisenintervention und Traumabehandlung .

(5) Zu den neueren Behandlungsfeldern zählen Suchterkrankungen und Persönlichkeitsstörungen. In den letzten Jahren wurden beispielsweise spezifische Vorgehensweisen der KiP für Borderline-Patienten entwickelt. KiP kann dazu beitragen, die eingeschränkte Symbolisierungsfähigkeit von Borderline-Patienten zu erweitern.

(6) Inzwischen gibt es auch für viele andere Beschwerdebilder wie

      • Kolitis,
      • Morbus Crohn,
      • Asthma,
      • Anorexie,
      • Bulimie,
      • Herzneurosen,
      • Ängste,
      • Depressionen und Zwangsstörungen

spezifische Behandlungskonzepte.
Da die Katathym-imaginative Psychotherapie grundsätzlich bei allen Indikationen eingesetzt werden kann, bei denen Psychotherapie angezeigt ist, werden sich in Zukunft mit Sicherheit noch

viele neue Behandlungsfelder auftun.  Die KiP gilt aktuell als die am besten strukturierte Tagtraummethode. 

Ein kurzer Rückblick

Fremdsprachen erweitern unseren Horizont und zeigen völlig neue Perspektiven im zwischenmenschlichen Leben auf. Genau dieser Effekt tritt auch bei der Bildsprache auf, welcher durch die Katathyme-Iganiative Psychotherapie entsteht. 

Bilder sind eine eigene Sprache für sich. Dadurch dass sie viel besser als Worte Emotionen transportieren können sind sie sehr mächtig in einer Therapie.

Aber: es gibt keine Wirkung ohne eine Nebenwirkung!
Wenn diese Wirkung des Emotionstransports stärker ist als durch Worte, dann ist auch die Gefahr einer Regression, einer affektiven Kurzschlusshandlung deutlich erhöht. 

Die K.i.P. sollte darum nur von besonders ausgebildeten Therapeuten durchgeführten werden, welche aus der Tiefenpsychologisch Fundierten Psychotherapie kommen und möglichst eine gesonderte Ausbildung im Bereich Traumatherapie hatten.

Wenn Sie weitere Informationen zu diesem spannenden Thema suchen, dann lade ich Sie ein, sich mit den anderen Teilen der Borderliner-Therapie befassen. Sie finden diese weiter unten. 
Gerne können Sie mich aber jederzeit persönlich kontaktieren. Meine Kontaktadresse finden Sie im Fußbereich dieser Webseite.

Alles Gute! Ihr Marcus Jähn 
– Teil 1 –
Die DBT (Dialektisch Behaviorale Therapie)

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– Teil 2 –
Die Paar- und Familientherapie

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– Teil 3 –
Die stationäre Psychotherapie

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– Teil 4 – 
Die Gesprächstherapie

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– Teil 5 – 
Katathym-imaginative Psychotherapie
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– Teil 6 – 
Stationäre traumazentrierte Psychotherapie
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