In all unseren Gesprächen gibt es nur zwei Ebenen der Kommunikation: Eine Machtebene und eine Beziehungsebene. Mit der Machtebene sind Borderliner leider mehr als vertraut. Sie kennen es schon zur Genüge, dass die Macht über sie oft viele Jahre negativ ausgenutzt wurde. Darum ist es wohl das wichtigste Ziel für einen Gruppenleiter in der DBT, den Teilnehmern die ehrliche Beziehungsebene näher zu bringen. Also wird er vom ersten Moment an, für eine warme, eine vertrauensvolle und zeitgleich unterstützende Atmosphäre sorgen!
Und auch wenn das im ersten Moment für dich vielleicht noch wie eine Selbstverständlichkeit wirkt … aber für viele der Teilnehmer ist gerade dies – eine Bindung aufbauen – keine Kleinigkeit. Denn über die Hälfte von ihnen leidet neben der instabilen Persönlichkeitsdynamik auch noch an einer sie behindernden Sozialphobie.
In der Realität ist es für sie oft schon ein gewaltiger Schritt, sich überhaupt in eine Gruppe zu setzen. Das könnte man für einen „normalen Menschen“ – also jemanden ohne Persönlichkeitsstörung – damit vergleichen, dass derjenige live im Fernsehen auftreten muss. Nur mit dem Unterschied, , ist für sie vergleichbar mit dem Gefühl, auf einer Bühne vor 500 Leuten zu sprechen – nur mit dem Unterschied, dass hier niemand applaudiert und man sich eher innerlich einer wildfremden Gruppe ausgeliefert fühlt.
Deshalb haben sich drei Schritte in der Praxis als sehr wirkungsvoll gezeigt:
So ein Anruf ein paar Tage vor dem Kurs ist ein wirklicher Eisbrecher. Viele Teilnehmer kommen nämlich vor lauter Scham und Angst erst gar nicht bis zum ersten Kursabend. Und genau darum sollte der erste Kontakt vor dem Kurs und nicht erst am Kurstag stattfinden.
Das muss auch nichts Kompliziertes sein. Es geht hier nicht um die Vermittlung von irgendwelchem Wissen, sondern lediglich um den Aufbau einer Bindung und ein paar Informationen darüber, wie so der Ablauf an dem Tag sein wird, was die Ziele der Gruppe sind und das man sich auf ihn / sie ganz persönlich freut. Das man schon ein wenig neugierig auf ihn / sie ist.
Nochmal: Ich weiß aus persönlicher Erfahrung, dass viele vor lauter Angst und Zweifeln gar nicht zu dem ersten Treffen gekommen wären, wenn da nicht diese freundliche, herzliche und ein wenig neugierige Stimme am anderen Ende des Telefons die Einladung nochmal persönlich ausgesprochen hätte. So ein innerer Konflikt ist bei Borderline-Patienten nicht ungewöhnlich. Ich würde eher sagen, dass er den „Normalfall“ darstellt.
Borderline ist eine Unreife, eine Störung in dem Erleben von Bindung. Und wie kann man Bindung aufbauen? Indem am Kurstag der Gruppenleiter von sich aus, alle Anwesenden persönlich begrüßt.
Dafür sollte er deutlich vor dem Kursbeginn erscheinen und sollte auch jeden seiner Teilnehmer kennen – zumindest ein wenig von ihm.
Bindung entsteht durch einzelne, achtsame und freundliche Ansprache und eine ehrliche Frage nach dem Befinden. So eine ruhige, entspannte Ansprache kann sich für einen besonders ängstlichen Borderliner wie ein Anker, eine Oase oder eine kleine Rettungsinsel anfühlen. Oft spüren sie hier seit langem das erste Mal wieder, dass sie als Individuum wirklich gesehen werden und nicht nur eine kleine „Nummer in einem seelenlosen Gruppenplan“ sind.
Durch das persönliche Ansprechen kann man auch sofort erkennen, ob es jemandem besonders schlecht geht, ob jemand vorzeitig gehen möchte oder ob irgend ein anderer akuter Unterstützungsbedarf besteht.
Dadurch kann verhindert werden, dass Schwierigkeiten im Stillen vor sich hin schwelen, immer größer werden und irgendwann anfangen, die Sitzung zu belasten.
Die DBT-Therapie hat das Ziel, dass jeder Teilnehmer praktische Hilfe für seinen Lebensalltag erhält. Nicht der Stoff ist entscheidend, sondern was davon anschließend umgesetzt wird.
Darum ist es von Vorteil, wenn die Trigger des Alltags sofort in der Gruppe angesprochen werden und dann von allen Beteiligten eine gemeinsame (!) Lösung für dieses spezielle Problem gesucht wird. Das motiviert dann auch die anderen, sich freier zu äußern, sich für den Anderen zu interessieren („Wir sind ein Team“) und wieder mehr an ihre eigene Selbstwirksamkeit zu glauben. Denn wie sagte es schon der „Philosoph“ Bob der Baumeister? „Yo, wir schaffen es…!“
Wenn wir schon beim Thema Humor sind … Was wäre, wenn schon die Begrüßung zum Training wird?
Humor ist meiner Meinung nach in der Psychotherapie eines der schönsten Werkzeuge. Es lässt uns über unsere Unvollkommenheiten und die der Anderen Schmunzeln. Der Gruppenleiter kann aus der Therapie-Gruppe einen „Therapie-Club“ machen, in dem es keine VIP-Lounge gibt, keine teuren Getränke, auch keine Sperrstunde. Dafür aber jede Menge Chancen, echte Beziehungen zu knüpfen.
Und wenn ein Teilnehmer mal wieder sagt: „Ich wollte eigentlich gar nicht kommen“, können Sie mit einem Augenzwinkern antworten: „Das ist super – das ist schon der erste Skill: Trotz innerem Widerstand bist du hier. Herzlichen Glückwunsch, du bist auf der Gästeliste des Lebens!“
Eine Skillsgruppe in der DBT ist das genaue Gegenteil eines trocknen Theoriekurses. Auch wenn sich das Wort „Gruppe“ für manche Teilnehmer sehr nach Schule anfühlt. Meiner Beobachtung nach bringt es der Vergleich mit einem Volkshochschulkurs auf den Punkt:
In solch einem Kurs gibt es Fachleute, die ihr Wissen weitergeben. Die Teilnehmenden müssen das Gelernte aber selbst ausprobieren, es anwenden und damit im Alltag experimentieren.
Das Ziel ist es jetzt auf keinem Fall, dass jemand wie ein kleines Baby „gefüttert, gewickelt, Rund-um-versorgt“ wird, sondern dass man Schritt für Schritt seine eigenen Kompetenzen entwickelt, die man dann im Alltag einsetzen kann.
Und genau hier liegt nun die besondere Herausforderung! Warum? Nun, weil wenn ein Borderline-Patient eins in seinem Leben gelernt hat, dann, dass es oft deutlich leichter ist, Hilfe zu bekommen, wenn man die eigene Hilflosigkeit nach Außen demonstriert. Das kennen wir als die berühmte Opferhaltung.
Marsha Linehan nannte dies mal die „aktive Passivität“. Damit beschrieb sie ein eigentlich widersprüchliches, in sich paradoxes, aber sehr häufig anzutreffendes Verhaltensmuster. Ähnlich der Ziege aus dem Märchen „Tischlein-deck-dich“. Die mit ihrem „Mäh-mäh … wovon soll ich satt sein…?“ einen anderen beschuldigte und sich selbst als das arme Opfer darstellte. Bis es dann mal herauskam.
Und für die Therapeuten bedeutet dies nun, dass sie ständig am Ball bleiben müssen, um für die Teilnehmer eine praktische und lösungsorientierte Atmosphäre schaffen und klarzustellen, dass es in der DBT nicht darum geht, Hilfe ähnlich einem betreuten Wohnen zu „bekommen“, sondern darum, neue Fähigkeiten zu lernen, die langfristig unabhängiger machen – eine neue Selbstwirksamkeit!
Die DBT orientiert sich dabei klar an lerntheoretischen Prinzipien – also den Grundlagen und Mechanismen, die wir aus den verschiedenen Lerntheorien (z.B. Behaviorismus, Kognitivismus oder Konstruktivismus) her kennen. Übersetzt in eine etwas gebräuchlichere Alltagssprache, heißen diese Grundannahmen:
Das waren einmal die sechs besonders herausstechenden Grundannahmen, die in einer Borderline-Therapie zu beachten sind. Ich halte folgendes noch für sehr wichtig: Motivation und Unterstützung kann nur dann wirken, wenn man die inneren Widerstände der Patienten völlig versteht. Was sind das für Widerstände?
Nun, viele Teilnehmer haben über Jahre hinweg sehr schlechte Erfahrungen in der Schulzeit gemacht. Da kommen Erinnerungen von Druck, Versagen, Abwertung und alle anderen Formen von Mobbing wieder in den Sinn.
Und wenn die Skillsgruppe unbewusst dieses „Schulmodell“ nachbildet, dann triggert sie punktgenau die alte Scham und alle früheren Blockaden.
Darum ist es meiner Meinung nach deutlich besser, diese Themen gleich zu Beginn der Therapie anzusprechen. Denn die dann hochkommenden Gefühle haben nichts mit Dummheit oder mangelndem Willen zu tun. Sie sind die kindlichen Abwehrreaktionen vor vielen Jahren. Da hatten sie ihren Platz … jedoch nicht mehr in der Gegenwart.
Diese ungesunde und vor allem explosive Mischung sieht man dann dabei, dass sie extrem schnell Fortschritte machen wollen, sich gleichzeitig aber auch gnadenlos bei der kleinsten Kleinigkeit selbst bestrafen.
Meine klare Botschaft an einen Betroffenen wäre dann folgende:
„Hab Geduld mir dir. Deine Glaubenssätze und Verhaltensmuster haben sich nicht in Tagen oder Wochen, sondern im Laufe von einigen Jahren aufgebaut. Natürlich sind wir heute älter und können viel bewusster an die Sache herangehen. Aber all das Wissen nützt nichts, um uns eine neue Denkweise einzuprogrammieren. Diese braucht selbst unter günstigsten Umständen mehrere Wochen. Wenn es ausreichend wäre, dass ich dir durch ein einziges Gespräch oder einen Zettel Tipps gebe, dann wäre ich längst arbeitslos.“
Ein sehr einprägsamer Merksatz in der DBT ist deshalb folgender: Veränderung wo möglich … aber Akzeptanz wo nötig.“
Denn, je intensiver man auf eine Veränderung drängt, desto wichtiger ist es, dass es immer seine Gründe dafür gibt, dass man sich jetzt so verhält wie man sich verhält. Das waren nämlich nichts anderes als die Überlebensmuster der Kindheit. Der Gegenüber versucht im Moment mit den ihm zur Verfügung stehenden Mitteln, sein aktuelles Problem zu lösen. Leider sind es aber oft die unreifen Mittel der Kindheit, um ein Problem des Erwachsenen zu lösen … und das geht in den meisten Situationen schief, obwohl er sein Bestes gegeben hat.
Wie könnten man diesen zweiten Teil rund um die Motivation zusammenfassen?
Selbstkritik mal anders kommentiert: Wenn ein Teilnehmer sagt „Ich habe es noch nicht geschafft“, dann kann man auch aufmunternd sagen: „Sehr gut! Dann haben Sie bestimmt bemerkt, dass es schwer war. Und allein diese Erkenntnis ist schon mal ein erster Schritt.“
Die DBT ist eigentlich das Gegenteil einer „reinen Gesprächstherapie“. Klar, wird auch theoretischer Stoff vermittelt. Schließlich ist Psychoedukation – also das „Wieso, weshalb und Warum“-Sesamstraßen-Prinzip – das Fundament jeder Therapie.
Aber diese Therapieform lebt ganz besonders davon, dass sowohl die Therapeuten als auch die Gruppe aktiv Methoden einsetzen, die eine Veränderung im Leben der Patienten anstoßen und es auch nach der Therapie noch stabilisieren.
Lass uns mal einen kleinen Überblick über die wichtigsten Werkzeuge nehmen, um einen Fortschritt zu unterstützen. Und wenn du magst, vergleiche dies doch mal mit der Erziehung in einem ganz „normalen Haushalt“. Mit Sicherheit wirst du immer wieder Parallelen dazu finden, dass die DBT sehr einer Erziehung von Kindern gleicht. Mit dem Unterschied jedoch, dass wir hier erwachsenen Personen helfen, in ihrem Bindungserleben nachzureifen. Und da muss man als Therapeut auch mal kreativ vorgehen. Was ich damit meine, möchte ich dir nun erklären:
Diese Bezeichnung „Cheerleading“ fühlt sich bestimmt erst einmal wie Pompons und Stadion an. Aber die Idee dahinter ist recht seriös: Jeder – vor allem Borderline-Patienten brauchen jemanden, der an sie glaubt und das auch laut, klar und deutlich kommuniziert.
Cheerleading in der Psychotherapie bedeutet: Der Therapeut (oder die Gruppe) spricht klar und aktiv aus, dass der Patient die Ressourcen / also die Fähigkeiten hat, um Veränderungen zu schaffen. Kein stilles Nicken, kein „wird schon“, sondern echte, in Worte gefasste Zuversicht.
Ein Beispiel: „Wenn Du nur einen Bruchteil der Energie, die du bisher dafür aufgebracht hast, Deine Wut im Zaum zu halten, besser in deine Ziele investieren würdest, dann bräuchte ich mir um Dich keine Sorgen mehr machen.“
Aber manchmal reicht auch so ein einfacher Satz wie: „Ich glaube fest daran, dass Du das schaffst.“ Kleine Sätze können eine große Wirkung entfalten.
Das Lösen von Problemen, das ist so etwas wie der Schraubenzieher oder das „Schweizer Taschenmesser“ unter den therapeutischen Werkzeugen: Zwar simpel, aber unersetzlich.
Ich vergleiche das sehr gerne mit einem im Schlamm festgefahrenen Auto. Sitzt du im Schlamm fest, dann willst du nicht lange überlegen, warum du dort hineingefahren bist. Du willst erstmal nur eins: RAUS aus dem Problem. Und erst DANACH kannst du dir – aber auch nur wenn du willst – etwas Zeit nehmen, darüber nachzudenken, wieso, weshalb und warum du da reingefahren bist, um das fürs nächste Mal zu vermeiden.
In der DBT kann man das am besten in den ersten Minuten der neuen Sitzung, wenn es um die Besprechung der Hausaufgaben geht. Das ist der Moment der „Problemlösung“: Anstatt nur über Hindernisse und Schwierigkeiten zu reden, geht es nun darum, systematisch Lösungen zu entwickeln. Die Karre sozusagen aus dem Dreck zu ziehen.
Was versteht man eigentlich unter einer paradoxen Intervention? Gehen wir dem Ursprung des Wortes einfach mal auf den Grund:
Paradox hat also die Bedeutung von
Eine Variante der paradoxen Intervention kennen wir von dem genialen österreichischen Neurologen und Psychotherapeuten Viktor Frankl (1905-1997). Er nannte sie eine paradoxe Intension (lat. Intensio = Anspannung), also eine widersprüchliche Übertreibung.
Wenn ein Patient ihn mit dem Thema Schlaflosigkeit konsultierte und sagte, er könne nicht schlafen, dann antwortete er: „versuchen Sie doch mal NICHT zu schlafen“. Und ich kann bestätigen, das wirkt wirklich.
Die paradoxe Intervention (lat. interveniere = unterbrechen / einschreiten, dazwischen kommen) bedeutet, dass etwas traditionelles neu aufgesetzt wird.
Neue Bezeichnungen dafür sind z.B.
Extending kommt aus der konditionierenden Verhaltenstherapie und beschreibt, wie man mit Humor oder einer überraschend neuen Perspektive alte eingefahrene Muster aufbrechen kann.
Bei all diesen etwas ungewöhnlichen Methoden sollte man aber immer zwei Dinge im Hinterkopf behalten
Eigentlich ist alles in der Therapie nichts anderes als ein Lernen wie im wirklichen Leben … Macht einer etwas vor, dann fühlen sich andere motiviert, es ihm nachzumachen. Schau doch einfach mal in einer belebten Fußgängerzone nach oben. Es dauert mit Sicherheit nicht lange und andere folgen deinem Beispiel und schauen mit dir nach oben.
Was hier noch ein Spaß ist, kann in der Therapie schon ein richtiges Werkzeug sein. Wir alle brauchen Orientierung im Leben. Ganz besonders aber diejenigen in einer Therapie. Und darum ist es richtig, wenn die Therapeuten hierbei mit gutem Vorbild, Beispiel und einem praktischen Modell vorangehen.
Erfolgreiche Therapeuten lassen ihre Schüler nämlich auch an ihrem Leben, ihren Erfolgen und Misserfolgen teilhaben. Sie erzählen offen darüber, mit welchen Schwierigkeiten sie selber zu kämpfen hatten. Aber auch mit welchen Skills sie diese dann haben lösen können.
Dies zeigt dann, dass es in der Therapie absolut nicht um Perfektion geht, sondern um eine gemeinsame Lernhaltung. Frei übersetzt und etwas abgewandelt nach dem Motto von Donald Winnicott, dem genialen Kinderpsychiater „A good mother is a good mother enough.“ 👉Ein guter, aber unvollkommener Therapeut ist ein guter Therapeut genug.“
Ich denke da an einen Therapeuten, der seine Angst vor Hunden überwinden musste. Wenn er zeigt, wie und mit welchen Hilfs-Skills er dies geschafft hat, ist er für die anderen gleich ein Model zum Nachahmen.
Neben dem Lernen durch den Therapeuten gibt es ja auch noch das Lernen durch die Gruppe. Dieses „Team-Modelling“ hilft miteinander und voneinander zu lernen. Und nicht selten entwickeln sich dann in den Gruppen ganz eigene Lösungs-Kulturen. Ich kann aus Erfahrung heraus sagen, dass dieses Lernen ein besonders ansteckendes Lernen ist.
In der DBT werden sogenannte Verstärkerpläne ganz gezielt eingesetzt, um neue, gesunde Verhaltensweisen („Skills”) zu fördern und andererseits selbstschädigendes Verhalten zu reduzieren.
Ein Beispiel hierfür wäre das Scheiben eines Tagesprotokolls in Verbindung mit einer Verstärkung: Das Ziel hierbei ist, dass der Patient lernt, Probleme zu erkennen und alternative, bessere Skills anzuwenden, anstatt auf seine alten, schädlichen Verhaltensmuster (ich denke hier z. B. an die Selbstverletzung) zurückzugreifen.
Wie sähe hier dann so ein Verstärkungsplan aus? Am Anfang startet man am besten mit einer kontinuierlichen Verstärkung, indem dies nach jedem verwendeten Skill vom Therapeuten ausdrücklich gelobt wird. Zum Beispiel: „Danke, dass du gestern in der Hochstress-Situation den Igelball anstatt die Flasche Alkohol genommen hast. Das war ein richtiger Fortschritt.” Später kann dann hin und wieder verstärkt werden. Wir nennen dies ein intermittierendes Verstärken. Das Lob kommt dann eher zufällig oder zu besonderen Zeitpunkten, z. B. nach einer besonders schwierigen Woche oder wenn der Patient mehrere Skills erfolgreich kombiniert hat. Dadurch lernt der Patient, seine Verhaltensänderung für sich und aus sich selbst heraus fortzusetzen, weil die Verstärkung / das Lob nun unvorhersehbarer ist, was hilft, das neue Verhalten zu einer Gewohnheit zu machen.
Aber auch hier ein Wort zur Vorsicht: Nicht jedes Lob wirkt automatisch positiv. Manch einer empfindet – nicht zuletzt auch wegen seiner verletzten Vergangenheit – Anerkennung auch als peinlich, überfordernd oder sogar kränkend. Je nachdem, was der- oder diejenige in ihrer Herkunftsfamilie und Vergangenheit so alles erlebt hat.
Deshalb ist es wichtig, ganz individuelle Verstärkerpläne zu entwickeln.
Eine gute Übung wäre hierbei, dass die Teilnehmer aufschreiben, unter welchen Bedingungen sie bereit wären, etwas Neues auszuprobieren. Danach wird dies in der Runde besprochen, um sicherzustellen, wie die Belohnung auch wirklich eintreten könnte.
Der Nutzen hiervon? Dadurch wird sichtbar, dass Motivation nicht vom Himmel fällt, sondern dass man sie sogar aktiv gestalten kann.
Das Wort „Shapen“ kommt aus dem englischen Wortschatz und bedeutet „Formen“ oder eine „Formgebung“. Und so, wie es beim körperlichen „Shapen“ der Muskulatur und der Körperformen in einem Fitness-Center oft Monate dauert bis man an sein Wunschziel kommt, so dauert das „Shapen“ in einer Psychotherapie auch oft sehr lange. Das kommt daher, weil man das große Ziel in kleine erreichbare Zwischenetappen aufteilt. In unserem Falle bezeichne ich „Shaping“ als Lob / Verstärker, um kleine und kleinste Schritte in Richtung Ziel sofort verstärken.
Stell dir vor, ein Therapierender hat große Schwierigkeiten, seine Gefühle zu regulieren und neigt immer wieder zu starken Gefühlsausbrüchen. Ein kleines Zwischen-Ziel könnte nun sein, dass der Klient in dem Moment VOR der Wut, einen „Stopp-Skill” anwendet, bevor er reagiert.
Ein anderes Beispiel wäre noch, wenn jemand extrem schüchtern und schambehaftet in sich schweigend in der Ecke sitzt.
So jemand kann schon gelobt, wenn er jemanden aus der Gruppe etwas fragt. Später kann dann die Latte etwas höher angelegt werden: Ein Lob gibt es nicht mehr fürs reine Fragen, sondern dann für das Teilen eigener Beispiele.
Auch hierdurch wird dann Schritt für Schritt ein neues Verhalten geformt, vergleichbar mit einem Bildhauer, der sehr vorsichtig ein Kunstwerk aus dem Stein freilegt.
Das Wort „Kontingenz” kommt wie so viele andere Fachbegriffe auch aus dem lateinischen Wortschatz ab. „contingentia“ oder „contingere“ bedeutet so etwas wie „Möglichkeit / Zufall” und beschreibt etwas, das so nicht notwendig ist und auch hätte anders sein können, also etwas Nicht-Notwendiges.
Was hat das mit dem verstärkenden Lob zu tun? Nun, Lob und positive Konsequenzen sind nach einer erfüllten Aufgabe, einer anstrengenden Arbeit mit Sicherheit eine gute Sache. Stärken sie doch die Bindung und Beziehung zum Therapeuten und innerhalb der Gruppe. Aber zu viel Lob ist wie zu viel Schokolade … zu viel davon und es wird einem irgendwann mal schlecht. Ganz viel Schokolade macht sogar krank!
Und was passiert, wenn nur gelobt wird? Das führt dann irgendwann zu einer Abhängigkeit, einem geringeren Selbstwertgefühl und einem Mangel an Eigeninitiative. Wer nur getragen wird, möchte später nicht mehr selber laufen… Und deshalb haben Kritik und negative Konsequenzen in einer guten Therapie auch ihren festen Platz.
Wichtig ist dabei, dass nur das Verhalten und nicht die Person kritisiert wird. Zum Beispiel könnte der Therapeut sagen: „Ich mag und respektiere Sie sehr, aber wenn Sie weiterhin nur jede dritte Stunde teilnehmen, dann wird ihr Lernerfolg entsprechend gering bleiben.“
Eine andere Form von Kritik könnte auch dadurch kommen, dass kleine, unangenehme Aufgaben gestellt werden: Nehmen wir mal einen Patienten mit einer Sozialphobie, der des Öfteren zu spät kommt. Er könnte beim nächsten Mal vor der Gruppe drei bis fünf positive Eigenschaften von sich laut vorlesen.
Und eine ganz harte Form von Kritik wäre eine Therapiepause oder ein Ausschluss aus der Therapie. Das aber sollte nur als äußerste Notlösung angesehen werden. Und dann auch immer nur im Verbund mit der Möglichkeit, nach einem Vorgespräch wieder neu mit der Therapie zu starten.
Härte wo nötig aber Milde wo möglich…
Zusammengefasst: Wie könnten diese Methoden nun praktisch aussehen?
Was sagte schon Albert Einstein? Es würde an Wahnsinn grenzen anzunehmen, man könne die Probleme mit den gleichen Werkzeugen lösen, wie sie entstanden sind. Auf deutsch: Einfach so weitermachen bringt keine Veränderung.
Und genau darum geht es doch in einer Therapie. Therapie bedeutet nämlich Heilung. Und Heilung ist eine Veränderung. Deshalb liegt der Fokus in der DBT-Therapie ganz und gar auf Veränderung, auf einem Neugestalten einer alten Sache.
Veränderung geht aber nie ohne Akzeptanz! Und das ist der Unterschied zwischen einer Therapie und einem „normalen Gespräch“.
Lass es mich so beschreiben. Du kennst bestimmt die Situation, dass ein Bekannter dir von etwas negativem erzählt. Fast schon reflexhaft kommt man mit einem Lösungsvorschlag wie „mach doch dieses oder jenes“. Das aber hinterlässt beim Gegenüber kaum das Gefühl, dass seine Emotionen, Gedanken oder Verhaltensweisen ernst genommen werden. Die Folge: sie blockieren sofort. Und das ist jetzt der große Moment der Validierungsstrategien einer Therapie: Sie sind gewissermaßen das Handwerkszeug, mit dem ein Therapeut zeigt: „Ich verstehe dich. Was du da gerade erlebst, ergibt in deinem inneren Kontext einen klaren Sinn.“
Diese Validierung, diese Wertschätzung dem anderen gegenüber, das ist für viele Teilnehmer in der Therapie etwas völlig Neues. Sonst wurden sie immer reglementiert und korrigiert. Niemand konnte ihre Vergangenheit, ihre Unreife in dem Bindungserleben akzeptieren. Schon gar nicht ihre Herkunftsfamilie, die für die toxischen Handlungsmuster in den meisten Fällen sogar die Ursache waren.
👉 Und das ist die Kernaussage dieses Beitrages: Therapie holt jemanden dort ab, wo er steht, baut zuerst eine Bindung auf und DANN ERST erfolgt eine vorsichtige Korrektur des Gegenübers mit motivierenden Gedankengängen.
Lass uns jetzt deshalb mal die Validierung näher unter die Lupe nehmen: Dieses Wort stammt vom lateinischen „valere“ ab, was „wert sein“ oder „Kraft haben“ bedeutet. Es hat also einen Wert, eine Kraft, einen Sinn, sich zu verändern.
Wichtig ist dabei – wie in so vielen Dingen des täglichen Lebens – eine ausgeglichene Sichtweise, oder Balance einzuhalten:
Aus diesem Grund hat Marsha Linehan damals sechs einzelne Validierungsstufen (V1 bis V6) beschrieben, die jede ihre eigen Wirkung erzielt aber auch ihre ganz eigenen Nebenwirkung hat. Lass uns diese mal etwas näher betrachten.
Wir machen das mal beispielhaft anhand des Satzes vom Patienten: „Ich war stocksauer.“ Darauf könnte man nun sehr unterschiedlich reagieren um ihn da abzuholen, wo er sich gerade befindet
V1 – Durch aufmerksames Zuhören
V2 – Modalitätenkonforme Validierung
Das Wort Modalitäten bezeichnet in der Sprachwissenschaft eine besondere Art einer sprachlichen Bedeutung. Auf uns übertragen: Wenn jemand etwas mit seinen Worten beschreibt, dann kann man diese Beschreibung z.B. aus der Beobachterperspektive heraus mit anderen Worten ergänzend beschreiben.
Wie das aussehen könnte?
V3 – Kreuzmodalitäten-Validierung
Das ist ähnlich wie die Validierung 2 aber mit dem Unterschied, dass weitere Informationen aus der Beobachterperspektive hinzugenommen werden.
Das klassische Beispiel hierfür ist, wenn ein Baby seinen Schnuller im Mund spürt und dann ein Bild des Schnullers länger anschaut und es dabei die Erfahrung über den Tastsinn mit seiner visuellen Information verbindet.
Beispiel: Patient: „Ich war stocksauer.“ – Therapeut: „Ich konnte sehen, dass Sie gar keinen anderen Gedanken mehr fassen konnten.“
V4 – Validierung über biographische Erfahrung
Biographie … Das ist ein Wort, was deutlich mehr ausdrückt als man zuerst annehmen mag. Biographie kommt aus dem griechischen Wortschatz gr. βίος (bios) das Leben, γράφειν (graphein) schreiben. Es ist die geschriebene Lebensgeschichte eines Menschen.
Wenn ich nun jemanden in seiner Lebensgeschichte anerkenne, dann würde ich ihn in nicht nur in seinem „Hier und Jetzt“, sondern auch in seinem Werdegang, in dem WARUM jemand sich in der jetzigen Situation befindet sehen. Das ist eine umfassende Anerkennung des Gegenübers – eine tiefe Akzeptanz seines Lebenswerkes.
V5 – Validierung der aktivierten Schemata
So, wie wir heute reagieren – und da ist es egal, ob ich 20 Jahre alt bin oder 60 Jahre – ist oft ein Spiegelbild unserer erlernten „Überlebensreaktionen“, als wir noch kleine Kinder in unserer Herkunftsfamilie waren. Diese „aktivierten Schemata“ sind gewissermaßen ein Echo aus unserer Kindheit.
Wie reagiert man im Alltag darauf? Allzu oft hört man dann den Satz: „Stell dich nicht so kindisch an“. „Du bist jetzt erwachsen. Also verhalte dich entsprechend.“
Und wie sollte eine therapeutische Reaktion darauf sein? Wie in der Validierungsstufe 4 sollte man die Vergangenheit des Gegenübers mit einbeziehen. Der Unterschied zwischen V4 und V5 ist nun folgender:
Habe ich in der Validierungsstufe 4 grundsätzlich (!) anerkannt, dass jemand eine Vorgeschichte hat, versuche ich nun in der Validierungsstufe 5 ganz konkret den alten Glaubenssatz anzusprechen.
Das könnte wie folgt aussehen:
V6 – Normative Validierung
Was bedeutet der Begriff „Normativ“? Er kommt aus dem lateinischen Wortschatz und leitet sich von „norma“ ab, was Regel, Richtschnur oder Winkelmaß bedeutete. Daraus wurde später der Begriff der Vorschrift.
Auf uns übertragen bedeutet „normativ“ eine von der Gesellschaft anerkannte Norm, ein Verhaltenskodex. „Das tut man nicht“ oder „das tut man so oder so“.
Wie können wir diesen Verhaltenskodex nun auf das Validieren in der Therapie anwenden? Nun, Verhalten ist geprägt durch kulturelle Vorgaben, aber besonders auch durch persönliche Erfahrungen. Deswegen kann der Verhaltenskodex zweier Menschen nie der gleiche sein. Es gibt aber oft große Überschneidungen, Gemeinsamkeiten.
Und das ist jetzt die große Chance in einer Borderline-Therapie! Borderline-Patienten denken in der Spaltung, in einem „entweder – oder“. Und dort holt der Therapeut sie ab und zeigt ihnen, dass es neben dem „entweder – oder“ auch ein „sowohl – als auch“ existiert. Es gibt also so etwas wie eine „kulturelle Verhaltens-Konstanz“ ähnlich der Objektkonstanz nach Jean Piaget.
Wie könnte dies in der Praxis aussehen?
Der Balanceakt der Validierung
Ich hoffe, du spürst, dass Validierung – das Anerkennen des Gegenübers – mehr als ein „Ja“ bedeutet. Es ist auch kein „Kuschelkurs“, indem jedes Verhalten einfach gutgeheißen wird. Validierung ist eine erste gemeinsame Basis / es ist die eigentliche Form einer gesunden Empathie: „In dem, wie du dich fühlst und wie du reagierst, kann ich dich verstehen. Aber es ist nicht die einzige Möglichkeit.“ Und genau diese dialektische Spannung zwischen einer ersten Akzeptanz & einer anschließenden Irritation / Korrektur – ist der Schlüssel zum Erfolg einer Therapie.
Wenn der Patient erkennen kann, dass er verstanden wird, ist er deutlich mehr bereit, neue Perspektiven in seinem Leben zuzulassen. Aber wenn er lediglich irritiert wird, dann fühlt er sich missverstanden und als Person abgelehnt – die Spaltung lässt grüßen. Und wenn er in allem nur akzeptiert wird, dann bleibt er in seinen alten Verhaltensmustern stecken.
Zusammenfassung – Wie eine Validierung im therapeutischen Alltag funktioniert:
Eine DBT-Therapie ist kein „Frontalunterricht“, wo einer oder ein Lehrer redet, unterrichtet und dabei stumpf seinen Lehrplan abspult. Sie DBT hat immer zwei Ziele, um die sich die Arbeit dreht. Und im therapeutischen Alltag pendelt man dann um diese zwei Ziele herum:
Oder anders ausgedrückt: Jedes Problem ist willkommen, weil wir lösungsorientiert lernen!
Nehmen wir als Beispiel mal die oft gefürchtete Situation, dass ein Teilnehmer anfängt zu dissoziieren. Anstatt dies totzuschweigen oder irgendwie darüber hinwegzugehen, spricht der Co-Therapeut ihn direkt an und ermutigt ihn, einen antidissoziativen Skill einzusetzen. Dadurch wird das, was sonst ein stiller Abbruch gewesen wäre, zu einem praktischen Übungsfeld.
Oder: Zwei Teilnehmer geraten miteinander in einen Streit. Statt diesen nun abzuwürgen, kann die Situation dafür genutzt werden, um einen Validierungsskill auszuprobieren. Aus dem Streit wird dadurch dann eine Musterschablone, wie man später mit selber mit Emotionen und Spannungen in ähnlichen Situationen umgehen kann.
Was aber, wenn nichts Negatives, sondern etwas positives, eine Verbesserung eintritt? Dann ist es genauso wichtig, dieses – wenn auch zufällige – positives Verhalten sichtbar zu machen und als den anderen als Skill zu kennzeichnen.
Wenn zum Beispiel jemand in der Runde sagt: „Ich brauche kurz etwas zu trinken“, dann kann der Therapeut dies als einen Körper-Skill beschreiben: „Sehen sie, sie achten bewusst auf Ihre körperlichen Bedürfnisse – das ist auch Interozeption.“ Durch solche Validierungen werden Skills nicht nur in der grauen Theorie, sondern auch direkt im Alltag / im Leben erlebbar.
Das Ganze ist natürlich ein Balanceakt. Man muss immer abwägen in dem was man tut. Denn wie leicht kann man sich im „Hier und Jetzt“ verlieren, wenn man auf jedes Ereignis reagiert. Denn wie heißt es so schön? Wenn du nach jedem Hund trittst, der dich anbellt, kommst du nie voran.
Denn auch das geplante Material muss ja vermittelt werden – sonst fehlt die große Struktur einer Therapie!
Hilfreich wäre hier – sofern der Luxus der zwei Therapeuten besteht – dass der Gruppenleiter den roten Faden im Auge behält / das Große und Ganze, während sich der Co-Therapeut stärker mit den spontanen Prozessen des Alltags auseinandersetzt. Vier Augen und Ohren bekommen halt mehr mit als nur Zwei.
Eine praktische Zusammenfassung – Die Gruppendynamik nutzen
Wenn erwachsene Patienten das Wort „Hausaufgaben“ hören, dann verdrehen viele erst einmal die Augen. Da kommen auf einmal all die Trigger und schlechten Erfahrungen hoch, die sie in ihrer Schulzeit haben erleben müssen. Aber die DBT nutzt das Thema Hausaufgaben nicht als sinnlose Freizeitbeschäftigung und schon gar nicht als Strafe. Sie sind eine Brücke zwischen der Therapie und dem Alltag.
Denn es liegt doch auf der Hand … wir lernen immer für unser Leben und die DBT-Skills-Therapie macht hier keine Ausnahme: Skills kann man eben nicht nur trocken im Gruppenraum lernen. Man muss sie anschließend dann auch draußen anwenden, sie testen. Dann auch mal fallen und scheitern und anschließend neu ausprobieren.
Aus diesem Grund beginnt jede (!) Sitzung nach der anfänglichen Achtsamkeitsübung mit dem Besprechen der Hausaufgaben und endet – wieder vor der dann abschließenden Achtsamkeitsübung – mit dem Verteilen einer neuen Aufgabe.
Die Psychologie, die hinter Hausaufgaben steht ist eigentlich sehr nützlich, gerade in der Psychotherapie von Erwachsenen, das sollte man nicht unterschätzen! Hier nur mal ein paar Beispiele:
Nachweislich Effektiv: Es gibt in der Zwischenzeit unzählige Studien zu dem Thema Hausaufgaben. Sie alle zeigen aber ein einheitliches Bild darüber, dass Therapien, die Hausaufgaben in ihr Programm integrieren, deutlich erfolgreicher sein können als die, die auf dieses Tool verzichten. Siehe Dieter Grasedieck „Neue Didaktik – Welchen Wert haben Hausaufgaben?“ DIPF Leibniz-Institut für Bildungsforschung und Bildungsinformation
Lass uns mal ein paar Möglichkeiten besprechen, wie man Hausaufgaben in einer DBT-Therapie dokumentieren und greifbar machen könnte:
Das Skillswochenprotokoll könnte man mit einem „Fitnessarmband“ vergleichen.
Hier notiert man jeden Tag, welche Skills man verwendet hat, egal ob diese nun bewusst oder unbewusst zum Einsatz kamen. Und wichtig: ihre Wirkung wird dann auf einer Skala von 0 bis 4 bewertet.
Durch diesen schnellen Überblick kann man dann auch leichter Muster für sein eigenes Leben erkennen:
Zusätzlich sind sie eine tolle Basis für die Einzelgespräche. Nicht wenige Therapeuten beginnen jede ihrer Sitzung, indem sie erst einmal die Diary Card / also die Tagebuchkarte und das Wochenprotokoll mit ihrem Patienten durchsprechen.
Die Arbeitsblätter / auch Handouts genannt sind die eigentlichen „Übungshefte“ für zu Hause, auch wenn sie oft in der Gruppenarbeit mitverwendet werden.
Ihr Inhalt stammt in der Regel von den Infoblättern auf. Wichtig: Sie sind nicht als trockene Lektüre gedacht, sondern als praktische Werkzeuge für den Alltag.
Beispiele für Arbeitsblätter sind z.B.:
VEIN = Verhalten, Empfindung, Impuls, Normalität 👉 Eine Situation aus verschiedenen Blickwinkeln betrachten.
AHA = Angemessenheit, Handlungsimpuls, Anpassung. 👉 Also eine Abwägung, ob ich mich der Situation angemessen verhalte.
Manchmal ist es schwer, Theorie und Praxis miteinander zu verbinden. Durch die vielen abstrakten Begriffe sitzt man oft mit der Frage allein „Und wie soll ich das nun in meinem Alltag umsetzen?“ Diese Frage ist wirklich berechtigt. Aber gerade dafür gibt es dann die Skillssammlung. Das ist eine Liste, die von den Patienten selber erstellt wurde – ganz nach ihren persönlichen Umständen und Bedürfnissen.
Sie braucht keinesfalls eine große Enzyklopädie sein. Es reicht auch eine kleine Schatztruhe mit Ideen, aus der jeder sich dann das heraussucht, was am besten zu ihm passt. Wichtig dabei ist, dass lieber ein paar Skills sehr gründlich geübt werden, als viele nur oberflächlich zu kennen. Wer alles auf einmal will, bleibt oft in der Theorie stecken.
Denn wie sagte schon Bruce Lee? „Ich fürchte nicht denjenigen der 1000 Tritte kann, sondern den, der einen Tritt 1000-mal geübt hat.“
Wie könnte so eine Skills-Liste aussehen? Ich habe mal beispielhaft die wohl bekanntesten drei Skills-Themen hier zusammengefasst:
Kennst du das noch aus deiner eigenen Schulzeit? Der Lehrer fragt: Wer will mit den Hausaufgaben beginnen? Und KEINER meldet sich. Wertvolle Zeit geht dabei verloren …
Was wäre also das richtige, um das Ganze nicht im Chaos enden zu lassen? Klare Strukturen!
Ein Kontingent ist eine genau zugewiesene Menge. Lateinisch steht hier „contingere“ „etwas zuteilwerden“ als Pate. In die Praxis übertragen bedeutet dies, dass es in jeder Runde diejenigen gibt, die eher reden können und andere die sich lieber vor dem Reden drücken möchten. Die Lösung: Bei acht Teilnehmern bekommt jeder in etwa sechs Minuten für seinen Bericht, damit die Hausaufgaben in einer dreiviertel Stunde besprochen sind.
Mit der Zeit lernen dann die Kursteilnehmer, immer präziser und selbstreflektierter zu berichten. Sprache ist der Schlüssel zu jedem Trauma. Das beste Beispiel hierfür ist die NET (Narrative Expositions-Therapie)
„Erstens kommt es anders, und zweitens, als du denkst“. Der Satz kommt dir mit Sicherheit bekannt vor. Oder wie sage es Edward Aloysius Murphy jr, ein ehemaliger Ingenieur der US-amerikanischen Luftwaffe? „Alles, was schiefgehen kann, wird auch schiefgehen!“ Das können wir auch auf die DBT übertragen 😊.
Denn, leider kann nicht alles helfen, was therapeutisch angenommen wird. Mir fällt da in diesem Zusammenhang die EMDR-Therapie ein. Obwohl diese hochgradig wirksam ist, schlägt sie immer noch bei 15 bis 20% der Patienten nicht an und man weiß nicht wieso.
Unf genauso ist es auch bei der DBT-Therapie. Hin und wieder erzählen die Patienten / Teilnehmer, dass sie den einen oder anderen Skill versucht haben, diese dann aber nicht haben helfen können. Was ist dann zu tun?
Dann ist es der Job des Therapeuten, folgendes einmal gemeinsam dem Patienten zu prüfen:
Durch konkrete und gezielte Fragen („Wie hoch war die Anspannung vorher/nachher?“) kann man dann die Gründe für das Nicht-helfen der Skills herausfinden und gemeinsam an Alternativen arbeiten. Dieses Vorbild hilft dem Gegenüber dann im täglichen Leben, selber (!) nach eigenen Lösungen zu suchen, wenn die Therapie schon lange vorbei ist.
Was für weitere Schwierigkeiten könnten auftreten? Reden wir mal aus der Praxis, für die Praxis.
Oft kann man den Satz hören: „Ich habe gar nicht geübt.“ Aber ist dem wirklich so? Haben die Patienten die Hausaufgaben echt nicht gemacht? Die Realität zeigt, dass sie es in Wahrheit oft versucht haben, es aber nicht erfolgreich zu Ende geführt haben.
Und was dann? Dann könnte sich der Therapeut fragen, ob die Ziele eventuell zu hoch gesteckt, oder es Verständnisprobleme gegeben hat.
Da hilft nur eine sanfte Analyse, vielleicht auch mit Unterstützung der Gruppe. Aus Erfahrung kann ich sagen, dass sich die allermeisten Probleme dann von selbst erklären und lösen.
Ja, das kommt auch vor … Ein Patient hat wirklich nichts unternommen um die Hausaufgaben zu erledigen. Was dann?
Nichtgemachte Hausaufgaben und auch der nicht erfolgte Versuch dazu, gelten in der DBT als „therapiestörendes Verhalten“. Aber das bedeutet nicht zwangsläufig eine Strafe, sondern vielmehr ist dies der Start einer kritischen Analyse:
Dann könnte (!) eine Einzeltherapie helfen, die tieferliegenden Motivationsprobleme zu klären.
Wichtig ist aber immer zu beachten: Eine zusätzliche Aufmerksamkeit für ein „Nichtmachen“ ist oft kontraproduktiv! Auch hier muss eine Balance gehalten werden, damit das falsche Verhalten nicht noch unbewusst verstärkt wird. Denn gerade diese Opferhaltung „ich kann das nicht, bitte hilf mir und bitte tue das für mich. Ich bin dafür zu schwach“ diese Opferhaltung hatte in der Vergangenheit der Patienten einen wichtigen Stellenwert um die kostbare Aufmerksamkeit der Umgebung zu bekommen.
Man könnte sich die Hausaufgabenrunde auch wie eine kleine Castingshow vorstellen:
So wird aus der oft unbeliebten Pflicht ein gemeinsamer Lernmoment – mit Struktur, Verständnis und manchmal auch einem kleinen Schmunzeln. Denn gelernt wird mit einem Lachen zehnmal schneller als unter kritischen Bedingungen.
Borderline ist die Königsdisziplin in den zu behandelnden Störungsbildern. Dieses Buch befasst sich nicht mit einer Therapie zu Hause, in der Praxis, sondern in einem klinischen Umfeld. Die Übertragungsfokussierte Psychotherapie (Transference-Focused Psychotherapy, TFP) ist ein psychodynamisches Verfahren, dass die Beziehungs- und Identitätsstörung von Borderliner ganz in den Mittelpunkt der Therapie stellt. Ihren Ursprung hat sie in der Objektbeziehungstheorie, die davon ausgeht, dass die Schwierigkeiten bei Persönlichkeitsstörungen auf nicht integrierte Persönlichkeitsanteile zurückzuführen sind. Darum müssen diese durch eine Therapie aktiviert und in das Handeln integriert werden.
Dieses Buch befasst sich ausführlich mit Diagnostik, Therapievereinbarungen, Behandlungsphasen, Therapiefokus und Arbeiten im interdisziplinären Team. Ein tolles Werk für jeden Facharzt.
Ein hervorragendes Handbuch für Betroffene und Angehörige um Skills direkt in der Praxis umzusetzen.
Themen wie hohe innere Anspannung, Dissoziation, Angst vor starken Emotionen, Beziehungsproblemen werden klar angesprochen und mit hilfreichen Skills Lösungen angeboten.
Es eignet sich sehr gut als Begleitbuch zu einer DBT Therapie. Hilft aber auch Therapeuten und Selbsthilfegruppen
Es sind viele Bereiche, die wir ansprechen können: Angefangen vom Umgang Borderline oder einer anderen belastenden Störung, aber auch über Future Faking, Love Bombing und Gaslighting die immer häufiger in unsere Gesellschaft zu beobachten sind.
Ich möchte aber nicht nur über Fragen sprechen, sondern auch praxisgerechte Lösungen anbieten:
Buchen Sie sich einfach auf meinem Online-Kalender ein Zeitfenster oder nutzen Sie mein klassisches Kontaktformular um mit mir in Verbindung zu treten. Ich freue mich auf Sie. Ihr Marcus