Eine neue Videoreihe hat auch immer seinen eigenen Hintergrund.
👉 Unsere Welt wird immer instabiler / ich würde sogar sagen immer Borderliner. Und darum muss das Thema Borderline-Therapie meiner Meinung nach deutlich mehr in den Fokus der Öffentlichkeit gebracht werden. Obwohl die DBT-Therapie bereits in den 1980er Jahren entwickelt und eingesetzt wurde, gibt es hierfür immer noch viel zu wenig therapeutische Anlaufstellen. Und unsere Welt dreht sich leider immer schneller. Die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung nimmt weltweit deutlich zu!
Global liegt die geschätzte Prävalenz (also die Rate der Erkrankten) diagnostizierter Persönlichkeitsstörungen in der Allgemeinbevölkerung bei etwa 7,8 % basierend auf einer Meta‑Analyse mit Daten aus 46 Studien aus 21 Ländern Wikidoc+5Cambridge University Press & Assessment+5 Da dem so ist, möchte ich mit dieser neuen Beitragsreihe einmal einen etwas tieferen Einblick in die DBT-Therapie ermöglichen.
Die Dialektisch-Behaviorale Therapie ist neben der Schematherapie und der MBT Mentalisierungsbasierten Therapie eine der wirksamsten wissenschaftlich belegten Therapieform. Ich persönlich zähle dann noch EMDR und die übertragungsfokussierte Psychotherapie (TFP) nach Otto Kernberg zu den erfolgversprechendsten Therapieansätzen die wir bis heute kennen.
In dieser Videoreihe werden wir uns aber ausschließlich mit der DBT befassen. Und ich denke, dass dies nicht nur für Therapeuten, sondern sowohl für Patienten als auch den hiervon betroffenen Angehörigen eine große Hilfe darstellen wird. Dabei werde ich mich sehr auf die praktisch anwendbaren Skills konzentrieren. Wie diese vermittelt werden und wie man diese in der Praxis anwenden kann.
Wir werden uns einerseits mit dem theoretischen Ablauf, andererseits aber auch sehr praxisnah mit den verschiedenen Modulen der DBT befassen. Du merkst, es ist nicht nur was für Therapeuten und nicht nur etwas für interessierte Betroffene. Ich bemühe mich, für alle Seiten genügend interessanten Stoff darzubieten.
Lass uns noch kurz den Begriff der Persönlichkeitsstörung näher untersuchen …
Ich nenne die Diagnose Persönlichkeitsstörung gerne eine „Unreife in der Bindungsreife-Entwicklung“. Wenn du mehr hierüber erfahren möchtest und wie ein unreifes Elternhaus darin involviert ist, dann schau dir gerne diesen Beitrag an:
Hin und wieder verwende ich für Persönlichkeitsstörung auch das Wort „Persönlichkeitsdynamik“. Warum? Der Ursprung des Wortes “Dynamik” geht auf den griechischen Ausdruck “dynamis” (δύναμις) zurück, der “Kraft” oder “Vermögen” bedeutet. Daraus entwickelte sich dann “dynamikos” (δυναμικός) … “kräftig, wirkend, mächtig”. Das deutsche Wort “Dynamik” leitet sich davon ab und bezeichnet die Lehre von der Bewegung von Körpern unter dem Einfluss von Kräften oder den inneren Bewegungen und Veränderungen innerhalb eines Systems.
Ich denke, dass dies eine sehr gute Umschreibung davon ist, was eine Persönlichkeitsstörung / eine Persönlichkeitsdynamik im Endeffekt darstellt: Ein Kind kommt mit seinem eigenen Temperament auf die Welt. Der Charakter wird durch die Einflüsse von außen geprägt.
Unser Temperament und der erlernte Charakter bestimmen nach Robert Cloninger – dem US-amerikanischen Psychiater und Genetiker – zu jeweils 40% unser Handeln. Die restlichen 20 % sind dann unsere eigene Persönlichkeit. Also dass, was wir ganz individuell entscheiden zu tun.
Borderline ist und bleibt eine Persönlichkeits-Dynamik, bei der sich die Bindungsstruktur in der frühesten Kindheit nicht bis zur erwachsenen Reife hat ausbilden können.
Unsere Gesellschaft wird durch die immer größer werdenden Probleme, leider immer unreifer. Nicht zuletzt auch deswegen, weil wir auf die vielen Herausforderungen gar nicht mehr adäquat reagieren können. Und wegen dieser Unreife können Eltern-Generationen ihren Kindern auch nicht mehr die volle Reife vermitteln. Das ist wie die Beule in einer Brotbackform … alle darin gebackenen Brote haben diese Beule….
Frage: Wenn Borderline und alle anderen Persönlichkeitsstörungen nach dieser Definition eine unreife Stufe in der Bindungsreife-Entwicklung darstellen, kann man dann als Betroffener überhaupt „nachreifen? Ich sage ausdrücklich JA!
Der Begriff „reif“ bezeichnet nämlich etwas, was sich im Wachstum voll entwickelt hat. Wenn etwas noch nicht ausgewachsen ist, dann kann ihm dabei geholfen werden. Bitte betrachte die DBT-Therapie deshalb als eine „Chance zum Nachreifen!“.
Borderline-Therapie und alle anderen Therapien im Bereich Persönlichkeitsstörungen unterscheidet sich dadurch elementar von allen anderen Therapien: Hier wird etwas gelehrt und nicht so sehr geheilt!
Auch wenn immer wieder gesagt wird, dass die Borderline-Therapie die Königsdisziplin in der Psychotherapie darstellt, so ist es meines Erachtens nichts anderes, als dass speziell geschulte Therapeuten, erwachsenen Personen eine zweite Chance darin geben, die Bindungsreife „nachzuentwickeln“.
Dr. Marsha Linehan (Jg. 1943 Tulsa, Oklahoma) war ursprünglich als Verhaltenstherapeutin tätig und behandelte viele Jahre junge Patientinnen mit chronischer Suizidalität und Borderline-Persönlichkeitsstörung.
Zwei Dinge haben sie damals aber nicht in Ruhe gelassen:
Besonders ihre ganz persönlichen traurigen Erfahrungen brachten sie dazu, eine Therapie zu entwickeln, die deutlich mehr Wert auf Empathie, Respekt und auch Akzeptanz legte, als die deutlich nüchternere, problemorientierte Kognitive Verhaltens-Therapie von Aaron T. Beck.
Die ursprüngliche Idee der Borderline DBT war und ist es, ein dialektisches Spannungsfeld zwischen Akzeptanz und Veränderung aufzubauen und die Bereiche
anschließend miteinander zu kombinieren.
Skills sind zwar nur ein Teil der DBT, aber gleichzeitig stellen sie das Herzstück dieser Therapie dar. In Deutschland gibt es – laut dem Dachverband DBT e.V. – über 600 zertifizierte Mitglieder, bei denen diese Skills in der Borderline-Therapie verwendet werden.
Diese Skills helfen aber nicht nur im Borderline-Bereich, sondern auch in den vielen weiteren Störungsbildern der Affekt- oder Emotionsregulation wie z.B.:
Dies alles sind verschiedene Störungen im Bereich der Persönlichkeitsentwicklung. Aber was sind eigentlich Persönlichkeitsstörungen?
🔖 Otto Kernberg – Was ist das eigentlich, eine Persönlichkeitsstörung?
Nach dem genialen Psychiater und Psychoanalytiker Otto Kernberg – dem wohl einflussreichsten Denker in dieser Thematik, sind all dies Störungen der inneren Erfahrung und des Verhaltens, die tiefgreifend, andauernd und vor allem unflexibel sind – und im Leben der Betroffenen zu deutlich spürbarem Leid führt.
Ich selber darf mich schon seit mehreren Jahrzehnten mit diesem Thema befassen. Ich würde Persönlichkeitsstörungen als
beschreiben.
Da kein Kind mit Borderline auf die Welt kommt und es keine genetische Veranlagung dazu gibt, muss die Ursache im Außen liegen.
Und die Ursache sind fast immer unreife, überforderte Eltern (entweder tyrannisch, distanziert oder grenzüberschreitend ängstlich, oder alles gleichzeitig) können ihren Kindern keine stabile Entwicklungsumwelt bieten. Dadurch bleiben sie – ähnlich einem 100 Meter Wettlauf – immer im Nachteil zu den anderen Läufern – bis ins hohe Alter hinein.
Und wer sich etwas genauer mit der DBT auseinandersetzt, der sieht, dass diese genau hier – in der Reifeentwicklung / genauer gesagt in der Bindungsreife-Entwicklung – ansetzt.
Eine wichtige Besonderheit der DBT-Therapieform ist die Konzentration auf die Skills – die kleinen „Hilfsprogramme“ die einem bei einer erhöhten Anspannung Sicherheit, Stabilität geben.
Die fünf zentralen Skillsmodule heißen:
1. Achtsamkeit
Ziel: Leben im gegenwärtigen Moment und bewusster Umgang mit Gedanken, Gefühlen und Wahrnehmungen.
Zum Beispiel: „Ich erkenne, dass ich traurig bin – aber ohne diese Traurigkeit nun zu bewerten oder zu verdrängen.“
Ziel: Akzeptanz und Überstehen von akuten Krisen, ohne dadurch nun impulsiv oder selbstschädigend zu handeln.
Beispiel: In einer Paniksituation eine Eiskette am Handgelenk tragen (eine mit Eiswürfeln oder Kühlgel gefüllte flexible Silikon- oder Stoffkette fürs Handgelenk) wenn die emotionale Anspannung sehr hoch ist, um die Aufmerksamkeit vom inneren Druck nach außen hin abzulenken.
Ziel: Gefühle erkennen, sie kognitiv verstehen und dadurch beeinflussen und angemessen ausdrücken können.
Beispiel: Bei Wut ganz bewusst ruhig sprechen und sich körperlich entspannen (gegenteiliges Handeln).
Ziel: Beziehungen gestalten, eigene Bedürfnisse durchsetzen und gleichzeitig die Beziehung und das Selbstwertgefühl wahren.
Beispiel: Mit „Ich-Botschaften“ in einem Streit ruhig für sich selbst einstehen.
Ziel: Der Aufbau eines stabileren Selbstbilds und freundlicherer Umgang mit sich selbst
Erweiterungen (je nach Setting):
Gerade weil im Bereich Borderline – die aggressive Form der instabilen Persönlichkeitsstörung – der Bereich der Emotionsregulation zu zentral ist, werden wir uns in diesem und den folgenden Beiträgen ganz besonders intensiv damit befassen. Eigentlich könnte man die DBT-Therapie auch als Training zur Gefühls- oder Emotionsregulation bezeichnen.
👉 Skills – Woher kommt dieser Begriff? Und was für Skills gibt es im täglichen Leben?
Unsere Sprache ist die wohl umfangreichste und trotzdem eleganteste Brücke zwischen zwei Menschen. Lass uns darum zuerst einmal besprechen, was das Wort Skill in seinem Ursprung eigentlich bedeutet. Es kam vor 800 Jahren (ca. 1200 u.Z.) zum ersten Mal im altenglischen Sprachraum auf und bedeutete „Unterscheidung, Einsicht, Verstand“. Im altnordischen Sprachraum wurde aus Skil dann „Unterscheidung und Urteilskraft“ Das Wort „skilja“ bedeutete „trennen, unterscheiden. Im indogermanischen Sprachschatz (die Sprachfamilie von Indien bis Europa wo das Germanische eine Untergruppe ist) steht der Begriff „skei“- für „trennen / schneiden.
Mit der Hilfe von Skills schalte ich also meinen Verstand ein, kann urteilen und differenzieren. Später, ab dem Spätmittelalter (ca. 14.–15. Jh.) wurde aus Skills eine praktische Fähigkeit, ein technisches Können oder eine erlernte Kompetenz. Drei Arten von Skills werden häufig gebraucht:
In der Psychotherapie – vor allem in der DBT – haben sich die „Skills“ als eine trainierbare Fähigkeit fest eingebürgert um die Selbstregulation / die eigene Problemlöse-Fähigkeit / Kompetenz zu verbessern. DBT ist die trainierte Hilfe zur Selbsthilfe in einer sich immer schneller verändernden Welt.
Marsha Linehan – die Begründerin der DBT – beschreibt ihrerseits die Skills als kognitive, emotionale und handlungsbezogene Reaktionen, die sowohl kurz- als auch langfristig zu mehr positiven und weniger negativen Ergebnissen führen. Diese Reaktionen können intuitiv / unbewusst oder auch kognitiv / bewusst eingesetzt werden.
Nehmen wir diese Beschreibung mal als Grundlage, dann verwenden wir eigentlich alle – inklusive den Borderline-Patientinnen – täglich viele verschiedene Skills. Die allermeisten, ohne uns dessen bewusst zu sein.
Bei einem emotional instabilen Menschen wie z.B. einem Borderline-Patienten fehlen diese „erlernten reifen Strategien“ im täglichen Leben leider allzu oft, weswegen sie diese unter emotionaler Belastung entweder vergessen oder andere unreife / dysfunktionale Reaktionen zeigen.
Das Skilltraining aus in der DBT hilft den Teilnehmern also
Das typische DBT-Skillstraining setzt sich aus fünf Modulen / Elementen zusammen
Die DBT-Therapie kann sowohl in einer Klinik aber auch ambulant durchgeführt werden. Ambulant wird sie eher in einer geschlossenen Gruppe durchgeführt. Damit meint man, dass neue Teilnehmer / Patienten in aller Regel jeweils nur zu Beginn eines neuen Moduls in die Gruppe aufgenommen werden, damit die Störung / Unterbrechung des Lernens so gering wie möglich gehalten wird.
In einer Klinik kann dies so natürlich nicht umgesetzt werden. Da sind es dann die offene Gruppen zu denen die neuen Patienten direkt nach Einweisung dazustoßen. Und wegen der klar begrenzten Klinik-Aufenthaltsdauer geht man dann sofort an die Module / Skills / Fertigkeiten, die der Einzelne am meisten benötigt.
Die DBT unterscheidet sich von anderen Therapien besonders dadurch, dass unglaublich viel Wert auf die praktische Anwendung gelegt wird. Es ist wirklich der zentrale Gedanke der DBT – sowohl für den Therapeuten, als auch für den Patienten – dass nicht die Theorie, sondern die gelebte Praxis den Erfolg ausmacht, das dysfunktionale (gestörte) Erleben und Verhalten im Alltag zu verändern.
!! Ein Merksatz lautet: Psychotherapie hat dann Erfolg, wenn die Lernprozesse durch wiederholte Verhaltensexperimente im Alltag angewendet und verinnerlicht werden.
Und was sollen DBT-Patienten lernen? In erster Linie sind es die sogenannten Skills. Diese werden grob gesagt in den folgenden vier Schritten beigebracht:
Je intensiver man sich mit diesen vier Schritten didaktisch auseinandersetzt, umso deutlicher wird es einem, dass diese auf viele unterschiedliche Arten umgesetzt werden können.
Lass uns diese unterschiedlichen Möglichkeiten mal etwas näher betrachten.
Die klassische DBT nach Marsha Linehan wird als Teil eines ambulanten DBT-Behandlungsprogramms durchgeführt. Damit meint man, dass die Patienten zeitgleich in einer Skillsgruppe aber auch von einem Einzeltherapeuten behandelt werden.
Die Therapeuten – das sind die Skillstrainer und Einzeltherapeuten – behandeln aktuelle Probleme einzelner Teilnehmer dann zum Nutzen aller im Team – auch Supervision genannt, was den Blick von außen gestattet.
Hier hat der Einzeltherapeut dann die Verantwortung, dass die Rahmenbedingungen und die Therapieverträge – ein sehr wichtiger Aspekt in der Therapie – eingehalten werden.
Wenn ich den Skillstrainer und den Einzeltherapeuten getrennt benenne, wer sind die Beiden? Worin unterscheiden sie sich?
Beide teilen sich die Aufgaben in der Therapie.
Die vier Schritte des Skillstraining sind ja nochmal:
In der DBT-Lern-Praxis sieht diese Struktur dann in der Regel so aus:
Jede Therapieeinheit ist in zwei Teile unterteilt. In der Regel sprechen wir hier von 2-mal 45 Minuten einer kurzen Pause von ca. 15 Minuten dazwischen.
Bestimmt spürst du hier die Grundintention der DBT: Das ist wirklich Lernen zum „richtigen“ Leben.
Das theoretische Skillstraining ist aber nicht vom praktischen Teil abgekoppelt. Zur Vor- oder Nachbearbeitung der Theorie – und natürlich auch umgekehrt – können die Übungsteile immer wieder herangeholt werden.
Mit dem Skillstrainer arbeitet der Einzeltherapeut zusammen. Er hilft den Patienten dabei, aus der Menge an Skills diejenigen auszuwählen, die für ihn wahrscheinlich der Sinnvollste ist, um die jeweilige Problematik am besten zu lösen – das ist der Schritt II.
Die vier Schritte der Skillsvermittlung
Und im Schritt 4 ist er – ähnlich einem Marathon-Trainer – ein Coach, der dem Patienten hilft, tapfer in der Praxis durchzuhalten. Denn erst wenn ich eine Fähigkeit / einen Skill 20 bis 200 mal umgesetzt habe, wird er (nach Erik Kandel) Teil meines intuitiven Denkens und Handelns.
Das alles geht aber nicht ohne Krisen vonstatten … Und da kommt die für die DBT typische Hilfestellung ins Spiel: Der Einzeltherapeut ist auch während der typischerweise aufkommenden Krisen, ein erreichbarer Ansprechpartner – zumindest am Telefon. Dabei versucht er an die gelernten Skills zu erinnern und diese nun individuell auf die Situation angepasst anzuwenden.
Die Rolle und die Aufgaben des Einzeltherapeuten orientieren sich sehr stark an den Praxisproblemen. Er ist in den suizidalen Krisen immer die erste Kontaktperson – nicht der Skillsgruppenleiter! Tritt solch ein Fall während einer Skillsgruppensitzung auf, dann wird sofort der Einzeltherapeut herangezogen. Trotzdem arbeiten die beiden immer eng zusammen. Sie müssen regelmäßig Intervisionssitzungen durchführen um sich gemeinsam abzustimmen. Die Intervision ist – im Gegensatz zur Supervision – ein Treffen ohne einen externen Berater und bei ihr gibt es keinen Chef oder irgendwelche Hierarchien. Dieses Vorgehen ist das wohl effektivste System, um Menschen mit einer instabilen Persönlichkeitsstörung die bestmögliche Unterstützung zu geben. Aber so komplexes therapeutisches Angebot ist leider immer noch sehr selten in Deutschland anzutreffen – auch wenn es sich stetig verbessert.
In der Praxis finden wir zwei Angebotsarten vor:
Und was jetzt? Sollte man dann lieber auf DBT verzichten? Ich sage ausdrücklich NEIN!
Es sollte immer versucht werden, direkten Kontakt mit den Einzeltherapeuten aufzubauen um ihnen das Basiskonzept des Skillstrainings zu vermitteln.
Das Skillstraining ist nämlich kein Konkurrent zur Einzeltherapie, sondern ausdrücklich eine Ergänzung davon! Die Verantwortung für die Planung der Therapie und das Krisenmanagement liegen klar beim Einzeltherapeuten!
Und damit kommen wir zu einem recht schwierigen Punkt:
Ich möchte das mal anhand verschiedener Beispiele aufzeigen. Fangen wir mit den Non-Suizidverträgen an.
Knapp gesagt: Ein Patient verpflichtet sich, während der Therapie auf gar keinem Fall einen Suizidversuch auszuführen. In einer klassischen DBT kann der Skillsgruppenleiter immer davon ausgehen, dass seine Patienten – die ja bei einem zweiten, ausgebildeten DBT-Therapeuten in Behandlung sind – solch einen Vertrag besprochen und unterschrieben haben. Aber … bei anderen Therapeuten muss dies nicht so sein! Deshalb muss immer nachgefragt werden, ob so eine Vereinbarung existiert. Falls nicht, dann muss diese vom Skillsgruppenleiter angesprochen werden.
Wenn ja, dann braucht er zumindest eine DBT-Manual / Handbuch.
Ganz einfach: Der, der die Ausbildung hat.
Ist es der Skillsgruppenleiter, dann muss er die Schritte II und IV übernehmen. Ist es der Einzeltherapeut, muss er die Schritte I und III übernehmen.
Die vier Schritte der Skillsvermittlung
Durch diese Mehrarbeit im Bereich des Anderen soll immer sichergestellt werden, dass die Patienten alle 4 Schritte der DBT-Methodik erfahren
Das alles hat aber auch einen Nachteil auf der Patientenseite … Wenn ein Therapeut immer wieder in der Therapie zwischen den Rollen des etwas strengen Lehrers und dem des verstehenden Begleiters wechseln muss – dann ist dies für viele Borderliner am Anfang noch recht schwer zu integrieren.
Wer an einer Persönlichkeitsstörung leidet, hat in der Regel nämlich auch ein Problem mit der emotionalen Objektkonstanz. Ein Begriff, den Jean Piaget zum ersten Mal kultiviert hat. Er beschreibt damit das Verstehen, dass mein Gegenüber in seinem Wesen und seiner Zuneigung relativ konstant bleibt, auch wenn er gerade ganz andere Gefühle zeigt (z. B. wenn die Mutter mal ärgerlich und dann mal wieder liebevoll ist.
Aber vielleicht ist andererseits diese Challenge unter therapeutischer Anleitung auch der Grund für den Therapieerfolg, wenn Therapeut und Patient eine Vertrauensbasis haben.
Wenn also nur ein Therapeut für die Therapie zur Verfügung steht, ist es von Vorteil, für das Erlernen der Skills (also die Schritte I und III) eine abgesonderte Zeiteinheit einzuräumen – z.B. jede zweite Therapiestunde – und dies klar und deutlich so zu kommunizieren.
👉 Noch eine Herausforderung ist, wenn jemand aus persönlicher Betroffenheit / Not diese Skills gerne lernen möchte, aber kein Einzeltherapeut oder Psychiater zur Verfügung steht. Was dann?
Mein Tipp:
Ganz am Anfang sollte erst einmal geprüft werden, ob der Betroffene noch schwerwiegende Probleme in der Verhaltenskontrolle hat. Ich denke da an:
Auch wenn sich das jetzt sehr hart anhört: Ich würde hier ausdrücklich empfehlen, so jemanden NICHT in einer „normalen Skillsgruppe“ zu integrieren. So jemand braucht eine intensivere Behandlung! Und die kann in dem notwendigen Umfang nicht von einer Skillsgruppe erwartet werden. In Krankenhäusern gibt es ja auch die offenen Stationen und den Intensivbereich. So jemand gehört direkt zum therapeutischen Intensivbereich. So ein Vorgehen hat auch den Vorteil, dass die anderen Teilnehmer in ihrem Lernen von den oft sehr intensiven Problemen des Einzelnen nicht zu sehr abgelenkt werden.
Aber ich möchte hier kein „Schwarz-Weiß-Bild“ erzeugen … Es gibt nämlich auch hochemotionale Patienten, die ihrerseits schon tief im Veränderungsprozess sind. Die also schon lange an sich arbeiten und es immer mehr schaffen, diese auch für sie belastenden Verhaltensmuster zu kontrollieren. Diese KÖNNTEN dann schon in eine Skillsgruppe integriert werden.
Mein Tipp: Wenn die gravierenden Verhaltensweisen in den vergangenen 3 bis 6 Monaten nicht mehr aufgetreten sind, dann kann man für einen gewissen Zeitraum einen Versuch starten. Dieser ausdrückliche Versuch sollte dann aber auch mit einem separaten Therapievertrag zwischen Therapeut und Patient klar dokumentiert sein.
Borderline Therapie ist nichts für schwache Nerven – Therapeuten haben eine hohe moralische Verantwortung
👉 An einen Satz meines Dozenten werde ich mich wohl mein gesamtes Leben erinnern: „Borderline ist die Königsdisziplin in der Psychotherapie“. Heute weiß ich mehr als damals, wie richtig diese Aussage war und immer noch ist.
Die überwiegende Mehrheit der Borderline-Patienten, die eine Behandlung suchen, sind sich ihrer verzweifelten Lage und Not sehr wohl bewusst. Sie investieren enorm viel Zeit, Energie in eine Therapie. Oft ist dies für sie wie der letzte und einzige Strohhalm in ihrem Leben.
Warum betone ich dies so deutlich? Weil ich davor warnen möchte, zu denken, dass man unvorbereitet solch eine intensive Persönlichkeitsdynamik irgendwie therapieren und in den Griff bekommen könnte.
Gerade in dieser intensiven Affektdynamik ist eine laienhaft durchgeführte Psychotherapie über kurz oder lang immer schädlich, weil sie das Vertrauen der Patienten missbraucht und damit ihre Bereitschaft für eine andere Therapie untergräbt. Wie oft habe ich schon den Satz gehört: „Ja ja … so ein Skillstraining kenne ich. Habe ich auch schon versucht. Bringt aber nichts.”
Ein Der Therapeut muss sich darum immer wieder durch Supervision prüfen, ob er sowohl strukturell aber auch inhaltlich in der Lage ist, alle vier Schritte der Skillsvermittlung einem Patienten gegenüber zu vermitteln.
Nur theoretisches Wissen weiterzugeben – also Psychoedukation vermitteln – ohne das individuelle Verhalten zu analysieren und konkrete Umsetzungshilfen zu geben – das reicht hinten und vorne nicht aus.
Wie bereits vorne beschrieben, wird die typische DBT-Therapie-Skillsgruppe von zwei Therapeuten geleitet. Mindestens einer der beiden sollte eine DBT-Ausbildung genossen haben Der eine Therapeut ist der Gruppenleiter, der andere der Co-Leiter.
👉 Flying und Monitoring Pilot: Hat nun einer das sagen und der andere muss nach seiner Pfeife tanzen? Ganz und gar nicht. Diese Vorgehensweise erinnert mich immer an das Beispiel von Flugpiloten. Auch wenn es im Cockpit einen Kapitän und einen Co-Piloten gibt, so gibt es bei jedem Flug abwechselnd die Rolle des Flying-Pilot und die des Monitoring Pilot.
Genauso können wir es auf die DBT-Therapie in den Skillsgruppen übertragen: In jeder Sitzung gibt es zwei Rollen, die wechseln können (und transparent erklärt werden sollten):
Die Idee dahinter ist dialektische Balance (also “sowohl-als-auch” anstatt eines “entweder-oder”):
Wer von beiden ist nun wichtiger? Du spürst meine Antwort bestimmt…. Beide sorgen für eine ausgeglichene Balance zwischen Lernen und dem Umsetzen.
👉 Ein Beispiel
Ein Patient hat eine Hausaufgabe aus dem Modul Stressregulation / Stresstoleranz nicht schriftlich dabei. (Damit sind die Fertigkeiten gemeint, mit extremem Stress umzugehen, ohne sich zu schaden)
Eine Gruppe von Patienten sollte auf keinem Fall zu groß sein, um die Wirkung der Gruppendynamik kleiner Gruppen am besten Nutzen zu können. Das Optimum liegt in der Regel bei sechs bis acht Teilnehmern. Dies haben verschiedene Studien herausgestellt. Zum Beispiel die Meta-Analyse von McLaughlin et.al. aus dem Jahr 2019.
Diese Patienten wurden bereits vor Beginn sehr intensiv mit ihrer Diagnose von Achse-I und Achse-II-Störungen konfrontiert und über deren Auswirkungen aufgeklärt. Kurz zur Erklärung: Im früheren DSM-IV wurden die Diagnosen noch auf Achsen verteilt:
Seit dem aktuellen DSM-5 (2013) gibt es dieses Achsensystem nicht mehr; alles wird gemeinsam dokumentiert, weil die Trennung fachlich wenig brachte. Wenn ich diese Begriffe manchmal noch nutze, dann ist das eher historisch/erklärend gemeint
Bevor ein Patient in eine Skillsgruppe aufgenommen wird, sollten
2. Der Patient sollte bereits im Vorfeld – also noch bevor er die Gruppe das erste Mal gesehen hat – alle Regeln und besonders die Vertragsbedingungen eines Skillstrainings kennen und auch die Möglichkeit haben, seine Bedenken hierbei zu äußern (s.u. Behandlungsvertrag).
3. In diesen Gesprächen wird mit dem Patienten offen über die Diagnose gesprochen und diese kurz gegengecheckt Dabei sollte auch seine Sichtweise über die Diagnose gefragt werden. Zum Beispiel: „Wie verstehen Sie den Begriff der Borderline-Störung und wie zeigt sich diese bei Ihnen ganz persönlich?”
Kommen wir nun zu einem zentralen Aspekt in der DBT. Ähnlich der Übertragungsfokussierten Psychotherapie TFP-Therapie von Otto Kernberg, arbeitet auch die DBT mit deutlich klar formulierten Behandlungsverträgen.
Man könnte sie als Arbeitsvertrag in einem Unternehmen bezeichnen. Über allem thront zwar die DBT-Therapie-Anleitung, jedoch gibt es immer eine ganz individuelle Vereinbarung mit jedem einzelnen Teilnehmer, der Punkt für Punkt durchgearbeitet und sowohl von Therapeut als auch Patient unterschrieben wird.
Lieber Teilnehmer,
Sie haben sich entschieden, sich einer ambulanten Skillsgruppe anzuschließen, um dadurch neue Möglichkeiten / Alternativen einer Stress- und Emotionsregulation zu lernen. Wir wünschen Ihnen auf Ihrem Weg viel Erfolg und wir Sie hierbei gerne unterstützen, damit Sie Ihre ganz eigenen Therapieziele erreichen.
Diese Skillsgruppe arbeitet nach den Grundlagen der Dialektisch-Behavioralen Therapie (DBT). Dabei verpflichten sich alle Teilnehmer folgende Regeln einzuhalten:
körperliche Gewalt oder Gewaltdrohungen gegen andere wird es nicht geben.
Das therapeutische Team stimmt Folgendem zu:
Ich habe alle vorgenannten Punkten des Behandlungsvertrages gelesen und mich damit vertraut gemacht. Ich stimme diesen vollumfänglich als feste Grundlage meiner Behandlung zu.
Unterschrift Teilnehmer: ………………..
Unterschrift Skillstrainer: ………………….
Borderline ist die Königsdisziplin in den zu behandelnden Störungsbildern. Dieses Buch befasst sich nicht mit einer Therapie zu Hause, in der Praxis, sondern in einem klinischen Umfeld. Die Übertragungsfokussierte Psychotherapie (Transference-Focused Psychotherapy, TFP) ist ein psychodynamisches Verfahren, dass die Beziehungs- und Identitätsstörung von Borderliner ganz in den Mittelpunkt der Therapie stellt. Ihren Ursprung hat sie in der Objektbeziehungstheorie, die davon ausgeht, dass die Schwierigkeiten bei Persönlichkeitsstörungen auf nicht integrierte Persönlichkeitsanteile zurückzuführen sind. Darum müssen diese durch eine Therapie aktiviert und in das Handeln integriert werden.
Dieses Buch befasst sich ausführlich mit Diagnostik, Therapievereinbarungen, Behandlungsphasen, Therapiefokus und Arbeiten im interdisziplinären Team. Ein tolles Werk für jeden Facharzt.
Ein hervorragendes Handbuch für Betroffene und Angehörige um Skills direkt in der Praxis umzusetzen.
Themen wie hohe innere Anspannung, Dissoziation, Angst vor starken Emotionen, Beziehungsproblemen werden klar angesprochen und mit hilfreichen Skills Lösungen angeboten.
Es eignet sich sehr gut als Begleitbuch zu einer DBT Therapie. Hilft aber auch Therapeuten und Selbsthilfegruppen
Es sind viele Bereiche, die wir ansprechen können: Angefangen vom Umgang Borderline oder einer anderen belastenden Störung, aber auch über Future Faking, Love Bombing und Gaslighting die immer häufiger in unsere Gesellschaft zu beobachten sind.
Ich möchte aber nicht nur über Fragen sprechen, sondern auch praxisgerechte Lösungen anbieten:
Buchen Sie sich einfach auf meinem Online-Kalender ein Zeitfenster oder nutzen Sie mein klassisches Kontaktformular um mit mir in Verbindung zu treten. Ich freue mich auf Sie. Ihr Marcus