Die Spaltung des Borderliners zeigt die Spaltung unserer Gesellschaft

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Erziehung oder Beziehung?

Es ist besser, bei der Entwicklung eines Menschen nicht von einer Erziehung zu sprechen, sondern von einer Beziehung. Der Unterschied hört sich nur sehr klein an, hat aber eine umso stärkere Wirkung und Aussagekraft:

      • Erziehung ist das Verhältnis zwischen einem Subjekt und einem Objekt (Führung durch die Eltern, die Umgebung). Das Subjekt führt das Objekt (das Kind)
      • Eine Beziehung andererseits ist geprägt durch eine Wechselwirkung zwischen zwei Subjekten die auf Augenhöhe miteinander interakgieren.

Aber: können Babys / Säuglinge / Kleinkinder Ihre Eltern denn wirklich wechselseitig beeinflussen? Oh ja! Denn ein Kind macht aus dem Mann allein durch seine Anwesenheit / sein Leben einen Vater und aus der Frau eine Mutter. Jeder der diese Umwandlung selber schon mal erlebt hat, weiß wie stark diese Veränderung ist. Darum können wir wirklich eher von einer Beziehung als von einer ER-ziehung sprechen. 

Die Beziehungsqualitäten

Die Qualität dieser Beziehung ist wohl das wichtigste Element in der Entwicklung eines jungen Menschen.

Denn, warum fühlen sich immer mehr Menschen ausgegrenzt, oder sogar verloren in ihrem Leben, wenn andere Menschen unter weitaus widrigeren Umständen wie Hunger, Krieg, Naturkatastrophen immer noch einen Sinn im Leben sehen? (siehe Viktor Frankl – Trotzdem Ja zum Leben sagen“)  Es gibt mehrere typische Beziehungseinflüsse welche im guten und im schlechten auf einen jungen Menschen einwirken:

Lass uns diese nach mütterlichen und nach väterlichen Beziehungs-Angebote trennen:

2.1 Mütterliche Beziehungen sind zum Beispiel:

      • Eine Bedrohung (Ich will dich gar nicht)
      • Die Annahme als Gegenpart: (Du bist mir willkommen)
      • Der Freiheitsentzug – Die Mutter verlangt, alles von ihrem Kind zu wissen, beansprucht es für sich wie ein Vampir und saugt seine Vitalität in sich auf da sie selber nicht genug genährt wurde.
      • Beziehung im Mangel: das Kind wird nicht ausreichend geliebt weder durch genügend Zeit noch durch ausreichend Liebe. Dieser Mangel ist die typische Quelle für eine spätere narzisstische Störung. Denn das in sich leere Ich schreit permanent nach der Aufmerksamkeit seiner Umgebung.
      • Die Beziehungs-Vergiftung: Das Kind muss immer das spüren, was die Mutter braucht! Es ist gezwungen, sich immer nach außen zu orientieren und kann sich nicht auf seine eigenen individuellen Orientierungen konzentrieren.

2.2 Väterliche Beziehungen

      • Durch Liebe – die wohl beste Form des Beziehungsangebotes
      • Durch Terror: Dies ist der Vater der das Kind nicht lieben will
      • Durch Erpressung: Das Kind soll tun was der Vater will. Wie eine kleine Stahlfeder die durch zusammenpressen irgendwann ermüdet.
      • Durch eine ungesunde Freiheit: der Vater lässt das Kind komplett frei. Hier denke ich an eine Feder. Ohne Führung / Lenkung springt sie unkontrolliert weg
      • Durch eine Flucht vor einer Beziehung: Der Vater möchte sich nicht für sein Kind interessieren, geschweige denn einsetzen
      • Durch Förderung: Der Vater versucht, das Kind nach seinen Möglichkeiten zu unterstützen
      • Durch Missbrauch: Dies ist ein vampirhaftes aussaugenden Verlangen, dass das Kind den Vater stolz machen soll und nicht umgekehrt der Vater das Kind.
      • Durch Verständnis: Verständnis ist die Fähigkeit die Grenzen der Kinder zu erkennen und diese auch zu akzeptieren. 

Die Macht des ersten Einflusses

Der starke Einfluss dieser frühen ersten Beziehung zwischen einem Kind und seinen Eltern wird durch folgenden Fakt vielleicht noch deutlicher:

Wir Menschen bestehen in unserem Verhalten aus 3 Dimensionen:

      • Temperament (40%
      • Charakter (40)
      • Persönlichkeit (20)

Wenn die kleine Persönlichkeit (20) aufgrund der Gene / dem Temperament (40%) bereits in Richtung Vulnerabilität beeinflusst ist und dann durch das große Aussen (40%) dem Charakter in Richtung Störung gedrängt wird, wie soll sich da dann noch eine gesunde Psyche entwickeln? Diese erste Beziehung mit den eigenen Eltern – in der ersten Lebensphase des Kindes, bestimmt praktisch seine gesamte weitere Entwicklung. Diese Beziehung ist so prägend für unsere Persönlichkeit-Struktur, dass sie nach den ersten drei Lebensjahren bereits komplett ausgeformt ist.

Mit welcher Wirkung?

All das bewirkt, dass sowohl die positiven als auch die negativen Beziehungsangebote von den Eltern das Kind so intensiv prägen, des es sich später genauso verhalten wird, wie sich seine Eltern ihm gegenüber verhalten haben – sein Verhalten ist also der Spiegel des Verhaltens seiner Eltern.

Nehmen wir uns mal verschiedene Verhaltensbeispiele der Eltern vor

      • Bei einer bedrohlichen Mutter – Kind – Beziehung: Für das Kind ist die Welt dann grundsätzlich immer bedrohlich.
      • Bei einer Mutter-Besetzung: ich bin ausgeliefert den äußerlichen Einflüssen.
      • Bei einem Mangel in der mütterlichen Zuwendung: ich muss mir diese Zuwendung / diese Liebe als Kind verdienen. 
        Dieses „Ich muss mir Liebe verdienen ist ein ganz problematischer Gedanke, denn Liebe sich verdienen, das ist praktisch nicht möglich!
        Echte Liebe kann man nur geschenkt bekommen! Verdienen kann man sich durch Leistung lediglich einen gewissen Erfolg – aber niemals Liebe.
      • Bei einer „Mutter-Vergiftung“: Ich bin und bleibe abhängig von den äußeren Bestätigungen. 
        Dies geschieht, weil ich in meiner Entwicklung selber nie die Möglichkeit hatte, mich aus mir selbst heraus als „gut“ zu bestätigen – Ich war vielmehr gezwungen, meine Mutter zu bedienen. Sicherlich ein vergiftetes Verhältnis.
      • Bei einem Terror durch den Vater: Ich darf mich nicht frei entfalten. Ich bin und bleibe gehemmt.

        Mir kommt da ein erfolgreicher Unternehmer in den Sinn. Für den war es immer klar, dass seine Söhne in seinen Betrieb einsteigen und diesen auch später einmal führen.
        Er konnte aber niemals richtig aussteigen und hat immer seine Meinung / seinen Charakter mit involviert.
      • Bei Vater Erpressung: Ich muss gehorchen, sonst …. geht es mir nicht gut. Stell Dir die Ausweglosigkeit eines kleinen Jungen / eines kleinen Mädchens vor. Für sie gibt es keine Handlungsalternativen. Wie verzweifelt müssen sie doch sein mit ihrem Leben.
      • Wenn der Vater vor seiner Verantwortung geflohen ist: Das zeigt dann den Gedankengang, das alles hat doch keinen Sinn… Es lohnt sich überhaupt nicht, sich überhaupt anzustrengen.
      • Bei einem geistigen Missbrauch durch den Vater:  Ich kann einfach machen was ich will, es ist doch irgendwie nie genug.
        Es gibt praktisch keinen Moment, wo das Kind mal sagen kann: Ich habe die Erwartung an meine Umgebung und mich erfüllt.

Diese ganzen negativen Erziehungseinflüsse führen dazu, dass das Kind sich selbst niemals wirklich findet. Wir sennen dies eine Selbst-Entfremdung – obwohl dieses Wort in sich nicht ganz korrekt ist. Wenn ich mich entfremde, dann müsste ich doch wenigsten einmal mit mir eins gewesen sein. Das ICH entwickelt sich jedoch erst in den ersten 3 Lebensjahren indem das Kind durch die Spiegelung seiner Umgebung erkennt, wer es selber ist – seine Stärken und Schwächen. Indem es spürt, angenommen zu werden, so wie es ist.

Durch die angesprochenen negativen Einflüsse auf das Kind,  

      • kann es nun aber keine gesunden eigenen Erfahrung darin machen, wie es wirklich sein oder werden kann.
      • Es kann sich nicht selbst entfalten.
      • Es wird eingeschränkt eingeschüchtert und hat Defizite in seinen Möglichkeiten.

Wie will man damit überhaupt ein natürliches und freies Leben erleben??? 

Handlungsstrategien gegen einen
negativen Mutter- / Vater-Einfluss

Typischerweise versuchen wir diesen Einfluss durch drei Strategien auszugleichen:

      • Kompensation
      • Anpassung
      • Regression

      • Kompensation:

Mit der Kompensation meinen wir in der Psychologie – nach Alfred Adler – eine Strategie in der man versucht, eine Minderwertigkeit auszugleichen.

Diesen Ausgleich könnte man erreichen, indem man recht schnell lernt was man tun muss um die Gnade der Eltern, später der Erzieher oder noch später die der Gesellschaft zu bekommen.

Was muss man angeblich tun um diese Gnade zu erhalten?
— Leistung, Leistung und nochmals Leistung scheint das Zauberwort hierfür zu sein. Leistung ist eine der am häufigsten verwendeten Kompensation in der heutigen Zeit. Vor allem einen Liebesmangel versuchen wir dadurch immer wieder auszugleichen. Oder warum lenken wir uns immer mehr durch Handy, PC, Fernsehen von unserem Inneren ab? Durch dieses Ablenken verlieren wir sämtliche Orientierung auf unsere inneren Werte.

Und diese dann folgende Orientierungslosigkeit ist ein Kernmerkmal unserer heutigen Zeit – und wozu führt diese dann? 
In einem alten Buch mit Zitaten eines weisen Königs steht: „Wo es keine Vision gibt, wird das Volk zügellos“ Und was passiert, wenn die Zügel an einem Pferd losgelassen und das Tier vor einer Gefahr wegrennt? …

Leistung ist aber nicht die einzige Kompensation in unserer heutigen Zeit: Viele Menschen haben gelernt den Schmerz vor einer Entfremdung z.B. durch ein zu viel an Alkohol, Rauchen, Medikamente oder auch mit der erwähnten Arbeit zu betäuben.

Jeder Mensch findet seine eigene Form der Kompensation aufgrund der Art und der Intensität der erlebten Entfremdung. Die Kompensation ist ja nichts anderes als eine „Überlebensstrategie! Wir kennen hier den Begriff der persönlichen Logik: jeder Mensch hat seine eigene persönlich private Logik, seine eigene Erkenntnis über die Gesellschaft und die Werte, welche sie zusammenhalten.

Und schauen wir uns mal genau diesen Wert unserer uns umgebenden Gesellschaft an: Haben wir wirklich eine plurale Gesellschaft mit Meinungsfreiheit?

4.2 Anpassung

Wenn ja, dann gibt es auch millionenfach andere private Logiken die für sich selber betrachtet, vielleicht auch recht extrem sein können.
Das aber wäre an sich noch nicht besonders problematisch für eine Gesellschaft. Denn diese Vielfalt der einzelnen Logiken gleicht eventuell existierende Extreme wieder aus.

OK, das war jetzt eine vielfältige und pluralistische Gesellschaft – auf der anderen Seite steht dann aber die eingeengte diktatorische Gesellschaft:

      • Dann haben wir keine Vielfalt mehr sondern wir sprechen hier dann eher von einer Einfalt.
      • Es handelt sich um eine Fokussierung auf eine einzelne konkrete Denkweise.
      • d.h. von einer Kollektivierung der privaten Logiken.

Stellen wir uns doch mal eine aktuelle Gesellschaftskrise vor…
Das ist nicht schwer, denn es gibt leider immer mehr Krisen / Störungen in Bezug auf die Umwelt, Klima, soziale Gerechtigkeit, Gerechtigkeit, Wassermangel, Hunger, Seuchen ect. Man kommt kaum aus dem Aufzählen hier heraus.   Unsere Gesellschaft befindet sich immer mehr in einer pathologischen / krankhaften Fehlentwicklung.

Und da dies zum ersten Mal in der menschlichen Geschichte überhaupt möglich ist, dass alle Menschen (!) – global betrachtet – hiervon betroffen sind, könnten wir sagen, wir befinden uns in einer krankmachenden Normierung – denn auf einmal müssen alle Menschen gleich sein.

      • Momo die grauen Männer
      • George Orwell 1984
        kommt mir hier spontan in den Sinn.

Was bedeutet nun diese krankhafte Normierung?
Es sagt nichts weniger aus, als dass das Normale nicht normal sondern pathologisch / also krank ist Das „Normale“ wird dann nicht mehr als störend empfunden – weil es ja die Mehrheit als normal und richtig empfindet. Der einzelne Mensch denkt sich dann: Dieses oder jenes Verhalten muss doch richtig sein – denn alle denken doch so.

Hinzu kommt, dass wir als soziales Wesen unbedingt auch zu einer Gruppe dazu gehören wollen.

Wir alle brauchen soziale Verbundenheit: ich werde akzeptiert, bestätigt, gemocht… und ich gehöre dazu. Auch möchte jeder von uns das Gegenteil verhindern: Niemand von uns möchte nämlich ständig ausgegrenzt, beschimpft oder ausgestoßen werden.

Die Gefahr, dass dies einem passiert führt logischerweise und zwangsläufig zu einer dauerhaften und krankmachenden Angst. Denn: zwischenmenschliche Nähe ist ein menschliches Grundbedürfnis.

Was aber hat dies alles mit unserem Thema zu tun?
Das Thema: Die Spaltung des Borderliners spiegelt die Spaltung unserer Gesellschaft wider!?

Die gleichgeschaltete / Angepasste Gesellschaft ist eine gespaltene Gesellschaft – Gespalten in das „Gute“ und in das „Böse“  Spaltung / Anpassung

Gut und Böse sind grundsätzlich erst einmal Adjektive in unserer Sprache. 
Gut hat die Bedeutung von passend, geeignet und für etwas tauglich zu sein. Es hat also niemals die Bedeutung des „allein selig machenden Etwas“ sondern es ist passend.

Böse ist eine moralische Bewertung im Sinne von dem germanischen Grundwort „bausja“ was gering, schlecht bedeutet. Es ist etwas was die Norm nicht erfüllt. In einer Gesellschaftskrise wie der Aktuellen geht momentan augenscheinlich die „Denk-Vielfalt“ einer ganzen Gesellschaft verloren.

Diese Vielfalt weicht vor einer Angst aus – wobei wir wissen, das Angst von dem althochdeutschen Wort „anghu / angust / beengend“ her ableitet. Was engt uns denn in unserer aktuellen Krisenthematik immer mehr ein?

Bevor ich mich hierzu äußere, möchte ich noch ein klares persönliches Statement abgeben: Ich bin und bleibe zu 100% politisch neutral! Das was ich hier beschreibe, ist lediglich eine Betrachtung aus psychologischer Sicht. Eine politische Aussage zu treffen, steht mir ganz und gar nicht zu.

Jedoch beobachte ich aktuell einen sich verstärkenden Trend nach politischer Korrektheit der sich in einem immer deutlicheren Mainstream in den Medien zeigt. Normalerweise sollte dieser Mainstream an sich eine Orientierungshilfe sein, um sich als Einzelner in einer neuen, noch unbekannten und damit einer unsicheren Situation zurecht zu finden.

Was wir heute aber beobachten können ist vielmehr ein Zwang nach Uniformität: wer sich nicht mehr politisch korrekt verhält wird beschimpft, bedroht, gemobbt und ausgegrenzt.

Das ist ein deutlicher Trend dafür, dass wir als Gesellschaft in einer Krise angekommen sind und die Vielfältigkeit verschiedener Denkrichtungen nicht mehr leicht akzeptiert werden kann. Die Menschen fangen immer mehr an, sich an der Meinung der Mehrheit zu orientieren – Stichwort Spaltung. Man gibt eigene private Lebenseinstellungen zunehmend auf um im Schatten einer großen Mehrheit relativ unauffällig weiter leben zu können.

4.3 Die Regression

Das führt bei vielen Menschen zu einer Regression. Unter Regression verstehen wir einen Rückfall auf einfache, primitive seelische Kompensationen und Abwehrmöglichkeiten.

Und eine der häufigsten Formen der Regression ist und bleibt die Spaltung. Eine seelische Spaltung meint immer, dass die Menschen nicht mehr die Möglichkeit haben ihn sowohl als auch zu denken.

Aber sowohl die eigene Meinung kann richtig und falsch sein aber auch die andere Meinung. Dies ist auch wissenschaftlich völlig korrekt – denn zu einer Sache kann man immer sowohl PRO als auch CONTRA sein. Bei einem Pro und Contra können beide Seiten immer teilweise recht oder unrecht haben.

Es gibt einfach keine einmalige Wahrheit – zu keinem menschlichen Thema. Mit einer Spaltung, geht jedoch diese wunderbare Fähigkeit in einem Spannungsfeld unterschiedlicher Meinungen leben zu können völlig verloren. In ihr gibt es dann entweder nur noch ein entweder / oder – ein links oder rechts – oder ein böse oder gut.

Das Problem dabei ist jedoch, das unsere Lebenserfahrung nicht immer so eindeutig mit richtig oder falsch zu beschreiben ist. In unserem Leben zeigt jeder Mensch sowohl gute auch böse Anteile.

Mit der Spaltung geht genau diese realistische Sichtweise verloren. Mit der Spaltung ist fast zwanghaft eine seelische Verpflichtung verbunden, die eigenen inneren Anteile – die nicht mehr gewünscht oder erlaubt werden – aus dem eigenen Blickfeld abzuspalten.

Dieser Blick muss dann neu ausgerichtet werden – und zwar auf das, was die Masse der Gesellschaft für Richtig hält.

Ein Beispiel: Werde ich z.B.  gezwungen, mich künftig nur noch gut, brav und angepasst zu verhalten – dann muss ich ja die anderen (nicht guten) Seiten von mir logischerweise unterdrücken. Die Folge davon ist, dass ich jeden Menschen der sich nicht so angepasst hat wie ich, als Bedrohung empfinde und ihn anfange zu befeinden.

So etwas erleben wir gerade in der aktuellen Corona-Debatte: Allein beim Thema „Gesichtsmaske ja oder nein“ wird man schon bedroht wenn man nicht dem allgemeinen Mainstream entspricht.

Mit diesem Beispiel können wir sehr gut den Mechanismus einer Gesellschafts-Spaltung erklären.

Spaltung steht immer in Verbindung mit einer Unterdrückung eigener nicht mehr akzeptierter innerer Werte / Vorstellungen. Das führt dann zwangsläufig in eine Feindseligkeit: Die Eigenschaften die man selber als falsch ansieht werden dem Anderen angedichtet und dadurch wird er schließlich zum Feind und zum Gegner. Das ist die ureigene Psychodynamik des Denkens in Feindbildern jeder gesellschaftlichen Krise. So wurden und so werden in einer Gesellschaft die Feindbilder immer aus einer Spaltung heraus erschaffen:  Da gab es immer wieder den Erzfeind, den Klassenfeind oder den Juden als Feindbild.

Und heute entspringen aus diese Projektionen von Verschwörungstheorien die Koalitionen von Rechtsextremen die alleinig die bösen sind – denn der Rest der gespaltenen Gesellschaft sind ja die „Guten“. 

(5) Diese Entwicklung kennen wir aus der Gruppendynamik.

Ein Gruppen-Dynamiker unterteilt eine Gruppe in ganz typische soziale Position nach einer gewissen Gesetzmäßigkeit:

      • Die Alphapositionen sind die Anführer.
      • Die Betapositionen sind die Mitläufer.
      • Mit Gamma bezeichnen wir die Experten.
      • Dann gibt es noch die Omega-Positionen – diese verkörpern die Außenseiter. Die Außenseiter – das ist jetzt interessant – sind die nicht Gewollten, die Beschimpften, die Ausgegrenzten.

Man könnte eigentlich über diese Position sehr kritisch denken, sollte sie aber als die wichtigsten Personen in einer Gruppe betrachten! Warum? Weil das Omega genau das verkörpert was die Anderen nicht mehr sehen wollen. Und genau das ist aus therapeutischer Sicht das Wesentliche in einer Gesellschaft! Gerade diese Dinge – auf die der Omega immer wieder wie mit einem Finder in der Wunde hinweist – müssen aufgedeckt, verstanden und müssen auch in der Gesellschaft integriert werden.

Auf unsere aktuelle Krise angewendet (in Verbindung mit Corona) dann sind die Verschwörungstheoretiker – wohlgemerkt rein aus psychologischer Sicht – die wichtigsten Menschen! Sie bringen nämlich etwas zum Ausdruck, was von der Mehrheit nicht mehr gesehen werden will. Sie arbeiten also gegen eine Spaltung an indem sie die Diversität / die Vielfalt fördern. Und das, egal (!!!) ob ihre Meinung nun die richtige ist oder nicht!

Nochmals: Dies ist kein politischer Artikel! Es geht um die Mechanik / um den technischen Ablauf einer Gesellschaftsspaltung – es geht nicht um die thematischen Inhalte. 

Wenn man also verstehen möchte was hinter den Fassaden einer Gesellschaft vor sich geht dann sollte man vor allem die Verschwörungstheoretiker betrachten sich mit ihnen eingehend auseinandersetzen Was sie eigentlich zu sagen haben und was man von Ihren Aussagen nicht wahrhaben will.

Mir kommt da gerade eine Situation von Frank Elstner (Wetten dass) in den Sinn als eine Gruppe von Umweltaktivisten im Dezember 1984 in Bremen auf der Bühne ein Banner ausrollen wollten. Anstatt diese von der Bühne zu jagen hat er ihnen kurz das Wort gegeben, einen Vorschlag zum Frieden unterbreitet und konnte dann in Ruhe mit dem Programm fortfahren

Spaltung ist immer ein klares Anzeichen für eine Gesellschaftskrise. Zwar leben wir schon immer – seit es Menschen gibt – in Spaltungen… Wir kennen die Spaltung zwischen Arm & Reich, Alt und Jung, Mann und Frau. Darüber hinaus müssen wir jedoch einsehen, dass die aktuelle gesellschaftliche Spaltung immer heftiger wird:

      • Politisch haben wir in den letzten Jahren deutlich mehr Spaltungen durch die Migrationspolitik erfahren.
      • Auf das Klima bezogen spaltet eine weltweit bedrohliche Frage immer mehr die Gesellschaft:
        sind die Klimaprozesse Menschen gemacht oder nicht? Da sind wir extrem gespalten als Gesellschaft!

      • Und in Bezug auf Corona gehen wir jetzt ebenfalls auf einen Höhepunkt der Spaltung zu… Unsere Gesellschaft wird immer mehr gespalten in diejenigen, welche die Corona-Maßnahmen gut finden und diejenigen, welche sie als hoch problematisch ansehen. Die einen tragen gerne eine Maske während andere dies als eine Unmöglichkeit abstempeln – so etwas sogar als einen unwürdigen Akt der Unterwerfung ansehen.

Dann kommt jetzt noch das „Spaltthema „Impfen“ auf. Die eine Seite sind diejenigen welche jubelnd ausrufen, das mit dem Impfen alles gerettet wird und endlich alles gut wird. Auf der anderen Seite stehen dann aber wiederum denkende Menschen welche sagen: „Entschuldigen Sie bitte, aber was wird denn eigentlich geimpft? Ist dieser Impfstoff vielleicht gefährlich? Hilft impfen wirklich?“ In dieser Spaltung stehen sich zunehmend feindliche Gruppierungen gegenüber.

Und was mir hierbei besonders auffällt ist, dass diese Spaltung jetzt auch offensichtlich politisch und medial geschürt wird. 

(6) Was macht das alles für einen Sinn?

Was macht das für einen Sinn, wenn sich die gesellschaftlichen Gruppierungen immer feindlicher gegenüberstehen? Hat dieses PRO und CONTRA beim Thema Corona denn überhaupt einen Sinn?

Nun, in einer Spaltung sind die Menschen in ihrem Handeln mehr und mehr auf die Symptomebene reduziert! Für sie existiert dann nur noch ein JA oder ein NEIN! Aber die zugrunde liegende Gesellschaftsproblematik, die Gesellschaftskrise, die Fehl-Entwicklung in der Gesellschaft, die narzisstische Gleichschaltung des „Normalen“ wird dabei gar nicht mehr gesehen. Die Menschen stehen sich hier in zwei getrennten Lagern feindselig gegenüber. Obwohl Geschwister gehen sie gegeneinander gewissermaßen in einen „Ideologie-Krieg“.

Und die eigentliche Problematik wird dann einfach übersehen und in die Ecke getrennt:
Wie kann unsere Gesellschaftskrise überwunden werden Wie kann es mit der Menschheit weitergehen die vor größeren Problemen als Corona steht? Wie können wir anders besser und gesünder leben Wie können wir die gewaltigen Klima- und Umweltprobleme besser lösen? Wie können wir all das einfach besser gemeinsam bewältigen?

Ich befürchte, dass sich all das in dieser pathologischen / ungesunden Richtung weiter zuspitzt.

Und auf der anderen Seite wird unser Wunsch

      • nach Verbundenheit,
      • nach einem Austausch,
      • nach einem Diskurs,
      • nach einem einfachen demokratischen Verhalten

immer mehr unterdrückt und abgespalten.

(7) Die innere Demokratie

Wir alle müssen begreifen, dass es neben einer äußeren politisch verantwortlichen Demokratie noch etwas gibt – und zwar eine innere Demokratie! Eine innerseelische Demokratie ist die Fähigkeit, die eigenen inneren seelischen Minderheiten, die eigenen Schwächen, zu erkennen, diese nicht abzuspalten oder zu verleugnen. Sie hilft, das man lernt, diese zu akzeptieren und lernt sie bei sich zu lassen um dadurch nicht mehr andere zu bedrohen.

Was sollte man denn in dieser zugespitzten Gesellschaft tun?

Erstens: sich umfassend zu informieren! Denn auch da entsteht eine Spaltung.

Zweitens: Es ist wichtig sich nicht allzu sehr zu ängstigen. 

Nehmen wir für die Angst mal den Corona-Virus: Auf der einen Seite steht die reale Angst, das es den Corona-Virus tatsächlich und wirklich gibt. Aber schon seit Menschengedenken haben wir mit Viren und Bakterien zu kämpfen. Und jeder von uns allen ist gut darin beraten sich selber zu informieren was er tun und lassen sollte. Aber er sollte dich sich nicht allzu sehr ängstigen oder einschüchtern lassen durch eventuell falsche Zahlen. 

(8) Die Gefahr vor der Angst:

Diese Angst abzumildern hat einen wichtigen Hintergrund: 
Besonders unsere ureigenen latenten Ängste verleiten uns dazu dass wir ständig noch weitere Ängste haben:

      • bin ich richtig, bin ich gut, mache ich mich schuldig?
      • Lebe ich von meinen Möglichkeiten entfernt oder
      • bin ich gezwungen so zu leben wie man es von mir erwartet?

All diese Ängste sind zwar latent immer bei uns vorhanden… wenn aber von außen noch eine Verschärfung hinzukommt, dann besteht die Gefahr

      • dass diese latenten Ängste aktiviert werden die aber jetzt keine Lösung / kein Ventil oder keinen Abfluss mehr finden
      • und uns dann in eine Situation drängen die sich durch eine Spaltung oder eine Verdrängung ein ganz anderes / ungewolltes Ventil als Lösung sucht.

Und dann sind wir im großen Stil in einer krankhaft genormten / uniformen Gesellschaft gefangen und machen uns mitschuldig, weil wir nicht bereit sind unsere eigenen Fehler – unsere Angst zu erkennen geschweige denn zu behandeln. 

(9) Wie könnten wir in unserer Gesellschaft diese Ängste und diese Spaltungen besser angehen?

Mein persönlicher Rat: Eltern müssen sich um die Betreuung ihrer Kinder stärker selber kümmern können! Eltern müssen darin unterstützt werden, diese wichtigste aller Beziehungsqualitäten zu verbessern.

Das ist die Voraussetzung für ein gesundes Verhalten in der Erwachsenen-Zeit. Das ist dann eine wahre Beziehungskultur! Durch genau diese Beziehungskultur können wir uns als Erwachsene immer wieder trotz unserer Unvollkommenheit / trotz unserer Entfremdung resilient helfen

      • uns in unseren Beziehungen zu stärken
      • die Würde von sich selbst und die des Anderen zu bewahren.

Beziehungskultur bedeutet auch, dass wir bei allen Problemen erst einmal uns selbst betrachten. Denn, grundsätzlich sind wir auch immer Teil des Problems.

Wir sollten uns darum fragen:

      • was spaltet sich bei mir ab?
      • Oder was projiziere ich gerade?
      • Wie kann ich selber eine gesunde Beziehungskultur prägen?

Das alles kann ich auch, wenn ich nur sehr wenige Beziehungen habe – wie z.B. eine Partnerschaft und nur wenige Freundschaften. Hier können wir auch eine Beziehungskultur aufbauen:

      • Indem wir uns mit unserem Partner austauschen
      • indem jeder tatsächlich das sagt was er denkt
        • ohne soziale Maske
        • ohne zu heucheln
        • ohne zu lügen.
      • Indem jeder bereit ist, dem Anderen zuzuhören
        • Ihn zu verstehen

Genau das befriedigt mehrere unserer Bedürfnisse! Denken wir immer daran: eine andere Meinung muss nicht immer mit meiner Meinung übereinstimmen. Meinungen dürfen auch gerne (!) einmal nebeneinander bestehen bleiben, weil man verstanden hat: ich denke so weil… Du denkst so weil… 
Das Ziel der Transaktionsanalyse z.B. ist es: „Ich bin OK – Du bist OK“ Und so kann der Frieden in einer Beziehung gehalten werden, auch wenn man unterschiedlicher Meinung ist – und viele Dinge anders sieht.

Ein friedliches Nebeneinander ist die Zauberformel für eine Welt ohne Spaltung. Und eine Welt ohne Spaltung ist eine Welt ohne Borderline!

 

 

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Was passiert im Gehirn wenn wir Gefühle zeigen? Und was läuft beim Borderliner schief? Teil 2

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Affektive Instabilität – was ist das Überhaupt???

 

Es ist zuallererst einmal das Kern-Kriterium der Borderline – Persönlichkeitsstörung. Es beschreibt eine hohe Reagibilität (Sensibilität und schnelle Reaktion) der Stimmung auf intensive affektive Reize.

Typische Auslöser hierfür liegen im zwischenmenschlichen Bereich. Diese stehen dann oft in Verbindung

      • mit einer zwischenmenschlichen (Hoch-)Sensibilität
      • der Angst vor Zurückweisung,
      • starkes Leid und Schmerz bei sozialer Distanzierung
      • und einer ständigen Angst vor einem Verlassenwerden
Hierzu einmal ein Praxisbeispiel:

Eine junge Frau (ca. Anfang 20) fügt sich seit Jahren mit einer Rasierklinge viele oberflächliche Verletzungen am ganzen Körper zu.

Was führte zu dieser Handlung?

      1. Sie erzählt, dass oft eine große Wut und eine quälende Anspannung vorher da waren.
        Oft blieb es nicht beim Schneiden, sondern sie zerschlug dann zusätzlich noch das Mobiliar in der Wohnung.
      2. Sie fühlte sich regelmäßig kritisiert und beschuldigt. Es kam immer wieder dieses eine Gefühl in ihr hoch – eines das sie seit ihrer Kindheit leider nur allzu gut kannte und zwar „böse unschuldig“ zu sein. Ein Widerspruch ja – aber genau das kennzeichnet Borderline!
      3. Zum dritten spürt sie hinter der ganzen Wut noch ganz weitere Gefühle wie z.B. Verzweiflung und Einsamkeit. 

Die Studienlage

    • 1.1 Die Dialektisch-Behaviorale Therapie

Eine der hervorstechendsten Therapieverfahren ohne Psychopharmaka für Borderliner ist die DBT – Die dialektisch behaviorale Therapie, welche Marsha Linehan in den 1980er Jahren entwickelte. Anhand ihrer persönlichen und klinischen Erfahrungen beschrieb sie die typisch affektiven Merkmale von Borderlinern mit

      • einer sehr tiefen emotionalen Antwortschwelle,
      • einer hohen Affektstärke
      • und am Ende ein nur ganz langsames Abklingen der Emotionen.

Inzwischen liegt eine Reihe von Studien vor, unter anderem ein Affektstimulationstest, die genau diese Annahmen durch die Praxis stützen.

    • 1.2 Der erwähnte Affektstimulationstest besteht aus einer Kurzgeschichte, der eine genormte Analyse von den affektiven Antworten in Bezug auf Qualität, Intensivität und Veränderungen im Laufe der Zeit ermöglicht (wie die Checkliste beim Start eines Flugzeugs).

Borderliner gaben im Vergleich zu Gesunden und Patienten mit anderen Persönlichkeitsstörungen

      • viel intensivere affektive Antworten an,
      • einen schnelleren Wechsel der Affekte
      • und auch eine niedrigere Reiz-/Reaktions-Schwelle.

Wichtig: Stärkere Reaktionen auf emotionales Bildmaterial wurden jedoch nicht erkannt

Länger dauernde Studien bestätigen, dass Borderliner deutlich häufiger intensive Spannungszustände in Kombination mit Dissoziationen wahrnehmen als gesunde Probanden.

1.3 Auch ein Frustrationsexperiment, dass bei gesunden Teilnehmern Ärger und Enttäuschung provozierte, zeigte bei Borderlinern – neben einer niedrigeren Affektschwelle – in der Qualität der Antworten kaum Unterschiede.

Das bedeutet: Der Borderliner reagiert nicht anders, aber deutlich früher als „gesunde“ Menschen

Wobei hilft uns diese Erkenntnis?

Berichtet ein Betroffener von plötzlichen und oft auch lang andauernden aggressiven Spannungszuständen, die mit der Hilfe von Selbstverletzungen zweitweise etwas abgemildert werden können, hilft das in der Diagnose!

Dieser Versuch, durch Selbstverletzung die Spannung zu reduzieren, führt dann oft zum ersten Kontakt mit Ärzten und Kliniken und konnte interessanterweise auch experimentell allein durch die Vorstellung einer Selbstverletzung als ein gefühlt erfolgreicher Bewältigungs-Mechanismus erkannt werden, der den Stress reduzieren konnte.

Hier möchte ich mal einen gesonderten Beitrag erstellen. Denn mit der Bildtherapie – der Katathym Imaginativen Therapie – werden bereits heute schon erfolgreich Borderline-Spannungen behandelt. 

Teil 2 – Das Denken

Die gestörte Emotionsregulation zieht auch gestörtes Denken nach sich… Oft haben Borderliner Probleme, störende emotionale Reize zu unterdrücken und sogenanntes Lösungs-Denken auch unter Stress aufrecht zu erhalten.

So wurde eine schlechtere sowohl bewusste als auch automatische Verhinderung bei der Verarbeitung negativer Informationen mit Hilfe zweier Verfahren die „Directed – Forgetting“ beziehungsweise der „Negativ – Priming“ – Aufgabe beobachtet.

2.1 Die Ergebnisse aus dem „Directed– Forgetting“ – Denkmuster, zeigen dass Borderliner Probleme damit haben, 

      • negative Wörter aus dem Arbeitsgedächtnis zu löschen,
      • während sie positive nur langsamer ins Arbeitsgedächtnis aufnehmen.

2.2 Außerdem beschrieben die Forscher Arntz, Apples und Sieswerda eine „Aufmerksamkeits-Verschiebung“ für negative emotionale Reize in einem Stroop–Paradigma: 

Das Stroop-Paradigma ist nichts Besonderes, sondern etwas, was wir im täglichen Leben immer wieder beobachten können. Es sagt, dass trainierte Handlungen (nehmen wir mal Fahrradfahren) keine große Aufmerksamkeit benötigt. Kommt jetzt aber eine kleine Veränderung hinzu, dann braucht man überdurchschnittlich mehr Konzentration.

Beim Borderliner ist es ähnlich:

Er hat sich einen Automatismus in Bezug auf seine Aufmerksamkeit in Richtung negativer Reize gewissermaßen „erarbeitet“. Diesen jetzt durch z.B. die DBT zu ändern, erfordert eine Menge Arbeit und Disziplin!

Andere Arbeiten dieser Forschergruppe sprechen für eine starke Fokussierung auf ganz konkrete Reize, während andere in der Aufmerksamkeit einfach vernachlässigt werden.

Die Affektregulation hängt eng mit der Fähigkeit zusammen, an Vorbildern und Beispielen in der näheren Umgebung zu lernen. Dabei sieht es nun so aus, dass Borderliner keine – wie immer wieder angenommen – generelle Hochsensibilität gegenüber menschlichen Gesichtsausdrücken zeigen. Dafür haben sie aber umso mehr Schwächen in der Genauigkeit der Verarbeitung.

Für die Psychotherapie könnte es von besonderer Bedeutung sein, dass sie negative Emotionen und auch Ärger im Gesicht ihres Gegenübers oft nur verzerrt und nicht der Realität entsprechend wahrnehmen.

Dies bestätigt die Annahme, dass Borderliner die Tendenz haben …

      • die Welt als gefährlich und sich selbst als machtlos und unwürdig wahrzunehmen –,
      • und in Kontakt mit anderen Menschen sich häufig zurückgewiesen und bedroht fühlen

Dies ist mit ein Grund für Ihre „bodenlose Lebensangst“ 

Teil 3 Die Neurobiologie – Ist das Gehirn beim Borderliner wirklich anders?

Eine andere Überschrift könnte lauten: Aktuelle neurobiologische Befundlage zur Affektdysregulation bei der Borderline – Persönlichkeitsstörung

Bei der Borderline – Persönlichkeitsstörung finden sich in den für die Affektregulierung sowohl in Struktur als auch in der Funktion wichtiger Hirnbereiche Veränderungen.

3.1 Zum Beispiel eine Verkleinerung der Amygdala

 Zuvor ein wichtiger Einschub: Eine verkleinerte Amygdala ist keine ausschließliche Diagnose! Wir müssen hier immer die Möglichkeit von Begleiterkrankungen mit einbeziehen. Trotzdem ist diese Erkenntnis erst einmal „beachtenswert“

So konnte der Befund einer kleineren Amygdala-Größe und auch der eines kleineren Hippocampus z.B. in Untersuchungen mit sexuell und körperlich traumatisierten Borderlinern gesichert werden.

Andererseits aber hatten aber auch Patientinnen mit einer zusätzlich vorhandenen depressiven Erkrankung ein vergrößertes Amygdala-Volumen im Vergleich zu einer gesunden Kontrollgruppe.

Merke: Die Größe der Amygdala ist nur ein (!) Diagnose-Kriterium. Es muss nach wie vor alles immer im jeweiligen Kontext betrachtet werden

3.2 Wenn wir dann noch den vorderen / den frontalen Hirnbereich anschauen, dann wurden

      • in frühen Studien aus dem Jahre 1988 eine Volumenreduktion des Frontallappens
      • sowie im Jahre 2005 eine relative Reduzierung des ACC (dem Anterioren cingulären Kortex) gefunden.

 

3.3 Die meisten Studien durch die Positronen-Emissions-Tomographie (PET), wselche den limbischen und den präfrontalen Ruhestoffwechsel anhand der Glukoseaufnahme der Neuronen in Ruhe untersuchten, zeigten einen geringeren Stoffwechsel im dorsolateralen (hinten / seitlich) präfrontalen Kortex. Und zwei davon auch eine Verringerung im orbitofrontalen Kortex.

Das hört sich zwar nur wenig spektakulär an, bedeutet aber auch einen reduzierten Stoffwechsel präfrontaler Regionen (also im Bereich des Denkens und der Kognition) mit reduzierender Wirkung auf das limbische System. Es ist also immer das gesamte Gehirn hiervon irgendwie mit betroffen.

 

3.4 Auf eine mögliche Gewebe-Schädigung dorsolateraler präfrontaler Areale deutet eine Verminderung von N – Acetylaspartat (NAA) hin, die man durch Magnetresonanz-Spektroskopie erkennen konnte.

Besonders dieses NAA ist nach heutigem Kenntnisstand ein wichtiges Kennzeichen für eine Neurodegeneration wie z.B. Alzheimer, Parkinson, Chorea Huntington und andere….

3.5 Durch funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) konnte auch eine stärkere  Amygdalaaktivität auf standardisierte / also ganz „normale“ emotionale Reize nachgewiesen werden. Ein entsprechendes Ergebnis wurde ganz kontrolliert nach dem Prinzip, wie man es im International Affective Picture System (IAPS) nachlesen kann ermittelt.

Das IAPS ist eine Datenbank mit standardisierten Bildern um die Reize und Reaktionen auf sie standardisiert / genormt einordnen zu können.

Die Präsentation genau definierter emotionaler und auch neutraler Gesichtsausdrücke führte bei Borderlinern deutlich häufiger zu einer stärkeren Amygdala-Aktivität als bei Kontrollpersonen.

 

Wichtig in diesem Zusammenhang: Da eine stärkere Amygdala-Aktivität auch bei neutralen Gesichtsausdrücken festgestellt werden konnte, ist eine Störung der persönlichen Abwehr-Reaktionen auf soziale Reize beim Borderliner möglich

Dies konnte auch durch eine Studie bestätigt werden, die Bilder des „Thematischen Apperzeptionstests“ (auch Auffassungstest genannt – TAT) verwendete – ein Reizmaterial, welches die Erinnerungen an eigene schlechte Erfahrungen mit anderen Menschen in der Vergangenheit provoziert.

Die Ergebnisse zeigten, dass eine Selbst-Interpretation nicht nur auf mehrdeutige … sondern auch auf völlig verzerrte Erinnerungen erfolgt, weil die Patienten (im Gegensatz zu der gesunden Kontrollgruppe) eine übersteigerte falsche Aktivität des ventrolateralen und orbitofrontalen Kortex sowie des ACC und damit eines für die Verarbeitung eigener Erfahrungen sehr wichtigen Netzwerkes auf biografisch wichtige und auch unwichtige Reize zeigten.

Solch ein Studienergebnis kann von hoher klinischer Wichtigkeit sein! Bedenkt man, dass Borderliner in Situationen, die von anderen neutral und distanziert erlebt werden, einen für Außenstehende nicht erklärbaren Bezug zu ihrer persönlichen Geschichte ableiten und damit sehr oft mit nicht nachvollziehbaren affektiven Reaktionen reagieren.

Auf deutsch: „Ich bin immer Schuld“ „Das machst Du doch nur wegen mir…“

Aufgrund der aktuellen Studien müssen wir aber immer noch davon ausgehen, dass eine übereifrige Amygdala noch lange kein alleiniger Beweis für eine Borderline-Diagnose ist.

Häufig sehen wir dies auch bei den Angststörungen wie sozialer Phobie spezifischer Phobie aber auch bei der posttraumatischen Belastungsstörung. Möglicherweise finden wir dies immer dann vor, wenn der Klient an Hochsensibilität bzw. an Neurotizismus leidet. 

Teil 4 Das präfronto-limbische Netzwerk

In den letzten Jahren konzentrierte sich die Forschung auf ein weiteres Themengebiet: dem Einfluss des präfronto– limbischen Netzwerks. Man untersuchte nun ganz besonders den präfrontalen Hirnbereich.

4.1 Borderliner zeigten dann auch, wenn sie an ihre Missbrauchs- Erlebnisse erinnert wurden: nicht die bei gesunden Personen üblich sichtbaren Blutfluss-Steigerungen im Anterior cingularen Kortex – ACC, im orbitofrontalen und dorsolateralen Abschnitt des präfrontalen Kortex und damit in den für die Affektregulation wichtigen Strukturen.

Während dieser Erinnerungen an besonders schwierige / belastende Situationen z.B. des Verlassenwerdens wurde sogar eine Umkehrung der Ergebnisse mit einem reduzierten (!) Blutfluss in diesen Bereichen festgestellt. All das könnte ein Hinweis dafür sein, wichtige negative Emotionen nicht (!) unterdrücken zu können!!!

4.2 Interessant ist auch eine fMRT-Studie die von verstärkten Aktivierungen in der Amygdala berichtet, wenn sich Borderliner an problematische Situationen aus der Vergangenheit erinnern sollten.

Eine weitere Studie untersuchte Neurofunktionelle Wechselwirkungen von traumatischen Erinnerungen im Vergleich zu anderen aversiven, aber nicht traumatischen Erinnerungen bei traumatisierten Borderlinern jedoch ohne posttraumatische Belastungsstörung.

Die Ergebnisse: Eine zusätzliche posttraumatische Belastungsstörung war

      • mit einer verstärkten limbischen Aktivierung
      • und einer Reduzierung des Präfrontal-Bereiches beim traumatischen Erinnern verbunden.

Auch ohne eine begleitende posttraumatischen Belastungsstörung gibt es bei Borderline Anzeichen dafür, dass es sich nicht (!) einfach nur um eine übereifrige Amygdala handelt.

4.3 Neuere Befunde bestätigen eher ein Modell der fronto – limbischen Disinhibition / Enthemmung.

Das bedeutet einen geringeren bremsenden Einfluss präfrontaler Areale auf limbische Regionen, die uns dann die affektiven Überreaktionen, aber auch Aggressionen eines Borderliners besser erklären könnte.

4.3.1 Eine PET – Untersuchung (Positronen-Emissions-Tomographie / Schichtbild-Aufnahmen) zeigte bei impulsiven Patienten mit einer Borderline – Persönlichkeitsstörung gegenüber einer Kontrollgruppe eine deutlich geringere Anpassung zwischen dem Ruhe-Stoffwechsel im orbitofrontalen Kortex und dem in der Amygdala.

4.3.2 In einer Borderline-Studie mit einer sprachlichen Go- bzw. No–go– Aufgabe, wurden weniger bremsende Aktivitäten in den Hirnbereichen für die Regulierung, besonders im anterioren cingulären Kortex, im ventromedialen präfrontalen Kortex und im orbitofrontalen Kortex, festgestellt, wenn negative Worte verarbeitetet werden mussten. Und wenn etwas nicht gebremst werden kann, dann rast es ungeschützt auf ein Hindernis zu…

Gleichzeitig war dabei aber die Amygdala wieder deutlich stärker aktiviert als bei gesunden Vergleichsteilnehmern.

4.3.3. Auch in einer Geschlechter-Diskriminierungs-Aufgabe durch das Zeigen emotionaler Gesichtsausdrücke, in der es bei gesunden Teilnehmern normalerweise zu einer Regulierung der Amygdala durch die präfrontalen Areale (besonders im Bereich des ACC) kommt, zeigten Borderliner eine geringere Aktivität in den vorderen Abschnitten des ACC, jedoch mal wieder eine erhöhte Aktivität in der Amygdala.

All das lässt so langsam ein immer deutlicheres Bild davon entstehen, was im Gehirn von Personen vorgeht, die an einer Persönlichkeitsstörung leiden. Das ist aber – ich möchte dies immer wieder betonen – kein Ausschließlichkeits-Kriterium für eine Borderline-Diagnose. Es gehört lediglich zu dem Gesamtbild 

4.4 Bereiche der höheren / kognitiven Affektregulation

4.4.1. Eine noch recht neue Studie zeigt, dass Bereiche der höheren kognitiven Affektregulation im dorsalen präfrontalen Kortex genauso funktionstüchtig sind wie bei „Nicht-Borderlinern“!

In einer Neu-Bewertungsübung wurden Borderliner aufgefordert ihre Gefühle dadurch herunter zu regulieren, indem sie sich verstandesmäßig / bewusst von einer ihnen gezeigten Szene distanzierten.

Das Ergebnis:

      • Während Hirnareale der höheren, komplexen kognitiven Verarbeitung genauso funktionieren wie bei gesunden Kontroll-Personen,
      • zeigten sich wie in anderen Untersuchungen mit Borderlinern Einschränkungen in Bereichen der primären Affektregulation – in den Gefühlsreflexen…

Zusammengefasst kann eine Fehlfunktion der Amygdala und auch der präfrontalen Bereiche die an der Affektregulation beteiligt sind als eine mögliche (!) neurobiologische Grundlage der Affektregulationsstörung bei der Borderline – Persönlichkeitsstörung angesehen werden.

Am wahrscheinlichsten wird aktuell eine präfronto – limbische Netzwerkstörung angenommen. Dies muss aber noch in der Zukunft durch weitere Studien geklärt werden. 

Teil 5 – Ätiologische Überlegungen / Die Suche nach der Ursache

Ätiologie ist griechisch: Aitia = Ursache Logos = Lehre / Vernunft 
Die Ergebnisse aus den uns derzeit vorliegenden Studien erlauben noch keine vollständigen / abschließenden Rückschlüsse auf die Ursachen.

5.1. In der Diskussion stehen erst einmal genetische Einflüsse – die bei der Borderline – Persönlichkeitsstörung bis heute noch viel zu wenig untersucht sind.

Eine einzelne (!) Studie von Professor Togersen ermittelte eine genetische Heritabilität / Erblichkeit von 0,69 für die Borderline – Persönlichkeitsstörung. Aber (!) dieses Ergebnis einer einzelnen Studie ist nicht mehr als das was ich sagte: Das Ergebnis einer einzelnen Studie. Dies muss zwingend noch durch weitere Studien bestätigt werden. Auch deswegen, weil die Studie nicht die Vielfalt komorbider Störungen / Begleiterkrankungen berücksichtigte.

Weitere Studien in der Allgemeinbevölkerung konnten aber einen sichtbar genetischen Einfluss ganz interessanterweise für die affektive Instabilität bei selbstverletzendem Verhalten und Identitätsproblemen sichern. Hier sind zukünftig die beschriebenen Ergebnisse der genetischen Bildgebung über die Auswirkung genetischer Einflüsse auf ihre Funktionen noch von großer Bedeutung.

5.2. Interaktionsstörung / Stress / Traumata

Neben den genetischen Einflüssen spielen Störungen im zwischenmenschlichen Bereich, Stress und ganz besonders Traumata bei Borderline eine wichtige Rolle.

5.2.1 Interaktionsstörung Auch wenn der Zusammenhang zwischen Beziehungsstörungen und einer „unglücklichen“ Affekt-Regulation bei Borderline noch nicht genügend untersucht wurde – was neue Untersuchungsarten erfordert – so dürfte mit Sicherheit die Art und Weise des Umgangs mit frühen Beziehungspersonen für diese Fehlregulation von Affekten mit, die stärksten Auswirkungen haben.

Nein, das ist jetzt kein Bashing von der armen Mutter und dem bösen Vater! Die Wahrnehmung, die Steuerung und der Ausdruck von Emotionen entwickeln sich halt fast vollständig in der frühen Bindung zu den Eltern.

So scheint beispielsweise der Rhythmus / die Häufigkeit des Miteinanders zwischen Eltern und Kind neben der Stärke und Häufigkeit der Zuwendung eine klare / deutliche Rolle für das Lernen der Gefühlskontrolle und Gefühlsregulierung zu spielen.

Ein ausgewogener / mittlerer Bereich von

      • Stärke,
      • Zahl der Reize,
      • Wechsel der Führung zwischen den Interaktionspartnern
      • und Fehler und Lernen aus den Fehlern zwischen den Bezugs-Personen

ist die allerbeste Voraussetzung um die Lern – und Entwicklungsprozesse des kleinen Säuglings ins Rollen.

Treten all diese Reize jedoch stärker auf, kommt es 

      • zum Erregungsanstieg beim Säugling
      • einem erhöhten Cortisol-Ausschuss
      • und den dann typischen Abschirmvorgängen (Kopf und Blick wegdrehen…)

Treten diese Reize im Gegensatz dazu viel schwächer als gewöhnlich auf – wenn z.B. die Mutter depressiv ist – führt dies bei dem Kind

      • zum Rückzug,
      • einem geringeren Erkundungs- / Forschungsverhalten
      • weniger Eigeninitiative
      • und zu stärkerer Zuwendung von Objekten (kämpfen um Aufmerksamkeit)

Ganz interessant wäre es aus neurobiologischer Hinsicht in diesem Zusammenhang, die Rolle der Spiegelneuronen für die Entwicklung der Affektregulation zukünftig zu studieren.

5.2.2 Traumata

Eines ist in vielen Studien immer wieder bewiesen worden: Die hohe Zahl von Traumata in der Kindheit! Körperlichen und sexuellen Missbrauch finden wir bei bis zu 70 % der Borderliner–Patienten.

Auch wurde ein fünffach erhöhtes Risiko (!) gegenüber der Normalbevölkerung für die Entwicklung von Borderline nach frühen traumatischen Erfahrungen berichtet.

Trotz dieser Übermacht an Zahlen, ist es aber immer noch offen, welche weiteren (!) Faktoren darüber entscheiden, welche psychische Richtung in der Entwicklung ein früh traumatisierter Mensch nimmt. Hier gibt es bislang nur Hinweise darauf, dass wiederholte Traumata in Kindheit und Jugend – speziell durch die primären Bezugspersonen – die Entwicklung von Borderline fördern.

5.2.3 Die Hypothalamus – Hypophysen – Nebennierenrinden – Achse (HHNA)

Wie wichtig Traumata in der Vorgeschichte eines Menschen sind, lässt vor allem an Funktionsstörungen in der Hypothalamus – Hypophysen – Nebennierenrinden – Achse (HHNA) für die Borderline–Persönlichkeitsstörung diskutieren. Studien mit dem sehr häufig verwendeten Dexamethason – Hemmtest ergaben z.B. deutlich unterschiedliche Ergebnisse der Nicht-Hemmungsraten zwischen 9,5 und 62 % auf 1 mg Dexamethason.

Dieser Test (abgekürzt DST) provoziert im Körper des Menschen einen Reiz auf den sogenannten „Stress“-Regelkreis zwischen einem Teil der Hirnanhangdrüse, der Nebennierenrinde und dem Cortisol-Blutgehalt.

Dexamethason ist ein künstliches Glucocorticoid (ein Steroidhormon aus der Nebennieren-Rinde) mit einer 25-fach stärkeren Wirkung als das körpereigene Cortisol.

Sinkt der Cortisolspiegel ab, produziert die Hirnanhangdrüse mehr Adrenocortocotropin (ACTH) ein Steuerungshormon. ACTH regt dann die Nebennierenrinde an, mehr Cortisol zu produzieren.

Beim DST-Test wird nun eine kleine Menge künstliches Cortisol(-Derivat) eingenommen – das Dexamethason. Ist mehr Cortisol im Blut, muss die Hirnanhangdrüse auch weniger von dem Steuerungshormon ACTH produzieren.

Da die häufig begleitend auftretenden depressiven Erkrankungen selber auch die HHNA / Hypothalamus–Hypophysen–Nebennierenrinden–Achse beeinflussen, ist eine Untersuchung in diesem Zusammenhang recht interessant, die ganz bewusst – unter Ausschluss von komorbiden Patienten – eine Nicht–Unterdrückung bei 25 % der Teilnehmer auf 1 mg Dexamethason ermittelte.

      • Forscher fanden einen Zusammenhang zwischen einer sehr stark reagierenden HHNA – mit gesteigerter Cortisol-Produktion bei Borderlinern vor, welche im Kindesalter lang andauernd missbraucht wurden.

Was bedeutet diese übersteigerte Aktivität der HHNA überhaupt? Eine stärkere Produktion von Cortisol und dem Corticotropin – Releasing – Hormon (CRH), steht praktisch immer mit einer stärkeren Amygdala-Aktivität im Zusammenhang, d.h. die Amygdala stimuliert die CRH-Ausschüttung und die verstärkt ihrerseits auch wieder die Amygdala-Aktivität verstärkt. Du erkennst einen „Teufelskreis“.

Auch die verkleinerten Bereiche der Amygdala und des Hippocampus stehen in direkter Verbindung mit einer hyperaktiven HHNA.

Ob die Störung der HHNA eine Folge von Stress ist oder genetisch bedingt ist, die eine Entwicklung von stressassoziierten Erkrankungen fördert, kann im Moment noch nicht eindeutig beantwortet werden.

Interessant ist eine erst vor kurzem gezeigte Studie sein, die entsprechende Verkleinerungen bei diesen Hirnbereichen bei Jugendlichen mit einer Borderline–Persönlichkeitsstörung nicht (!) nachweisen konnte.

Kann sich diese Veränderung also im Laufe des Lebens zeigen? … Wir dürfen gespannt sein – denn dieses Ergebnis hätte Sprengkraft – nicht nur in der Forensik!

5..4 Schlafstörungen

Eng verbunden mit den Traumata dürften die bei Borderline stark verbreiteten Schlafstörungen stehen, die ihrerseits nachweislich

      • die Fähigkeit zur Affektregulierung verschlechtern
      • dafür aber die Stressempfindlichkeit erhöhen.

Forscher fanden z.B. eine verkürzte Rapid – Eye – Movement (REM) – Latenz und auch eine erhöhte REM – Schlafdichte bei Borderlinern vor.

Andere Untersuchungen ergaben bei Borderlinern ohne begleitende Depression

      • stark verkürzte REM–Zeiten
      • und auch deutliche Widersprüche zwischen der empfundenen und der wirklichen Schlafqualität.

Hier wären weitere Studien zum Zusammenhang mit der Affekt-Fehlregulation sehr von Vorteil. 

Zusammenfassung

Was ist der aktuelle Wissensstand?

      1.  Die Vermutung liegt nahe, dass Menschen entweder genetisch bedingt, oder aufgrund einer frühen Traumatisierung durch Bezugspersonen eine hohe Sensibilität der Stressachse entwickeln.
      2. Sie erleben selbst leichte zwischenmenschliche Unstimmigkeiten bereits als bedrohlich, werden durch diese von intensiven Affekten überwältigt und in der Folge davon können sie ihren Alltag viel schwieriger bewältigen.

Von außen ist dies nicht immer so deutlich sichtbar. Denn auch ein Borderliner versucht sich seiner Umgebung irgendwie anzupassen um nicht immer und permanent anzuecken.

      1. Aber dieses ständige Kognitive Bemühen bedeutet auch eine ständige Anstrengung mit der Gefahr der Erschöpfung, einer hohen Krisenanfälligkeit und einem völligen Zusammenbruch der Selbst-Steuerung.
      2. Was aber die Umgebung häufig noch mehr irritiert ist der Umstand, dass in Situationen, in denen ihr Stresssystem nicht aktiviert ist, Sie genauso funktionsfähig sein können wie jeder andere in ihrer Umgebung.

Das ist ähnlich irritierend wie wenn jemand mal einen Beinbruch hat und dann wieder keinen…. Die Umgebung kann sich beim Borderliner nicht auf ein „stabiles Krankheitsbild“ einstellen. 

Teil 6 – Auswirkungen auf Therapie-Strategien

Haben diese neurobiologischen Erkenntnisse irgendwelche Auswirkungen auf die aktuellen Borderline-Therapien? 

Durch die neueren Studien ergibt sich tatsächlich ein zusätzliches biologisches (!) Argument für ein Training der Affektregulation.

Im Rahmen der Dialektisch – Behavioralen Therapie (Linehan) lernen betroffene Patienten,

      • Ereignisse ohne eine Bewertung anzunehmen / zu analysieren,
      • sich auf die eigene Emotionalität zu konzentrieren,
      • plötzlich aufkommende Affekte abzumildern,
      • Stimmungsschwankungen früh zu erkennen
      • und gegen diese auch anzugehen.

Es gibt in der DBT einen besonderen Modulbaustein („Emotions-Modulation des Fertigkeiten Trainings“) in dem die Patienten lernen,

      • welche Gefühle es gibt,
      • wie man diese erkennt
      • und wie sie sich regulieren lassen.

Hier wird die Achtsamkeit für emotionelle Abläufe trainiert und auch eine Distanz zur Emotion erlernt. Dadurch lernen sie ihre eigenen Emotionen abzuschwächen, indem sie

      • kognitive Manöver einsetzen,
      • Körperhaltungen modulieren
      • oder einfach ihren Stress, z.B. durch Atemübungen runterregeln.

Du siehst in dem Bild ganz typische Eingriffe, die in den unterschiedlichen Phasen der Affektregulierung – also bereits von ganz am Anfang, wenn die Amygdala noch die Kontrolle hat, bis hin zur Verbesserung kognitiver (bewusster) Regulationen – Einfluss nehmen können.

Unabhängig von den eingesetzten Veränderungsstrategien benötigen die Patienten jedoch Therapeuten welche ihnen ihre Gefühle spiegeln und konkret bei der Regulierung dieser Gefühle und ihrer Impulse helfen. 

Diese Therapeuten müssen in der Lage ist,

      • auch nonverbale Äußerungen empathisch zu betrachten,
      • Zusammenhänge zwischen dem Verhalten und den Gedanken, Gefühlen und Einstellungen des Pateinten herzustellen
      • und damit seine Interpretations-Fähigkeit helfen zu verbessern.

Wir müssen uns dessen bewusst sein dass Psychotherapie da eingesetzt wird, wo innere Regulationsmechanismen trainiert werden müssen. Psychopharmaka vor allem dann, wenn die Reaktion der Amygdalar beruhigend beeinflusst werden muss.

Zwar ist die Studienlage hier noch recht dünn, aber es gibt bereits Hinweise darauf, dass vor allem atypische Neuroleptika und Stimmungs-Stabilisatoren hier helfen können.

Was erhoffe ich mir mit diesem Beitrag? Da wir hier von den neurobiologischen Grundlagen (!) der Borderline-Persönlichkeitsstörung sprechen, sollte sich dieses Wissen auch in der Psychotherapie und auch in der Psychopharmaka-Therapie niederschlagen und die Studien in diesem wichtigen Bereich weiter fördern.

Tatsächlich zeigt eine erste fMRT–Pilot-Studie,
die eine kleine Gruppe von Patientinnen bei fünf Messzeitpunkten über einen stationären Behandlungsverlauf während der Dialektisch – Behavioralen Therapie begleitete, Aktivitätsveränderungen im präfrontalen Kortex, besonders im ACC, und bei den Patientinnen – die auf die Therapie ansprachen, zusätzlich noch eine verringerte Amygdala-Aktivität.

Das ist ein hoffnungsvoller Ansatz und zeigt die Wichtigkeit der Therapie an! Leider steckt die Forschung neurobiologischer Zusammenhänge über die Veränderungsprozesse im Gehirn unter Psychotherapie noch tief in den Kinderschuhen. 

Zusammenfassung

      1. Die Störung der Affektregulation ist ein zentrales Kennzeichen der Borderline–Persönlichkeitsstörung. Sie zeigt eine hohe Reiz-Anfälligkeit auf äußere / negative Ereignisse.

      2. Experimentelle Studien konnten eine niedrigere Schwelle für die Auslösung emotionaler Reaktionen, qualitativ wenig differenzierte Affektreaktionen und auch eine geringere Fähigkeit zur Unterdrückung negativer Reize zeigen.

      3. Bildgebungsuntersuchungen wie z.B. durch das fMRT haben sich vor allem mit Veränderungen im präfronto – limbischen Netzwerk beschäftigt, dass mit seinen ventral gelegenen Arealen in der primären und weiter dorsal gelegenen Arealen an der sekundären Affektkontrolle beteiligt ist.
      1. Was die Sache für Außenstehende oft sehr kompliziert macht ist die Tatsache, dass Hirnareale der höheren, komplexen kognitiven Verarbeitung genauso funktionstüchtig wie bei „Gesunden“ arbeiten, Es zeigten sich vor allem aber Beeinträchtigungen in Bereichen der primären Affektregulation, vor allem der Amygdala, dem orbitofrontalen Kortex und dem ACC (Anteriores Cingulum).

        Das sind die Hirnareale, die sich auch in mehreren hirnstrukturellen Untersuchungen, zum Beispiel Volumenmessungen, als auffällig darstellten.


      2. Fragen nach dem Ursprung / der Ursache all dem stehen noch am Anfang –     einerseits mit Hinweisen auf genetische Ursachen, zum anderen weisen sie auf die Bedeutung von traumatischen Lebensereignissen mit einer frühen Sensibilisierung der Stressachse hin. 

Wir gehen noch spannenden Zeiten entgegen…

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Was geschieht im Gehirn wenn wir Gefühle zeigen. Und was läuft beim Borderliner schief

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Was passiert im Gehirn wenn wir Gefühle zeigen? Und was läuft beim Borderliner schief???

Die Borderline – Persönlichkeitsstörung ist ein sehr kompliziertes Störungsbild, welches – um es noch schwieriger zu machen – in sehr vielen Variationen auftritt. Hinzu kommt das Borderline fast immer in Kombination mit anderen Störungen auftritt und damit werden die Varianten noch häufiger.

All das macht die Erforschung der neurologischen und biologischen Grundlagen so schwer und hat Wissenschaftler erst einmal dazu veranlasst, sich auf die Kernpunkte der Borderline–Persönlichkeitsstörung zu beschränken.

Ein Kernpunkt ist z.B. die Störung der Affektregulation. Und wenn wir erst einmal verstehen, wie es bei einer Persönlichkeitsstörung zu solch einer Störung kommt, können wir weitere psychische Störungen mit Sicherheit auch besser verstehen.. 

Wer sich mit den neurologischen und biologischen Grundlagen der Affekt-Fehlregulation beschäftigt, muss erst einmal die „normale“ die physiologische Funktion der Affektsteuerung verstehen. Erst danach kann man sich dann dem pathologischen / dem Kranken zuwenden.

Ganz am Anfang steht ein wenig Begriffstheorie: Affekt und Emotion werden in diesem Beitrag ähnlich verwendet.

Das ist aber nicht ganz korrekt und dient hier nur der Vereinfachung, denn wenn man das alles mal sehr genau nimmt, dann ist

      • der Affekt stärker auf etwas Bestimmtes ausgerichtet
      • als die Emotion
      • Und noch bestimmter / konkreter ist die Stimmung, die eine lang gestreckte, Befindlichkeit darstellt.

Emotionen sind eng mit einer Bewertung von Ereignissen verbunden.

Wodurch eine Emotion vom Menschen bewusst registriert wird, hängt

      • von der Wichtigkeit der Information
      • von den persönlichen Zielen
      • und früheren Erfahrungen ab.

Nach dem Registrieren kommt dann das Bewerten: Hier fließen z.B.

      • die sinnliche (perzeptuelle) Wahrnehmung,
      • die Körperwahrnehmung
      • und nicht zuletzt Informationen aus dem Langzeitgedächtnis ein.

Diese Bewertungsinstanzen wirken wie Filter, die ganz individuell auf das Gesehene reagieren, indem sie das Bild mit den gespeicherten Annäherungs- und Vermeidungszielen vergleichen.

Bei einer Annäherung spüren wir unsere positiven Gefühle und in der Vermeidung bzw. im Rückzug sind die negativen Emotionen spürbar. Je stärker die Abweichungen zwischen dem Gesehenen von den eigenen Zielen ist, desto stärker klingeln unsere Alarmglocken.

Kurzer Einschub: Wenn wir jetzt im weiteren Verlauf immer wieder das Wort Affektregulation erwähnen, dann ist hier also die Regulation bedrohlicher emotionaler Zustände gemeint.

Aktuelle Erklärungstheorien betonen das die Emotionen konkret in genau dafür vorgesehenen Hirnstrukturen verankert sind.

Emotionen sind hochgradig adaptiv (können sich also anpassen). Ihre Aufgabe ist es:

      1. uns vorzubereiten auf Handlungen wie Flucht, Vermeidung oder Annäherung,
      2. Sie erleichtern die Bereitschaft zu Entscheidungen
      3. Sie helfen, sich der Umwelt schneller und besser anzupassen.

Spricht man jetzt psychotherapeutisch von Affektregulation, dann meint man alle Vorgänge (!) mit denen wir unsere Emotionen erleben und wie wir diese ausdrücken.

Das, was allgemein unter einer Emotion verstanden wird, ist ein vorher bereits angepasster Prozess, Der selber weitere Regulierungen startet.

In diesen Prozess fließen sowohl erste emotionale Ansprechbarkeit als auch so typische Prozesse wie Intensivität und Ausdruck mit ein. All das fängt ganz früh auf der limbischen Ebene unseres Gehirns an.

Dieses kann Umwelt-Informationen reflexhaft / schnell verarbeiten und in automatisierte, schnelle und kaum störanfällige Verhaltensantworten umsetzen. Erst wenn hier später der Neokortex beteiligt wird, kann von bewussten Handlungen inklusive einer sprachlichen Umsetzung ausgegangen werden.

In der Abbildung wird eine automatische Reaktion von einer geplanten Emotionsregulation unterschieden. 

(1) Gehirn und Affektregulation

Welche Hirnstrukturen / Netzwerke sind an unseren Reaktionen / der Affektreaktion denn überhaupt beteiligt? Zuerst findet unbewusst eine emotionale Bewertung durch die Amygdala statt.

Das Wort Amygdala kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet Mandelkern – wegen des Aussehens. Sie ist Teil des limbischen Systems.

In dem ersten Schritt, werden erst mal die Bereiche des Gehirns mit einbezogen, die an der automatischen (!) Bewertung von Ereignissen inklusive Ablehnung / Belohnung beteiligt sind, d.h. orbitofrontale und mediale präfrontale Areale. Orbito ist das Auge. Damit sind also immer die Positionen des Gehirns gemeint.

Andererseits sind hier auch die sogenannten „Aufmerksamkeits-Bereiche“ wie der anteriore cinguläre Kortex (ACC) und seitliche (laterale) präfrontale Abschnitte beteiligt.

Im zweiten Schritt werden dann höhere kognitive Leistungen (Wahrnehmen / Denken / Erkennen) abgefordert und führen indirekt zu einer Reduzierung des limbischer Systems (insbesondere der Amygdala). (Weniger Reflexe – Mehr Denken….)

Jetzt beginnt eine „kognitive Neu – und vielleicht auch Umbewertung“ (engl. reappraisal), die höhere kognitive und komplexe Leistungen erfordert.

Neuroanatomisch betrachtet sind an der zweiten und bewussten Reaktion besonders

      • kaudale (hintere) Abschnitte des ACC
      • und dorsomediale (zum Rücken und zur Körpermitte)
      • sowie auch dorsolaterale (zum Rücken und zur Seite) präfrontale Areale beteiligt, und zwar immer dann, wenn es um eine Neubewertung und um einen Perspektivenwechsel geht.

Bewusste Regulationsmechanismen setzen sich fort, wenn sich eine emotionale Reaktionen bereits als typische Handlungen zeigt – das hat dann logischerweise auch wieder Rückwirkungen auf das emotionale Erleben.

Hier sind besonders

      • die bewusste Veränderung von ausdrucksstarkem Verhalten
      • und auch die Veränderung körperlicher Gefühlsbeziehungen zu nennen.

Emotionale Reaktionen und sichtbares Verhalten sind aber immer wieder ineinandergreifende Prozesse, die sich auch gegenseitig beeinflussen.

Die Abbildung zeigt, dass komplexe – an der Affektregulation beteiligte präfronto–limbische Netzwerk – mit seinen ventral (Vorderseitig) gelegenen Bereichen der primären und weiter dorsal (Hinterseitig) gelegenen Arealen der sekundären Kontrolle. 

(Teil 1.1) Die Amygdala

Die Amygdala ist in ein Netzwerk eingebunden,

      1. dass für die schnelle Erkennung von Gefahr und der automatischen Aktivierung von Flucht – und Angriffsverhalten zuständig ist
      2. Sie hilft, zusammen mit lateralen Anteilen des orbitofrontalen Kortex Vorhersagen über Bestrafung vor dem Hintergrund früherer Erfahrungen.
      3. Den sie aus der Inselregion erhält zu erstellen.

Sie ist aber nicht nur – wie früher angenommen – an dem Erkennen einer Gefahr beteiligt:

      1. Zusammen mit medialen Bereichen des orbitofrontalen Kortex und dem ventralem Striatum ist sie auch Teil eines Systems, das den Blick auf mögliche Belohnungen richtet

      2. Und dann mit dem dorsalen Striatum ein geeignetes, auf Belohnung orientiertes Verhalten anregt.

Entsprechend wirkt die Amygdala direkt auf den Nucleus accumbens im ventralen Striatum. Es wird angenommen, dass das ventrale Striatum die Region ist, wo affektive Prozesse des limbischen Stirnhirns zu einer Handlung führen. Dies passiert in den subkortikalen Bereichen des motorischen Systems (zum Beispiel im dorsalen Striatum), 

(Teil 1.2) genetische Ausrichtung und Temperamentsmerkmale

Die genetische Ausrichtung und damit unsere Temperamentsmerkmale regeln die Funktion der Netzwerke unserer Affektregulation. In den letzten Jahren ist das Wissen über den Einfluss von genetischen Polymorphismen (Genvarianten) auf Hirnfunktionen immer besser geworden.

Hier sind bis heute vor allem

      • die Genvarianten des Serotonintransportergens, der Monoaminooxidase A (MAO-A)
      • sowie der Catechol–O–methyltransferase (COMT) für die Affektregulation bekannt geworden

Durch Studien konnte gezeigt werden, dass Personen mit ein oder 2 S–Allelen (Also eine kürzere Sequenz) in der Promotorregion des Serotonintransportergens eine stärkere Amygdala-Reaktion auf aversive Gesichtsausdrücke zeigen als solche mit der langen L/L – Variante.

Gen: Die Erbanlage. Ein kleiner Abschnitt auf der DNA (z.B. Haarfarbe) Er dient als Bauplan.

Allel: Eine bestimmte Variante des Gens. (z.B. schwarze Haarfarbe). Abkürzung mit Buchstaben / Zahlen

Transkription: DNA besteht aus 2 Strängen. 1. Entwirren durch RNA-Polymerase / Entwirren der DNA. Daraus entsteht das Messenger mRNA Sie ist die Grundlage für die weitere Synthese

Auch die Kopplung innerhalb des präfronto-limbischen Netzwerks variiert mit der genetischen Ausstattung.

Personen mit der S/S – oder S/L – Variante haben eine geringere Kopplung zwischen rostralem ACC (du erinnerst dich: anteriore cinguläre Kortex (ACC) ) und Amygdala und damit auf der Ebene der ersten primäre regulierenden Prozesse der Emotionen – also unserer Gefühlsreflexe.

Während umgekehrt die Kopplung zwischen Amygdala und höher gelegenen medialen präfrontalen Arealen zunimmt.

Was bedeutet das auf Deutsch? Wenn die Amygdala unser sogenanntes „Angstzentrum“ ist, dann bewirken S/S und S/L Varianten des Serotonintransportergens eine geringere Angstreaktion.

Auch die X–chromosome genetische Variante des Monoaminooxidase-A-Gens zeigt eine Beziehung zu Aktivierungsmustern, die wichtig für die Affektregulation sind.

So erkannte man bei Trägern des Low(L)-Allels im Vergleich zu Trägern des High(H)-Allels

      • eine höhere Aktivität der Amygdala
      • und eine geringere in den cingulären und orbitofrontalen Arealen,

Was ist der Unterschied? Auch sie zeigen geringere Reaktionen des limbischen Systems – zu dem ja auch die Amygdala gehört – bei all den Menschen die eine L –Variante des Gens in sich tragen.

Solche Ergebnisse helfen uns zu begreifen,

      • warum Menschen mit einer MAOA-L-Variante viel weniger dazu in der Lage sind, ihre eigenen Emotionen zu regulieren
      • und zwischenmenschlich deutlich überempfindlicher als Andere reagieren.

Diese Menschen haben oft auch eine stärkere dorsale ACC – Aktivität (Anterior cingulate cortex). Hier werden die automatischen Prozesse wie z.B. Blutdruck und Herzfrequenz reguliert.

Ein erhöhter Blutdruck und eine höhere Herzfrequenz sehen wir oft in einer Kombination mit einem höheren Risiko für Impulsivität und Aggressivität.

Und Schwupps… sind wir wieder bei den 9 Kriterien für Borderline und wir denken unter anderem an das typische selbstverletzende Verhalten des Borderliners 

(Teil 1.3) Das Wechselspiel zwischen unseren Genen und der Umwelt

(1.3) Von ganz besonderer Bedeutung ist die Beobachtung von Gen – Umwelt – Interaktionen. Funktionelle Auswirkungen der genetischen Varianten hängen von der Aufzucht beziehungsweise frühen Beziehungserfahrungen ab.

So konnte in Versuchen an Rhesusaffen gezeigt werden, dass sich die Liquorkonzentration an 5– Hydroxyindolessigsäure (5-HIES)

(Liquor ist die Körperflüssigkeit welche das Gehirn und das Rückenmark umgibt)

– 5– Hydroxyindolessigsäure C10H9NO3 ist ein Stoffwechselprodukt von Serotonin und dient zur Bestimmung des Serotoninspiegels.

nur dann zwischen den unterschiedlichen Allel-Typen des Serotonintransporter spürbar veränderte, wenn die neugeborenen Affen nicht von der Mutter, sondern von den Gleichaltrigen (also unter sehr widrigen / unnatürlichen Bedingungen) versorgt worden waren.

Wahrscheinlich versagt bei diesen Tieren dann – aufgrund dieser negativen Umweltbedingungen – der präfrontale Kortex in seiner Aufgabe, die Amygdala-Aktivität richtig zu regulieren.

Beim Menschen konnte gezeigt werden, dass männliche MAOA–L– Träger eine erhöhte Verletzbarkeit zeigen,

      • auf aggressive Kindheitserfahrungen
      • selber dann mit einer aggressiven Entwicklung bis hin zu einer Antisozialen Persönlichkeitsstörung zu reagieren.

(Teil 1.4) Die Prägung durch unser Temperament

Untersucht wurde auch der Einfluss temperamentsmäßiger Prägung auf die Feinfühligkeit in Bezug auf unsere Affekte. Die einen Kinder reagieren viel feinfühliger / sensibler und auch früher sowohl auf negative als auch positive Affekte als Andere. Und die einen können sich in schwierigen Situationen viel leichter beruhigen als andere Kinder.

Folgende Grunddimensionen der Persönlichkeit wie

      • Neurotizismus,
      • Inhibition,
      • Alexithymie
      • und Fähigkeit zum Belohnungsaufschub, … diese haben großen Einfluss auf die emotionale Ansprechbarkeit und die emotionale Kontrolle.

So wird berichtet, dass gehemmte Kinder im Vergleich zu ungehemmten Kindern noch im Erwachsenenalter eine deutlich stärkere beidseitige Amygdala-Aktivität bei der Konfrontation mit fremden, nicht aber vertrauten Gesichtern zeigten.

      • Weitere Studien deuten auf eine Wechsel-Beziehung zwischen
      • der Ausprägung von Ängstlichkeit und Schadensvermeidung
      • und erhöhter Aktivität der Inselregion

Denn die Inselregion ist – wie oben dargestellt – an dem Erkennen von Risiken und an der Vermeidung einmal bestrafter Verhaltensweisen beteiligt.

      • Eine kürzlich publizierte Studie verweist auf einen Zusammenhang
        • zwischen Ängstlichkeit und Neurotizismus sowie stärkere Amygdala Aktivität in einer Aufgabe zur Gesichtsverarbeitung.
        • Zusätzlich konnte gezeigt werden, dass Neurotizismus (d.h. Labilität, Schüchternheit, Gehemmtheit) negativ mit der Dicke des linken orbitofrontalen Kortex im Zusammenhang steht.

Andere Untersuchungen beschäftigen sich mit Funktionen im Gehirn bei den Wechselbeziehungen der Extravertiertheit (Extrovertiert, Lebhaft, dominierend ect….).

So berichteten Forscher über eine funktionelle Ungleichmäßigkeit der Amygdala in Abhängigkeit von den aufkommenden Gefühlen auf das was ich wahrnehme und der Stärke der dann folgenden extrovertierten Handlungen.

Zudem besteht eine negative Wechselbeziehung der Extrovertiertheit mit der Dicke des recht inferioren frontalen Kortex als einem hemmenden Areal.

Ein kleines Zwischenfazit

Untersuchungen zu hirnfunktionellen Wechselwirkungen zwischen Temperamentsmerkmalen – und übergeordneten Persönlichkeitsmerkmalen stehen noch ganz am Anfang.

Sie dürften aber zukünftig von immer größerer Wichtigkeit sein, da sie möglicherweise eher als kategoriale psychiatrische Diagnosen mit neurobiologischen Befunden in Zusammenhang stehen. 

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