Lass Dich nicht von Deinen Gefühlen betrügen

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(1) Lass Dich von Deinen Gefühlen nicht betrügen!

Oft verrennen wir uns förmlich in negative Gefühle, führen Problemgespräche, suchen irgendeine rationelle  Schuld. Aber all das bringt nichts, Nimm Emotionen nicht so wichtig. Nicht mal in der Liebe.

Wenn einer den anderen Beleidigt und anschließend seine verletzenden Worte mit: „Das sind Gefühle, die habe ich einfach.“ Beschreibt, dann stimmt dies auch – „es sind nur Gefühle!

Etwas anderes stimmt aber auch noch: „Es bringt nichts, sich in Gefühle hinein zu steigern. Und es bringt schon gar nichts, sich wegen ihnen schlecht zu verhalten.“

  • Man darf sich nicht von seinen Gefühlen leiten lassen – Diese Botschaft klingt zwar kalt, gefühlskalt, nach dem Motto: Gefühle sind doch nicht so wichtig. Aber genau das ist es aber eben nicht!

Wenn Du Dich deinen Gefühlen ausgeliefert fühlst, dann machst Du dich nur selbst zu einem Opfer. 
Zum Opfer der Umstände 
Zum Opfer der Anderen

 

Man kann sich tatsächlich auch andersherum mit Vernunft zur großen Liebe zwingen

Emotionen sind nicht grundsätzlich schlecht! Diese müssen aber richtig eingeordnet wissen. Zum Beispiel als etwas, das man hat, wie ein frisch verheiratetes Pärchen. Aber auch als etwas, das man nicht abstellen kann!

Bestimmt hast du es dir schon einmal / vielleicht mehrfach vorgenommen: „ab morgen bin ich ein glücklicherer, zufriedenerer Mensch“ Was aber ist passiert? Du musstest feststellen, dass das beim besten Willen nicht klappt… Das kann auch gar nicht funktionieren!

Allein schon deswegen weil Du morgen (an deinem vorgenommenen „Heute-werde-ich-glücklich-Tag“) es nicht verhindern kannst, in einen Hundehaufen zu treten. Was dann passiert ist doch auch wieder logisch:

„Natürlich bist Du danach wieder unglücklich. Aber Du hattest den Hundehaufen dort nicht liegen lassen. Du kannst nicht sagen, es sei Deine Schuld.“

  • (2) Die Frage nach einer Schuld ist eine dumme Frage

Wir kennen drei große aversive (abwehrende Gefühle)

    • Schmerz = es schützt den physischen Körper
    • Scham = sie schützt unser soziales Ansehen
    • Schuld = sie schützt vor Fehlern

Schuld ist einer unser heutigen Kernbegriffe.

      • Habe ich Schuld daran, dass meine Eltern mich als Kind vernachlässigt haben?
      • Ist es meine Schuld, dass mein Chef schnell wütend wird?
      • Habe ich die Verantwortung dafür, dass ich an einer Depression erkrankt bin?

Allein der logische Menschenverstand reicht aus, um diese Fragen mit Nein zu beantworten – hierfür brauchst Du kein Studium in Psychologie. Und trotzdem machen sich viele Menschen Gedanken darüber….

Sie grübeln und grübeln darüber, was sie hätten anders machen können oder müssen, mit den Eltern, dem Chef, den Kindern oder aber mit dem eigenen Leben. Und so verrennt man sich viel zu schnell in einen negativen Gedankengang. Viele suchen die Wurzel ihres Problems oft sogar auf der Praxiscouch.

Dann arbeitet sie an Lösungen, die es eventuell gar nicht geben kann – und nicht an ihren eigenen Ressourcen, um mit der Situation besser umzugehen.

Das wirklich Dümmste was Du meiner Meinung nach tun kannst (um weiterhin unglücklich zu sein), wenn Du dich jetzt diesen „Experten“ mit einer Praxiscouch anschließt, die ja immer wieder sagen: „Du bist deines eigenen Glückes Schmied)

Die dort angebotenen Selbsthilfestrategien zielen darauf ab, dich immer und immer wieder mit deinen negativen Gedanken auseinander zu setzten – um sie dadurch zu bekämpfen. Dadurch graben sich diese Gedanken aber nur noch tiefer in dein Gehirn ein!

Wenn Du andererseits aber akzeptierst,

      • dass sich jeder ( also auch DU) seine Gefühle selbst macht – und zwar durch seine Gedanken –
      • und jeder die Fähigkeit hat, zu lernen, seine Gefühle zu beeinflussen,

dann kannst du dich dadurch wieder stark fühlen und Depressionen haben keine Chance. Wir werden nachher nochmals darauf zu sprechen kommen…

Eine Alterklasse gilt als besonders unglücklich: die Generation Y – Die Millenials.

Ja, Das Leben ist hart, und vieles, was wir tun, ist umsonst, das müssen wir alle akzeptieren“. Aber genau darum dürfen wir auch keine Zeit mit unrealistischen Zielen vergeuden.

Bedenke: Der Berg des Erfolges, auf dem manche erfolgreiche Menschen stehen, besteht zu > 90% aus den Fehlern den sie vorher gemacht haben. Ganz nach dem Prinzip: „Try & Error)

Etwas einfacher erklärt:
Wer gerne weniger Süßigkeiten essen möchte, darf sich nicht für seine Neigung zu süßen Dingen geißeln (“Ich kann nicht widerstehen – ich bin einfach zu schwach!“) – für deinen Geschmack bist Du nicht verantwortlich. Auch bringt es nichts, sich nun vorzunehmen, überhaupt keine Schokolade mehr zu essen. So etwas halten nur die Wenigsten durch.

Ein vernünftiges und auch umsetzbares Ziel wäre eher:
„Ich nehme mir vor, so oft wie möglich (!) zu versuchen, den Süßigkeiten zu widerstehen.“ So ein „weicheres Ziel“ (nicht schwarz/Weiß) hat einen grundlegenden Vorteil: Ausrutscher sind okay.

Dieser zerstörerische Gedanke „Ich habe mal wieder versagt / ich bin ein Versager“ der kommt dann gar nicht erst auf. Natürlich spürt man auch hier das Gefühl der Enttäuschung. Der Unterschied ist nun aber das man dieses Gefühl besser managen kann.

Dies gelingt, weil man weiß, dass alles zum Leben gehört und nicht verschwinden. Wichtig sei nur, ihretwegen nicht zum Idioten zu mutieren …   „Ja, ich habe Probleme, damit muss man jeden Tag aufs Neue umgehen.

Deswegen kann ich aber trotzdem nett sein zu meinem Partner, meinen Job erledigen und mich bei meinen Eltern regelmäßig. Diese kleinen Dinge sind es, die zählen. Sie sind gewissermaßen ein Trost für alles Unangenehme, was unweigerlich passiert.“

  • (3) Dies funktioniert auch in der Liebe

Dieses „Denk-Konzept“ kann man herrlich auch auf den Bereich anwenden, in dem Gefühle wohl als größter Antrieb gelten – in der Liebe und der Partnerschaft.

Natürlich kann man besonders hier blind seinen Emotionen, seinen Zu- und Abneigungen folgen. Andererseits kann man aber auch seinen gesunden Menschenverstand einschalten und so, seine Chancen auf eine Beziehung erhöhen, die auch dauerhaft.

„Klar muss mein Partner jemand sein, zu dem ich mich hingezogen fühle / zu dem ich auch Gefühle habe. Aber (!) ich kann zusätzlich auch prüfen, ob er z.B. Drogen nimmt. Wenn Du eines Tages Kinder haben willst, dann solltest Du prüfen, ob man sich im Notfall auch auf ihn verlassen kann.

Das Problem bei vielen Scheidungen ist nicht, dass sich einer von beiden entliebt hat. 
Es sind eher Alltagsdinge wie: ‚Du trinkst zu viel. Du hast uns finanziell ruiniert. Du willst keinen Nachwuchs.‘“

  • (4) Was macht eine Beziehung wirklich glücklich?

Auch beim dem hoch emotionellen Thema Sex soll man aufkommende negative Gefühle nicht überbewerten.

4.1 Akzeptiere auch hier lieber die Tatsachen.

Es ist ganz und gar normal, dass das sexuelle Verlangen in einer Beziehung mit der Zeit abnimmt.

Man kann man Anziehung nicht kontrollieren – ein weiterer Beweis dass es nicht richtig sein kann, sich von seinen Gefühlen zu 100% leiten zu lassen.

      • Kann ich etwas daran ändern, dass mein Partner grundsätzlich weniger Lust hat? Vielleicht teilweise, aber nicht unbedingt zu 100%.
      • Kann ich andererseits aber lernen, besser mit meiner Enttäuschung umzugehen? Das auf jeden Fall!

Dieser Ansatz verspricht auf keinem Fall mehr Glück und / oder Zufriedenheit! Ich glaube nicht daran, dass es das alleinige Geheimrezept gibt, um glücklich zu werden. Andererseits zeigt das, was (!) man tut, wenn man unglücklich ist, deutlich mehr über einen Menschen aus.

Bei Ebbe zeigt sich halt, wer eine Badehose anhat ….

4.2 Mit Schmerz zu leben und dennoch eine gute Person zu sein
– das ist eine viel größere Leistung als glücklich zu sein.“

Ein abschließender Rat zu dem Thema: „Sollte ich immer meinen Gefühlen Luft / Raum geben?“ „Immer und ständig zu sagen, was man ich fühle, hat viel Ähnlichkeit mit einem Furz: Diesen loszulassen erleichtert zwar, aber er vergiftet auch die Luft für alle Menschen in der näheren Umgebung.“

 

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Borderline im Alter – Die vergessene Generation

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Auf der Suche nach einer deutschsprachigen Publikation mit dem Thema „Borderline im Alter“ steht man oft fassungslos vor einem gähnend leeren Bücherregal – als wenn es dieses Thema gar nicht geben könnte….

Woher kommt jedoch diese „Verleugnung“ wenn es um das Problem „Borderline–Störungen im Alter“ geht?

Wenn man dies aus der Distanz mal eine Zeitlang beobachtet, dann kommt in einem das Gefühl auf, das es sich hier wohl

      • um kulturelle Befangenheiten
      • oder auch um Vorurteile handeln muss

Diese haben verhindert, dass grundlegende größere Forschungen auf diesem wichtigen Gebiet stattgefunden haben. Wie aber komme ich auf solch eine Behauptung?

Die Gefahr der „Verleugnung“ des Themas

Auf der einen Seite ist die Diagnose für ältere, psychisch auffällige Menschen mit

      • chronischen – nicht abgebauten – Psychosen
      • dissozialen Persönlichkeiten
      • Agitierten Depressionen (also die Depressionen mit innerer Un-Ruhe, Angstzuständen, Schlaflosigkeit und einem sehr  starkem Bewegungsdrang) … sehr häufig anzutreffen.

Und besonders hier liegt jetzt die Vermutung (!) sehr nahe, dass wenn eine umfassende Diagnose einmal gestellt werden würde…

… viele von ihnen eher als Borderline-Patienten einzustufen sind als die eben erwähnte. Dies hätte gravierende und auch positive Auswirkungen.

Denn die Therapie von Psychosen und / oder agitierten Depressionen unterscheiden sich fundamental von der sehr speziellen Borderline – Therapie.

Also noch mal: Wo sind sie, die Borderline-Patienten im höheren Alter? Verhalten Sie sich vielleicht etwas anders als die jüngeren Borderliner-Patienten? Und wenn ja, fallen sie deswegen nicht mehr so auf?

Zuerst sollte man einfach mal nüchtern registrieren, dass in unserer Literatur das Thema „Altersneurosen“ nicht den Platz haben, der Ihnen eigentlich zustehen müsse.

Denn, besonders ältere Menschen erleiden überdurchschnittlich oft starke psychosoziale Ereignisse wie zum Beispiel den Verlust eines geliebten Menschen oder auch den Verlust von Besitz und genau dort sehen wir, das „alte Neurosen“, die in jüngeren Jahren noch kompensiert werden konnten, nun wieder aufbrechen.

Die Beobachtung zeigt, dass bei vielen lebenslang paranoiden/ängstlichen Personen und Soziopathen sich die Symptome im Alter stark verschlechtern aber bei den paranoiden Schizophrenen (Sie sind mit 65 % die häufigste Schizophrenie Form/Verfolgungswahn und Halluzinationen) sich die Symptome andererseits verbessern.

Das zeigt, dass das Leben ein Krankheitsbild / eine Störung komplett verändern kann! Ein Umstand der noch viel zu wenig Beachtung in unserer Literatur findet.

Dieses Desinteresse an der Psychotherapie älterer Menschen könnte durch folgende zwei folgende Punkte entstanden sein: Und hier rede ich ganz bewusst von der menschlichen Seite des Therapeuten und nicht derjenigen des Patienten—

    • Wir müssen uns darüber im Klaren sein, dass durch die Behandlung älterer Menschen auch die Betrachtungsweise auf die eigenen Schwierigkeiten (!) – also die des Therapeuten – anders betrachtet werden könnten.

Hat ein Patient zum Beispiel ein Bein gebrochen, denkt nicht jeder Arzt sofort daran, dass ihm das auch passieren könnte. Das Altern ist aber ein unausweichlicher Prozess dem keiner entgehen kann. Darum ist die Betrachtungsweise eines psychologische auffälligen Menschen im Alter eine andere.

(1) Therapeuten werden hierbei also mit Verlusten, Behinderungen und Kränkungen konfrontiert, denen sie sich mit hoher Sicherheit auch im eigenen Alter einmal selber auseinandersetzen müssten.

(2) Hinzu kommt, dass die oft nur sehr begrenzten therapeutischen Erfolge dieser psychisch auffälligen Menschen im hören Alter, für den Therapeuten selber eine „narzisstische Kränkung“ in Bezug auf seine Fähigkeiten sein können.

Schließlich ist er ja auch nur ein Mensch und lebt von inneren Erfolgen.

(2)     Veränderte Diagnosekriterien

Ein sehr wichtiger Grund, weswegen wir Menschen im höheren Alter nicht so schnell als Borderliner identifizieren ist seine veränderte Verhaltensstruktur. Ein Mensch mit 60 Jahren verhält sich einfach anders als ein Mensch mit 16 Jahren – das ist die Natur!

Da dem so ist, müssen logischerweise auch die Diagnose – Kriterien auf dieses veränderte Verhaltensmuster angepasst werden.

Der wohl größte Hauptunterschied ist das niedrigere EnergiepotenzialHierdurch müssen wir immer wieder im Hinterkopf behalten, dass Borderline–Patienten im Alter häufig nicht als solche erkannt werden. Deswegen sind die Statistiken die heute über die Häufigkeit dieser Persönlichkeitsstörung in unserer Gesellschaft heute existieren einfach zu ungenau! Die aktuell angegebene Zahl ist als viel zu niedrig anzusehen.

Ältere Borderline-Patienten haben eine ganz andere Symptomatik als jüngere Borderline-Patienten 

Die folgende Aufzählung von diesen deskriptiven Symptomen ist ein persönlicher Denkanstoß von mir und ist nicht einer Fachliteratur entnommen. Da es diese Fachliteratur in dem notwendigen Umfang noch nicht gibt bin ich hier auf das Betrachten von Einzelfällen und persönlichen Schlussfolgerungen angewiesen:

 

  • (2.1) Ein niedrigeres Energiepotential

      • Das Thema Sex und selbstzerstörerisches Verhalten hierbei ist bei älteren Borderline–Patienten, wenn überhaupt, nur extrem selten zu finden. 
      • Fremdaggressive Impulsdurchbrüche
      • Selbstverletzendes Verhalten
      • Essstörungen
      • Drogen-Missbrauch

All diese erwähnten Punkte treten im Alter wegen des naturgegeben niedrigeren Energiepotenzials deutlich seltener auf. 

Diese können aber von anderen, nicht weniger selbstschädigenden Verhaltensweisen komplett überlagert werden:

      • eine eigengefährdende Selbstmedikation
      • Die „Sabotage“ der medikamentösen Behandlung

(2.2.) Die Gefahr der Labilisierung

Ein weiteres Kriterium für Borderline im Alter ist die sogenannte Labilisierung. Sie ist das genaue Gegenteil einer Stabilisierung.

Menschen werden labil / instabil / dekompensieren aufgrund aufkommender körperlicher Behinderungen. Dabei meine ich noch nicht mal schwere Bettlägerigkeit. Sondern hierzu zählt bereits die körperliche Behinderung und  all die anderen Probleme welche mit dem natürlichen Alterungsprozess und dem allmählichen körperlichen Verfall zusammenhängen.

Oft werden Menschen beobachtet, die damit ein sehr starkes Problem haben, dass ihr Körper nicht mehr so leistungsfähig ist wie mit 20/30 Lebensjahren. Diese Menschen betrachten ihr körperliches Alter als „persönliche Kränkung“.

Ein gebrochenes Bein wird ja von außen erkannt und demjenigen wird von seiner Umgebung sofort eine geringere Mobilität zugebiligt. Die geringere Beweglichkeit oder Energie sieht man einem älteren Menschen aber nicht immer sofort an! Dadurch erscheint eine Alterungsdegeneration manchmal für die Patienten schlimmer als eine körperliche Krankheit.

Gerade Patienten mit einem idealisierten Selbst Objekt Bezug sind hiervon betroffen. Ein ständiges hinterherrennen von äußerer Schönheit kann im Alter nicht gut ausgehen. 

(2.3.) Ein „narzisstischer Ausgleich“ fehlt im Alter

Wir haben noch einen dritten Bereich der sich im Alter bei Borderline verändert. Viele Menschen haben in ihren jüngeren Jahren eine so genannte (Pseudo –) Stabilisierung erreicht und bedienten sich einem narzisstischen Ausgleich.

Im jüngeren Alter hatte man zum Beispiel einen tollen Beruf oder andere „Rollen“ (wie zum Beispiel den Sex) die alle dabei geholfen haben, die Persönlichkeit narzisstisch gewissermaßen „abzulenken“ / aufzuwerten.

Sind diese „Rollen“ nicht mehr da, dann schlägt bei diesen nun älteren Personen ihre Borderline–Störung vermutlich viel stärker durch.

(4.)   Die Folgen einer ineffektiven/nicht vorhandenen Borderline–Therapie im Alter

Eine Borderline–Störung ist nach aktuellem Verständnis nur durch eine Psychotherapie behandelbar. Da diese nie kurzzeitig sondern immer sehr langwierig ist, sind viele Krankenkassen hierzu nicht bereit die Kosten dieser chronischen Therapie langfristig zu übernehmen.

Aber Studien über Borderline im Alter zeigen, dass diese immer dringender notwendig wird! Und solange dieses Fachgebiet weiterhin verleugnet wird bleiben diesen älteren Patienten oft die Heim-Unterbringungen nicht erspart. Und das alles passiert trotzdem es andere Möglichkeiten gibt. Diese sind jedoch sehr aufwändig und damit sind wir wieder mal beim lieben Geld.

Was bleibt wenn Borderline im Alter nicht korrekt diagnostiziert wird?

(4.1)  Es sind die vielen älteren Patienten die dann als schizophren eingestuft werden und trotzdem eine hohe Tendenz zum Spalten aufweisen. Diese fallen durch ihre aggressiven Gegenübertragungsgefühle und einer starken Borderline-Struktur auf.

Das heutige Fehlen einer rechtzeitigen und angemessene Therapie führt zwangsläufig zu einer Verstärkung der psychotischen Symptomatik (Borderline-Störung auf psychotischen Niveau). Dies könnte klar durch eine früh einsetzende und passende Therapie deutlich reduziert werden!

 

(4.2.) Viele der bereits im jungen bis mittleren Alter delinquenten und straffälligen Borderliner werden ihre KNAST–Karriere noch bis ins hohe Alter fortsetzen. (Borderline –Störung auf narzisstischem Niveau).

 

(4.3.) Wenn eine Borderline–Störung in Verbindung mit Alkohol und Drogen nicht vernünftig behandelt wird, dann kann man kaum davon ausgehen dass in fortgeschrittenem Alter dieser Drogenmissbrauch nachlässt. Unter den chronischen Alkoholikern muss ein erheblicher Anteil an Borderline – Patienten zu finden sein.

Ich denke jetzt ganz spontan an die vielen Obdachlosen und die Menschen mit einer „schwierigen sozialen Entwicklung“ deren Borderline-Störung in höherem Alter nicht diagnostiziert wurde. (Borderline– Störung auf narzisstischen Niveau)

 

(4.4) Ältere Menschen, die permanent mit immer neuen psychosomatischen Krankheiten die Arztpraxen belagern sind ein weiteres auffallendes Phänomen. (Borderline –Störung auf psychosomatischen Niveau).

(4.5.) Bei der sehr hohen Selbstmordrate/Suizidrate bei Borderliner ist anzunehmen dass wohl mindestens jeder zehnte Borderliner ein höheres Alter gar nicht erreicht sondern sich im Laufe der Jahre selber umbringt.

 

(5)        Was hilft sich selbst zu stabilisieren?

Partnerschaften sind ein starker Anker

Es gibt eine Hilfe außerhalb einer Therapie die sowohl bei jungen Menschen und auch bei Menschen im höheren Alter hilft, sich ein wenig zu stabilisieren. Es wird immer wieder beobachtet das durch einzelne äußere Einflüsse – wie zum Beispiel eine Partnerschaft – ein Rückgang der oft dramatischen Borderline-Symptomatik erreicht wird.

Diese äußeren Einflüsse (nennen wir sie: „positive Einflüsse“) auf die menschliche Selbstwert – Regulation kann sehr stabilisierend wirken.

Wenn es einem Menschen mit einer Borderline-Störung gelingt, in langen Teilen seines Lebens (auch im Alter) diese „extreme siche Stabilisierung“ zu erhalten so können auch diese Menschen ohne starke Auffälligkeiten (psychiatrisch-deskriptive Auffälligkeiten) leben.

D.h. nicht, dass der Mensch dann total stabilisiert ohne jegliche „Borderliner – Symptome“ durch sein Leben geht!!! Denn wir kennen ja das zweite Kriterium aus dem DSM-5 über Borderline-Patienten:

Aber wir dürfen diese äußeren Einflüsse in ihrer Wichtigkeit auch nicht herunter reden. Durch eine äußere narzisstische Zufuhr (eine Beachtung von außen) kann der einzelne Borderliner tatsächlich eine stabilisierende Befriedigung erhalten.

Jetzt stell dir doch mal das Bild eines älteren Menschen mit einem streitsüchtigen Verhalten vor, der permanent die Gerichte in Atem hält:

      • „Wenn ihr Hund noch einmal in meinem Garten ist verklage ich sie sofort.“
      • „Hier dürfen sie nicht parken! Gleich rufe ich die Polizei.“

Dieses Ringen, dieses narzisstische streitsüchtige aggressive Ringen nach einem Gesehen werden von außen / einer Präsenz beim Gegenüber, kann das Symptom einer Borderline–Störung sein.

Schöner wäre es, wenn dieses Verlangen nach einem äußeren narzisstischen Zuspruch durch eine stabile Partnerschaft geschieht und nicht durch das heranzitieren von Polizei oder Gerichten.

Zu guter Schluss zu guter Letzt möchte ich noch einmal wiederholen was ich am Anfang gesagt habe: Es gibt aktuell keine großen Studien die das Thema Borderline im Alter kausal belegen!

Ich bin mit meinem Beitrag hier nur ein kleiner Teil von vielen Denkanstößen ohne jeden wissenschaftlichen Beleg.

Es ist und bleibt ein Denkanstoß, dass entsprechende Untersuchungen in Zukunft durchgeführt werden um diese erstaunlich selten gestellte Frage irgendwann einmal beantworten zu können:

„Wo sind sie, die Borderliner im Alter? Und wie leben Sie mit dieser Borderline-Störung im Alter?

 

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Worte wirken wie Medizin – Aber warum

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Unser Gehirn – warum wirken Worte?

Ich saß vor ein paar Jahren mal bei einem Zahnarzt und las dort im Wartezimmer eine medizinische Zeitschrift (Wissenschaft und Praxis“).

Ein Artikel fiel mir mit seinem speziellen Thema berufsbedingt natürlich sofort ins Auge: „Worte wie Medizin – Kommunikation mit ängstlichen Patienten“. 
Das zentrale Thema in diesem Bericht waren die Suggestionen, also die Beeinflussung des Menschen mit dem Ziel zu einem ganz bestimmten Verhalten oder eine Einstellung zu veranlassen.

Sehr intensiv wurde hier über den Nocebo-Effekt und den Placebo Effekt gesprochen. 
Nocebo-Effekt kommt von dem lateinischen nocere = „Schaden zufügen. Ich werde Schaden verursachen.“ 
Placebo kommt auch aus dem lateinischen und heißt: „Ich werde gefallen“. Es wirkt wie ein Scheinmedikament, weil es häufig keinen Arzneistoff und damit auch keine wirkliche pharmakologische Wirkung haben kann. Aber es bewirkt eine innere Haltung! Eine positive Veränderung des Gesundheitszustandes.

Meine Neugier war geweckt und ich begann mich seitdem sehr intensiv mit der Frage zu beschäftigen, wieso Worte auf unser Gehirn so stark wirken.

In meinen persönlichen Nachforschungen stieß ich dann auf den medizinischen Nobelpreis aus dem Jahre 2000. In diesem besonderen Jahr hatte ihn Eric Kandel erhalten.

Eric Kandel (Jahrgang 1929) ist ein österreichisch, amerikanischer Psychiater, Physiologe, Neurowissenschaftler.

Aufgrund seiner jüdischen Herkunft musste er mit zehn Jahren alleine mit seinem älteren Bruder auf einem Schiff nach Amerika fliehen – seine Eltern kamen erst ca. 1 Jahr später nach.
Dort in den Staaten wuchs er bei seinen Großeltern auf und begann – auf Anraten seines Mentors – Neurowissenschaften und Psychoanalyse zu studieren.

Sein Ziel war es herauszufinden warum Menschen — die an dem einen Tag ganz normal sind dann am anderen Tag ein komplett anderes, sich widersprechendes Nazi–Denken an den Tag legen können.

Was er im Laufe der Jahrzehnte an Antworten herausfand, kann man mit „spektakulär“ kaum besser beschreiben.

(2) unser Gehirn verändert sich permanent molekular  

Der wohl interessanteste Satz von ihm war und ist:
Nach diesem Gespräch werden sie und ich ein anderes Gehirn haben als vorher!

Dies kommt dadurch, weil sich Gedanken und Erinnerungen in den Neuronen festsetzen.  Anschließende anatomische Veränderungen sind dann das Fundament für die Speicherung von Erinnerungen.“

Früher glaubte man, dass unser Gehirn eine Festplatte sei, wie wir sie auch im Handel heute kaufen können: festgelegt auf eine gewisse Größe. 
Wie kam man darauf? Nun, man nahm an, dass die circa 100 Milliarden Neuronen jeweils den Speicher für eine einzelne Informationseinheit darstellen. Eine Zelle speichere ein Bit.

Bei einer Zellenanzahl von 100 Milliarden Gehirn-Zellen spricht man also von einer Speicherkapazität von ca. 100 Gigabit. Das wäre dann weniger als eine PC Festplatte heute speichern könnte.

Wenn dies so wäre, ist der Mensch dann bereits im Hintertreffen, wenn es um den direkten Vergleich mit den aktuellen Speichermedien geht?

Nein, eher das Gegenteil ist der Fall!!! Denn der Mensch kann sich an viel mehr Erinnerungen erinnern als er es mit 100 Giga Bit überhaupt können dürfte.

Kurz zusammen gefasst, was Eric Kandel herausfand: 
Das Gehirn kann bis zu 1000 mal mehr (vielleicht sogar noch mehr) an Informationen speichern als man bislang angenommen hatte – wir reden hier von der Möglichkeit, ca. 100 Terrabyte an Daten speichern zu können – und auch das ist nur vage formuliert. Forscher haben sich bereits dahingehend geäußert, dass das Gehirn wahrscheinlich unbegrenzt Daten speichern kann!

Wie kommt man auf solch starke Aussagen? Man hat herausgefunden, dass nicht im Neuron die Informationseinheit sitzt.

Eric Kandels Arbeiten haben gezeigt, dass ein Neuron bis zu 1000 Synapsen bilden kann. Dieses Bilden von Synapsen ist die Grundlage allem Speichern von Informationen.

Wenn das stimmt, was Eric Kandel herausgefunden hat, dann haben wir noch viele Jahre Vorsprung vor dem Computer.

Zu dem gigantisch größeren Speicherplatz als heute handelsübliche Speichermedien bieten, gibt es noch zwei weitere gravierende Unterschiede zwischen dem menschlichen Gehirn und z.B. dem Gehirn aus dem Tierreich:

(1) Sprache:

Menschen haben sprachliche Fähigkeiten an welche die Tiere bei weitem nicht herankommen. Auf der einen Seite sehen wir zwar, wie Delfine, Wale und andere Säugetiere miteinander kommunizieren; auch Vögel singen permanent Lieder. Aber im Vergleich zu den kulturellen Möglichkeiten des menschlichen Gehirns ist das nicht vergleichbar.

Wir Menschen haben eine kulturelle Entwicklung und bauen darauf auf. Das können Tiere nicht bewerkstelligen.

(2) Einfühlungsvermögen

Diese Eigenschaft, sich während eines Gespräches zumindest teilweise in den anderen hineinzuversetzen, ist den Tieren sehr fremd. Man sieht dies ansatzweise nur zum Beispiel bei ein paar höher ausgestatteten Primaten.

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Schauen wir uns einmal die Arbeiten und Forschungen von Eric Kandel genauer an.
Was passiert im Gehirn beim Lernen?

Eine Nervenzelle besteht aus 3 verschiedenen Teilen

      • Aus dem Zellkörper mit den beiden Fortsätzen:
        • die Dentriten.
        • und dem Axon.

Diese 3 Teile bilden das Neuron. Die Gehirn-Nervenzelle kann im Unterschied zu den anderen Nervenzellen, elektrische Impulse sowol erzeugen als auch weiterleiten.

Der Unterschied von den beiden Fortsätzen ist:

Die Dentriten sind die „kurzen Fortsätze“ des Neurons. Sie empfangen Signale von außerhalb / also anderen Zellen und geben diese in Richtung Zellkörper weiter.

Die Axiome sind die „langen Fortsätze“ des Neurons und leiten die Informationen vom Zellkörper genau in die andere Richtung – raus zu den Endigungen – den Endknöpchen.

Diese Gehirnzelle kommuniziert nun mit anderen Zellen. Nehmen wir mal eine weitere Zelle die von diesem Neuron jetzt eine Informationen erhält.

Zwischen diesen beiden liegt jedoch ein Spalt – die Synapse.
Die Synapse ist genau die Stelle, über welche eine Verknüpfung zu einer anderen Zelle besteht um mit ihr zu kommunizieren.

Nun macht sie dies aber nicht mit Hilfe von elektrischen Signalen, sondern indem sie

      1. den elektrischen Impuls in chemische Neurotransmitterstoffe umwandelt
      2. Diese wandern dann über den Spalt in die andere Zelle.
      3. Dort werden sie dann in einen elektrischen Reiz umgewandelt und laufen dann weiter.

Warum dies so umständlich bei jeder Synapse passiert, war lange Zeit den Hirnforschern unbekannt. Führt es doch eher zu massiven Verzögerungen in den Datenübertragungen…

Die Forschungen von Eric Kandel haben die Antwort auf diese Fragen gefunden und damit eine Tür von gigantischer Bedeutung in der Hirnforschung geöffnet:

Diese Frage nach dem Warum gibt es Synapsen?“ und „Warum werden Informationen im Gehirn nicht rein elektrisch und damit ökonomischer / schneller transportiert“ wurde eher durch einen Umweg beantwortet.

Eric Kandel Forschungsfrage war nämlich folgende: 

    • „Wie verwandelt sich eine Kurzzeit-Erinnerung in eine Langzeit-Erinnerung?“
    • „Was passiert im Gehirn, wenn eine Erinnerung lebenslang gespeichert wird?“

Er fand heraus, dass sich die Synapsen bei der Entstehung eines Kurzzeitgedächtnisses anatomisch nicht (!) verändern – ihr Aufbau blieb stets derselbe. Alle Veränderungen beim Nutzen des Kurzzeitgedächtnisses finden nur auf biochemischer Ebene in der Zelle statt.

Wenn man aber durch andauerndes, wiederholtes Training nun ein Langzeitgedächtnis produziert, dann (!) beginnen neue synaptische Verbindungen zu wachsen. 

Die Neuronen im Gehirn sind darauf programmiert, einen Partner zu finden um mit ihm in Kontakt zu treten. Ihre ureigenste Aufgabe ist es, neue Synapsen zu formen, um über diese dann Informationen zu übertragen.

Dieses Übertragen von Informationen geschieht, indem die Nervenzelle Fortsätze in alle Richtungen beginnen wachsen zu lassen. Sie sind permanent auf der Suche nach einem weiteren Partner und hören nicht eher auf, bis sie einen finden.

Hat das Neuron dann einen neuen Partner gefunden, bildet es auch sehr schnell seine Fortsätze an diesen Partner. An diesen neuen Fortsätzen kann man unter dem Mikroskop dann ein Anschwellen beobachten. Solch eine Anschwellung wird Varikosität genannt. Das ist dann später die Synapse.

Und genau hier findet dann der Informationstransfer zwischen den Gehirnzellen / den Neuronen statt.

Eric Kandels Arbeiten haben gezeigt, dass die chemische Synapse der Schlüssel zum Verständnis des Gedächtnisses ist.

Die chemische Synapse ist nicht fest / sie ist nicht statisch. Vielmehr ist sie plastisch / also formbar. Sie ist durch Aktivität veränderbar.

Beim Kurzzeitgedächtnis, wenn man das System nur einmal anregt, werden – nach heutigem Wissen – einfach mehr Transmitter ausgeschüttet – wir sprechen hier von einer reinen chemischen Reaktion. 

Beim Langzeitgedächtnis hingegen werden zusätzlich noch die Gene aktiviert. Dieses Aktivieren bewirkt, dass dadurch neue synaptische Verbindungen wachsen.

Eine schon vorhandene Synapse

      • bildet weitere Knospen
      • und diese Formen dann ganz neue Synapsen.

Das ist die strukturelle Veränderung, wenn wir lernen. Das ist LERNEN!!!

Das Kurzzeitgedächtnis ist nur auf die Synapse und ihre chemische Reaktion beschränkt. Beim Langzeitgedächtnis kommt, wie gesagt, auch der Zellkern ins Spiel.

Das „Spiel“ hierbei ist wirklich faszinierend.

      • Am synaptischen Spalt wird nun ganz häufig Serotonin übertragen
      • In der Nachbarzelle wird dies registriert und es entsteht ein weiterer Botenstoff cAMP (cyclisches Adenosin-Monophosphat)
      • Wenn nun das Serotonin nicht nur einmal sondern mindestens im Faktor 10x (laut Eric Kandel) den Spalt überquert, passiert der nächste Schritt:
      • Ein anderes Protein (CPEB – cytoplastismic polyadenylation element binding protein) kommt aus seiner „Lauerstellung“ heraus und wird auf einmal ganz aktiv und möchte eine neue Synapse erstellen
      • Die Bauanleitung liegt jedoch nicht in der Synapse, sondern in den Genen die sich im weit entfernten Zellkern befinden und nun „geholt werden müssen“.
      • Der Botenstoff (cAMP) macht sich nun auf den Weg zum Zellkern.
      • Im Zellkern trifft er auf seinen Helfer: CREB – cyclic AMP response element binding protein
      • Dieser packt nun die Bauanleitung auf die cAMP und die wandert wieder zurück zur Synapse, wo dann der Bau einer neuen Verbindung beginnt.

Schauen dir das mal in einem 30 Sekunden-Film auf der Seite kurz an.

Hier sehen wir die Boten – RNA, die im Zellkern produziert dann ausgeschüttet und in den Axonen hinunter transportiert wird.

Dieser helle Partikel, der sich das Axon hinunter bewegt, ist ein Bündel von Anweisungen für den Proteinbau.

Die Synapse verwendet dann ihre lokalen Mittel, um ein neues Protein herzustellen.

Ziel dieses ganzen, dieses Transports von Proteinen und Botschaften im Axon, all das hat nur einen einzigen Zweck: Das produzieren von neuen Verbindungen als Endprodukt. Das ist lernen!

All das zeigt, dass wir die Psychiatrie in einem ganz anderen Licht sehen sollten. 

      • Alle Prozesse im Gehirn beruhen tatsächlich auf biologischen Ursachen.“
      • Worte sind Veränderungen in unserem Gehirn
      • Worte sind mächtiger als wir uns das vorgestellt haben
      • Worte sind Medizin – Fluch und Segen zugleich.

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Umgang mit einem Borderliner – Nähe oder Distanz – Was ist denn nun richtig?

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Annähernd 2 Prozent der Bevölkerung erfüllen die diagnostischen Kriterien einer Borderline-Persönlichkeitsstörung.  
Bei jungen Menschen sind allerdings über 6 Prozent betroffen,
während in der Gruppe der über 40-Jährigen nur noch etwa 0,7 Prozent an der Störung leiden. (…) 

Bei 83 Millionen Deutschen und 11,5 Millionen Familien: leben 1,6 Millionen Borderlinerin unserem Land

Umgang mit einem Borderliner – Nähe oder Distanz? Was ist denn nun richtig?

In meinem Video „Psychotherapie bei Borderlinern“ habe ich bereits über

      • die technischen „Äußerlichkeiten“
      • die erlernbaren Techniken
      • und die Rahmenbedingungen bei einer Borderline–Therapie gesprochen.

Vielleicht ist dir hierbei aufgefallen, dass ich immer wieder von einer so genannten „technischen Neutralität“ spreche und dass diese so wichtig sei um Umgang mit einem Borderliner.

In anderen Videos andererseits, hebe ich dann eher die haltende Funktion“ des Therapeuten hervor und sage dass gerade diese (!) für einen Erfolg in der Borderline–Therapie so wichtig sei.

Aber, ist das nicht ein Widerspruch in sich? Einerseits fordert die technische Neutralität eine gewisse Distanz. Auf der anderen Seite verringert aber die „haltende Funktion“ jegliche Distanz.

Genau um diesen eventuellen Widerspruch aufzuklären habe ich diesen Beitrag heute vorbereitet.

  • Ohne Sympathie keine Heilung

Die „haltende Funktion“ ist eine innere Einstellung / eine Sympathie des Therapeuten dem Patienten gegenüber.

Wie wichtig sie ist zeigte bereits der Neurologe Sandor Ferenczi aus Ungarn (1873 – 1933): „Nur die Sympathie heilt. Verständnis ist notwendig um die Sympathie

(1) an der richtigen Stelle, (2) in der richtigen Art anzuwenden. Ohne Sympathie gibt es keine Heilung!

Das ist schon eine starke Aussage! Denn immer noch steht im Raum, dass die therapeutische Neutralität unter allen Umständen gewahrt bleiben muss.

Was also ist die richtige Ansicht hierüber?

Nun, die Praxis zeigt, dass ohne Sympathie tatsächlich kein Therapieerfolg zu erwarten ist aber andererseits braucht man immer ein gewisses Maß an Neutralität.

Und gerade das ausgeglichene Verhältnis zwischen Neutralität und einer „Haltenden Funktion“ also das „kontrollierte Vorgehen und die Sympathie“ ist laut dem Englischen Psychoanalytiker Donald Winnicott (1896 – 1971) die Grundvoraussetzung einer Psychotherapie.

Donald Winnicott wird sehr häufig in Bezug auf die „haltende Funktion“ bei einer Borderline – Therapie zitiert. Ihm werden wir uns noch näher widmen. Denn er hat die Borderline-Therapien maßgeblich in den Bereich humanistische Therapie geprägt.

Er hat folgende, recht einfache Regel in Bezug auf das Verhältnis zwischen „haltender Funktion“ und „technische Neutralität“ aufgestellt: Je früher die Störung des Patienten eintritt, und je psychosneähnlicher diese ist, desto wichtiger ist die Rolle der „haltenden Funktion“

Andererseits: je reifer er sich verhält desto mehr sollte die technische Neutralität“ angewandt werden, ohne die „haltende Funktion oder die Empathie zu verdrängen.

Denn, was willst du machen, wenn du einem Borderine–Patienten gegenüber sitzt, der sich gerade in einer aufkommenden Psychose befindet? Du kannst ihm dann seine Halluzinationen nicht einfach „verbieten“ und schon gar nicht wegreden. 
Du hast dann nur die Möglichkeit, ihm durch die „haltende Funktion und die sich daraus ergebende Angstreduzierung zu helfen.

Hast du jetzt einen stabileren/reiferen „Borderliner“ vor dir, dann kannst du ihm schon eher mal neutral sagen dass er „dieses oder jenes“ zu unterlassen hat wenn er weiter in der Therapie verbleiben möchte.

Dieses „drohen mit dem Abbruch der Therapie“ / überhaupt alle Drohungen um Umgang mit einem Borderliner sollte man nur mit der größten Vorsicht anwenden.

 Eine Drohung muss immer begründet werden, Es muss die Weiterführung der Therapie in Aussicht stehenbleiben wenn er sich Verändert  (das entspricht der „haltenden Funktion“)

Und es muss immer der Kontext betrachtet werden:
was für Grund liegt für das Verhalten des Patienten vor?. …
Vielleicht ist es ja nur ein auf die Probe stellen des Therapeuten und ihn testen ob er sich noch in der „haltenden Funktion“ weiter bewegt oder nicht.

(2) Nur Interesse reicht nicht aus!

Ja, Interesse ist wichtig. Laut Duden ist Interesse eine „geistige Anteilnahme“, Seine „Aufmerksamkeit auf jemanden richten“.

Klar, Du musst voll und ganz bei der Sache sein wenn du mit einem Klienten, überhaupt mit einem Menschen in Kontakt bist.

Denn, vielleicht kennst du ja auch den Satz: „Tu das was du sollst, und sei ganz in dem was du tust.“

Aber Interesse ist eine Eigenschaft die nicht ausdauernd ist. Interesse kann leicht schwächer werden.

(1) Nimm mir doch einmal das Beispiel des Therapeuten der sich zwingen muss einen „nicht interessierten Patienten“ zu therapieren.

Durch das Gegenübertragungsgefühl kann sich sehr schnell auch Desinteresse beim Therapeuten entwickeln.

(2) die Gefahr der Gegenübertragungsgefühle darf nicht unterschätzt werden.

Ihre Wirkung kann so stark sein, dass am Beginn der Sitzung sich der Patient erst einmal schlecht und der Therapeut gut fühlt am Ende der Stunde es ist genau umgekehrt: der Patient fühlt sich gut und dem Therapeuten geht es schlecht weil der Patient seine negativen Gedanken auf den Therapeuten übertragen hatIst der Therapeut einfach nur interessiert und hat nicht eine innere Neigung zu den Patienten, dann kann er niemals mit dem anfänglichen Eifer durchhalten Denn eine Borderline–Therapie dauert nicht nur eine oder zwei Sitzungen, die dauert Minimum Monate!

(2.1.) was ist denn die Folge wenn das Interesse erlahmt?

Dann würde so ein Therapeut sehr schnell die Therapie beenden und den Patienten an einen anderen Therapeuten übergeben.

(2.2.) und genau dieser Beziehungsabbruch ist eine klare Wiederholung von dem Abschieben was ein Borderline-Patient sein ganzes Leben bereits kennt. Herzlich willkommen im circulus vitiosus unseren viel bekannten „Teufelskreis“.

(3) Sympathie ist Voraussetzung

Nicht Interesse ist das, was wirklich zählt, sondern die „innere Haltung“ des Therapeuten. Es ist die Sympathie! Sie ist eine Grundlage für eine zuverlässige und lang anhaltende therapeutische Beziehung.

Denn die Arbeit mit einem Borderliner bedeutet immer: die Belastungen durch „Übertragung und Gegenübertragung“ auszuhalten und nicht direkt beim ersten „Angriff“ praktisch „das Handtuch zu werfen“ und aufzugeben.

In den vielen kritischen Momenten die in einer Borderline-Therapie mit Sicherheit kommen, muss die Sympathie und die Neutralität (die technische Neutralität) gewahrt bleiben.

Was machst du zum Beispiel, wenn ein Borderline-Patient dir gegenüber sitzt und Dir von ganz anderen Wertvorstellungen in  seinem Leben erzählt, Wertvorstellungen, welche du dir auch nicht im Entferntesten vorstellen könntest?

Damit meine ich nicht so sehr Wertvorstellung / Präferenzen wie Homosexualität oder religiöse Vorstellungen…

Ich stelle z.B. fest, dass viele Personen mit anderen Kulturen und deren Wertvorstellungen in Bezug auf die Rolle der Frau deutlich größere Probleme haben als mit einer anderen religiösen oder sexuellen Neigung. Dann muss die Technik der Neutralität mit der Sympathie nach vorne geholt werden.

Und man muss sich dessen bewusst sein dass es im Umgang mit Borderline-Menschen auch um Den Respekt Und die Akzeptanz  der Wertvorstellungen dieser Menschen geht und sie hierfür nicht kritisiert werden dürfen. Das steht dir und mir nicht zu.

(4) Neutralität ist mehr!

Jetzt wird es etwas komplizierter: Es geht darum, die reine technische Neutralität auf eine andere Ebene zu bringen.

Neutralität kann man vielleicht so vergleichen: Zwei Fußballmannschaften spielen gegeneinander und du hältst wieder zu der einen noch zu der anderen. Hier liegt die Betonung auf Passivität.

Neutralität im psychoanalytischen Sinne hat aber nichts mit Passivität zu tun. Das ist harte Arbeit und starke Aktivität!

Merke dir bitte folgenden wichtigen Gedankengang: Neutralität im psychoanalytischen Sinne bedeutet:

  1. die Gegenübertragung (und damit auch die eigenen Schwächen) wahrzunehmen
  2. Sie in der Therapie zu kontrollieren und nicht nach zu geben.
  3. Und dann diese Gegenübertragung–Gefühle mit dem Borderliner analytisch zu besprechen.

Es ist verdammt schwierig – wenn du von einem Borderliner angegriffen wirst – dieser Gegenübertragung nicht reflexhaft nachzugeben.

Nur in dem du dich nicht so verhältst, wie es damals der Vater oder die Mutter des Patienten in der Regel getan haben, nur dann kannst du dem Borderliner bewusst machen, dass ein neues Verhalten möglich ist!

Ganz nebenbei gesagt: Dieses völlig andere Verhalten (anders als es Vater oder Mutter getan haben) zeigt, dass eine Therapie innerhalb der Familie nahezu unmöglich ist.

Der Borderliner wird sein Gegenüber bewusst und auch unbewusst immer dahin zu bringen versuchen: Den Therapeuten oder die Person in der Umgebung durch Übertragung“ als Vater oder als Mutterfigur anzusehen und mit ihnen dann so umgehen wie sie es früher mit ihren Eltern getan haben.

Wenn der Therapeut nun sich genauso verhält, wie es die Eltern tun oder getan haben, dann wäre der Patient ja wieder voll in seiner alten Rolle und die Therapie wäre sinnlos. Es wäre keine Therapie!

  1. Zweitens würde der Borderliner immer versuchen, seinem gegenüber (zum Beispiel dem Therapeuten) das anzutun, was ihm seine Eltern „angetan“ haben.

Das können die wirklich durchgeführten Handlungen sein, aber auch die Handlungen die er meint (!) welche seine Eltern ihm in seiner Erinnerung angetan hätten. Bitte beachte: entscheidend ist nicht, was (!) die Eltern getan haben, sondern was (!) der Borderliner denkt (!) was seine Eltern getan haben.

Das subjektive Erleben und Erinnern kann komplett anders sein als das was in der Realität wirklich stattgefunden hat.

Bitte glaube mir: es ist nicht selten, dass ein Borderliner seine Eltern als Horror-Gestalten beschreibt und sich diese später als völlig unauffällig und nette Personen herausstellen.

–     Wie kann so ein Missverhältnis überhaupt entstehen?

Ich hatte vor ein paar Tagen ein sehr angenehmes Gespräch mit einem älteren Ehepaar, wo die Mutter wegen einer wichtigen Operation im Säuglingsalter des Kindes für mehrere Wochen nicht zur Verfügung stand. Trotz ihrer Liebe zu ihrem Kind konnte sie in dieser wichtigen Phase keine haltende Funktion für das Kind einnehmen. Bezeichnend war, dass das damals noch sehr junge Mädchen eine äußerst lange Zeit immer wieder gesagt hatte:
„Mama, warum hast du mich nicht ins Krankenhaus mitgenommen?“

Wegen dieser räumlichen Distanz und der Unmöglichkeit in dieser Zeit eine alte Funktion auszuüben kann die Sicht des Kindes auf das Elternteil vollkommen widersprüchlich sein.

(2.) Ein zweiter Grund kann auch folgender noch sein:

In der Fantasie des Kindes kann eine Todesgefahr so überwältigend sein, obwohl diese real nie bestanden hat.

So banal es klingen mag: Kleinkinder können durch Gewaltszenen im Fernsehen Todesangst bekommen.

Und auch wenn diese Angstsituationen real nie bestanden hat, so muss diese Fantasie ganz genommen werden — ohne dass der Therapeut seine Neutralität verliert!.

(4.1.) Die Neutralität als Voraussetzung für die interpretative Arbeit

Um eine Diagnose zu stellen braucht man etwas Abstand zum gegenüber. Glaub mir bitte, durch das sich ständig wechselnde Verhaltensbild eines Borderliners, muss auch die Diagnose eines Fachmannes, immer und immer wieder neu überprüft werden.

Neutralität könnte man auch mit dem Wort „freundliches Abstand halten“ beschreiben.

Dieser Abstand ist extrem wichtig, wenn der Borderliner seine Umgebung und sich selbst Immer wieder in eine kritische Situation bringt und diese technische Neutralität gestört, oder eingeschränkt wird.

Besonders in kritischen Situationen ist es immer wieder eine Gradwanderung zwischen Sympathie und Neutralität dem Borderliner gegenüber.
die Sympathie hilft dann vollkommen überzogene und auch manchmal sadistische Verbote zu verhindern.

die Neutralität andererseits ist wichtig damit der Therapeut nicht durch dieses Handeln des Borderliners überrollt wird und nicht mehr in der in der Lage ist noch eine gewisse Struktur um Grenzen in dem Miteinander zu halten.

Denn ganz besonders das Setzen von Grenzen innerhalb der Therapie ist wichtig. Grenzen sind wichtiger als Drohungen!

Gerade im Umgang mit dem Borderliner müssen die Grenzen immer wieder wiederholt und neu mit ihm gesprochen werden.

Damit aber immer noch nicht genug: diese Grenzen müssen in der Borderliner-Therapie (im Unterschied zu anderen Therapien) auch immer wieder flexibel angepasst werden. Es gibt nicht die eine (!) Therapie für einen Borderliner.

Nehmen wir mal das Beispiel der begleitenden Sporttherapie. Auf der einen Seite hast du ein Patient mit schwerer Anorexie (Appetitverlust ICD – 10: R.63.0) Und auf der anderen Seite hast du jemanden mit einer Depression (F32.1 mittelschwere Depression)

  • Der eine malträtiert seinen Körper dauerhaft! Da wäre eine Sporttherapie kontraproduktiv. und bei dem Anderen wäre die Sporttherapie wirklich nützlich um ihn auf eine höhere Stimmungsebene zu bringen.

Dieses setzen von Grenzen und Regeln ist verdammt schwer in einer Borderline-Therapie.

Eigentlich sind diese nur sinnvoll es um Gefahr für Leib und Leben geht. In allen anderen Bereichen muss man sich immer drei Fragen stellen:

      1. Sind die Grenzen nötig?
      2. Handelt es sich um eine aggressive Gegenübertragung?
      3. Zeigen diese Grenzen vielleicht die Trägheit oder Motivationslosigkeit des Therapeuten? („Das haben wir immer schon so gemacht“).

Du kannst dir vielleicht den Satz merken: Grenzen wo nötig, Flexibilität wo möglich. Jede Grenze muss auf ihre Zweckmäßigkeit überprüft werden.

(5) Die Übertragung: Das therapeutische Mittel der Wahl

Die Übertragung ist nicht nur unvermeidbar, sondern ist in der Borderline Therapie eines der stärksten therapeutischen Mittel um den Patienten zu helfen. Du siehst aber auch wie schwierig es ist, vernünftige Entscheidungen zu treffen!

Darum muss die Gegenübertragung:

      1. von dem Therapeuten selber immer wieder neu und ständig überprüft werden.
      2. Und anschließend durch Kollegen und eine externe Supervision begleitet werden.

Eine nicht funktionierende Gegenübertragung kann die gesamte Therapie vollkommen sprengen. Häufig können in der Borderliner-Therapie zum Beispiel (und jetzt kommen wir zu den Gefahren in einer „Familien – Laien – Therapie“) die aggressiven Gegenübertragung nicht mehr aufgelöst werden. Der Fall ist nicht selten! Jeder Mensch ist auch nur ein Mensch! Was, wenn der Therapeut von der aggressiven Gegenübertragung nicht mehr los kommt?

Das ist zu 99 % bei Familien-Angehörigen der Fall, die glauben, sich gegenseitig therapeutisch helfen zu können. Einmal begonnene Aggressionen können innerhalb von Familien nur schwer Neutral gehalten werden.

Wenn schon die Therapeuten an der Grenze ihrer Möglichkeiten sind, wieviel mehr sind es dann Familienangehörige die (auch bei den allerbesten Wünschen und Voraussetzungen) Absichten) wenig Möglichkeit zu Distanz und technischer Neutralität haben.

Also: wenn der Karren im Dreck ist und die Aggression in der Gegenübertragung nicht mehr wegzuleugnen ist, dann kann der Patient keine neuen Erfahrungen machen die alten und kranken Erfahrungen würden perpetuiert

Dieses Wort Perpetuierung bedeutet: es wiederholt sich immer und immer wieder. Es setzt sich gewissermaßen fest. Der Karren ist im Dreck fest gefahren.

Hat der Therapeut zum Beispiel die aggressive Gegenübertragung erfahren und kann diese nicht vernünftig behandeln, dann kommt bei ihm eventuell auch die eigene Angst hoch und er versucht dann seine eigenen Gefühle zu verleugnen.

Durch dieses Verleugnen der eigenen Gefühle kommt er aber in eine viel zu starke (!) Neutralität und die Folge davon ist ein zu großer Abstand zu dem Borderliner.

Der Borderliner kann dann mal wieder keine vernünftigen neuen Erfahrungen machen kann. 

Was wäre die Lösung?

Kommt jetzt die Angst durch die aggressive Gegenübertragung hoch, wäre es sehr konstruktiv wenn der Therapeut:

      1. diese Gegenübertragungsgefühle erst einmal wahrnimmt.
      2. Sich im zweiten Schritt diese Gegenübertragungsgefühle auch eingesteht.
      3. Und im dritten und wichtigsten Schritt diese in der Supervision analysiert und beleuchtet.

Wenn diese drei Schritte durchgeführt werden, dann sind Gegenübertragungen ein nicht zu unterschätzen der Schatz sowohl für die Patienten als auch für die Betreuer.

Denke bitte immer daran, der Therapeut muss sich immer bemühen seine Gefühle den Patienten gegenüber zu kontrollieren und darf nicht entgleisen. Wenn er (!) entgleist, dann  kann er von seinem gestörten Gegenüber ja auch keine Beherrschung verlangen. Das finde ich logisch!

(6) Darf ein Therapeut keine Fehler machen?

Sei dir sicher: „Nur der Therapeut, der nicht arbeitet, der macht auch keine Fehler. 

Drei Schritte sollten durchgeführt werden, wenn beim Therapeuten ein Fehler erkannt wird. Wenn man so vorgeht, hat es einen großen Vorteil: der Borderliner-Patient davon viel lernen

      1. Schritt: der Therapeut sollte seinen Irrtum zu geben.
      2. Schritt: er sollte sich für seinen Irrtum entschuldigen.
      3. Schritt: Der Patient macht durch diese zwei vorangehenden Schritte eine vollkommen neue Erfahrung: man kann (!) sich auch entschuldigen! Und somit kann ein Fehler therapeutisch genutzt werden.

Fehler können therapeutisch genutzt werden! Das ist eine Zauberformel die so selten in der Therapie eingesetzt wird! Nach meinen Beobachtungen fühlt sich ein Patient dadurch noch mehr akzeptiert und ernst genommen und lernt ein ganz neues sehen:

Dies ganz neue Sehen bedeutet: er muss nicht „perfekt“ sein um im Leben angenommen zu werden.

(7) Woher kommt diese bodenlose Angst des Säuglings?

Für mich gibt es verschiedene große Denker, welche das Bild der Psychoanalyse geprägt haben. Wir können den bahnbrechenden Gedankengängen Sigmund Freuds noch heute viel Richtiges abgewinnen, aber auch von seinen Nachfolgern wie C. G. Jung, Alfred Adler, und auch Donald Winnicott.

Wer war Donald Winnicott? Er lebte 1896 – 1971 in England und war sowohl englischer Kinderarzt als auch Psychoanalytiker. Er gilt als einer der bekannteren Vertreter der Objekt-Beziehungstheorie.

 Die Objekt Beziehungstheorie selber wurde von Melanie Klein (eine österreichisch – englische Psychoanalytikerin 1882 – 1960) auf der Grundlage der Psychoanalyse weiter entwickelt.

Ganz kurz: Objekt Beziehungstheorie:
Sigmund Freud legte in der Psychoanalyse die Konzentration auf die Triebe und dass der Mensch als einzelnes Wesen von seinen Trieben gesteuert. 
Melanie Klein hat die Aufmerksamkeit der Psychoanalyse dann auf die frühkindliche Entwicklung und deren Bedeutung für frühe Beziehungen zu anderen Bezugspersonen gelenkt. Ihre Theorie war, dass die Triebe zwar wichtig sind, aber 

(1) dass die Art und Weise wie ein Mensch die Welt wahrnimmt

(2) mit welchen Erwartungen eher an die Welt heran geht und

(3) seine Beziehung zu den ersten frühen Bezugspersonen (Objekten) geprägt wurden.

Und hier kommt einer der interessantesten Denker in der Objekt-Beziehungstheorie Donald Winnicott auf die Bühne! Für ihn als Kinderarzt und Psychoanalytiker war das Halten des Säuglings“ genau die (!) fundamentale Voraussetzung einer gesunden psychischen Entwicklung des Menschen.

Und wenn ich immer halten/halten/halten sage, dann meine ich nicht das physikalische halten sondern ich nenne es mal das „selig, liebevolle Halten einer liebenden Mutter“.

Das Halten im Sinne von „Halt geben“ betrifft also zwei Dimensionen:

    1. die konkrete Handlung des Haltens
    2. Die innere Motivation für diese Handlung.

Denk jetzt mal an einen kleinen Säugling der (warum auch immer – vielleicht durch ein KiSS Syndrom / eine Kopfgelenk induzierte Symmetrie-Störung)) dauerhaft am Schreien ist und die überforderte Mutter ihn nun füttern möchte.

Selbst eine „nährende Handlung“ wie zum Beispiel das Füttern kann dann (wenn die Mutter völlig überfordert und genervt ist) dramatisierend auf den Säugling wirken wenn dies mit der falschen „inneren Haltung“ passiert.

Eine der wichtigsten Grundgedanken von Winnicott ist: niemand kann ein Baby halten, wenn er nicht in der Lage ist sich mit dem Baby zu identifizieren!!!!

Das Halten hat ja mehrere Nutzanwendungen.
– Das Kind auf dem Arm zu halten dient dazu es mitzunehmen und vor äußeren Beschädigungen zu schützen.

  • Aber ein Halten/ ein „Gehalten werden“ dient zur weiteren Reifung des Säuglings und zur Bildung von Objekt-Beziehungen.

Was sind denn jetzt Objekt-Beziehungen?

Objekte sind Bezugspersonen die mit dem jungen Menschen nun interagieren wie zum Beispiel eine Mutter. 

Jetzt stellen wir uns einmal einen Säugling in den allerersten Lebenswochen / Lebensmonaten vor, der nicht (!) in einer haltenden Umgebung aufwächst. Das Fehlen dieser haltenden Umgebung verursacht bei dem kleinen Kind Angst! Und diese Angst unterscheidet sich von der Angst eines älteren Menschen.

Wenn wir heute Angst haben, beginnen in unserem limbischen System aber auch in unserem Kortex sofort Handlungsalternativen aufzuploppen. Wir haben sofort Flucht, einfrieren, verteidigen und andere Handlungen in unserem Sinne, um aus der Situation heraus zu kommen.

Welche Handlungsalternativen hat jedoch ein Säugling?

Wenn du dir dessen bewusst bist, dass der Säugling gar keine Handlungsalternativen hat, dann wirst du verstehen warum Donald Winnicott einen vollkommen neuen Begriff in der Angst des Säuglings kreiert hat: Ein nicht gehaltener Säugling bekommt Angst die das Gefühl einer drohenden völligen Vernichtung“

Diese Angst vor einer „drohenden Vernichtung“ ist das gleiche Gefühl die wir beim Borderliner – jetzt im erwachsenen Alter – als die diffuse, nicht greifbare Angst sehen!!!

Beide Angstformen (die des Säuglings und die des Erwachsenen Borderliners) haben zwei Eigenschaften gemeinsam:

    1. sie kommt plötzlich und unerwartet
    2. Ihre Ursache ist nicht konkret greifbar.

Dir ist sofort klar, dass der kleine Säugling nicht in der Lage ist den Grund eine Angst zu erkennen. Jetzt musst du dir aber dessen bewusst sein, dass der erwachsene Borderliner–Patient genauso nicht in der Lage ist den Grund seine Angst zu erkennen.

So bekommt die Angst beim Säugling und beim Borderliner diese unglaubliche Größe/ dieses gigantische Ausmaß wie sie nur bei Todesangst, Angst vor einer drohenden Vernichtung vernünftig wäre.

Donald Winnicott hat noch einige Adjektive / einige Beschreibungen dieser Angst hinzugefügt:

      1. ein Zusammenbrechen
      2. ein nicht endendes Fallen
      3. Keine Beziehung zum eigenen Körper mehr haben
      4. Es ist keine Orientierung mehr vorhanden
      5. Auch die Umgebung kann einen nicht mehr beruhigen
      6. Das Auftreten weiterer psychotischer Ängste.

(8) Verzerrung/Verschmelzung

Der kleine Mensch kommt jetzt auf die Welt und hat das tiefe Bedürfnis nach Verschmelzung in seiner ersten Objekt–Beziehung (mit seiner Mutter). 

Wenn diese Verschmelzung mit der Mutter nicht funktioniert, entweder wird das Halten von der Mutter wissentlich nicht durchgeführt oder die Mutter ist krank, verstorben nicht da, dann muss sich das Kind anpassen.

Und was ist die Anpassung von Verschmelzung?

Der kleine Säugling hat keinen Plan – B in seinem Leben zur Verfügung. Er reagiert dann mit dem einzigen ihm zur Verfügung stehenden Mittel: mit Abwehrmechanismen, die aber genau das Gegenteil der Verschmelzung bewirken: und zwar eine Verzerrung.

Eine verzerrte Sicht – welche genau das Gegenteil von Verschmelzung ausdrückt – ist die typische Sicht des Borderline – Patienten: Er sieht sich und die gesamte Umwelt nur in schwarz/weiß (denk immer daran, es ist das Gegenteil einer Verschmelzung).

Für den Borderline–Patienten gibt es nur ein „Absolut gut“ oder ein „absolut schlecht“ „Ich kann alles“ oder ein „ich kann nichts“ und bin deswegen nichts wert.

(8.1.) Verzerrung = Angst — Angst = Spaltung

Der kleine Mensch sucht nach Verschmelzung und gehalten werden. Fehlt dieses „gehalten werden“, dann reagiert er mit seiner bodenlosen, vernichtenden Angst als Abwehrmechanismus. Diese Angst in der Abwehr ist die Ursache der Spaltung.

 Spaltung entwickelt sich aufgrund von „nicht gehalten werden“ und der daraus resultierenden Angst!!!!!!!!!!

Jetzt sind wir wieder bei dem zentralen Thema der Spaltung! Spaltung ist Chaos. Aber dieses Chaos der Spaltung(!) ist für das Kind nicht mehr so schlimm wie die Angst der äußeren „nicht haltenden Umgebung“

Die selbst verursachte Spaltung hat sogar einen Vorteil für das Kind:

      1. sie wurde selbst hervorgebracht
      2. sie kann darum besser von ihm (!) analysiert werden
      3. Und kann auch leichter nach dem eigenen Schema (wenn auch vollkommen falsch) konkreten Themen / Situationen zugeordnet werden.

Das alles ist für das Kind nur durch eine selber verursachte Spaltung möglich und nicht durch die diffuse, nicht greifbare Situation von außen.

(8.2.) Das Ziel bleibt die Verschmelzung/Integration

Das Gegenteil der Spaltung ist die Verschmelzung! Die Einheit durch integrieren. Integrierung ist frei von der diffusen Angst, ist frei von einer Spaltung und ihren Hilfsabwehrmechanismen und integrieren ist das (!) Ziel von jeder Borderline Therapie.

Verschmelzung/Integration braucht die haltende Funktion der Umgebung!.

 Die haltende Funktion ist die Voraussetzung für eine Verschmelzung Sie ist Nötig, um die ICH–Schwäche zu reduzieren Sie ist das zentrale Mittel um eine Spaltung zu beenden.

Wenn es nun die Mutter damals nicht geschafft hat, wie soll denn nun bitteschön ein Therapeut oder die Umgebung die Funktion des Haltens übernehmen?

Das alles geschieht am besten durch Worte! Durch Worte wird dem Borderliner mitgeteilt, dass die tiefe Angst die er gerade durchlebt von seinem gegenüber erkannt und verstanden wird.

Verständnis und Einfühlungsvermögen sind die Zauberwörter in der Borderline – Therapie.

Einfühlungsvermögen ist

      1. die Fähigkeit den Schmerzes der anderen Person selber in sich zu spüren.
      2. Es ist eine Anerkennung der gemeinsamen Erfahrung als Menschen
      3. Und eine Anerkennung dafür dass wir alle solche Situationen wie Trauer, Verlust, Schmerz und Angst empfinden.
      4. Einfühlungsvermögen ist eine stellvertretende Erfahrung (wenn dein Gegenüber Angst hat, wirst auch du das Gefühl der Angst in deinem Körper erleben – Gegenübertragung).

(9.) Die haltende Funktion in der Praxis

Im Umgang mit einem Borderliner passiert es extrem schnell, dass dieser in seiner Angstsituation regrediert (Regression bedeutet dass er auf einen früheren, ursprünglichen Zustand zurückfällt).

Dieser ursprüngliche Zustand ist Das typische Borderline–Verhalten in welchem er mal wieder in einem Chaos / in einer Panik / in einer unangemessenen Wut versinkt. (siehe 9 Kriterien Borderline)

Wenn die Umgebung nun durch eine „haltende Funktion“ reif, und angemessen auf das chaotische Verhalten des Borderliners reagiert dann macht der Borderliner die Erfahrung, dass man auch anders (!) auf die einzelnen Situationen reagieren kann.

Diese Erfahrung ist für ihn etwas Neues. Denn er ist es ja gewohnt,dass man auf sein unreifes Verhalten in der Umgebung mit Abneigung, Abwehr, Abscheu und Distanz reagiert.

Jetzt reagiert seine Umgebung aber mit einer „haltenden Funktion“ und genau das (!) bringt einen Reifungsprozess bei dem Patienten wieder in Gang.

Bitte beachte was in dem Borderliner innerlich vor sich geht:

      1. Der Borderliner befindet sich in einem Zustand der völligen Abhängigkeit wenn er die kompensiert (in sein eigenes Chaos verfällt).

      2. Für eine haltende Funktion braucht man nun
        1. einen verlässlichen Rahmen durch eine ich-Stützung,
        2. eine haltende Einstellung und erst dann (!) erfolgt
      1. die dritte Phase wo emotional ein Wachstum eintritt beim Borderliner. In dieser Phase kann sich sein Charakter dann langsam positiv aufbauen und die Verzerrungen gehören allmählich nur noch der Vergangenheit an.

(9.1.) Die „haltende Funktion“ hat drei Aufgaben:

      1. durch die „haltende Funktion“ wird die Selbstständigkeit des Borderliners in allen Dingen gewahrt und respektiert.

      2. Durch diese „haltende Funktion“ kann ein Therapeut trotz der Aggressionen durch den Patienten, trotz deiner Rücksichtslosigkeit immer noch „überleben“.

      3. Die „haltende Funktion“ hält die Empathie am Leben damit der Borderliner selber an bestimmten Stellen (wo die Regression zu Tage tritt) ganz besonders stabil gehalten werden kann.

Und die wichtigste Aufgabe die ein Therapeut hat ist, dass er eine echte Anteilnahme bewahren muss und sich ständig bemühen muss den Patienten auch kognitiv zu verstehen Besonders dann, wenn die Sprache aufgrund einer Regression zusammenbricht.

Diese Empathie ist gerade  dann wichtig, wenn der Borderliner das, was er bei sich selbst nicht ertragen kann, durch eine Übertragung auf den Therapeuten abwälzen möchte. Diese emotionale Walze“ geht weit über die gewöhnliche Empathie hinaus.

Wenn ein Borderline-Therapeut diese Empathie nicht (!) hat dann möchte ich das mal etwas drastisch vergleichen. Ein Borderline-Therapeut ohne therapeutische Empathie, ist wie ein Chirurg, der mit einem nicht sterilen Skalpell eine Operation durchführt.

Die Störung des Borderliners wird dann durch die Störung des „Anti–Therapeuten“ (!) explosionsartig verstärkt.!

Was ist nun also wichtiger? Ist es der Halt oder ist es die Neutralität? Beides zu seiner ihm eigenen Zeit!!!! Wir können eine Therapie mit dem Borderliner nämlich ganz grob in drei Phasen unterteilen.

      1. zuerst die Phase der haltendenden Funktion. Ohne sie kann die Therapie nicht beginnen.
        • Ohne sie kann keine ich-Strukturierung entstehen.
        • Es kann sein, dass diese Phase sogar Wochen lang erst einmal dauert bis die eigentliche systemische Psychotherapie mit dem Schwerpunkt „haltende Funktion“ beginnt.

      2. Die Phase der äußeren Strukturierung.
        • Es werden zunehmend Grenzen und Strukturen durch das Behandlungsteam gesetzt.
        • Durch diese Grenzen und Strukturen kann die Integration „gute“ und „böse“ Anteile erfolgen und die Spaltung geht immer weiter zurück.

      3. Die letzte Phase ist die der inneren Strukturierung.
        • Äußere Strukturen werden nun etwas gelockert und es werden höhere Anforderungen an die innere Struktur des Borderlinersgestellt. Es wird viel weniger mit Reglementierungen gearbeitet aber deutlich mehr mit Deutungen (hierzu ein separates Video).
Alles hat demnach seine eigene Zeit!

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Familie oder Genetik – Wie entsteht Borderline

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Familie oder Genetik? Wie entsteht Borderline?

Um diese Frage vernünftig zu beantworten muss man sich der Antwort auf drei Ebenen nähern:

      1. Borderline in der kindlichen Entwicklung
      2. Die Ursache und Verbreitung von Borderline innerhalb der Familien
      3. Konkrete und beschreibende Untersuchungen

1. Borderline in der kindlichen Entwicklung.

Es gibt eine klare Parallele zwischen dem Trennungsvorgang in der Präödipalen Phase (vor dem dritten Lebensjahr) und der Trennung von den Eltern in der Pubertät.

Dies sind die zwei wichtigen Trennungsvorgänge im Leben eines jungen Menschen, welche sich bis ins hohe Alter auswirken!
Die einzelnen von Siegmund Freud beschriebenen Phasen sind:

      • Orale Phase bis 2 Jahre
      • Anale Phase
      • Phallische Phase Bis 6. Lebensjahr (Ödipale Phase)
      • Latenzperiode
      • Genitale Phase ab 12. Lebensjahr

Schaut man sich den Prozess der Trennung in der Pubertät an, dann kann man recht gut nachvollziehbare Rückschlüsse auf die Trennung / bzw. Nicht-Trennung der frühen Mutter–Kind–Beziehung ziehen. Diese Beobachtung ist wichtig um Strukturen des Verhaltens in einer Beziehung zu erkennen.

Nun hat man Gruppen von Müttern verglichen
Die eine Gruppe bestand aus Müttern von Kindern (Mädchen) mit der Diagnose einer Borderline–Persönlichkeitsstörung
Die andere Gruppe waren Müttern von Kindern ohne diese Diagnose.

Gab es einen sichtbaren Unterschied? Ja und zwar auf 3 Ebenen:

    1. Die Mütter der Borderline-Kinder hatten eine stärkere Tendenz als die anderen Mütter (mit den normalen Teenagern) ihre Kinder als egozentrisch, unempathisch und als Bedürfnisbefriedigungs-Objekt wahrzun
      Ein mütterlicher Egoismus gewissermaßen ….
    2. Gleichzeitig fand man auch deutlich mehr Stressfaktoren innerhalb der Umgebung: wie zum Beispiel eine zerrüttete Ehe, finanzielle Probleme oder andere auch psychische Belastungen.

Aufgrund dieser nicht zu leugnenden Ergebnisse schlussfolgerten die Untersucher, dass solche Stressfaktoren eine direkte Ursache für die Bildung einer Borderline–Persönlichkeitsstörung haben müssen.

    1. Die dritte Ebene kam durch Verlaufsbeobachtungen bei fast 800 Kindern zum Vorschein.

Hier stellte sich eine Belastung durch

    1. mütterlichen Übereifer und
    2. nichtkonstante Verhaltensweisen heraus,

die deutlich eine Borderline – Persönlichkeitsstörung förderten. Solche „nichtkonstanten Verhaltensweisen“ können sein:

      • Inkonstantes Verhalten der Mutter: Das ist die Unfähigkeit, eine stabile / liebevolle Umgebung und einen haltenden Umgang mit den Impulsen und Bedürfnissen der Kinder sicherzustellen.
      • Mütterlicher Übereifer: Eine überstarke emotionale Nähe zu dem Kind mit dem Ziel, die eigenen egoistischen Bedürfnisse (also die Ziele der Mutter) zu stillen.

Fassen wir das mal zusammen: Was bedeutet das nun?

 

Alle Studien weisen darauf hin, dass es nicht ausreicht ein Kind zu misshandeln oder zu missachten sondern es war immer ein zusätzliches Element nötig:

Die Instabilität von Regeln und Erwartungen die ein Ausdruck einer völlig unorganisierten Struktur der Mutter–Kind–Beziehung sind.

Das ist jetzt ein sehr wichtiger Punkt: Wenn diese Instabilität so gravierende Auswirkungen auf die Ausbildung einer Borderline–Persönlichkeitsstörung hat, dann besteht die realistische Gefahr, dass diese Borderline–Persönlichkeitsstörung von einer Generation zur nächsten weitergegeben werden kann.

Denn, solche instabilen Erziehungsmuster werden stark durch die Umwelt/Umgebung verursacht.

2. Ursache & Ausbreitung von Borderline innerhalb der Familien

Um zu beobachten wie sich Persönlichkeitsstörungen ausbreiten bedient man sich hauptsächlich der Familien-Anamnesen. Hier beginnt man bei Verwandten ersten Grades von Borderline–Patienten das Auftreten von einer Borderline– oder einer anderen psychiatrischen Störung zu untersuchen.

Hier geht es in erster Linie um das zahlenmäßige Erfassen der Verbreitung innerhalb von Familien. Aus ihnen kann jedoch nicht die Ursache (!) für die Weiterverbreitung gewonnen werden! Es ist ein reines Zählen  der Fälle. Trotzdem sind solche Untersuchungen extrem wichtig.

Was haben diese Untersuchungen zur Familiengeschichte denn nun ergeben?

Diese Untersuchung zeigten, dass die Verwandten von Borderline–Patienten in einem erkennbar höheren Ausmaß:

      1. an affektiven Störungen
      2. an Suchtmittel-Gebrauch
      3. Alkoholismus
      4. Cluster–B–Persönlichkeitsstörungen leiden.
        Und hier kann man besonders stark Borderline und Antisoziale–Persönlichkeitsstörungen erwähnen.

Jetzt könnte man mal wieder sagen: „immer diese Mütter“.  … Aber kurioserweise, obwohl fünfmal mehr Menschen mit den Borderline–Symptomen in diesen Familien gefunden wurden ließ sich dieser Lehrsatz („Mütter von Borderline-Patienten sind ebenfalls Borderline-Patienten“) nicht bestätigen!

Was ergaben diese Untersuchung denn noch? Das Folgende ist jetzt sehr spannend:

Am Anfang der Untersuchungen ging man noch von der Theorie aus dass eine affektive Dysregulation (also ungebremste / unkontrollierte Gefühle) der Grund für die krankhafte Psyche von Borderline-Patienten ist.

Wichtig: Diese Theorie würde nichts anderes aussagen, als dass der Borderline-Patient selber für seine Störung verantwortlich ist!

Die Untersuchungen zeigten aber ein anderes Bild:

      • Es vielmehr besteht eine Verbindung
        • zwischen der Borderline–Persönlichkeit und einer Impulskontroll-Störung / eine Handlungsstörung wie zum Beispiel der Antisozialen-Persönlichkeit, Suchtmittel-Gebrauch.

Diese Verbindung zwischen Borderline und Impulskontrollverlust legt eine ganz andere große Problematik offen: die familienbedingte Problematik bei der Impulskontrolle.

Forscher sind sich im Laufe der Zeit der Untersuchung immer sicherer, dass ein Kind welches dauerhaft in einem familiären Umfeld von aggressiven und impulsiven Verhalten der Eltern aufwächst, sich irgendwann selber mit diesem Verhalten identifiziert.

Ist ein Kind erst einmal mit einer pathologischen Verhaltensweise identifiziert kann es gar nicht anders als diese in seinem eigenen Leben anzuwenden und weiter zu geben.

Natürlich müssen auch genetische Faktoren mit einbezogen werden. Auch sind die Forschungen hier sind noch auf einem sehr frühen Untersuchungsstand.

Was aber deutlich wird ist, dass die Umgebung ein Kind massiv prägt.

3. Konkrete Untersuchungen

Deskriptive / also konkrete beschreibende Untersuchungen sind all die Untersuchungen von Symptomen, die man von außen auch beobachten kann, ohne auf Übertragungen oder gegen Übertragungen zurückgreifen zu müssen.

Das, was man beobachten kann, wird grundsätzlich in zwei Gruppen unterschieden

      1. ganz spezifische einzelne Kindheitserfahrungen und
      2. Familiäre Prozesse, Verhaltensstile, Sprachmuster, Einstellungen, Bündnisse.

3.1 Kindheitserfahrungen

3.1.1 Frühe Trennung – und Verlusterfahrung

Was sagen die Untersuchungen über eine Verbindung zwischen diesem traurigen Thema der Trennungskinder und der Diagnose BorderlineNun, im Vergleich zur Schizophrenie, Depression, bipolaren Störung oder anderen Persönlichkeitsstörungen finden sich tatsächlich deutlich mehr Trennungserfahrungen bei den Borderlinern.

Jetzt könnte man annehmen, dass dies der Grund (!) für eine Borderline-Entwicklung ist. Neuere Untersuchung zeigen aber, dass solche frühen Trennungs- und Verlusterfahrungen wahrscheinlich weniger einzelauslösende Faktoren der Borderline–Persönlichkeitsstörung sind es ist bislang angenommen wurde.

Wie wir noch im weiteren Verlauf sehen werden, liegt die aktuelle Vermutung eher nahe,

      • dass Trennungsfamilien nicht der eine Grund
      • aber doch eine der vielen (!) Ursachen für die Entwicklung einer Boden-Persönlichkeitsstörung sein können
        • und zwar indem der verbleibende Elternteil mit der Aufgabe der Erziehung oft überfordert ist.

Mit diesem Hinweis, kommen wir wieder zu dem inkonstanten Erziehungsverhalten von weiter vorne zurück….

3.1.2. Der Missbrauch und die Misshandlung

Fast alle Studien über Missbrauch und Misshandlung junger Menschen mit einer später diagnostizierten Borderline–Störung zeigen

      • sowohl einen extrem hohen Prozentsatz an körperlicher Misshandlung
      • als auch einen sehr hohen Anteil an sexuellem Missbrauch in der frühen Jugend.

Hierin stimmen fast alle veröffentlichten Untersuchungen bisher überein: eine sehr hohe Anzahl an solchen traumatischen Erfahrungen in der Kindheit.

Ist das jetzt nicht endlich die (!) Lösung auf die Frage ob der Missbrauch und die Misshandlung die Ursache von Borderline – Persönlichkeitsstörungen sind?

OK, dieser Gedankengang liegt jetzt schon sehr nahe. Aber obwohl Missbrauch und Misshandlung in der Kindheit aller Wahrscheinlichkeit nach eine starke und prägende Rolle als Ursache für eine Borderline – Störung hat, reichen Sie als Begründung für eine Borderline – Psychopathologie immer noch nicht aus!

Hierfür gibt es zwei Gründe: 

  1. Wir müssen zum einen nämlich bedenken, dass auch verschiedene andere psychiatrische Krankheitsformen wie zum Beispiel
      • Panik- / Angst-Störungen
      • Dissoziative Identitätsstörungen und auch
      • Somatisierungen
        sich mit dem gleichen Kindheitstrauma in Verbindung bringen lassen.
  1. Als zweiten Grund müssen wir noch bemerken, dass 20 bis 40 % aller Borderline–Patienten keinen (!) Missbrauch, keine Misshandlung oder eine Vernachlässigung in ihrer Kindheit angeben

Was also ist das aktuelle Verständnis von Missbrauch und Misshandlung bei der Ausbildung einer Borderline–Psychopathologie? Nun, sie hat schon eine starke Auswirkung / ist aber nicht alleine für die Bildung dieser Störung verantwortlich.

Ohne eine zusätzliche Berücksichtigung

      • schwerwiegender Probleme,
      • andauernder emotionaler Konflikte und
      • Vernachlässigung können sie nicht alleine für sich als Auslöser betrachtet werden.

Sie sind eher Vorstufen von etwas, was ein sich wiederholendes Verhaltensmuster der Eltern ausmacht.

Wie bereits im Teil (1) (die kindlichen Untersuchungen) gesagt, muss auch das inkonsequente/unberechenbare Verhalten eines oder beider Elternteile mit einbezogen werden.

Neuere Studien zeigen, dass das gemeinsame Leben mit einem unberechenbaren aber nicht direkt misshandelnden oder missbrauchenden Elternteils eine gleich große Bedeutung im Ursprung der Borderline-Persönlichkeitsstörung hat, wie die Misshandlung und der Missbrauch in tätlicher Form.

Zusammenfassend können wir heute von davon ausgehen, dass verschiedene Kindheits-Traumen zwar wichtige Faktoren für die Ausbildung einer Borderline–Psychopathologie sind wie zum Beispiel:

      • frühe Trennung der Eltern
      • Verlust
      • Sexueller Missbrauch
      • Körperliche Misshandlung
        Sie sind aber nicht der einzige (!) Grund für die Entwicklung dieser Störung.

Mit Sicherheit ist kein Einzelereigniss für die Entwicklung dieser gigantischen Bandbreite einer Borderline–Störung verantwortlich.

Und gerade wegen dieser „extrem großen Bandbreite“ der Symptome müssen wir

      • chronische Erfahrungen dramatischer Ereignisse
      • Und das „gestörte Umfeld“ in welchem diese gemacht werden
        auch als wichtige Ursache für die Entstehung einer Borderline–Persönlichkeitsstörung anerkennen.

Immer wieder kommen wir zu dem Schluss zurück: Das Fehlen einer vernünftigen Unterstützung in Form von stabilen Familienstrukturen Beruhigender Anwesenheit Einer aktiven Erziehung

All das ist deutlich stärker an der Entwicklung einer Borderline–Persönlichkeit beteiligt als ein einzeln erlebtes Traumata.

 

3.2 familiäre Prozesse

3.2.1 gestörtes Engagement der Eltern

Wenn wir uns die Familien von Borderline-Patienten etwas näher anschauen dann finden zwei Erziehungsstiele die gegensätzlicher und unterschiedlicher nicht sein können:

      • Über-Engagement der Eltern
      • Unter-Engagement der Eltern

Obwohl Borderline-Patienten logischerweise aus den unterschiedlichsten Familientypen kommen können, ist eine Unterscheidung in diese beiden extrem voneinander unterschiedlichen Varianten bei einer Strukturierung und einer Planung späterer Therapien sehr hilfreich.

Beide Familientypen haben trotz ihrer Verschiedenheit eins gemeinsam: Das Streben des jungen Borderline–Patienten nach Unabhängigkeit, Freiheit und Autonomie in der Familie löst eine große Furcht aus: Die Furcht, dass die Familienbande dadurch zerstört wird.

Bei beiden Typen ist dieselbe Dynamik zu erkennen, in welchem eine innere Spaltung der Eltern (insbesondere in Bezug auf Abhängigkeit und Freiheit) nun auf das eigene Kind projiziert wird.

Borderline – Kinder aus überengagierten Familien stehen oft im Kampf mit ihrer Abhängigkeitproblematik.

Ein noch häufiger zu beobachtendes Verhaltensmuster in diesen Familien, besteht in der Vernachlässigung der Bedürfnisse und der Gefühlen der Kinder durch eine zu geringe empathische Sorge durch die Eltern.

In diesen Familien spiegelt das „Nicht-Engagement / dieser Nicht-Einsatz“ den starken Hunger nach Gefühlen oft nicht nur bei dem Borderliner wider, sondern auch bei den anderen Familienmitgliedern!

Das ist jetzt wieder mal ein wichtiger Begriff: dieser „unstillbarer Hunger“

Dieser unstillbarer Hunger des Borderliners – nach Nähe und haltenden Emotionen – kann auf den Elternteil (welcher sich ja selber diese Liebe und Anerkennung wünscht) zu überwältigend sein. Eltern haben in diesen Familienkonstellationen oft selber ein gestörtes Verhältnis dazu, Liebe zu geben oder anzunehmen.

Die „lieblose Kontrolle“ / „The affectionless controll“

Es gibt einen hervorragenden Fragebogen über welchen die zwei Dimensionen des elterlichen Verhaltens (die Fürsorge und der Schutz) sehr gut erfragt werden können.

Der Fragebogen „Parental Bonding Instrument“ (PBI) / Deutsch: der Kindheitsfragebogen  stellt diese beiden Gegensätze – Fürsorge/Schutz – gegenüber.

      • Ein starker Ergebnis-Ausschlag zum Thema Schutz entspricht hierbei einem zu starken familiären Engagement
      • und ein Niedriger kann ein Hinweis auf Vernachlässigung und zu wenig Engagement sein.

Nun hat man diese Fragebögen bei Borderline-Patienten zu Grunde gelegt und sie anschließend mit denen von schizophrenen, schizotypischen, anderen „Nicht-Borderline-Patienten und „normal lebenden Menschen“ verglichen.

Und tatsächlich: es gab ein übereinstimmendes Muster bei den Borderline-Patienten: Das Muster sah so aus, das beide Elternteile von deren Borderliner-Kindern als weniger fürsorglich, dafür aber als deutlich stärker schützend erlebt wurden. Deutlicher als dies die jeweilige Kontrollgruppe im Vergleich gesehen hat.

Aus dieser Kombination von geringer Fürsorge und überstarkem Schutz kam dann der Begriff von „lieblosen Kontrolle“ auf.

Eine typische Beschreibung von den eigenen Eltern ist: Sie waren unfähig Emotionen zu geben, konnten aber nicht loslassen.“

So ein überstarker Wunsch nach Kontrolle darf nicht mit dem Wunsch nach Fürsorge verwechselt werden!

Diese Eltern waren und sind selber noch mit ihren ungelösten Konflikten beschäftigt und übertrugen dies nun auf ihre Kinder.

Wenn wir diese Studien immer zu Grunde legen dann ist die „Kontrolle“ der einzig wirklich aussagefähige Messfaktor für eine Borderline–Psychopathologie wenn wir die Umweltvariablen zu Grunde legen – also alles was NICHT genetisch ist.

Gibt es also eine Entstehung von Borderline in der Familie?

Nach den heutigen Ergebnissen aus dem Studien müssen wir sagen dass eine Kombination aus elterlichem Über-Engagement und gleichzeitige Vernachlässigung, Missbrauch, Misshandlung und „Minder-Engagement“ diese krankheitsfördernde Dynamik in den Familien auslöst.

Kommen dann bei dem Borderliner noch die Reaktionen aus den Traumen hinzu (die Bildung einer prätraumatischen Persönlichkeit-Struktur) dann ist Tür und Tor für dauerhafte Probleme im zwischenmenschlichen Bereich geöffnet.

Mit  anderen Worten ausgedrückt: Es ist der Konflikt eines Borderliners zwischen der Angst vor dem Verlassenwerden und der Furcht vor der Beherrschung!

Das ist so ein Durcheinander im Kopf des Patienten:

      • Er hat einerseits Angst vor einem familiären Verlassenwerden wenn er erwachsen geworden ist und sich nun so langsam von der Familie in sein eigenes Leben begibt.
      • Und auf der anderen Seite befürchtet er aber auch total unterworfen und beherrscht zu werden wenn er bei dieser Familie bleibt und sich ihren Wünschen unterwirft.

Was für ein Konflikt!

3.2.2. Streit liegt in der Luft

Borderline-Patienten berichten häufig von Konflikten Feindseligkeiten und einer chaotischen Unvorhersehbarkeit des Verhaltens der Eltern.

Diese Kombination aus eine zu geringen „Verhaltens“-Struktur und einem zu geringen Zusammenhalt in der Familie  führt zwangsläufig zu Konflikten bei den Familienmitgliedern.

In diesen Familien existieren kaum wirksame RollenzuteilungenUnd es besteht kaum die Möglichkeit seinen Gefühlen und seinen Erwartungen genügend wertschätzenden Ausdruck zu vermitteln.

Es wird immer wieder deutlich, dass eine Kombination von konstant negativen und zerstörerischen Affekten / Gefühlsausbrüchen mit einer inkonsequenten elterlichen Autorität und Führung fast schon übermächtig häufig antisoziale Verhaltensweisen in der Pubertät und auch depressive Symptomen hervorruft. 
Und das alles in einer Anzahl, dass dies nicht mehr wegzudiskutieren ist.

Die alles sind Dinge die man sich nicht ausgedacht hat, sondern man hat diese durch die Studien retrospektiv (also über die Diagnose in die Vergangenheit blickend) analytisch herauskristallisiert hat.

Was können wir jetzt zusammenfassend über diese frühen Familien-Interaktionen sagen?

Borderline – Patienten sind deutlich häufiger in chaotischen Familien aufgewachsen Die wahrscheinlich mit eigenen großen Schwierigkeiten wie zum Beispiel finanziellen Problemen, Gesundheit etc. zu kämpfen hatten Und in denen die Eltern nicht in der Lage darin waren für eine ausreichende Erziehung, Schutz oder emotionalen Halt zu bieten.

      • Wir sprechen hier von Familien in denen die Bindung fehlten
      • und in denen der Ausdruck von Gefühlen nicht zur Unterstützung der Eltern führte sondern eher zu Kritik, Vorwürfen oder zu überhaupt keine Antwort.
        (Das Beispiel von dem Jungen, dessen Tagebuch vorgelesen wurde und man sich darüber lustig machte)

Das waren jetzt retrospektive Untersuchungen. Schauen wir uns mal Untersuchungen an, welche die aktuelle Interaktion / das aktuelle Miteinander der Familie im Fokus haben:

3.2.3. Das aktuelle Verhalten innerhalb der Familie

Es ist einerseits richtig, in die Vergangenheit zu schauen und daraus Ergebnisse für das JETZT (!) zu sehen….. Andererseits hat es aber auch einen starken Vorteil sich den laufenden Interaktionen innerhalb der Borderline – Familie zuzuwenden.

Denn aus den Beobachtungsergebnissen können sich häufig sehr viel besser Strategien zur Strukturierung einer Therapie ableiten lassen – und um die Therapie geht es ja jetzt!

Die Annahme hierbei ist relativ klar:

  • Das was sich in frühester Kindheit und in der Pubertät im Verhalten zwischen älteren Kindern als krank / pathogenetisch gezeigt hat,
  • das wird auch beim Erwachsenen Patienten weiter fortbestehen und die aktuelle Borderline–Psychopathologie aufrecht halten.

Eine hoch interessante Untersuchung von den Professoren Shapiro und Zinner zeigt auf, dass sich eine Borderline–Psychopathologie fast immer an den Strukturen der Rollen-Zuteilungen innerhalb der Familie erkennen lässt:

„ die Eltern stellen den Heranwachsenden z.B. als einen unfähigen Menschen dar, der nicht für sich für sich selbst sorgen kann und sind darum in ihrer Kontrolle überengagiert.“

Die Professoren gehen aufgrund Ihrer Beobachtungen davon aus, dass bei diesen Eltern nun wieder die eigenen unbewältigten Konflikte aus ihrer Kindheit im Zusammenhang mit Autonomie und Abhängigkeit aufkommen wenn das eigene Kind sich selbstständig machen möchte und man fällt in eine gesamtfamiliäre Regression.

Kurz zum Thema Regression:

Wir sprechen von einer Regression wenn man (z.B. aufgrund von starker Belastung) wieder in frühere Stufen der Entwicklung zurückfällt. Problemlösungen werden dann häufig nicht mehr kognitiv / überlegt angegangen sondern in reflexhaftem Schreien, Spalten oder sonstigem abwehren.

Mehr Informationen in meinem Video: Borderline verstehen – Die Regression

Du findest dieses Video unter folgendem Link: https://youtu.be/8hmHIFebHvo

Möchte ein Familienmitglied nun mehr Freiheit (im Rahmen der beiden natürlichen Separations- / Trennungsphasen: im Alter von 2-3 Jahren und in der Pubertät) dann hält dies die Familie fälschlicherweise für den Ausdruck einer Entwertung und einer Zurückweisung der familiären Werte. Und reagiert vollkommen falsch …

Anstatt das kleine Kind oder den jungen Menschen der Pubertät jetzt in seinem natürlichen Streben nach Unabhängigkeit zu fördern, versagen diese Familien und Antworten mit noch mehr Kontrolle.

Wie kann man in so einem Fall therapeutisch vorgehen?

Durch die Unterstützung einer begleitenden Familientherapie, einer Paartherapie für die Eltern, kann eine Neuordnung in dieser Familien-Interaktion angestrebt werden.

Es geht häufig nur miteinander! Darum ist eine Integration der Eltern fast immer zwingend notwendig.

Das Ziel solch einer „Familien“-Therapie besteht darin, die Spaltung zu verringern eine Ambivalenz Toleranz zu fördern und nicht zuletzt:  bei den Eltern verleugnete, projizierte Selbstanteile zurück zu gewinnen

Das Muster von Kommunikationsstörungen

Einige Untersuchungen haben außerdem belegt, dass Eltern von Borderline-Patienten ihre eigenen Kinder ganz anders wahrnehmen als diese sich selbst.

Borderline-Patienten erleben sich in einem deutlich höheren Maß als von ihren Eltern entfremdet als Nicht–Borderliner.

Die Ergebnisse dieser Studien zeigen, dass sich Eltern des inneren Erlebens ihrer Borderline-Kinder oft nicht bewusst sind. Dadurch entwickelt sich fast zwangsläufig ein starkes Gefühl der Entfremdung bei dem jungen Patienten.

Professor Shapiro hat das mit dem schönen Satz auf den Punkt gebracht: „es ist das Fehlen von neugierigem Interesse aneinander.“

In diesen Studien fand man heraus, dass sowohl das gestörte Beziehungsmuster zwischen den Eltern und ihren Kindern aber auch die viel zu geringe Kommunikation in diesen Familien  in direkten Zusammenhang mit dem Verhalten der Borderline-Kinder steht.

Was für Rückschlüsse können wir hieraus ziehen?

      • Das typisch impulsive Verhalten,
      • die Suizidalität und
      • das selbstzerstörerische Verhalten der Borderline–Patienten
        kann als „spezielle Kommunikationsform“ verstanden werden (ein lauter und trotzdem stummer Schrei nach Liebe)

        Und es zeigt das Bedürfnis nach elterliche Aufmerksamkeit und die flehentliche Bitte um Beteiligung an ihrem Leben.

All das geschieht auf eine so deutliche Art und Weise dass diese nicht mehr zu ignorieren ist oder über die man nur schwer wütend werden kann denn meistens verletzt er sich ja selbst….

Die Konsequenz daraus: Eltern von Borderline-Patienten sollte erklärt werden, dass das selbstzerstörerische Verhalten, das suizidale Denken ihrer heranwachsenden Borderline–Kinder mit einer besseren Kommunikation überflüssig werden könnte.

Ich finde, diese Studie hat Zündstoff.

Eine sehr wichtige therapeutische Konsequenz hieraus besteht darin, bei den Eltern eine gewisse Neugier und einen aktiven Umgang mit dem Borderline-Patienten zu fördern  um damit ihre Fehlwahrnehmung zu korrigieren.

Kommunikationsdefizite werden durch Kommunikation in der Therapie als Hauptproblem identifiziert! Und genau das kann auf einem gut strukturieren therapeutischen Weg ebenso wieder korrigiert werden.

Was sagen die Studien noch?

Andere Untersuchungen zeigen dass in Borderline–Familien eine sehr geringe emotionale Ausdrucksfähigkeit zueinander (!) existiert.

Der Fragebogen: DRS Dyadic Relationship Scale“ wurde diesen Studien zu Grunde gelegt. 
Das Ergebnis: die emotionale Ausdrucksfähigkeit wird von allen Familienmitgliedern (!) als vollkommen unzureichend

Die Folge davon ist, dass in den Borderline– Familien verwischte Grenzen in der Familienhierarchie herrschen das die Generationsgrenzen zusammenbrechen.

Die Folge: ein Chaos und ein Durcheinander bezüglich bestehender Grenzen / oder auch möglicher Werte die gar nicht zum Tragen kommen können innerhalb solch einer Störung.

Dieses inkompetente „Durchprügeln“ von Regeln und unangemessene Bestrafen wird typischerweise und regelmäßig aus Borderline–Familien berichtet.

Wie kann man therapeutisch dagegen vorgehen?

Es scheint sinnvoll, in Familientherapien auf eine Strukturierung der Familienhierarchie hin zu arbeiten und Eltern zu helfen dem Verhalten ihrer Kinder klare Grenzen zu setzen. (Das Beispiel eines Leuchtturms mag hier helfen) 

So, das waren jetzt einmal eine Zusammenfassung der mir bekannten Studien in Bezug auf die drei Bereiche der

      • Entwicklung,
      • der Epidemiologie und
      • der deskriptiven Faktoren

In einem künftigen Bericht werde ich dann darauf eingehen welche verschiedenen therapeutischen Ansätze zur Zeit diskutiert werden um diesem Chaos in den Familien zu begegnen.

Bleiben wir gespannt, was die Zukunft noch über dieses Thema bereithält. 

 

 

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Umgang mit einem Borderliner – technische Neutralität

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  • Das Wort Neutralität kommt aus dem lateinischen ne-utrum „Keines von beiden“.

Im Grunde genommen bedeutet es nichts anderes als: unparteiisch, geschlechtslos, um geladen, ausgewogen

Eines der wichtigsten Ratschläge im Umgang mit einem Borderliner –Patienten in deiner Umgebung – und hier ist es wirklich egal ob er in deiner Verwandtschaft / Bekanntschaft / Arbeitskollegen / Schule / Verein mit dir in Kontakt ist.

Das Verhaltensschema der Borderline-Störung ist sich in seiner Spaltung sehr ähnlich und der Ratschlag bleibt darum immer der Gleiche:

Bleibe in deiner „technischen Neutralität“.

Das bedeutet aber nicht, dass du dich von jetzt ab total gleichgültig, uninteressiert in Deinem Umgang zum ihm verhalten solltest.

Sigmund Freud hatte aber in seinem Brief an seinen Freund Oskar Pfister 1916 bereits geschrieben, dass wir uns vor Mitleid schützen müssen.

Mitleid ist nichts anderes als eine Aggression in einem „veredelten Kleid“Man nennt dies eine sublimierte Aggression.

Wenn wir Mitleid zu einem Borderline-Patienten empfinden dann bedeutet dies dass wir ihn eigentlich herabsetzen und nicht als vollwertige, normale Person in unseren Augen respektieren.

Sei dir stets bewusst: dass ist bereits die erste Stufe der Verführung durch den Borderliner. Die Folge dieser Verführung wird die Spaltung sein indem du von ihm entweder zu einem idealisierten oder zu einem verfolgenden Objekt kategorisiert wird.

Was bedeutet dies nun aber für unseren Umgang mit einem Borderliner?

      • Das bedeutet, wir müssen ihm gegenüber immer direkt sein!
      • Wir müssen uns klar auch trauen, ihn zu fragen: „warum, wieso?“
      • Und wir müssen uns auch trauen, den Patienten nicht in seiner Mythologie / seinen Geschichten / seiner „Denkwelt“ zu bestätigen.

Zusammengefasst: Wir müssen alles versuchen, uns von seinen Übertragungen zu lösen.

Seine Fragen an uns:

      • glaubst du mir nicht?
      • Bist du nicht meiner Meinung?
      • Ist das nicht schrecklich? 
        diese sollten wir besser mit Gegenfragen erwidern:
      • „Warum brauchst du meine Meinung anstatt deine eigene zu vertreten?“

D.h. also nichts anderes als dass ich meiner persönlichen Meinung (bin ich Therapeut: dass ich meiner persönlichen Arbeit) treu bleibe anstatt den Wünschen des Gegenübers / des Borderliners  zu entsprechen.

Was wird in 9 von 10 Fällen die Folge sein?

Nun, sei Dir bewusst, das dies dann der Anfang einer typischen Übertragung sein wird, in welcher Du erstmal als sadistisches Objekt eingestuft wirst. Du bist dann der Böse!

Das ist natürlich schwer für einen Angehörigen, Freund aber auch für den Therapeuten zu tolerieren. Niemand ist gerne ein sadistisches / ein böses Objekt in den Augen des Anderen. Auch nicht wenn er ein Borderliner ist.

Meiner Meinung nach aber ist diese Toleranz / und diese Neutralität genau die richtige und wichtige Vorbedingung für eine Loslösung von Gegenübertragung und Übertragung mit dem Borderliner.

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