An dieser Aussage ist nichts zu rĂŒtteln. Und ein âEntwicklungstraumaâ kann verheerender im Leben wirken als ein einzelnes âEreignis-Traumaâ. Durch einen einzelnen Schlag kann die Haut zerschnitten oder anderweitig zerstört werden. Schlage ich jedoch andauernd mit einem dumpfen Gegenstand auf eine Stelle, dann stirbt diese irgendwann auch ab.
Armut lĂ€sst einen zurĂŒck in einem Mangel, einer Ohnmacht. Und wĂ€hrend auf der einen Seite der Mangel einen handlungsohnmĂ€chtig macht, kommen auf der anderen Seite völlig neue Stimmen – diese demotivierenden inneren Kritiker – empor. Fragen Sie sich einmal selbst:
Wenn Ihnen etwas immer und immer wieder misslingt ⊠was sagen Sie dann in der Regel zu sich? Sind es nicht SÀtze wie:
Kennen sie diese innere Stimme? Woher kommt dieser demotivierenden Kritiker? Und wenn Sie diese innere Stimme bei sich schon kennen ⊠könnten diese bei anderen in ihrer Umgebung ebenso, eventuell noch deutlich lauter ertönen?
Unser Körper kann nicht vergessen? Wie ist das gemeint? Was antworten Sie / oder wie vervollstÀndigen sie folgende AnfangssÀtze? Interessant, nicht wahr? Wir alle kennen diese SÀtze, wissen aber nicht, wer uns diese wann und wo gelehrt hat. Sie sind aber so fest in uns drin, dass sie
Ein portugiesischer Neurologe â Antonio Damasio â nennt sie âPrĂ€motorische Handlungsimpulseâ oder âvorbewusstliche Handlungsangeboteâ. Woher sie kommen, wie sie uns in unserer Entwicklung beeinflussen, dazu gibt uns die moderne Psychologie-Forschung immer interessantere Antworten.
Ein fesselndes Thema ist zum Beispiel die Persönlichkeitsentwicklung unter dem Armuts-Trauma.
Armut ist ein Trauma? Ja! Und warum das so ist, möchte ich nun gerne einmal beleuchtenâŠÂ
Ihre fasst schon alptraumhafte Gemeinsamkeit ist die permanent prĂ€sente Handlungsohnmacht. Aber bevor wir diesen Begriff âHandlungsohnmachtâ nĂ€her beleuchten, möchte ich Trauma und Armut kurz erklĂ€ren.
Es ist ein Erlebnis / eine Situation, die mich mit meinen eigenen Ressourcen und FĂ€higkeiten in diesem Moment ĂŒberfordert. Ich kann sie nicht verarbeiten und meine Psyche spaltet sie in diesem Moment ab.
Armut ist ein Mangel⊠Ein Mangel an Ressourcen um BedĂŒrfnisse, WĂŒnsche, Ziele und Hoffnungen in einem vernĂŒnftigen MaĂe zu befriedigen.
Die Etymologie ist die Lehre vom wahren Sinn eines Wortes.
Und was ist dann die Etymologie von Armut? Armut entspringt einem germanischen Wort fĂŒr âverlassenâ und hat seine Wurzel in dem indogermanischen Begriff fĂŒr âverwaistâ. Im Griechischen kennt man âeremosâ = âeinsamâ. Bestimmt denkst du nun an den Begriff Eremit.
Wenn ich die Armut mal mit dem Begriff Trauma in eine direkte Beziehung bringen darf, dann wĂŒrde ich dies gerne so formulieren:
Der âarmeâ Mensch ist einsam und hat keine Ressourcen bzw. keinen Helfer, um eine Situation zu meistern. Ihm fehlen die körperliche, materielle und auch geistige UnterstĂŒtzung seiner Umgebung.
Der traumatisierte Mensch
Eigentlich alles recht simpel und logisch. Aber ⊠kann ich mir das alles denn wirklich so einfach machen? Lass uns Trauma und Armut mal noch nĂ€her betrachten:Â
Trauma ist ursprĂŒnglich ein griechisches Wort und bedeutet âWundeâ. Das Verb âtitroskeinâ bedeutet âverwunden, durchbohrenâ.
Ein anderes ihm Ă€hnliches âteireinâ hat die Bedeutung von âaufreiben.
Was aber wird bei einem Trauma verwundet und / oder aufgerieben? Der Mensch als einzelnes Wesen, dem Individuum wird seit Homer (850 v.u.Z.), Heraklit (460 v.u.Z.) und Platon (348 v.u.Z.) in drei groĂe Ebenen unterteilt.
Auch neuzeitliche Denker wie Viktor Frankl (1978) oder Donald Winnicott (1971) halten diese Unterteilung fĂŒr hilfreich um dem Menschen als Ganzes eine beschreibende Form zu geben.Â
Erster Merksatz: Unsere Psyche gilt als der Sitz unserer IdentitĂ€t â und genau hier bildet sich die Persönlichkeit und setzt ein Trauma an. In unserer Psyche wird dass, was wir erleben, permanent geprĂŒft und verarbeitet. Das, was von ihr verarbeitet werden konnte, lĂ€sst unsere IdentitĂ€t und damit unser ICH wachsen âŠÂ Dann gibt es aber noch die anderen Erlebnisse â die in dem Moment halt nicht verarbeitetet werden konnten. Sie hinterlassen etwas anderes zurĂŒck, und zwar eine Art Ohnmacht.
Die nicht verarbeitbaren Erlebnisse sind dass, was wir ein Trauma nennen
Wir sind mitten in unserem Thema: Trauma und der Mangel durch Armut. Das reale Leben durchkreuzt viel zu oft unsere Anstrengungen, eine gesunde IdentitĂ€t zu entwickeln. Diese Ereignisse ĂŒberfordern in diesem Moment unsere Psyche und entwickeln sich in unserem Kopf immer stĂ€rker zu einem abgetrennten âdualen GedĂ€chtnisâ.Â
Nochmals: Sie sind das eigentliche Trauma von dem wir immer wieder sprechen! Du wirst feststellen, dass die gleichen Ereignisse, bei dem Einen eine gesunde IdentitÀt fördern und bei dem anderen ein Trauma verursachen können. Wichtig sind hier zwei Faktoren:
Den ersten Punkt âes prĂ€gt sich alles dauerhaft in unserem Soma / unserem Körper ein, den hatte ich ja bereits mit dem Anfangszitat von Sigmund Freud erwĂ€hnt.  Antonio Damasio hat durch seine Forschungen gezeigt, dass sich all unsere Erlebnisse â auch wenn wir diese bewusst / kognitiv nicht immer abrufen können â in unserem Körper verfestigen.
Ich möchte dies mit einer 2009 veröffentlichten und mittlerweile zum Klassiker gewordenen Studie von Chuck Hustmyre (einem pensionierten U.S. Bundesagent) und Jay Dixit (einem Redakteur und Forscher im Bereich KriminalitÀtsprÀvention) verdeutlichen:
Sie forderten ĂŒberfĂŒhrte und im GefĂ€ngnis sitzende StraftĂ€ter auf, sich ein ganz einfaches Video von einer belebten FuĂgĂ€ngerzone anzusehen. Ihre Frage war genauso einfach: Wen wĂŒrden sie sich als Opfer auswĂ€hlen?
Es waren die nonverbalen Signale, die ihr Körper ausstrahlte. Es war die Art ihrer âinteraktionalen Synchronieâ es war der âMangel an Ganzheitlichkeitâ Die StraftĂ€ter unterstellten diesen Menschen weniger Selbstvertrauen. Woher kommt dieser Mangel an Selbstvertrauen? Solche Menschen haben in ihrer Kindheit mehr Traumata erlebt als andere.
Wie ich darauf komme? Ich nehme hier gerne die ACE-Studie (ACE = Adverse Childhood Experiences) als ErklÀrung zu Hilfe.
Sie ist eine der bekanntesten Studie, wenn es darum geht, den Zusammenhang zwischen Kindheitserlebnissen und dem spĂ€teren Leben als Erwachsener aufzuzeigen. Sie wurde in Amerika bereits an ĂŒber 17.000 Erwachsenen durchgefĂŒhrt.
Anhand von 10 Fragen ĂŒber die Erlebnisse der Kindheit können klare ZusammenhĂ€nge zwischen Kindheitstrauma und der spĂ€teren geistigen / körperlichen Gesundheit erkannt werden. Ein trauriges Ergebnis ist zum Beispiel, dass Frauen, die in ihrer Kindheit vergewaltigt wurden, eine > 6-mal höhere Wahrscheinlichkeit haben, spĂ€ter als erwachsene Person, dies wiederholt zu erfahren. Warum? Durch die Verunsicherung der persönlichen Erfahrung scheint ihr Körper dies nach auĂen hin zu signalisieren. Ein Signal, dass SexualstraftĂ€ter als Einladung interpretieren, ihre widerlichen Handlungen auszufĂŒhren. Kindheitstraumata verĂ€ndern das gesamte Leben!
Das war der erste Faktor, wie sich ein Trauma auf den Menschen auswirkt. Wie können wir diese Problematik lösen? Die Lösung lautet: ContainingâŠÂ
Wie unterschiedlich sich gleiche Situationen auf unterschiedlich resiliente Menschen auswirkt und wie das Problem gelöst werden kann, möchte ich einmal anhand der abgebildeten Familiensituation veranschaulichen.Â
Du siehst hier ein Elternpaar, das miteinander eine Meinungsverschiedenheit / einen Streit hat. Du und ich, wir sind mittlerweile erwachsen. WĂ€ren wir nun Beobachter dieser Situation, dann wĂŒrden wir wahrscheinlich zu den Eltern gehen, mit ihnen in aller Ruhe ĂŒber deren Konflikt sprechen und gemeinsam nach einer Lösung suchen. Das Kind jedoch, kann dies alles noch nicht! Es hĂ€lt sich die Ohren zu und wĂŒrde am liebsten davonlaufen. FĂŒr das Kind (!) ist diese Situation eine Handlungsohnmacht / ein Trauma! Es kann diese Situation noch nicht verarbeiten und ist hierbei völlig auf die Hilfe der Eltern angewiesen. Diese unterstĂŒtzende Hilfe nennen wir Containing.
Kommt die Hilfe / das Containing durch seine Eltern jedoch nicht, dann bleibt das Kind in einer gewissen (Handlungs-)Ohnmacht zurĂŒck. Es versucht die Situation abzuspalten â es bildet sich in seiner Psyche ein Trauma. Und zack ⊠das duale GedĂ€chtnis hat dann mal wieder einen neuen Bestandteil im immer praller gefĂŒllten âTraumaâRucksackâ / dem vorhin erwĂ€hnten âDualen-GedĂ€chtnisâ.
Der Vergleich mit einer âGeiselhaftâ
Falls dir das alles ein wenig ĂŒbertrieben vorkommt, ⊠ein Streit der Eltern soll bei einem Kind â wenn das elterliche Containing ausbleibt â ein Trauma erzeugen ⊠dann möchte dir einmal einen Vergleich zu der Situation des Kindes aufzeigen: Es könnte sich fĂŒr dich im ersten Moment etwas weit weggeholt anfĂŒhlen ⊠trotzdem bitte ich dich einmal diese völlige AbhĂ€ngigkeit eines Kindes von seinen Eltern aus dem Blickwinkel einer Geiselnahme zu betrachten.Â
Oft ist das Leben einer Geisel zu 100 % von dem âgoodwillâ / der Laune des Geiselnehmers abhĂ€ngig. Das Leben eines kleinen Kindes ist jedoch auch zu 100 % von den Eltern abhĂ€ngig! Da besteht erst einmal kein Unterschied. Das können wir drehen und wenden wie wir wollen.
Klar, normalerweise wenden sich liebevolle Eltern immer mit mĂŒtterlicher oder vĂ€terlicher Zuwendung dem Kind zu.Â
Wenn die AbhÀngigkeit der Kindheit einer Geiselhaft Àhnelt, warum wachsen dann die meisten Kinder ohne (!) ein Trauma auf? Ganz einfach: die allermeisten Eltern verhalten sich auch so, wie man es von Eltern erwarten darf: sie wenden sich ihrem Kind in liebevoller Form zu und wenden das an, was in der Psychologie Containing genannt wird. Das dahinterstehende Prinzip sehen wir jetzt auf dem nÀchsten Bild: Wilfred Bion war ein britischer Psychoanalytiker und hat diesen Begriff mit als erster entwickelt.
Containing ist ein dreiteiliger Vorgang:
Ein schönes Beispiel kann man hier unten in dem Bild erkennen:Â
Das Kind verletzt sich beim Spielen, die Mutter tröstet es liebevoll und sagt vielleicht: âMorgen oder nĂ€chste Woche wirst du den Schmerz nicht mehr spĂŒren.â Solch eine haltende Handlung ist typisch fĂŒr das Containing.
Auf der rechten Seite siehst du ein Plakat von dem Film âDas Leben ist schönâ aus dem Jahre 1997.Â
Das ist zugegebenermaĂen schon eine besondere Form des Containings,
Alles wurde nun in etwas ErtrĂ€gliches verĂ€ndert und am Ende hatte der Junge sogar noch das GefĂŒhl das Spiel gewonnen zu haben â in der Schlussszene saĂ er nĂ€mlich auf dem Panzer, den er sich immer gewĂŒnscht hatte.Â
Was aber passiert, wenn wir diese Hilfe / UnterstĂŒtzung oder auch Containing genannt nicht erhalten? Dann befindet sich das Kind in einer Ă€hnlich ausweglosen Lage der eines Geiselnehmer.
Interessanterweise gab es zu genau diesem Thema Anfang der 1980er Jahre eine Studie – durchgefĂŒhrt von Stephen Maier von der UniversitĂ€t in Colorado und Martin Seligmann, der spĂ€ter 1998 der PrĂ€sident der APA (American Psychological Association) wurde â mit dem Thema der âerlernten Hilflosigkeit bei Tieren.
Maier und Seligmann hatten Hunde in einem geschlossenen KĂ€fig mehrfach hintereinander mit sehr schmerzhaften und fĂŒr sie unausweichlichen Elektroschocks gequĂ€lt. Erinnert dich dass auch an eine Geiselhaft? Nach mehreren DurchgĂ€ngen öffneten die Forscher dann die KĂ€fige und versetzten den Hunden dann erneute Schocks. Eine Kontrollgruppe von Hunden, die vorher keine Schocks erhalten hatten, verlieĂen auf der Stelle ihre KĂ€fige. Was aber taten die zuvor gequĂ€lten Hunde in den geschlossenen KĂ€figen? Sie versuchten nicht einmal zu fliehen, obwohl die TĂŒr weit offen war. Sie lagen einfach da, winselten und entleerten sich in die Ecke. Auch wenn dieser Test ethisch mindestens als problematisch eingestuft werden muss, da seine Ergebnisse existieren, können wir ihn trotzdem nutzbringend anwenden.
Also, was lernen wir daraus? Die reine Möglichkeit, sich aus einer schlimmen Lage zu befreien, bringt traumatisierte Tiere – und ich behaupte nun vorneweg – auch traumatisierte Menschen nicht automatisch dazu, den Weg in die Freiheit zu wĂ€hlen. Wenn Menschen, ganz junge Menschen in einer Zeit der Hilflosigkeit – weil AbhĂ€ngig von den Eltern – derart missachtet, eingeengt und dauerhaft in ihrer Entwicklung beeintrĂ€chtigt werden, dann erlernen Sie mit der Zeit eine persönliche Hilflosigkeit. Auch wenn sie spĂ€ter erwachsen sind, können Sie sich aus Ă€hnlichen Situationen nicht mehr befreienâŠÂ So grausam dieser Test auch ist, einen sehr interessanten Lösungsansatz bietet er trotz alledem:
Ich greife hier schon mal den Punkt (4.) auf, wo es um die reinen LösungsansĂ€tze geht: Die Forscher hatten nĂ€mlich herausgefunden, dass die einzig wirklich sinnvolle Hilfe – den KĂ€fig wieder zu verlassen darin bestand, sie wiederholt / mehrfach mit den bloĂen HĂ€nden herauszuziehen, damit sie an ihrem eigenen Körper fĂŒhlen konnten, wie man sich aus einer schwierigen Situation selber entfernt.
FĂŒr unser Thema rund um Kinderarmut und das Trauma stellt sich die Frage: Brauchen auch die vielen heute traumatisierten Menschen solche körperlichen Erlebnisse, um das GefĂŒhl zurĂŒckzubekommen sie hĂ€tten das Leben wieder unter Kontrolle? Wie anders wĂŒrde unsere Welt doch aussehen, wenn sie es lernen könnten, ihre eigene BewegungsfĂ€higkeit wieder zu nutzen, um einer Situation zu entkommen? Solch ein Gedankenansatz sollte nicht unter den Tisch fallen!
Ein Kind kommt zur Welt. Wunderbar dieser Moment ⊠Die Entwicklung seiner Persönlichkeit hat hier aber gerade erst begonnen. Der Begriff Persönlichkeit ist leicht mit Temperament und Charakter zu verwechseln. Darum sollten wir diese drei Begriffe erst einmal voneinander abgrenzen âŠ
3.1.1. Das Temperament wird hauptsĂ€chlich durch unsere Gene beeinflusst und steht bereits bei unserer Geburt fest. Wer wie ich mehr als ein Kind hat weiĂ, dass Neugeborene bereits sehr unterschiedlich auf gleiche Reize reagieren. Wir können das Temperament auch den Bauch (âKopf-Herz-Bauch-Modellâ) oder das âEsâ nach Sigmund Freud nennen. In der Transaktionsanalyse sprechen wir hier von dem Kindheits-Ich. Ein neugeborener SĂ€ugling ist zu 100% noch reines âEsâ oder âBauchâ.
3.1.2. Der Charakter kommt mit der Nachreifung unseres limbischen Systems und des Neokortex. Er wird durch das âAuĂenâ wie z.B. Erziehung, Lebenserfahrung, Regeln Schule etc. gebildet. Er macht ca. 40% unserer Entscheidungen aus. In dem Kopf-Herz-Bauch-Modell handelt es sich hier um den Kopf, das âĂber-Ichâ bei Sigmund Freud oder das Eltern-Ich in der Transaktionsanalyse.
3.1.3. Unsere Persönlichkeit ist das eigentliche âIchâ nach Freud, das Erwachsenen-Ich nach der Transaktionsanalyse oder das entscheidende Herz nach dem Kopf-Herz-Bau-Modell.
Merksatz: Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung, haben ein gestörtes Muster in ihrer Entscheidungs-Mitte, dem Herz, dem Erwachsenen-Ich!
Wie geht das nun in der Praxis vor sich? Das, was wir als Erwachsener psychisch in unserem Inneren erleben, das war in den ersten Lebensmonaten einmal ein bestimmtes Beziehungsgeschehen in unserem ĂuĂeren â der Neurologe Antonio Damasio nennt dies die âsomatischen Markerâ. Er lokalisiert dieser in ventromedialen prĂ€frontalen Cortex âŠ
Oder etwas praktischer erklĂ€rt: Ein im Erwachsenenleben gestörtes Denkmuster war mal ganz am Anfang eine Störung in der Beziehung zwischen dem SĂ€ugling und seinen dyadischen Bezugspersonen wie Mutter oder Vater – die er fĂŒr sich auf seine ganz spezielle persönliche Art und Weise wahrgenommen und dann auch verinnerlicht hat. Solch eine psychische Störung ist dann wie ein eingefrorenes und in die Persönlichkeit fest verwachsenen Störungsmuster seiner Beziehung zur Umwelt.
Vergleichen können wir dies mit dem Permafrost, der so stark bindet, dass er sogar ganze Bergmassive hĂ€lt. Aber wehe, wenn der Permafrost auftaut ⊠dann brechen riesige Felsblöcke ab⊠Allein in der Schweiz sind derzeit 20 Millionen Kubikmeter Gestein durch solche AbbrĂŒche gefĂ€hrdetâŠÂ Der innere Permafrost mit all seinen eingefrorenen Wunden und Traumen des Lebens â wie zum Beispiel dem Dauermangel der Armut – kann jedoch viel katastrophaler auftauen.
Warum ist diese StabilitĂ€t oder Containing durch die Eltern so wichtig? Warum sind Kinder ohne diese StabilitĂ€t auf dem sicheren Weg in ein traumatisiertes Leben?  Otto Kernberg â einer der ganz fĂŒhrenden Denker im Bereich Persönlichkeitsstörungen â verglich die Persönlichkeit eines neugeborenen Kindes mit der Konsistenz eines Wackelpuddings đ.  Ein kleines Kind kann seine Stimmungen permanent und in Sekundenbruchteilen von gut nach böse und von böse nach gut â von traurig nach lustig und von lustig nach traurig wechseln.
Ohne kognitive Logik â der PrĂ€frontale Kortex ist sich ja erst noch am ausbilden â ist das Kind völlig seinen BauchgefĂŒhlen unterworfen. Das ist an sich nichts Böses, sagt aber, dass es in alle Richtungen wie ein Wackelpudding am Wackeln ist. Hast du Wackelpudding aber schon einmal versucht fest zu machen? Du brauchst dafĂŒr â neben einer Form â Gelatine.  Was aber wenn du keine Gelatine hast? Dann kannst du den Wackelpudding nur noch durch Einfrieren irgendwie in eine feste Form bringen âŠ
Wenden wir dieses Beispiel mal auf die Kindererziehung anâŠÂ  Ein Kind, das sich in seiner entwickelnden Persönlichkeit noch wie ein Wackelpudding verhĂ€lt, braucht dringend die elterliche StabilitĂ€t â das Containing â um in sich StĂŒckchen fĂŒr StĂŒckchen immer fester zu werdenâŠÂ
Fehlt diese Gelatine / dieses haltende Containing, dann muss das Kind irgendwie selber / mit eigenen Mitteln fest werden â und diese eigenen Mittel sind naturgemÀà sehr begrenzt.  Dies geschieht in der Regel dann durch die klassischen Amygdala-Reaktionen âFlucht, Kampf oder halt ein erstarrendes Einfrierenâ. Und ist es nicht erstaunlich, wieviel erfrorene Kinderseelen wir heute sehen?
Armut â dieser Dauermangel â fungiert hier wie ein Entwicklungstrauma. Trauma und Armut sind beide eine Handlungsohnmacht. Armut ist mit das gröĂte Risiko in der Kinderentwicklung unserer heutigen Zeit.
Anfang der 1960er Jahre in Ypsilanti Michigan. NĂ€he Detroit, USA. Dort gibt es nicht viel ErwĂ€hnenswertes â wĂ€re da nicht die Perry Grundschule an der eines der wichtigsten Experimente ĂŒber die Langzeiteffekte frĂŒhkindlicher Bildung stattgefunden hat. Diese Schule existiert heute ĂŒbrigens immer noch âŠÂ Damals war es eine sogenannte Problem-Zone. Viele farbige Einwohner, ohne Arbeit lebten dort in beengten Wohnungen.
Ein Mann â David Weikart â war damals Leiter des Ressorts âSonderschulenâ und hatte die Idee, dass die Kinder bereits ab dem 4. Lebensjahr in die Vorschule gehen sollten. Gegen viel Druck grĂŒndete Weikart Michigans erstes staatlich finanziertes Vorschulprogramm. In dieses wurden 123 afro-amerikanische Kinder aus Familien mit geringem Einkommen aufgenommen. Allen Kindern wurde niedrige Intelligenz und eine Zukunft als Versager âbescheinigtâ. Die Gruppe wurde aufgeteilt in 58 Kinder, denen ein hochwertiges Vorschulprogramm gegeben wurde und in eine 65 Köpfe starke Kontrollgruppe.
Was waren die Ergebnisse? Ich bin mir sicher, sie werden ein wenig staunen, wenn auch nicht von Anfang an. Nach dem Stanfort-Binet-Test (ein verbaler Test der seit 1916 existiert und immer wieder verfeinert und revidiert wurde) hatten die Kinder einen IQ von à 79. Nach dem ersten Schuljahr lagen die Vorschulkinder durchschnittlich um 10 IQ-Punkte vorne. Dies hÀtten sie wahrscheinlich auch so vermutet.
Jetzt kommt aber eine Phase der EnttĂ€uschung: Bereits 3 Jahre nach Abschluss des Vorschulprogramms â die Kinder waren da ca. 8 Jahre, gab es praktisch keinen Unterschied mehr. Die Wirkung schien vorbei zu sein. Ist das alles nur ein kurzfristiges Placebo gewesen? Als die Kinder 14 Jahre alt wurden gab es aber eine sehr interessante Entwicklung âŠÂ SĂ€mtliche Vorschulkinder schnitten nun in Rechnen, Lesen und Sprachentwicklung deutlich besser ab als die Kinder der Kontrollgruppe. Diese Entwicklung hat auch nicht aufgehört als die Kinder â heute erwachsene Menschen â mit 15 Jahren, 19 Jahren und mit 27 Jahren befragt wurden.
Sind Sie diesem Ergebnis gegenĂŒber kritisch? James Heckmann â er erhielt im Jahr 2000 den Nobelpreis fĂŒr seine Entwicklung von Theorien und Methoden zur Analyse selektiver Stichproben â war hier mehr als skeptisch und fing an zu rechnen.
Seine Grundfrage war: Welche Investition, in welcher Zeit hat spĂ€ter welchen Wert? Was sich alles nach nackten Zahlen anhört hat ein ganz anderes Interessensgebiet: Es sind die Biographien die dahinter stecken. Wie lassen sich durch welche Investitionen LebenslĂ€ufe und LebensumstĂ€nde gezielt beeinflussen? Anstatt zu philosophieren, rechnete Heckmann einfach nach đ um herauszufinden, was sich wann und wo wirklich rentiert. Eines seiner Ergebnisse war, dass sich Investitionen in aktuell aktive Arbeitsmarktprogramme kaum bezahlt machen â ein meines Erachtens wichtiger Aspekt.
Ein anderes war aber, dass sich frĂŒhe Investitionen â besonders in der Zeit des Kindergartens / der Vorschule â deutlich mehr lohnten und zwar, je weiter man in die ersten Lebensjahre zurĂŒckging. Heckmann nahm sich hierfĂŒr viel Zeit und ĂŒberprĂŒfte seine Berechnung andauernd. Auch wenn er immer wieder Zweifel an seinen eigenen Zahlen hatte â die Ergebnisse hielten sĂ€mtlichen ĂberprĂŒfungen stand.
Was geschieht durch diese frĂŒhen Investitionen? Nicht der IQ der Kinder wird durch diese UnterstĂŒtzung angehoben, nein! Es sind vielmehr die ânicht-kognitivenâ, die sozialen und die emotionalen FĂ€higkeiten die gefördert werden. Statt IQ tritt Motivation in den Vordergrund!
Woher kommt das Wort Motivation? Es stammt aus dem lateinischen Wort âmovareâ das âBewegung auslösenâ bedeutet. Es wird etwas mit einer bestimmten Absicht in Gang gebracht. Es hat ein Motiv / einen Beweggrund. Die stĂ€rkere Motivation â kommen zur zu der Perry-Grundschule und den Berechnungen von Heckmann zurĂŒck â hatte klar messbare Auswirkungen! Alle Kinder stammten aus einem sozialen Milieu, wo KriminalitĂ€t zum Alltag gehörte. Jedoch unterschied sich die Gruppe der Vorschulkinder von der Kontrollgruppe deutlich im Bereich Verbrechensstatistik. Die Kinder der zweiten Gruppe haben zu 90% ein Verbrechen begangen im Vergleich zu 50% aus der ersten Gruppe. Bildung macht nicht per se aus einem einen Heiligen. KriminalitĂ€t ist jedoch fĂŒr unsere Gesellschaft sehr kostspielig.
Heckmann wollte nun wissen, wieviel Rendite ein Dollar brachte, wenn er bereits im Vorschulalter investiert wird.
Sein Ergebnis: Pro Jahr bekomme ich 0,14 Dollar zurĂŒck. Das Ă€hnelt einem Sparbuch mit Zinsen und einem Zinseszins-Effekt. Umgerechnet auf den Dollarwert des Jahres 2000 betrugen die Kosten fĂŒr das Vorschulprogramm pro Teilnehmer 15.166 Dollar. SpĂ€ter kostete jedes Kind die Gesellschaft jedoch deutlich weniger Geld als ein Kind der Kontrollgruppe. Im Ă > 258.000,- Dollar! AbzĂŒglich der Kosten ergibt sich daher ein Nettogewinn von > 243.000 Dollar pro Kind und das ist eine jĂ€hrliche Zinsrate von ca. 17%.
Etwas anders aufgeschlĂŒsselt:
Aber nicht nur ihr Einkommen war deutlich höher.
Auch die Gesundheit war besser und auĂerdem hat diese Form der FrĂŒhbildung auch Auswirkung auf die Folgegeneration!
LĂ€sst sich dieses Perry-Modell auf Deutschland ummĂŒnzen? In unserem Land gibt es keine vergleichbaren Langzeitstudien. Laut Professorin Katharina SpieĂ (Direktorin des BiB / Bundesinstituts fĂŒr Bevölkerungsforschung) haben wir die Kosten-Nutzen-Analysen von FrĂŒherziehung geflissentlich ignoriert. âWer sich mit diesem Thema auseinandersetzen will, der kommt an der Perry-Studie einfach nicht vorbeiâ, so ein Zitat. Eine wichtige Erkenntnis aus dieser Studie ist aber, dass sie sich besonders da lohnt, wo die Armut am gröĂten ist.
Was bedeutet das? In Deutschland gibt es wie in den USA eine gesunde und auch funktionierende obere Mittelklasse. Diese Ressource muss nicht besonders gefördert werden. Nach Heckmann brauchen wir kein zentralisiertes Betreuungssystem, sondern UnterstĂŒtzung wo die Not am stĂ€rksten ist. Die Umsetzung dieser Studie ist aber keine Aufgabe der Psychologie, sondern die der Politik. Warum? Politik kommt von âpolis / politikaâ was âDinge, welche die Stadt betreffenâ bedeutet.
Aus der psychologischen Sicht heraus hat die Forschung der Perry-Schule aber eins gezeigt:
Wenn ich frĂŒh fördere, dann erzeuge ich eine Motivation. Motivation kommt von âmovereâ, etwas in Bewegung bringen. Denken wir noch einmal kurz an die Studie ĂŒber die âerlernte Hilflosigkeitâ mit den gequĂ€lten HundenâŠÂ Was war nochmal die eigentliche Lösung aus dem Dilemma? Indem die Hunde wiederholt körperlich angefasst und langsam aus dem KĂ€fig herausgezogen wurden, konnten sie erkennen, wie sie selber wieder in ihre Handlungsvollmacht kommen konnten. Denn, Trauma und Armut sind eine Handlungsohnmacht.
Motivation und körperliche UnterstĂŒtzung ist das beste Mittel um aus diesem Problem herauszukommen.
Wer sich tiefer in diese Thematik einarbeiten möchte, der kann sich gerne mal diesen Beitrag anschauen: https://werdewiederstark.de/landing-page/elterncoaching/das-anti-stress-gen-warum-babys-schreien/
Michael Meaney â Professor an der Mc Gill UniversitĂ€t in Montreal â hat den epigenetischen Einfluss von Streicheln / KörperberĂŒhrung / und damit des körperlichen Lösungsansatzes dokumentiert.
Armut ist ein Trauma. Trauma ist eine Handlungsohnmacht. Aus einer Ohnmacht komme ich durch Motivation und körperliche UnterstĂŒtzung wieder heraus. Lassen Sie es uns angehenâŠ
Es sind viele Bereiche, die wir ansprechen können: Angefangen vom Umgang Borderline oder einer anderen belastenden Störung, aber auch ĂŒber Future Faking, Love Bombing und Gaslighting die immer hĂ€ufiger in unsere Gesellschaft zu beobachten sind.Â
Ich möchte aber nicht nur ĂŒber Fragen sprechen, sondern auch praxisgerechte Lösungen anbieten:
Buchen Sie sich einfach auf meinem Online-Kalender ein Zeitfenster oder nutzen Sie mein klassisches Kontaktformular um mit mir in Verbindung zu treten. Ich freue mich auf Sie. Ihr Marcus
Alles begann mit einem Unfall. Peter Levine erfĂ€hrt am eigenen Leib die Richtigkeit seiner Körper-Trauma-Therapie. Dieses Buch ist wirklich ein Magnum Opus – ein groĂes Werk – ja, fast hat es schon “Nachschlagecharakter”. Unser Körper ist es, der ein Trauma verarbeitet, in ihm gefangen wird. Unser Körper ist es aber auch, der uns aus dem Trauma in eine Lebens-Balance zurĂŒckfĂŒhrt.Â
In diesem Werk wird nicht nur wissenschaftlich erklĂ€rt, wie ein Trauma entsteht und wir uns aus seinen FĂ€ngen wieder befreien können. Nein, hier wird viel tiefer gegraben. Wie entstehen Emotionen und wie verĂ€ndern sie unseren Körper? Sehr praxisnah – anhand von einzelnen realen FĂ€llen – wird gezeigt, wie einfĂŒhlsam und trotzdem hochwirksam die Somatic-Experience-Therapie ist und wie verwundet wir durch traumatische Erfahrungen im Grunde genommen sind.Â