Ein wirklich humanistischer Ansatz!Â
Was kann es Schöneres geben als ganz und gar so angenommen zu werden, wie man ist? Tauchen Sie mit mir ein in das wohl menschlichste aller Therapiekonzepte: die humanistische Therapie.Â
Carl Rogers gilt als der Hauptvertreter und Initiator dieser Therapieform und darum möchte ich die humanistische Therapie eng mit ihm und seiner GesprĂ€chstherapie verknĂŒpft darlegen. Was mich persönlich an dieser Therapieform begeistert ist die stark haltende Art des Therapeuten fĂŒr seinen Klienten. Im Gegensatz zur TFP (die Ăbertragungs-fokussierte Therapie) welche stark auf Regeln, Abmachungen, einen Vertrag ausgerichtet ist, geht es in der GesprĂ€chstherapie um den Halt, die Wahrnehmung des Klienten, das StĂŒtzen und Stabilisieren seiner GefĂŒhle und damit auch seiner gesamten Person.
Aufgrund der GegensĂ€tze zwischen TFP und GesprĂ€chstherapie könnte man nun als AuĂenstehender annehmen: “Die Wissenschaft weiĂ selber nicht was sie fĂŒr richtig halten kann.” Dem ist aber nicht so! Alle Menschen sind extrem unterschiedlich – Borderline-Patienten zeigen dies auf noch herausragender Weise. Darum muss man sich auf den einzelnen Menschen so einstellen, wie er wirklich ist – manchmal mit sehr kontrĂ€ren Mitteln. Das Ziel bleibt jedoch immer dasselbe:
Die GesprĂ€chstherapie ist eines von – zum GlĂŒck – vielen Mitteln um diesen Menschen in ihrem Leid zu helfen. Schon mal vorab vielen Dank fĂŒr Ihr Interesse an diesem spannenden Thema! â„
Ihr Ursprung liegt in den psychotherapeutischen Erfahrungen, die der amerikanische Psychologe Carl Rogers (1902 – 1987) in der ersten HĂ€lfte des 20. Jahrhunderts u. a. in seinen BĂŒchern âThe Clinical Treatment of the Problem Childâ (1939),âCounseling and Psychotherapyâ (dt. 1972) und âClient-centered therapyâ (dt. 1983) niederschrieb.
AuĂerhalb von Deutschland wird die GesprĂ€chspsychotherapie Klientenzentrierte Psychotherapie genannt. Das sie bei uns in Deutschland die “GesprĂ€chstherapie” genannt wird hat seinen Grund darin, das der deutsche Psychologe Reinhard Tausch 1968 dieses Behandlungskonzept aus berufspolitischen GrĂŒnden so nennen musste – um diese von anderen Therapieformen deutlich abzugrenzen.Â
Rogers hat (1957) seine Erkenntnisse in seinem bekannten Aufsatz mit dem Titel:  âDie notwendigen und hinreichenden Bedingungen der VerĂ€nderung der Person durch Psychotherapieâ zusammengefasst.
Er beschĂ€ftigte sich hauptsĂ€chlich mit einer Frage: âWas bringt eine Person dazu von sich aus
FĂŒr eine Psychotherapie nach den Regeln Rogers mĂŒssen gewisse sechs Bedingungen (Settings) existieren.Â
Wie kann ein Therapeut dieses Setting erreichen? Nun, das hÀngt ganz besonders von der Art und Schwere der Störung des Klienten ab. Darum muss sich der Therapeut ganz auf den Klienten einstellen, mit all seinen Sinnen,
Der GesprĂ€chspsychotherapeut geht völlig klientenzentriert vor, er deutet nicht und gibt auch keine Verhaltensregeln, sondern er fĂŒhlt sich in das ein, was den Klienten gerade jetzt in diesem Moment im Inneren beschĂ€ftigt.
Die tragenden Elemente der PersoÂnenzentrierten GeÂsprĂ€chstherapie, welche die fĂŒr das VerstĂ€ndnis Rogers wichtig sind,
Dieses Wort kommt ursprĂŒnglich aus dem lateinichen (congruentia) und bedeutet “Ăbereinstimmung“.  Unter diesem Begriff der Kongruenz versteht Rogers Echtheit, UnverfĂ€lschtheit, und TranÂsparenz des Therapeuten.
Man könnte den Unterschied folgendermaĂen vergleichen: Denke einmal an das Lachen zwischen einer Mutter und ihrem Baby. Da findet sich nichts gestelltes oder gekĂŒnsteltes! Nun versetze Dich in Gedanken auf eine Cocktailparty. Viele Verhaltensweisen hier sind angepasst unter dem Aspekt der Etikette. HĂ€ufig findet sich hier ein aufgesetztes Lachen – ganz das Gegenteil zu dem Mutter-Kind-Verh#ltnis. Oder denke an dein letztes Foto wo Dir noch zugerufen wurde: “Lach doch mal”.Â
Carl Rogers zeigte klar und deutlich, dass es dem Klienten in einer therapeutischen Beziehung nur möglich ist zu wachsen, wenn ihm der Therapeut so gegen ĂŒbertritt, wie er wirklich ist. Das heiĂt, er ist in dieser Beziehung, in diesem Moment selber auch ganz Mensch, kann also auch ĂŒber seine GefĂŒhle und Einstellungen offen reden und stellt sich nicht als Jemand dar, der etwa nur aufgrund seiner Ausbildung in der Hierarchie weiter oben angesiedelt ist als der Klient.
Der Therapeut darf sich niemals hinter Fassaden, Rollen oder leeren Floskeln verstecken, sondern muss sich in die Situation besonders auch emotional einbringen können â eine unmittelbare echte Beziehung von Person zu Person eingehen. Hierbei darf er sich als Person nicht verleugnen, keine Abwehrhaltungen einnehmen und vor allem muĂ er sich als Helfer seines GegenĂŒbers verstehen, der aus dieser Beziehung ebenfalls gestĂ€rkt hervorgehen kann. Diese Transparenz / diese Haltung ermöglicht das Vertrauen des Klienten, er kann sich so seinem GegenĂŒber öffnen, um sich dann mit dessen Hilfe zu erforschen.
Inkongruenz hingegen, wĂŒrde dem Klienten / besonders mit einem Borderliner Hintergrund sofort auffallen. Wenn Tonfall, Mimik, Gestik, alles Signale auf verbaler und nonverbaler Ebene – nicht ĂŒbereinstimmen wĂŒrde er sich nicht mehr verstanden fĂŒhlen und sich demzufolge verschlieĂen. Aus all diesen GrĂŒnden heraus muss der Therapeut eine starke Persönlichkeit haben. Entscheidend fĂŒr diese Haltung / Einstellung â ist nicht Technik â sondern allein die menschliche Substanz des Therapeuten. Er muss sich in dieser Beziehung selbst erleben, wahrnehmen und einbringen können.
Unter Empathie versteht man ein einfĂŒhlendes Verstehen und ein nicht wertendes Einlassen: ein echtes VerstĂ€ndnis fĂŒr sein GegenĂŒber. Ist der Therapeut in einer Beziehung kongruent, so kann er sich dadurch auf sein GegenĂŒber einzulassen und die Welt mit seinen Augen sehen. Er bemĂŒht sich darum, âden Klienten in seinem Erleben (und seinen damit verbundenen Werten, Motiven, WĂŒnschen und Ăngsten) zu verstehen.â Was sich hier recht simpel anhört, ist in der Praxis wohl mit der schwierigste und auch heikelste Aspekt und fĂŒhrte schon zu Lebzeiten Rogers zu heftigen Auseinandersetzungen.
So beschreibt Rogers dieses einfĂŒhlsame Verstehen als einen Vorgang im GesprĂ€ch, wo der Therapeut âgenau die GefĂŒhle und persönlichen Bedeutungen spĂŒrt, die der Klient erlebt, und dass er dieses Verstehen anschlieĂend dem Klienten mitteilt. Wenn es “sehr gut lĂ€uft” ist der Therapeut so sehr in der inneren Welt des anderen drinnen, dass er nicht nur die Bedeutung klĂ€ren kann, deren sich der Patient bewusst ist, sondern auch jene knapp unterhalb der Bewusstseinsschwelle.âÂ
Aber ein Wort zur Vorsicht: Da es sich bei diesem Verstehen um das Verstehen des Therapeuten handelt und nicht um das des Klienten, kann es eventuell zu gravierenden MissverstĂ€ndnissen kommen. Man sollte in der Therapeuten/Klienten- Beziehung zuererst einmal davon ausgehen, dass weder er â und noch weniger man selber â seiner gesamten inneren Welt bewusst ist. Diese innere Welt – die GefĂŒhle, Empfindungen und Werte – mĂŒssen nun langwierig durch Selbstexploration gemeinsam offen gelegt werden. Durch stĂ€ndiges spiegeln und verbalisieren mit eigenen Worten versucht der Therapeut hierbei, trennend (nicht interpretierend) die gefĂŒhlsmĂ€Ăigen Inhalte aufzugreifen und ihm dann mitzuteilen, was er von dessen Erlebniswelt glaubt, verstanden zu haben.
So kann er immer tiefer in die Welt des Klienten eintauchen, der sich dann weiter öffnen wird – gerade weil er sich von seinem GegenĂŒber verstanden fĂŒhlt. Es geht also nicht lediglich um ein âPapageien-Ă€hnliches Nachplappernâ der Aussagen des Klienten, wie diese Vorgehensweise oft missinterpretiert wurde. Vielmehr geht es darum, sich einfĂŒhlend – nicht interpretativ vom hohen Ross eines medizinisch-therapeutisch-diagnostischen Standpunktes herab – dem GegenĂŒber als (neugieriger, aber nicht ĂŒbergriffiger) Mensch zu nĂ€hern und sich so in dessen innere Welt hineinzufĂŒhlen. Das heiĂt in seiner Welt zu verstehen und zu akzeptieren, wie er sie empfindet.
Rogers beschreibt diese Grundhaltung als âdas Akzeptieren, die Anteilnahme oder WertschĂ€tzungâ Anders ausgedrĂŒckt: Die Haltung des Therapeuten ist wichtiger als die Therapie!
âWenn der Therapeut eine positive, akzeptierende Einstellung gegenĂŒber dem erlebt, was der Klient in diesem Augenblick “ist”, dann wird es mit hoher Wahrscheinlichkeit zu einer VerĂ€nderung kommen. Der Therapeut ist bereit, den Klienten sein jeweiliges GefĂŒhl ausleben zu lassen â sei es Verwirrung, Groll, Furcht, Zorn, Mut, Liebe oder Stolz.â Dies bedeutet jedoch nicht, dass der Therapeut diesen GefĂŒhlen zustimmen muss. Es bedeutet nur, dass er seinen GegenĂŒber ohne Wertung und Vorurteil so annimmt, wie er in diesem Moment ist. Erreichen kann man dies nur, indem man den GegenĂŒber als eigenstĂ€ndigen Menschen respektiert, mit seiner gesamten GefĂŒhlswelt und den sich daraus ergebenden Handlungen. Man versucht darum auch nicht, dem GegenĂŒber andere Werte, Meinungen und Empfehlungen aufzuzwingen â auch wenn diese noch so wertvoll zu sein scheinen.
 Der Therapeut muss sich immer im Klaren darĂŒber sein, dass er einer einem eigenstĂ€ndigen Individuum gegenĂŒber sitzt. Dieses Individuum ist, genau wie der Therapeut selbst, zuallererst einmal ein Mensch. Er setzt sich genauso wie er aus eigenen GefĂŒhlen, Problemen, angelernten Schablonen und eigenen Verhaltensweisen und -mustern zusammen. Kann der Therapeut diese Haltung seinem GegenĂŒber entgegenbringen, so wird auch jener lernen, sich zu verstehen, zu akzeptieren und zu achten. Durch diese wertschĂ€tzende Haltung lernt der Klient âzwischen seinem Wert als Mensch und der Bewertung seiner Handlungen zu differenzieren.â Solch eine positive Grundeinstellung der Achtung menschlichen Lebens gegenĂŒber kann man weder schematisieren noch kognitiv erlernen. Denn diese emotionale WĂ€rme â fast schon Liebe â ist nur echt und wird als solche empfunden, wenn sie âvon innenâ kommt.
Dieses Therapiekonzept ist durch seine permanente – ĂŒber Jahrzehnte hinweg – lange Entwicklung und ĂberprĂŒfung, eines der am besten erforschten und ĂŒberprĂŒften Konzepte an sich ist. All die ĂberprĂŒfungen zeigen wirklich, dass VerĂ€nderungen in der Persönlichkeit und im Gehirn stattfinden (Stichwort: NeuroplastizitĂ€t des Gehirns)  Voraussetzung hierfĂŒr: Es mĂŒssen gĂŒnstige Bedingungen in der jeweiligen therapeutischen Beziehung herrschen. Dieses Konzept ist eine der wissenschaftlich besterÂforschten, âVorgehensweisenâ. Darum hat es auch andere Verfahren und beeinflusst.
Die Lernerfahrungen von Carl Rogers im Ăberblick
Es gibt bereits sehr viele Therapien fĂŒr Borderline-Patienten. Sie alle haben ihre ganz eigene Daseins-Berechtigung. So unterschiedlich alle Menschen sind, so verschieden muss auch die Herangehensweise an eine Therapie derjenigen sein.
Es gibt GrĂŒnde fĂŒr eine direktive Therapie wie zum Beispiel die TFP (Ăbertragungsfokussierte Therapie), die DBT (Dialektisch Behaviorale Therapie) welche sowohl direktiv als auch haltend ist, aber auch Therapiekonzepte wie die GesprĂ€chstherapie welche sich ganz besonders durch ihre haltende Art und Weise auszeichnen.Â
Ein Therapeut hat in der herausfordernden Borderline-Therapie – welche zu Recht als die Königsdisziplin der Therapien bezeichnet wird – die Aufgabe, wie ein Jazz-Musiker, sich immer wieder neu improvisierend auf die wechselnden Stimmungen und Affekte des Klienten einzustellen.
So virtuos ein Klient seine Affekte zeigt, genauso virtuos muss der Therapeut immer wieder seine Herangehensweise adaptieren und anpassen. Das bedeutet nun nicht, dass der Klient die Therapie bestimmt, denn in der Meta-Ebene verfolgt der Therapeut nach wie vor seine Ziele. Seine Improvisationen erlauben ihm jedoch immer wieder Kurven und Umleitungen mit dem Klienten zu gehen, ihm dadurch die Therapie zu erleichtern, jedoch nach wie vor dem groĂen Ziel der Therapie zu folgen.
Die GesprĂ€chstherapie ist ein mĂ€chtiges Werkzeug und bestĂ€tigt sich immer wieder in der Praxis. Neurobiologen haben den Satz geprĂ€gt: “Nach einem GesprĂ€ch ist ihr Gehirn – neuroplastisch betrachtet – nicht mehr dasselbe wie vor dem GesprĂ€ch.Â
Wenn Sie weitere Fragen zu dieser Therapieform haben, dann freue ich mich auf Ihren Kontakt. Meine Kontaktadresse finden Sie wie immer in der FuĂleiste.Â
Herzliche GrĂŒĂe, Ihr Marcus JĂ€hn
Es sind viele Bereiche, die wir ansprechen können: Angefangen vom Umgang Borderline oder einer anderen belastenden Störung, aber auch ĂŒber Future Faking, Love Bombing und Gaslighting die immer hĂ€ufiger in unsere Gesellschaft zu beobachten sind.Â
Ich möchte aber nicht nur ĂŒber Fragen sprechen, sondern auch praxisgerechte Lösungen anbieten:
Buchen Sie sich einfach auf meinem Online-Kalender ein Zeitfenster oder nutzen Sie mein klassisches Kontaktformular um mit mir in Verbindung zu treten. Ich freue mich auf Sie. Ihr Marcus
Borderline ist die Königsdisziplin in den zu behandelnden Störungsbildern. Dieses Buch befasst sich nicht mit einer Therapie zu Hause, in der Praxis, sondern in einem klinischen Umfeld. Die Ăbertragungsfokussierte Psychotherapie (Transference-Focused Psychotherapy, TFP) ist ein psychodynamisches Verfahren, dass die Beziehungs- und IdentitĂ€tsstörung von Borderliner ganz in den Mittelpunkt der Therapie stellt. Ihren Ursprung hat sie in der Objektbeziehungstheorie, die davon ausgeht, dass die Schwierigkeiten bei Persönlichkeitsstörungen auf nicht integrierte Persönlichkeitsanteile zurĂŒckzufĂŒhren sind. Darum mĂŒssen diese durch eine Therapie aktiviert und in das Handeln integriert werden.Â
Dieses Buch befasst sich ausfĂŒhrlich mit Diagnostik, Therapievereinbarungen, Behandlungsphasen, Therapiefokus und Arbeiten im interdisziplinĂ€ren Team. Ein tolles Werk fĂŒr jeden Facharzt.Â