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EMDR

Traumatherapie mit EMDR fĂŒr das traumatisierte Gehirn

Titelbild EMDR und das traumatisierte Gehirn

      • Was ist das fĂŒr eine Therapie, die nicht nur unsere Erinnerungsnetzwerke neu justiert, sondern auch noch die NeuroplastizitĂ€t des Gehirns auf eine Art und Weise anregt, wie wir uns dies vorher ĂŒberhaupt nicht vorstellen konnten?
      • Was ist das fĂŒr eine Methodik, welche nicht das traumabedingte Schrumpfen des Hippocampus (unser GedĂ€chtniskontrollzentrum im Gehirn) stoppt, sondern diesen bereits nach 8-12 Sitzungen im Durchschnitt um 6 % wieder wachsen lĂ€sst?
      • Was ist das fĂŒr eine Therapie, die ihre VerĂ€nderungen bevorzugt durch Augenbewegungen und andere bilaterale Stimulationen stimuliert?
      • Und was ist das fĂŒr eine Therapie, welche Menschen – die von ihrer innerlichen Enge, den ĂŒbermĂ€chtigen Erinnerungen oder ihren ZukunftsĂ€ngsten ĂŒberwĂ€ltigt sind – hilft
          • den emotionalen Schmerz durch Augenbewegung zu reduzieren
          • die IntensitĂ€t der inneren Bilder abzuwenden und
          • Gedanken und Erinnerungen prĂ€zise verĂ€ndern kann?

Ich spreche ĂŒber EMDR. … Warum und wie diese Therapieform wirkt ist den Forschern noch recht unbekannt
 Obwohl bereits 1987 durch Zufall entdeckt, wissen wir immer noch nicht, warum EMDR wirklich so prĂ€zise funktioniert.

Mut macht mir in diesem Zusammenhang aber der Vergleich zur Geschichte des Penizillins: Zwischen der Entdeckung seiner antibiotischen Eigenschaften durch Alexander Fleming im Jahr 1928 und der endgĂŒltigen KlĂ€rung, wieso es ĂŒberhaupt wirkte im Jahr 1965, vergingen auch fast vier Jahrzehnte
 Darum bin ich heute immer noch davon ĂŒberzeugt, dass wir irgendwann einmal herausfinden werden, warum (!) EMDR wirkt. Mit diesem Beitrag möchte ich dich aber einmal mit dem aktuellen Stand des Wissens in Verbindung bringen.

Teil 1 – EMDR ist irgendwie anders

 

Wir irren uns empor 
 Dieser oft zitierte Satz gilt insbesondere auch fĂŒr den wissenschaftlichen Fortschritt, den wir durch EMDR erhalten haben. Diese Therapie entstand durch eine recht zufĂ€llige Beobachtung einer jungen Psychologin (Francine Shapiro) im dem Jahre 1987.

EMDR ist die erste Therapieform mit der ich mich im Rahmen dieser Themenreihe „Trauma – Grundlagen und Therapiemöglichkeiten“ befassen werden.

Weitere Therapieformen werden sein:

      • Neurofeedback
      • Self-Leadership
      • Yoga
      • Die innere Familie
      • Katathym Imaginative Psychotherapie

Was ein Trauma ist, findest du in diesem einleitenden Aufsatz unter folgendem Link: https://werdewiederstark.de/das-traumatisierte-gehirn-einleitung-teil-1/

ZurĂŒck zu EMDR und Francine Shapiro 
 Selber mit eigenen Problemen beschĂ€ftigt, spazierte sie in diesem Jahr durch einen Park. Es fiel ihr auf, dass sich ihre inneren Sorgen und aufgewĂŒhlten Emotionen durch schnelle Augenbewegungen auf einmal deutlich verringert haben.

Die Frage ist schnell gestellt:

      • „Wie kann aufgrund eines so kurzen Erlebnisses eine wichtige neue BehandlungsmodalitĂ€ten entstehen?
      • Und wenn dies doch so einfach und bei jedem Menschen klappt, warum ist dieser simple Mechanismus nicht schon viel frĂŒher entdeckt worden?

Francine Shapiro (sie lebte von 1949 bis 2019, war sowohl Psychologin als auch BegrĂŒnderin der EMDR-Therapie-Technik) stand ihrer eigenen Beobachtung anfangs selber extrem kritisch gegenĂŒber. Sie experimentierte, forschte und studierte einige Jahre lang daran, ein sicheres und standardisiert nachvollziehbares Verfahren zu entwickeln, welches man anderen Lehren und in kontrollierten Untersuchungen empirisch testen konnte. 

Der große Traumaforscher Bessel van der Kolk hatte sich – nachdem er hiervon Kenntnis erlangte – selber einmal einer EMDR – Therapie unterzogen, um eigene Traumata verarbeiten zu können. Seine Erfahrungen hierbei haben Interesse geweckt! Warum? Nun, weil Bessel van der Kolk kein spiritueller Neuzugang in der Psychologie ist, sondern sein Wissen aus der klassischen Schulmedizin erlangte und selber skeptisch dieser Therapie-Praxis gegenĂŒberstand. SpĂ€ter jedoch voller Begeisterung ĂŒber seine eigenen Fortschritte berichtete.

Ganz nebenbei kommt von ihm auch der Gedankenansatz, dass die besten Therapeuten selber einmal Patient waren. Ich zitiere hier aus seinem Buch „Verkörperter Schrecken“ dass im Idealfall ein Traumatherapeut die Therapiemethode, die er selber anwendet auch an sich als Patient erlebt hat.“

EMDR ist vollkommen anders – fast schon verwirrend einfach im Vergleich zu den anderen tiefenpsychologischen, kognitiven und auch den behavioralen TherapieansĂ€tzen. EMDR öffnet einen Bereich in unserem Gehirn/ unserem Geist, der anscheinend einen direkteren Zugang zu Erinnerungen und Bildern aus der Vergangenheit ermöglicht, die nicht im „normalen GedĂ€chtnis“ abgespeichert sind. Ganz augenscheinlich hilft genau dies den Patienten, ihr traumatisches Erlebnis in einem grĂ¶ĂŸeren Zusammenhang zu sehen, es dadurch besser zu relativieren und schlussendlich einordnen zu können.

Noch etwas was mich an EMDR persönlich fasziniert: Durch diese Therapie kann man sich von einem Trauma befreien, ohne darĂŒber mit einem Dritten / einem Therapeuten reden zu mĂŒssen! Es ermöglicht, die Erlebnisse in einem neuen Blickwinkel zu betrachten, was nicht davon abhĂ€ngig ist, sich mĂŒndlich mit Anderen darĂŒber auszutauschen. Dadurch ist EMDR ein enorm wichtiges Werkzeug in den FĂ€llen, wo zwischen Therapeut und Patient keine tiefe Vertrauensbeziehung besteht. Auch interessant ist es bei Traumatisiertem, da sie sowieso aufgrund ihrer schrecklichen Erlebnisse kaum noch anderen vertrauen können. Und ein letzter Vorteil von EMDR aus meiner persönlichen Liste ist folgender: Da es bei dieser Form der Therapie nicht zwingend nötig ist, dass ĂŒber die oft unaussprechlichen Erfahrungen gesprochen und die aufkommenden GefĂŒhle dem Therapeuten auch nicht erklĂ€rt werden mĂŒssen, können sich Patienten völlig auf ihr inneres Erleben konzentrieren – mit manchmal recht außergewöhnlichen Ergebnissen.

2. Das traumatisierte Gehirn und EMDR

EMDR ist zuallererst einmal eine Therapie um traumatisierten Menschen zu helfen, mit ihren Erinnerungen wieder „ins Reine“ zu kommen
 Das Gehirn von chronisch traumatisierten Menschen kann tatsĂ€chlich im Hirnscanner (dem fMRT) von nicht traumatisierten Gehirnen deutlich unterschieden werden.

 

In einer Studie der Professorin Ruth Lanius (Professorin fĂŒr Psychiatrie in Western Ontario, Kanada) ging man Beispiel der Frage nach: „Was passiert im Gehirn von chronisch traumatisierten Menschen, wenn sie mit anderen Menschen in einen direkten Blickkontakt treten?“

Dies mag sich fĂŒr dich nun ganz banal anfĂŒhlen, Hintergrund dieser Studie ist jedoch, dass es diesem Personenkreis ganz offensichtlich sehr schwer fĂ€llt, ĂŒberhaupt einen Blickkontakt zu anderen Personen herzustellen. Man kann sofort erkennen, dass sie sich selber als minderwertig, ja sogar als regelrecht ekelhaft empfinden und sie es nicht ertragen können von anderen als das angesehen zu werden wie sie sich selber sehen und empfinden: … als völlig abscheulich. Und genau diese unnormal extreme Aktivierung kann man wirklich sichtbar im Gehirn nachweisen. 

Ruth Lanius untersuchte eine Reihe von Probanden in einem prĂ€parierten Hirnscanner, in welchem ein Videomonitor an die innere – fĂŒr den Probanden sichtbare Oberseite – angebracht wurde. Auf ihm wurden dann nacheinander zwei Filmausschnitte gezeigt.  In der ersten Szene kam ein freundlich dreinblickender Man spazierend auf einen zu. Hierbei schaute einen aber nicht direkt ins Gesicht, sondern richtete seinen Blick in einem Winkel von 45° zur Seite. In der zweiten Szene schaute derselbe freundliche Mann beim Entgegenkommen dem Probanden förmlich direkt aus dem Monitor in die Augen. Durch diese beiden Szenen konnte die Wirkung von direktem und abgewandten Blickkontakt in der Gehirnaktivierung konkret verglichen werden.

Und, gab es dabei ĂŒberhaupt einen Unterschied? Ja, und das nicht zu knapp! Die wohl grĂ¶ĂŸte Abweichung zwischen „normalen Probanden“ und den chronisch Traumatisierten Bestand in der Aktivierung / bzw. Nicht-Aktivierung des PrĂ€frontalen Kortex. Dieser Bereich unseres Gehirns hilft uns u.a. eine Person die auf uns zukommt mit ihren Intentionen vernĂŒnftig einzuschĂ€tzen. Bei den Studienteilnehmern mit einer posttraumatischen Belastungsstörung, konnte dieser Bereich jedoch nicht aktiviert werden! Sie waren sichtlich nicht in der Lage an der auf sie zukommenden fremden Person irgendwelche AuffĂ€lligkeiten kognitiv zu erkennen. Aber trotzdem reagierten sie – und das sehr vehement! Sie reagierten mit einer extrem starken Aktivierung eines tiefsitzenden Bereichs im Gehirn der zustĂ€ndig ist fĂŒr die wirklich ganz rudimentĂ€ren Emotionen wie zum Beispiel Erschrecken, Niederkauen, Hypervigilanz (Wachsamkeit) und alle anderen Verhaltensweisen die einzig und allein nur dem Selbstschutz dienen. Diesen Bereich kennen wir als das zentrale Höhlengrau (PeriaquĂ€duktales Grau) oder auch Substantia grisea centralis genannt.

Bei ihnen war keinerlei Aktivierung in einem kognitiven, fĂŒr soziales Engagement wichtigen Bereich zu erkennen. Wenn jemand sie anschaute, wechselten sie sofort und ohne Umwege in einen Überlebenssichernden Verhaltensmodus.

Und was bedeutet das fĂŒr uns in der Praxis?

Dies alles wirkt sich logischerweise auf die FĂ€higkeit aus, mit Anderen zwischenmenschlich zurecht zu kommen. Genau das ist nun aber der eigentliche Anspruch und das Ziel fĂŒr die Trauma-Therapie! Patienten mit einer posttraumatischen Belastungsstörung haben oft Probleme, ihre tiefsten Ängste einem Therapeuten an zu vertrauen. Um aber nun eine wirklich tiefe Beziehung aufbauen zu können, muss man

      • andere Menschen als eigenstĂ€ndige Wesen erleben, die eine eigene Position vertreten können
      • andererseits aber auch anerkennen, dass andere Menschen ganz eigene Ziele verfolgen und ansteuern dĂŒrfen.

Ein Traumatisierter Mensch kann dies alles nicht. Und genau hier betritt die EMDR – Therapie, ihre eigene ganz große BĂŒhne! 

3. Wie sich EMDR langsam zu einer Therapie entwickelte 
 Ein Ausflug ins Schlaflabor 


Im Jahre 1995 erschien in der Zeitschrift „Dreaming“ ein Artikel des New Yorker Psychologen, Ricky Greenwald, der die Enge Beziehung zwischen EMDR und der REM-Schlafphase aufzeigte. Das ist die Schlafphase in der vermehrt TrĂ€ume auftreten. Heute wissen wir, dass Schlaf – und besonders der Schlaf in dem TrĂ€ume auftreten – bei der Regulierung von Emotionen und Affekten eine zentrale Rolle spielt. Der Artikel von Ricky Greenwald im Dreaming zeigte, dass sich die Augen sowohl im REM-Schlaf als auch bei der EMDR Therapie stĂ€ndig hin und her bewegen.

Wir wissen, dass je mehr Zeit wir im REM-Schlaf verbringen, umso stĂ€rker wird hierdurch eine Depression verringert und umgekehrt: je kĂŒrze unser nĂ€chtlicher REM-Schlaf ausfĂ€llt, umso wahrscheinlicher werden wir im Laufe der Zeit depressiv. Nicht zuletzt durch solche Forschungsartikel wird der Zusammenhang zwischen einer PTBS und einer Trauma-Störung immer deutlicher. PTBS wird zu Recht immer hĂ€ufiger mit Schlafstörungen in Verbindung gebracht und die Versuche, sich mit Drogen oder Alkohol selbst zu therapieren stört den Rem-Schlaf zusĂ€tzlich.

Wir wissen heute besser denn je, dass sowohl unser Tiefschlaf aber auch der REM-Schlaf fĂŒr unsere Erinnerungen eine sehr wichtige Rolle spielt. Im Schlaf verĂ€ndert unser Gehirn diese Erinnerungen indem es den Einfluss wichtiger Informationen emotional verstĂ€rkt und bei unwichtigen Dingen diese emotional eher im Hintergrund treten lĂ€sst. Schlafforscher haben aufgezeigt, dass das schlafende Gehirn sogar Informationen in einen Zusammenhang bringen kann, deren Wichtigkeit uns im Wachzustand ĂŒberhaupt nicht aufgefallen wĂ€ren. Im Schlaf kann es diese Information jedoch in das umfassendere GedĂ€chtnissystem endgĂŒltig integrieren. Durch unseren Schlaf haben wir also deutlich mehr Möglichkeiten unsere Erfahrungen zu integrieren als im Wachzustand. TrĂ€ume können uns ĂŒber Jahre begleiten und immer wieder in verĂ€nderten Kombinationen hochkommen. Sie verĂ€ndern damit stĂ€ndig die verborgenen RealitĂ€ten, die darĂŒber dann entscheiden, worauf wir uns mit unserem Verstand fokussieren, wenn wir wach sind.

Und vielleicht ist folgendes fĂŒr die EMDR Therapie am wichtigsten: Im sogenannten REM-Schlaf-Modus aktivieren wir viel entferntere Assoziationen als im Nicht–REM-Schlaf oder im normalen Wachzustand.

Wie kommt man darauf? Weckt man Probanden zum Beispiel aus der Tiefschlafphase auf und legt Ihnen einen Wort Assoziationstest vor, dann wird in der Regel mit Standardantworten wie lang/kurz, hoch/tief, kalt/heiß oder hart/heiß geantwortet. Vollkommen anders fallen die Antworten aus dem REM Schlaf aus: hier werden deutlich weniger konkrete BezĂŒge hergestellt wie zum Beispiel

      • Polizist / gerecht
      • Oder Dieb / falsch.

Nach dem Aufwecken aus einer REM-Schlafphase können auch viel leichter Anagramme (in Deutschland besser als SchĂŒttelwort bekannt) aufgelöst werden.  Bei einem Anagramm wird aus einer Buchstabenfolge indem man die Buchstaben verĂ€ndert ein vollkommen neues Wort gebildet. In der Kryptographie wird dies auch als Transposition bezeichnet. Das alles kann erklĂ€ren, warum manche TrĂ€ume so ungewöhnlich und bizarr sind, da wir im REM Schlaf weit entfernteste Assoziationen bilden als im Tiefschlaf. Es ist praktisch die Spielphase des Gehirns nach dem großen AufrĂ€umen.

TrĂ€ume helfen uns, vollkommen neue Beziehung zwischen augenscheinlich nicht miteinander verbundenen Erinnerungen herzustellen. Neue Verbindungen zu erkennen ist ein wichtiger Bestandteil der KreativitĂ€t und KreativitĂ€t ist fĂŒr die Heilung einer posttraumatischen Belastungsstörung von zentraler Bedeutung – womit wir wieder bei unserem Thema sind

Einer der fĂŒhrenden Schlafforscher (Professor Robert Stickgold – der an der Harvard Medical School lehrt) stellt eine direkte Verbindung zwischen EMDR und der Verarbeitung von Erinnerungen in unseren TrĂ€umen her. Seine Studien legen folgende Erkenntnis nahe: (Zitat Robert Stickgold) „Wenn die bilaterale / zweiseitige Stimulation der EMDR-Therapie GehirnzustĂ€nde auf eine Weise verĂ€ndern kann, die der des Rem- Schlafs Ă€hneln, dann gibt es nun auch genauso vernĂŒnftige Anhaltspunkte dafĂŒr, dass EMDR auch bei Traumatisierten blockierte oder außer Funktion gesetzte Prozesse nutzen könnte um die Verarbeitung von Erinnerungen und Traumata zu ermöglichen.“

Eine der grundlegenden Anweisungen des Therapeuten in der laufenden Therapie lautet ja: „VergegenwĂ€rtigen Sie sich dieses hochkommende Bild bitte weiter und folgen Sie den Bewegungen des Fingers.“ Dieser Vorgang könnte genau das wiederholen, was wir im trĂ€umenden Gehirn beobachten können.

4. Was zeigen aktuelle Studien ĂŒber EMDR?

4.1. VerÀnderungen im Gehirn

Bessel van der Kolk (Traumaforscher, Psychiater und Professor fĂŒr Psychiatrie an der UniversitĂ€t Boston, USA) fing vor einigen Jahren damit an, Videoaufnahmen von EMDR Sitzungen mit traumatisierten Patienten mit seinen Kollegen gegeneinander auszuwerten. Die beobachteten Fortschritte der Therapie wurden dann mithilfe einer PTBS – Beurteilungs-Skala gemessen. Außerdem wurden die Patienten im Anschluss an die EMDR Behandlungen dann noch einem Gehirnscan unterzogen.

Was war das kaum fĂŒr möglich gehaltene Ergebnis? Nach lediglich drei EMDR–Therapiesitzungen waren bereits bei ÂČ/3 der Teilnehmer (!) die PTBS-Werte deutlich gesunken. Auf den Gehirnscans sahen sie nach der Behandlung einen starken Anstieg der AktivitĂ€t im PrĂ€frontalen Kortex, im anterioren Cingulum und den Basalganglien.  Erinnerst du dich noch an den Test von Ruth Lanius am Anfang dieses Berichtes? Das war doch genau der Bereich, der bei den traumatisierten Menschen deaktiviert wurde. Durch EMDR wird er nun wieder reaktiviert!

Bessel van der Kolk berichtet von einem Mann, der Folgendes nach den Sitzungen erwĂ€hnte: „Ich erinnere mich nun an das traumatische Erleben wie an eine normale echte Erinnerung. FrĂŒher versank ich förmlich in diesem Trauma – diesmal kann ich jedoch darĂŒber schwimmen. Ich habe zum ersten Mal das GefĂŒhl, diese Situation selber unter Kontrolle zu haben.“ Eine andere Frau erzĂ€hlt: „Hatte ich vorher jeden einzelnen Schritt separat gespĂŒrt, so ist das alles jetzt irgendwie im großen Ganzen integriert. Meine fĂŒrchterlichen Erinnerungen sind nicht mehr einzelne BruchstĂŒcke und ich kann so mit dem großen Ganzen besser umgehen.“ Was ist hier geschehen? Das Trauma hat seine Unmittelbarkeit verloren und ist zu einer Geschichte in einem langen, zeitlich miteinander verwoben nennen, geschehen geworden.

4.2 Vergleich EMDR mit Fluoxetin und einem Placebo. 

Sehr interessant finde ich eine Studie in der die Wirkung von EMDR mit  einem sehr bekannten Antidepressivum aus der SSRI Gruppe (Fluoxetin) und einem Placebo verglichen wurde. Circa 1/3 der Untersuchungsteilnehmer bekam eine EMDR Behandlung, 1/3 erhielt das Antidepressivum und das restliche 1/3 die Placebo – Zuckerpillen. Wie so oft erzielten auch in diesem Test gerade die Gruppe der Placebo-Nutzer sehr gute Ergebnisse. Acht Wochen lag ihre Verbesserung bei 42 % und damit höher als die viele anderer Behandlungsarten, die heute immer noch als Evidenz basiert gelten. Was war bei den beiden anderen Gruppen zu vermerken? Die Teilnehmer mit dem Antidepressivum (Fluoxetin) erzielte etwas bessere Ergebnisse als die Placebo Gruppe. Auch das ist typisch. Denn allein schon die Tatsache, dass Patienten zur Behandlung erscheinen, fĂŒhrt zu einer allgemeinen Verbesserung des Zustandes um 30-40 %. Wenn das Mittel dann noch wirkt, kommen nochmal 5 bis 15 % obendrauf.

Aber das wirklich Erstaunliche fand bei den Patienten statt, welche mit EMDR behandelt wurden! Diese Gruppe erzielte signifikant deutlich bessere Ergebnisse, als diejenigen, die das Antidepressivum oder das Placebo erhalten hatten: Nach lediglich acht EMDR Therapiesitzungen, konnte einer von vier Teilnehmern der EMDR – Gruppe als völlig geheilt eingestuft werden. Sein PTBS-/ Trauma-Wert ging danach gegen Null.

Auf der anderen Seite, unter den Teilnehmern der Antidepressiva-Gruppe erreichte nur einer von Zehn dieses Ergebnis. Das an sich ist schon erstaunlich. Es geht aber noch eine Stufe weiter: Der noch grĂ¶ĂŸere Unterschied stellte sich interessanterweise erst im Laufe der Zeit ein … Als die Probanden nach acht Monaten noch einmal befragt wurden, fand man heraus, dass 60 % (!) derjenigen, die eine EMDR Behandlung erhalten hatten, völlig geheilt waren. Die Zahl der Geheilten stieg also von 25 % (jeder Vierte) auf 60 % an, obwohl die Behandlung schon lĂ€ngst zu Ende war. Der amerikanische Psychiater, Milton Erickson (1901 – 1980) sagte einmal „sobald du einem Baumstamm einen Tritt versetzt, beginnt der Fluss wieder zu fließen.“

Auf die EMDR Therapie ĂŒbertragen, heißt das folgendes: Haben die Teilnehmer einmal mit der Integration ihrer traumatischen Erinnerungen begonnen, setzt sich die Besserung auch nach der Therapie spontan von selbst fort.

Was war bei den anderen Teilnehmern zu beobachten? Die Teilnehmer der Antidepressiva-Gruppe (Fluoxetin) erlitten alle (!) nach der Absetzung des Mittels einen RĂŒckfall. GrĂ¶ĂŸer kann der unterschied nicht ausfallen 


Diese Studie ist extrem wichtig, dass sie deutlich macht, dass eine fokussierte traumaspezifische Therapie – wie z.B. durch EMDR – deutlich wirksamer sein kann als eine Behandlung mit Psychopharmaka. Untersuchungen zeigen, dass die Trauma-Symptome von Patienten, die mit Antidepressiva wie zum Beispiel Fluoxetin, Citalopram, Zoloft oder Ă€hnlichen Mitteln behandelt, wurden, zwar auch schwĂ€cher werden aber nur solange das Mittel eingenommen wird. Das macht deutlich, dass eine medikamentöse Therapie langfristig deutlich kostspieliger sein kann. Interessant ist auch, dass EMDR gemĂ€ĂŸ einer Studie von Bessel van der Kolk eine deutlich stĂ€rkere Reduzierung der Depressionswerte aufzeigte als das Antidepressivum Fluoxetin – und das obwohl doch gerade dieses Mittel ein wichtiges Antidepressivum ist.

5. Ist EMDR nun eine Wunderwaffe gegen jede Traumatisierung?

Die kurze und knappe Antwort: nein!

Bessel Van der Kolk hat durch seine Studien noch eine weitere wichtige Erkenntnis gewonnen: Erwachsene, die in ihrer Kindheit traumatisiert wurden reagieren völlig anders auf EMDR als diejenigen, die erst spĂ€ter – als Erwachsene – ein Trauma erlebten. Nach einer achtwöchigen Therapiephase waren circa 50 % derjenigen, die im Erwachsenenalter traumatisiert wurden, völlig geheilt wohingegen nur bei 9 % eine Heilung eintrat, die in ihrer Kindheit ein Entwicklungstrauma durchmachen mussten. Nachdem dann die Probanden acht Monate spĂ€ter nochmals befragt wurden, stellte man fest,

      • dass diejenigen, die im Erwachsenenalter traumatisiert wurden, circa 73 % angaben völlig frei von Symptomen zu sein.
      • Diejenigen jedoch, die in ihrer Kindheit traumatisiert wurden – also ein Entwicklungstrauma erlebten – konnten dies nur in 25 % der FĂ€lle angeben.

Dies zeigt mal wieder sehr deutlich: Chronische Traumatisierungen / also Entwicklungstraumata – besonders diejenigen aus der Kindheit – fĂŒhren zu völlig anderen psychischen und biologischen Adaptionen / Anpassungen als das Erleben einzelner dramatischer Situationen im Erwachsenenalter. EMDR ist jedoch mit das wirksamste Mittel, dass uns heute zur VerfĂŒgung steht, um nicht integrierte Trauma-Erinnerungen im Nachhinein wieder zu integrieren. Jedoch kann auch diese Therapieform keine Wunder bewirken! Sie kann die Nachwirkungen von Verlassenwerden, von VertrauensbrĂŒchen, von körperlicher Misshandlung und sexuellen Missbrauch aus der Kindheit nicht immer aufzulösen. Eine mehrwöchige Therapie – egal welcher Art und QualitĂ€t sie auch sein mag – reicht niemals aus um die Folgen langjĂ€hriger traumatischer Erlebnisse aufzulösen.

6. Anerkennung von EMDR

Seit Anfang 2015 ist EMDR als Psychotherapiemethode in der gesetzlichen Krankenversicherung anerkannt. Sie darf ausdrĂŒcklich innerhalb eines richtigen Verfahrens bei Erwachsenen zur Behandlung einer posttraumatischen Belastungsstörung eingesetzt werden. Bereits einige Jahre zuvor wurde sie laut Gutachten im § 11 des Psychotherapeutengesetzes am 6. Juni 2006 als Methode zur Behandlung von posttraumatische Belastungsstörung als wissenschaftlich anerkannt.

EMDR ist von der APA – der American Psychological Association und der internationalen Gesellschaft fĂŒr Trauma Stress-Studien als wirksam anerkannt und gewinnt immer mehr an Bedeutung. Aktuell gibt es weltweit ĂŒber 50.000 ausgebildete Therapeuten.

Wie gehen wir jetzt nun in dieser kleinen Reihe ĂŒber TherapieansĂ€tze bei Traumata – hier die EMDR-Therapie – weiter vor?

Im nÀchsten Beitrag werden wir uns dann

      • mit den nicht integrierten Erinnerungen nĂ€her befassen.
      • Unserem sicheren Ort.
      • Dem entspannten Atmen
      • Der bilateralen Stimulation.
      • Der Comic Technik.

All diese sind Techniken, welche ich auch in einer Art „Trauma-Selbsthilfe“ anwenden kann. Danach werden wir in einem gesonderten Beitrag ein System besprechen, wie wir all unsere negativen Wahrnehmungen in eine logische Tabelle und damit in einen kognitiven Zusammenhang bringen können. Gerade dies ist eine mehr als wichtige Hilfestellung um zu erkennen, dass wir durch unsere eigenen Erfahrungen reflexartig stereotyp, sowohl in positiven, aber auch in negativen Gedankenmustern fest hĂ€ngen. Ich hoffe, du freust dich auch auf diese kleine Reihe ĂŒber EMDR

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Ein Spaziergang 1987 im Park verĂ€nderte das Leben von Francine Shapiro. Völlig ĂŒberrascht bemerkte sie, dass sich ihre depressive Stimmung durch eine bestimmte Augenbewegung merklich besserte. Neugierig geworden, begann sie zu forschen und selber Psychologie zu studieren. 

Auch wenn wir heute immer noch nicht genau wissen, wie und warum es in unserem Gehirn eine so enorme Wirkung entfaltet (Wachstum des Hippocampus und Verringerung von Traumareaktionen), die Wirkung ist nicht zu leugnen. Aber war dies nicht auch bei dem Wirkstoff Penizillin Ă€hnlich? Zwischen der Entdeckung der antibiotischen Eigenschaften 1928 und des endgĂŒltigen Verstehens wie er wirkt im Jahre 1965 lagen fast 4 Jahrzehnte. Darum bin ich mir sicher, dass wir dies auch irgendwann bei EMDR verstehen werden. 

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