Spiele der Kommunikation – Die Transaktionsanalyse
Wut, Angst, das Gefühl nicht fertig zu sein – all das kommt aus der frühesten Kindheit.
Nach der Transaktionsanalyse unterscheiden wir 4 verschiedene Lebensanschauungen welche einen Menschen durch sein gesamtes Leben begleiten:
Du siehst einen Strich zwischen der 3. und der 4. Lebensanschauung. Warum ich diesen Strich dahin gemacht habe möchte ich im weiteren Verlauf noch erklären.
Wenn ein Kind geboren wird dann ist die Beobachtung von Therapeuten, dass die erste Lebensanschauung des jungen Menschen praktisch immer folgende ist: — ich bin nicht okay –du (damit sind meist die Eltern als Bezugspunkt gemeint) bist okay.
Mit dieser Ungleichung beginnt der kleine Mensch sich selbst und die Umwelt – fĂĽr ihn sozusagen – “richtig ein zu ordnen”. Es ist die erste Entscheidung im Leben eines jungen Menschen und wird alles Nachfolgende beeinflussen was er auch immer später tun wird.
Das ist wichtig! Da es sich um eine Entscheidung der Einordnung handelt, kann diese später auch durch eine neue Entscheidung verändert werden – aber erst, wenn der junge Mensch älter geworden ist und mehr Verständnis hat.
        Das Ziel ist immer die 4. Stufe zu erreichen
Diese Behauptungen (die erste Lebensanschauung ist: ich bin nicht okay – du bist okay) möchte ich auch ein wenig intensiver erklären.
Um die Situation eines kleinen Kindes besser zu verstehen, mĂĽssen wir ihre Lebenszeit in 2 Bereiche unterteilen:
Auch wenn viele von sich sagen, Sie hatten eine „glĂĽckliche Kindheit“ – so hat praktisch jedes (!) Kind diese erste Lebensanschauung (ich bin nicht okay – du bist okay) fĂĽr sich getroffen.
Wie kann man diese Behauptung untermauern?
Hier möchte ich auf die Forschungsarbeiten von dem Neurochirurgen aus Kanada Wilder Penfield (1891 – 1976) verweisen.
Durch seine Forschungen und Operationen als Neurochirurg am offenen Gehirn hat er festgestellt, dass das menschliche Gehirn 3 Funktionen erfĂĽllt
(1) Aufzeichnung
(2) Erinnerung
(3) wiedererleben.
Eine bewusste kognitive Erinnerung an die frĂĽhesten Lebenstage ist zwar nicht möglich (der junge Mensch hat ja zu dem Zeitung noch keine Sprache) ….Â
es gibt aber Beweise dafür, dass die frühesten Erlebnisse wieder erlebt werden können (und auch werden) indem man den Gefühlszustand des jungen Menschen wieder erleben kann.
Diese GefĂĽhlszustände haben zwar keine Sprache, sind beschränkt auf GefĂĽhle und verschwommene Fantasien …
Sie können aber durch Weinen, Unwohlsein oder Wohlsein wieder nachempfunden werden. Gelegentlich können diese frühesten Erlebnisse durch Träume im späteren Leben wieder erlebt werden.
Penfields Vorstellung war, dass unser Gehirn ein lückenloses Protokoll des gesamten Lebens beinhaltet und nur darauf wartet durch äußere Impulse wieder abgelesen werden zu können.
Dieser Gedankengang ist für unsere spätere Betrachtung der Lebensanschauungen sehr wichtig! Bei seinen Operationen am offenen Gehirn konnte sich der Patient an verschiedene Situation seines frühesten Lebens erinnern welche er als Kleinkind miterlebt hatte aber über Jahrzehnte vergessen hatte:
Der Patient sah ein Klavier und Jemanden der darauf spielte und konnte sich genau an dieses Lied wieder erinnern. Er hörte sozusagen das Lied in dem Moment wo der Arzt mit einer Elektrode sein freigelegtes Hirn berührte.
Es lohnt sich im Internet einmal die Berichte von Wilder Penfield und seinen Forschungen nachzulesen. Wichtig für uns ist die Aussage:
unser Gehirn hat die Aufgabe
Von der frühesten Kindheit an zeichnet unser Gehirn also alles auf, was der junge Mensch erlebt. Es speichert dies und bewahrt es für ein späteres wieder erleben auf.
Ganz am Anfang sind die Reaktionen des Säuglings auf die äußeren Reize rein instinktiv. Später spiegeln sie (seine Reaktionen auf seine Umwelt) eine konditionierte/erlernte und aufgezeichnete Erfahrung wieder.
Ein Beispiel für Erlerntes: Mit das Erste was er lernt als Säugling ist, auf die Stimme der Mutter zu reagieren, diese von anderen Stimmen zu unterscheiden und sich ihr bewusst hinzuwenden.
Erste Zusammenfassung:
Wenn unser Gehirn sämtliche Erfahrungen und Gefühle aufzeichnet,
Dies ist, als wenn ich ein Tonband von der Originalaufnahme als Erwachsener wieder abspiele, jetzt aber mit dem Unterschied, dass ich heute ein erwachsener Mensch bin.
Die Folgen dieser Erkenntnis sind gigantisch! Die Transaktionsanalyse hat sich die Aufgabe gesetzt, all diese Erfahrungen in einfacher Form zu systematisieren und in den Alltag zu übersetzen….
Da haben wir die circa 40 Wochen zwischen der Empfängnis und der biologischen Geburt. In diesen circa 40 Wochen beginnt das Leben in einer vollkommen Umwelt, in der besten Umwelt die der Mensch jemals bewohnen kann. Wir können diese Art von Leben als symbiotische Intimität bezeichnen.
Durch die Geburt wird der kleine Mensch in eine katastrophale Gegenteil-Situation geworfen und bekommt es mit fremdartigen und Furcht erregenden neuen Bedingungen wie Kälte, Lärm, Haltlosigkeit, getrennt sein und Verlassenheit zu tun.
Für einen kurz Moment ist dieser Säugling abgeschnitten, alleine, beziehungslos.
Praktisch alle Theorien ĂĽber dieses Geburtstrauma haben einen gemeinsamen Nenner:
dieses Ereignis und diese aufwĂĽhlenden GefĂĽhle werden aufgezeichnet und in irgendeiner Form im Gehirn gespeichert.
Sigmund Freud nannte dieses überwältigende Ereignis der Geburt und die daraus entstehende Gefühle das „Modell der späteren Angst.“
Aber zum Glück hält dies in der Regel nicht lange an. Schon wenige Augenblicke nach der Geburt kommt der Säugling mit einer rettenden Personen in Kontakt. Ein anderer Mensch nimmt ihn hoch, wärmt ihn, hält ihn und beginnt mit dem wichtigsten Akt des menschlichen Lebens: des streicheln!
In diesem Moment, erlebt der Säugling die psychologische Geburt!
Das Streicheln ist die wichtigste Information des gesamten Lebens! Es ist auch die allererste Information darüber, dass das Leben „da draußen“ nicht vollkommen schrecklich ist.
Dieses Streicheln ist eine Versöhnung eine Wiederherstellung von Verbundenheit und setzt den Lebenswillen wieder in Gang.
Wir alle wissen, dass Streicheln wichtig ist – Wir sind uns aber häufig nicht der Tatsache bewusst, dass Streicheln und wiederholter körperlicher Kontakt sowohl für den Säugling als auch für jeden Menschen bebensnotwendig ist!
Ohne diesen Kontakt stirbt der Mensch (wenn nicht physisch, dann zumindest psychisch)
Diesen Zustand beschreibt auch das Wort Marasmus. Marasmus ist eine schwere Erkrankung aufgrund eines Mangels!Â
Früher gab es sogar Todesfälle durch Marasmus wegen körperlichen und geistigen schwäche und Verfall und das besonders in Findelhäusern wo die Säuglinge nicht gestreichelt wurden.
Obwohl diese Säuglinge komplett versorgt wurden …. (Marasmus ist in erster Linie eine Krankheit wegen Mangelernährung) … gab es keine körperliche Ursache zur Erklärung dieser Todesfälle.
Nur eine Sache fehlte: der offenbar unentbehrliche belebende Reiz durch das Streicheln.
Nun bekommt ein Säugling dieses Pflegen und Streicheln – selbst in einer optimalen Umgebung – nicht ohne Unterbrechung. Mit welcher Auswirkung?
Seine Stimmung schwankt immer wieder hin und her zwischen einer Zufriedenheit und eine Unzufriedenheit.
In den ersten zwei Lebensjahren hat er ja noch keine richtigen Denkwerkzeuge (Worte und andere kognitive Hilfen) um sich mit Ihrer Hilfe eine Erklärung für dieses hin und her in seiner kleinen Welt aufzubauen.
Wir wissen heute, dass der Präfrontale Kortex diese Information erst ab dem circa 18. bis 24. Lebensmonat verarbeiten kann. Bis zu dem Zeitpunkt ist dieser Bereich des Gehirns noch sehr unreif.
Aber – das ist jetzt wichtig – das Gehirn zeichnet trotzdem sämtliche Gefühle auf die in Beziehung zwischen dem Säugling und seiner Umwelt, in erster Linie zwischen ihm und seiner Mutter, entstehen.
Diese Gefühle hängen ganz eng zusammen mit dem Zustand des gestreichelt werden/nicht gestreichelt werden.
Das Kind denkt: „wer streichelt ist okay.“ Die Einschätzung über seine eigene Person des Säuglings selber ist noch unsicher, weil seine okay Gefühle ja nicht permanent sind. Sie sind nur vorübergehend und werden immer wieder durch „nicht okay Gefühle“ ersetzt.
Und was ist die Folge? Wenn seine nicht okay Gefühle immer wieder kommen dann wird irgendwann die Überzeugung übermächtig: „ich bin nicht okay.“
In welchem Alter ist diese Anschauung „ich bin nicht okay – ihr seid okay“ für das Kind nun gültig?
Genau mit dieser Frage hat sich der Entwicklungspsychologe Jean Piaget (1896 – 1980) Zeit seines Lebens beschäftigt.
Gemäß seinen Untersuchungen
In diesen ersten 24 Lebensmonaten wird das geboren, was wir als die Lebensanschauung des Menschen bezeichnen.Â
Hat sich der kleine Mensch einmal für eine bestimmte Anschauung entschieden, hat er endlich eine feste Ausgangsposition, die weitere Voraussagen möglich macht.
Nochmals: die aller häufigste erste Lebensanschauung von einem kleinen Menschen ist: „ich bin nicht okay – du (meine Mutter) bist okay.
Jean Piaget sagte hierzu:
Diese ersten geistigen Prozesse sind noch nicht in der Lage, Wahrheiten zu erkennen. Sie sind auf den Wunsch nach Erfolg oder Anpassung beschränkt.
Übersetzt könnten Sie lauten: „Wenn ich nicht okay bin aber du okay bist, was kann ich dann tun, dass du, eine okay Person, gut zu mir bist zu einer nicht okay Person?“
Wir als Erwachsene würden jetzt sagen, dass dies eine sehr schlechte Ausgangsposition ist. Für das kleine Kind ist dies aber immerhin besser als nichts! Es entsteht erst einmal ein Gleichgewichtszustand.
Das sogenannte Erwachsenen-Ich in dem kleinen Menschen hat es zum ersten Mal geschafft, dem Leben einen Sinn zu geben:
Der Psychologe Alfred Adler nannte dies „die Einstellung gegenĂĽber anderen“ als das zentrale Lebensproblem welches ein junger Mensch mit dieser Ăśberlegung löst.Â
Lawrence Kubie (1896 – 1973) war ein amerikanischer Psychiater. Zu seinen Patienten gehörten zum Beispiel auch Leonard Bernstein und Tennessee Williams. Er hat diesen Vorgang des Lernens oder des Beziehens einer Position einmal sehr schön formuliert:
Diese Kernposition kann entweder zu stärksten oder zur schwächsten und verwundbarsten Stelle in seinem Leben werden.Â
Beinhaltet diese emotionale Kernposition schmerzhafte Konflikte dann muss ich die Person ein Leben lang dagegen zur Wehr setzen.
Dies bindet nicht nur Kraft, sondern behindert einen auch noch, weil sich die Person meistens kleinkindhafte, vorbewusster oder auch unbewusster Taktiken bedient, um diesen Unruheherd im Inneren abzuschirmen.
Kommt Dir hier das Leben des Borderliners wieder in Erinnerung?
Jetzt drängt sich aber eine ganz andere Frage auf: können diese Lebensanschauungen im späteren Leben verändert werden oder sind sie förmlich zementiert?Â
Klare Frage, klare Antwort: ja, Sie können verändert werden!
Es handelt sich hier um eine Entscheidung des sehr jungen Menschen und nicht um ein Naturgesetz. Entscheidungen können grundsätzlich immer wieder aufgehoben werden.
Kommen wir nochmal in der Transaktionsanalyse zu den 4 möglichen Lebensanschauungen wie ein Mensch sich selbst und andere sieht
(1) ich bin nicht okay – du bist okay
(2) ich bin nicht okay – du bist nicht okay
(3) ich bin okay – du bist nicht okay
———————
(4) ich bin okay – du bist okay
Diese einzelnen Lebensanschauungen möchte ich in einem separaten Video genauer beschreiben. Aber ich möchte wieder auf den Strich zwischen der 3. und der 4. Lebensanschauung zurückkommen.
Nach alldem was wir in den Therapien bis heute sehen, ist es so das sich das Kind bis zum Ende des zweiten Lebensjahres fĂĽr eine der ersten drei Anschauungen entschieden hat.
Die allererste: „ich bin nicht okay – du bist okay“ ist eine erste vorsichtige Entscheidung des jungen Menschen die auf den Erfahrungen seiner ersten zwei Lebensjahre beruht.Â
Diese Entscheidung wird entweder weiter bestätigt oder sie macht der 2. oder 3.  Grundanschauung Platz:
(2) ich bin nicht okay – du bist nicht okayÂ
(3) ich bin okay – du bist nicht okay.
Hat sich das Kind für eine dieser drei Grundanschauungen entschieden bleibt es auch dabei und dies wird später all seine weiteren Handlungen bestimmen.
Auf dieser Lebensanschauung verharrt ein Mensch in der Regel fĂĽr den Rest deines Lebens wenn er sich später nicht ganz bewusst fĂĽr die 4. Grundanschauung entscheidet:Â
(4) ich bin okay – du bist okay
Wichtig — Menschen springen nicht beliebig zwischen den einzelnen Lebensanschauungen hin und her.
Und noch etwas ist wichtig:Â Die Entscheidung fĂĽr eine der ersten drei Positionen beruht auf einem ganz einfachen Mechanismus:
Diese ersten drei Entscheidungsmöglichkeiten vollziehen sich nicht auf einer kognitiven Ebene, denn sie sind ohne sprachliche Verarbeitung entstanden. Sie sind keine Erklärung sondern Folgerungen des jungen Menschen. Jedoch sind sie mehr als primitive Reflexe.
Kommen wir noch einmal zurück zu Jean Piaget: er nannte sie intellektuelle Ausdeutungen beim Aufbau des Kausalitätsbewusstseins.
Hört sich bisschen hölzern an bedeutet aber mit anderen Worten: Sie sind ein Produkt der Entscheidungen im Erwachsenen- ICH des sehr kleinen Menschen.
In meinem nächsten Beitrag gehe ich auf die einzelnen Lebensanschauungen etwas intensiver ein.
Es sind viele Bereiche, die wir ansprechen können: Angefangen vom Umgang Borderline oder einer anderen belastenden Störung, aber auch ĂĽber Future Faking, Love Bombing und Gaslighting die immer häufiger in unsere Gesellschaft zu beobachten sind.Â
Ich möchte aber nicht nur über Fragen sprechen, sondern auch praxisgerechte Lösungen anbieten:
Buchen Sie sich einfach auf meinem Online-Kalender ein Zeitfenster oder nutzen Sie mein klassisches Kontaktformular um mit mir in Verbindung zu treten. Ich freue mich auf Sie. Ihr Marcus
Thomas Harris (Facharzt und Professor fĂĽr Psychiatrie) hatte mit Eric Berne die Transaktionsanalyse begrĂĽndet und auch in der Praxis immer wieder erprobt. Wo Eric Berne sehr in der Theorie aufgeht, erklärt uns Thomas Harris in einer sehr lebendigen Art und Weise, dass die Transaktionsanalyse in unserem Alltag einen wichtigen Beitrag leisten kann. Hier sind Themen wie Kindererziehung, Ehe, Depression und andere psychische Probleme, Gewaltfreie Kommunikation, Spannungen durch Religion und Kultur die Grundlage seiner Studien.Â
Ein tolles Buch zur Selbstreflexion. Ich vergleiche es sehr gerne mit einem SchlĂĽssel um das Schloss der eigenen Handlungsrituale zu öffnen. Mit diesem Buch werden die “DrehbĂĽcher des eigenen Verhaltens” sichtbar.