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Borderline Persönlichkeitsstörung – eine Störung in der Bindungsreife-Entwicklung

Persönlichkeitsstörungen nach dem ICD10 im ÜberblickBorderline (F60.31), Histrionisch (F60.4), Narzissmus, Anankasmus / Zwanghaft F60.5), Paranoid (F60.0), Schizoid (F60.1), Dissozial F60.2), Ängstlich (F60.6), AnhĂ€ngig (F60.7)

All diese Störungen haben etwas gemeinsam:

  • Da kein Mensch mit einer Persönlichkeit auf die Welt kommt, kann auch keiner mit einer Persönlichkeitsstörung geboren werden
  • Eine Persönlichkeitsstörung entsteht in der frĂŒhesten Entwicklungsphase eines Kindes, wenn es nur eine einzige Sache lernt: Bindung.
  1.  

Es gibt so unendlich viele Theorien und Statements ĂŒber die Entstehung einer Persönlichkeitsstörung, dass viele – selbst viele Therapeuten und Mediziner – verwirrt davor zurĂŒckschrecken, sich mit dieser Thematik zu befassen.

Aber eigentlich ist alles recht einfach und logisch


  • Alle Neugeborenen – sofern sie organisch gesund auf die Welt kommen – haben nur ein Ziel: Bindung aufzubauen!

In dieser ersten Phase des Lebens, in der sie noch keine Sprache haben, geht es nĂ€mlich nicht um Mathematik, Sprache, RĂ€umliche Intelligenz, Musik, KinĂ€sthetik / Körperliche Intelligenz 
 es geht einzig und allein darum, mit der Bezugsperson ohne Worte eine Bindung aufzubauen


All die anderen Themen kommen spÀter dran. Dann, wenn der kleine Mensch bereits Wörter und Sprache zu seiner Kommunikation benutzen kann.

👉 Mit diesem Beitrag möchte ich einmal logisch fundiert aufzeigen, warum wir Borderline und andere Persönlichkeitsstörungen, als eine Störung in der frĂŒhesten Bindungsreifeentwicklung betrachten können. Das ist meines Erachtens sehr wichtig, weil es die Grundlage aller TherapieansĂ€tze beeinflusst.

Das, was einem Borderliner und allen anderen Menschen mit einer Persönlichkeitsstörung fehlt ist: 

👉 Bindung 
 Bindung 
 und nochmals Bindung

StĂ€rker als jede andere Droge, ist die Sucht nach Kontakt / nach der Resonanz durch andere Menschen! Die Zeiten von Corona haben eins besonders deutlich gezeigt: dass der wichtigste Einfluss, dem wir uns als Menschen aussetzen können, die Resonanz zu anderen Menschen ist. Das Miteinander mit Anderen bestimmt, wie wir uns entwickeln und ob wir durch sie stĂ€rker oder schwĂ€cher werden. Und eine Störung in dieser Entwicklung, ist die Grundlage fĂŒr eine Persönlichkeitsstörung.

Was ist Persönlichkeit? – Teil 1

Temperament / Charakter / Persönlichkeit

Der Unterschied zwischen Temperament, Charakter und der PersönlichkeitDirekt am Anfang möchte ich drei Begriffe gerne einmal erklÀren, da sie oft miteinander verwechselt werden:

  • Temperament
  • Charakter
  • Persönlichkeit

Temperament

Unser Temperament wird ab dem Moment der Zeugung hauptsÀchlich von unseren Genen / dem Erbgut bestimmt. Dies wÀre der dynamische Teil unseres Verhaltens.

Diesen inneren / intrinsischen Anteil unserer Persönlichkeit sehen wir bereits in allerfrĂŒhester Jugend eines SĂ€uglings und umfasst alle Motivation eines Menschen:

  • die Triebe / die GefĂŒhle / den Willen
  • unsere Ausdauer / Stimmung / Reizschwelle. 

Was ist Temperament, was ist der Charakter was ist die Persönlichkeit?Als Vater mehrerer Kinder kann ich bestĂ€tigen, dass jedes Kind bereits ab seiner Geburt sein eigenes Reaktions-Verhalten gezeigt hat. Jeder Mensch ist wirklich so einzigartig wie eine Schneeflocke / oder ein Fingerabdruck. Und je nach Temperament neigen Babys dazu, negative oder positive GefĂŒhle / eine gute oder schlechte Laune zu haben und diese in ihrem Verhalten widerzuspiegeln.
Der geniale Genforscher Robert Cloninger hat durch seine Studien bewiesen, dass unser Temperament genetisch vererbt und nur sehr schwierig zu beeinflussen ist.

Er unterteilt es in folgende vier Bereiche:

  1. Vermeidungsverhalten (aufgeschlossen, optimistisch oder Àngstlich, pessimistisch)
  2. Neugierde (impulsiv oder rigide)
  3. Wunsch nach Anerkennung (kalt, distanziert oder warmherzig)
  4. Ausdauer (ambitioniert oder leicht entmutigt)  

Etwas bekannter fĂŒr dich ist vielleicht die Unterscheidung der 4 Temperamente nach der Hippokratischen Lehre: 

  • Choleriker: Hochmotivierte, leidenschaftliche und auch energische Menschen, die aber auch leichter wĂŒtend werden. „Er kann kleine Dinge groß machen“
  • Melancholiker: In der Tendenz ruhige / traurige Personen. Sie sind recht emotional und haben feine Antennen fĂŒr Kunst. Sie sehen als einzige der vier Gruppen Wege, die noch gar nicht existieren.
  • Phlegmatiker: Dies sind eher distanziertem kalte und rationale Wesen. FĂŒr sie ist etwas nur genau, wenn es GENAU beschrieben wird. „So isses wie es ist 
 Nicht grĂ¶ĂŸer nicht anders“
  • Sanguiniker: Solche Menschen sind eher glĂŒckliche und optimistische Personen, die ihre Zuneigung anderen sehr gerne ausdrĂŒcken und eher extrovertiert und selbstsicher sind. Sie sind diejenigen, die um etwas herumtanzen und sagen „ist es nicht schön?“

Folgendes sollten wir beim Temperament immer im Sinn behalten: Wir werden diese, unsere von Geburt an erworbene Neigung immer behalten. Denn, wer als Choleriker zur Welt kommt, wird nicht als Phlegmatiker ins Grab gehen. Aber, wir können uns Mittel aneignen, um unser jeweiliges Temperament entweder zu verstÀrken oder zu verringern. 

Charakter

Der Charakter (griechisch „unsere PrĂ€gung“) ist all das, was ich an Regeln, Zielen, Motiven, Weltanschauungen und Transzendenzien von meiner Umwelt erhalte.

Was das Temperament der dynamische Teil unseres Handelns, dann ist der Charakter der strukturelle Teil / dass was uns eine Form gibt. Hier kommen dann auch unsere ethisch moralischen Werte zum Vorschein. 

Unser Charakter beinhaltet all die Gewohnheiten, die uns von außen anerzogen wurden aber auch diejenigen, welche wir eigenstĂ€ndig durch unsere Beziehungen gelernt haben. Er enthĂ€lt also sowohl angeborene als auch teilweise erlernte Aspekte. Nochmals möchte ich den amerikanischen Genforscher Robert Cloninger zu Wort kommen lassen. Er unterscheidet drei Dimensionen des Charakters:

  1. Die Selbstbestimmung in Differenzierung zur Fremdbestimmung
  2. Die Bereitschaft zur Hilfe, Kooperation und Zusammenarbeit.
  3. Die Selbst-Transzendenz. Also unsere Werte welche ĂŒber unseren Tod hinaus fĂŒr uns prĂ€gend und wichtig sind.

Persönlichkeit

Unsere Persönlichkeit ist Ă€hnlich dem Ergebnis einer einfachen Addition: Gene + Charakter = unsere Persönlichkeit. Persönlichkeit ist also unser eigentliches Handeln, welches von innen durch unsere Gene verursacht und von außen durch den Charakter geformt wird. Sie ist die Gesamtheit unseres Verhaltens, unserer GefĂŒhle und unseres Denkens.

Man könnte die Persönlichkeit auch als unser typisches Verhaltensmuster beschreiben, dass – inklusive unserer Gedanken und Emotionen – zeigt, wie wir uns an verschiedene Lebenssituationen anpassen.

Jetzt haben wir das Temperament, den Charakter und auch die Persönlichkeit voneinander getrennt erklĂ€rt. Kommen wir nun zu unserem Ursprungs-Thema zurĂŒck:

  • Was ist eigentlich eine Persönlichkeits-STÖRUNG?
  • Warum hat kein SĂ€ugling bei seiner Geburt eine Persönlichkeitsstörung?
  • Was hat dies alles mit einer Störung in der Bindungsreife-Entwicklung zu tun?

Lass mich dies nun etwas genauer erklÀren 


1.2. Die Zeit der Internalisierung – die Phase der Bindungsreife

Die drei Phasen der Internalisierung (Psychologie)Bei unserer Geburt haben wir noch kein Selbst – wir kommen zur Welt und wissen nicht einmal, dass wir als eigenstĂ€ndiges Wesen existieren. Dies ist der Beginn der Internalisierungsphasen. Mit Internalisierung (lateinisch internus = innen befindlich; Internalisierung = verinnerlichen) bezeichnen wir die psychoanalytische Entwicklung unserer Psyche. In dieser Zeit werden Objekte (in der Sprache der Psychologie sind das unsere Bezugspersonen) oder Teile von diesen verinnerlicht und in die eigene Psyche ĂŒbernommen.

Diese Zeit der Internalisierung wird in drei Phasen unterteilt:

  • Inkorporation
    • Das Kind kann noch nicht zwischen sich und dem Außen unterscheiden. Alles gehört irgendwie zusammen und alles wird – ohne PrĂŒfung – verinnerlicht 
  • Introjektion
    • Das Kind ist bereits etwas Ă€lter und kann unterscheiden, dass Werte und Normen von außen kommen. Diese werden aber nicht geprĂŒft, sondern alle unfreiwillig verinnerlicht.
  • Identifikation
    • In dieser spĂ€teren Phase des Lebens, kann das Kind nicht nur erkennen, das Wert und Normen von außen kommen, sondern entscheidet sich immer mehr fĂŒr oder wider die Anordnungen. Es zeigt sich z.B. wenn ein Kind gewisse KleidungsstĂŒcke oder Lebensmittel bewusst zuwendet oder ablehnt. SpĂ€ter sind es dann z.B. Identifikationen zum Geschlecht, der NationalitĂ€t, der Religion oder einem Berufsstand.

Dies zeigt, wie sehr wir von den Resonanzen unserer Umwelt / den Bezugspersonen abhĂ€ngig sind, um ein eigenes Selbst ĂŒberhaupt zu bilden. Und diese Zeit der Selbst-Werdung geht auch nicht von heute auf morgen, sie dauert ca. 24 Monate. In dieser Phase werden Bezugspersonen und spĂ€ter auch andere Menschen als eine Art externes Selbst / oder Extended Mind gebraucht. Durch diese Resonanzen wird unser Selbst ein Leben lang beeinflusst und auch verĂ€ndert.

Wenn wir diesen Zusammenhang einmal in aller Höhe und Tiefe verstanden haben, kann uns das helfen, unsere Beziehungen mit unseren Mitmenschen besser zu regulieren und damit auch ein glĂŒcklicheres Leben zu fĂŒhren. Und genau hier entstehen entweder gesunde / oder eben auch ungesunde Denkmuster


👉 Diese allerersten Denkmuster in unserem Selbst könnten wir mit dem Erlernen unserer Muttersprache vergleichen:

Es beginnt noch in der „sprachlosen Zeit“ der ersten Lebensmonate – wenn das SĂ€uglingshirn die Worte der Umgebung mit seinem Hörzentrum“ dem Wernicke-Areal / dem sensorischen Sprachzentrum / Brodmann-Areal 22 aufnimmt. Dann werden parallel im Sprachzentrum / dem Broca Areal / Brodmann Areal 44 und 45 die synaptischen Verbindungen angelegt. Mit welchem Ergebnis? Die Sprache der Eltern – mit ihrem ganz eigenen Dialekt – hinterlĂ€sst dann durch Resonanz, seinen eigenen Fingerabdruck, der dem Kind bei den ersten Sprachversuchen hilft und es dann den gleichen Dialekt sprechen lĂ€sst, wie es diesen von seinen Eltern hört.

Genauso wie wir Sprache und Dialekt durch unsere Eltern lernen, werden auch alle anderen neuronalen Selbst-Netzwerke durch die Resonanz mit den ersten Bezugspersonen gebildet. Wir lernen sozusagen den Charakter-Dialekt im eigenen Elternhaus!

Das Wissen ĂŒber neuronale Selbst-Netzwerke in unserem Gehirn, ist erst wenige Jahre alt. Sie sitzen im Frontallappen, ein Bereich, der bei der Geburt neurobiologisch noch nicht ausgereift und damit auch nicht voll funktionstĂŒchtig ist. Der kleine SĂ€ugling erlebt zwar seine Umwelt und besitzt auch seine unantastbare WĂŒrde, aber er hat zu diesem Zeitpunkt noch kein eigenes Selbst. Dieses ist auf die Resonanz seiner Umgebung zwingend angewiesen.

Ja, es gibt Erziehungskonzepte aus der Wissenschaft, dass Kinder sich am besten entwickeln wĂŒrden, wenn sie in ihrer Entscheidungsfreiheit nur auf sich alleine gestellt wĂ€ren. Solch eine Denkweise ist jedoch ein gefĂ€hrlicher Irrweg, fĂŒr den viele Jugendliche und spĂ€tere Erwachsene teuer bezahlen mĂŒssen. Denn auch unser Selbst, unsere psychische HĂŒlle kann Schaden erleiden. Dazu braucht es nicht immer Einwirkungen von außen wie zum Beispiel ein Trauma. Auch wir Selbst können uns selbst Schaden zufĂŒgen.

Darum sind liebevolle erzieherische Leitplanken im Umgang mit unseren Kindern notwendig, um Ihnen zu helfen, von unseren Erfahrungen in ihrem Leben zu profitieren. Warum sollten sie auch die gleichen Fehler machen wie wir? Da sich die Welt immer schneller dreht, ist es die oberste Pflicht von uns Eltern, unseren Kindern den Wissensvorsprung zu geben, den wir uns selbst erarbeitet haben. Und ganz nebenbei: Wer den Roman „Der Bungalow“ von Helene Hegemann einmal gelesen hat, der weiß, wie sehr unsere Kinder Leitplanken durch ihre Eltern benötigen.

👉 Borderline ist eine Störung in der Bindungsreife-Entwicklung

Die Objektbindungstheorie – Teil 2

  • Wie also entsteht im Menschen ein Selbst,
  • wie kann es sich erhalten und
  • welchen Gefahren ist es ausgesetzt?

Wer mit einem kleinen SĂ€ugling in Kontakt geht, macht eigentlich folgende sich widersprechende Erfahrungen;

  • auf der einen Seite ist der SĂ€ugling in seiner Unreife und Hilflosigkeit eigentlich gar nicht in der Lage zu irgendeiner Kommunikation.
  • Andererseits gelingt aber vielen Erwachsenen doch, „irgendwie“ mit ihm in Kontakt zu treten und zu kommunizieren.

Diese Art der Kommunikation ist eine völlig andere, als wenn wir uns mit einem anderen Erwachsenen unterhalten. Erwachsene adressieren in einer Ansprache immer die Selbst-Systeme des GegenĂŒbers. Allein die Frage „Wie geht es dir?“ zeigt deutlich, wie sehr sich diese Ansprache von der eines SĂ€uglings unterscheidet. Der SĂ€ugling hat kein Selbst, darum hat diese „Erwachsenen-Kommunikation“ neurowissenschaftlich keine Wirkung auf das junge Gehirn. 

Diese Behauptung lĂ€sst sich mit heutigen modernen neurowissenschaftlichen Methoden auch bildtechnisch nachweisen: Spricht mich jemand an, oder merke ich das andere ĂŒber mich sprechen, dann werden meine jeweiligen Nervenzellnetzwerken des Stirnhirns aktiv.

Wie aber kommunizieren Erwachsene nun mit einem SĂ€ugling, bei dem sein Ich-Sinn, ein Selbst und seine neuronale Grundlage, die Selbst-Systeme, noch gar nicht ausgebildet sind? Wenn man es weiß, ist es eigentlich recht sein: durch spielerische, spiegelnde Resonanz!

Im ersten Schritt nehmen wir ganz intuitiv Blickkontakt auf. Die erste Kommunikation mit einem SĂ€ugling erfolgt gewöhnlich ĂŒber die Augen. Doch das ist erst der Anfang 


Dann beginnt ein Tanz / oder ein Spiel. Wir fangen an, den kleinen Menschen in seinem Tun zu spiegeln. Wir gehen also in Resonanz zu ihm. In diesem Kommunikationsspiel lassen wir seine gesamte Körpersprache wie z.B. seine Stimme, seine Mimik oder seine Bewegungen auf uns wirken und dann ahmen wir diese einfach nach. Aber nicht eins zu eins, sondern wir verÀndern sie ein wenig und kommentieren sie.

Da kommen auf einmal SĂ€tze wie:

  • „Oh, die hast die Augen ja so klein. Bist du mĂŒde?“ Oder:
  • „Mensch, du kannst ja richtig strampeln. Möchtest du laufen?“

Unsere erste zwischenmenschliche Kommunikation ist also ein Imitieren. Eltern / oder andere Bezugspersonen, die mit dem SĂ€ugling kommunizieren, spĂŒren gewissermaßen in sich, wie es dem Kind geht, und spiegeln seine Stimmung. Dabei fĂŒgen sie dieser Resonanz in der Regel immer etwas Hilfreiches hinzu – das geht allein schon durch eine tröstende oder aufheiternde Stimme, die wiederum beim SĂ€ugling eine eigene Resonanz auslöst.

Und wer in Resonanz geht, der verĂ€ndert sich zwangslĂ€ufig: Wenn der SĂ€ugling anfĂ€ngt zu lĂ€cheln, dann wird er uns mit Sicherheit auch zum Lachen bringen. Das gleiche passiert, wenn der SĂ€ugling zum Beispiel Hunger oder Schmerzen hat. Eltern spĂŒren dieses GefĂŒhl förmlich in sich und können in der Regel gar nicht anders, als eine liebevolle Resonanz dem Kind zurĂŒckzugeben.

Interessant ist, dass beide Parteien sich nicht nur geistig in ihrer Stimmung Ă€ndern. Nein! Die VerĂ€nderung findet auch neurobiologisch statt: Wir wissen heute, dass jedes innere GefĂŒhl – egal ob Freude, Neugier, Schmerz, Angst, Ärger, Wut oder Ekel – im Gehirn bestimmte neuronale Netzwerke aktiviert. Registriere ich bei meinem GegenĂŒber ein bestimmtes GefĂŒhl, dann kommt es nicht nur in seinem, sondern auch in meinem Gehirn zu einer Aktivierung der Netzwerke, die zu diesem GefĂŒhl gehören. Fakt ist also, dass die Gegenwart anderer – ohne dass wir uns dessen bewusst sein brauchen – unser Gehirn verĂ€ndern.

Genau das geschieht beim SĂ€ugling durch die Gegenwart seiner Bezugspersonen. Sie formen sein Gehirn – from the scratch – also von Grund auf / ganz elementar. Diese ersten an das Kind adressierten Resonanzen zeigen dem Kind, wer es in dieser Welt ist. Sie sind die Grundlage ihres ersten SelbstgefĂŒhls und lassen etwas spĂ€ter in ihm sein Selbst entstehen.

Und jetzt kommt wieder meine Frage: Wann entsteht denn jetzt eigentlich eine Persönlichkeitsstörung? Kurz und knapp: Ganz in den AnfĂ€ngen der Persönlichkeitsentwicklung, wenn die ersten Resonanzen entweder in Richtung StabilitĂ€t oder in Richtung InstabilitĂ€t gehen. Und wenn jemand dies immer noch anzweifelt, möchte ich ihm / ihr gerne folgende Frage stellen: „Wenn nicht in der vulnerablen ersten Bindungsreife-Zeit, wann denn dann?“ Die Beweise liegen erdrĂŒckend stark

2.2. Das Eltern – Drama – Dreieck

Das Eltern-Drama-Dreieck sind gewalttĂ€tige Eltern, Ă€ngstliche Eltern und distanzierte ElternWelche EinflĂŒsse sind besonders dafĂŒr verantwortlich, dass ein Kind mit einem instabilen Selbst aufwĂ€chst?

Es ist ein Fakt, dass die allerersten LerneinflĂŒsse im Leben eines Kindes – durch seine Bezugspersonen – in der Regel die Eltern – kommen.  Und nochmals: das ist kein Eltern-Bashing (engl. to bash = schlagen). Es ist einfach nur eine faktische Beobachtung der RealitĂ€t. Gerne kann man mich vom Gegenteil ĂŒberzeugen, dass der Einfluss eines SĂ€uglings durch andere Personen als die Eltern grĂ¶ĂŸer ist
 Bislang habe ich diesen aber noch nie persönlich oder durch Studien kennengelernt.

Schauen wir uns darum mal an, welchen EinflĂŒssen Kinder in unserer heutigen Zeit, immer hĂ€ufiger ausgesetzt sind. Ich beobachte vor allem drei Extreme, die ein Kind stressen und in eine instabile Handlungsohnmacht bringen können


2.3.1 die ĂŒberĂ€ngstlichen Helikopter-Eltern


Es gibt schon einige Erziehungsstile 
 Von autoritĂ€r ĂŒber demokratisch bis hin zu egalitĂ€r ist alles zu sehen. In den letzten Jahren zeigt sich aber ein Erziehungs-Stil besonders hĂ€ufig: den, der ĂŒberĂ€ngstlichen / ĂŒberbehĂŒtenden „Helikopter-Eltern“.

Vielleicht wunderst du dich darĂŒber, dass ich diese Erziehungsform auch als eine Form von missbrĂ€uchlichem Verhalten bezeichne. Aber was ist es denn sonst, als ein geistiger Missbrauch und eine EntmĂŒndigung des Kindes? Lass mich dir kurz erklĂ€ren, warum ich davon zutiefst ĂŒberzeugt bin. 

Wenn wir Eltern beobachten, die wie ein Helikopter schĂŒtzend aber auch kontrollierend ĂŒber ihren Kindern kreisen, was fĂŒr eine Botschaft vermitteln sie damit ihrem Kind? Stell dir jetzt mal das Bild eines krabbelnden Kindes im Alter von 5 bis 8 Monaten vor. Es freut sich ĂŒber seine erste eigene Freiheit und nutzt diese, um seine nĂ€chste Umgebung zu erkunden. Sein erstes Abenteuerziel liegt in einen anderen Raum 
 Die Mutter oder der Vater rennt nun angsterfĂŒllt hinterher, ruft vielleicht noch entsetzt: „Wie kannst du nur wegkrabbeln? Du musst immer bei mir bleiben“  Übertreibe ich? Nein!

  • Bei immer mehr Eltern gibt es nach der Geburt des Kindes nur noch ein Thema 
 ihr Nachwuchs
  • Sie erfĂŒllen den Kindern sĂ€mtliche WĂŒnsche
  • Sind ĂŒberĂ€ngstlich und greifen zu schnell in Situationen ein, in denen ihr Kind selber wachsen sollte
  • Sie stehen auf dem Spielplatz neben dem Kind, anstatt es mit anderen Kindern spielen zu lernen

Hört sich das nicht gruselig an? Was ist hier die Botschaft der Eltern an die Kinder? Sagen sie nicht klar und deutlich: „Ohne uns kannst du keine eigene StabilitĂ€t aufbauen. Du brauchst uns, um selber stabil zu werden. Alleine kannst du es nicht 
  Die Folge davon: das Kind bleibt durch diesen Dauerstress – Ă€hnlich einem Trauma – in einer Handlungsohnmacht.

2.3.2. GewalttÀtige Eltern

Die nĂ€chste Art von „Erziehung“, die fĂŒr eine instabile Persönlichkeit verantwortlich ist, wĂ€ren die tyrannischen, gewalttĂ€tigen und despotischen Eltern. An diese hast Du wahrscheinlich als erstes gedacht, wenn es um eine instabile Trauma–Entwicklung in der Kindheit geht. Und ja! Viel zu viele Kinder erleben heute Gewalt in der Erziehung. 2022 wurden in Deutschland > 42.000 FĂ€lle registriert (7% mehr als 2021)

Möglicherweise kennst du den Satz: „Solange du deine FĂŒĂŸe unter meinen Tisch setzt
“ Du weißt, wie er weitergeht. Und was fĂŒr eine Botschaft hinterlĂ€sst dies? Ganz klar: „Du hast gar kein Recht, auf eine eigene StabilitĂ€t! Du musst das tun, was ich dir sage und eine eigene IdentitĂ€t hast du nicht.“ 

Die Folge davon: das Kind bleibt auch hier in einer Trauma-Ohnmacht. Wir sprechen hier nicht von einzelnen Handlungen, sondern von einem Handlungsmuster. Das ist keine PTBS – es ist eine Entwicklungs-Trauma–Ohnmacht! Eine komplexe PTBS die nach dem ICD11 unter 6B41 zu finden ist. Sofern du auch davon betroffen bist, empfehle ich folgende zwei Nummern:

      • Das Kinder- und Jugendtelefon 116111
      • Das Elterntelefon 0800 1110550

Wenn dich dieses Thema, rund um das Elter-Drama-Dreieck interessiert, dann empfehle ich dir das Buch von Lindsay C. Gibson „Emotional unreife Eltern – Wie wir mit distanzierten, abweisenden oder Ich-bezogenen MĂŒttern und VĂ€tern umgehen.“  https://amzn.to/4gbxA0X 

2.3.3. Seelische Missachtung / distanzierte Eltern.

Der Begriff des Containings wurde von Wilfred Bion entwickeltLeider sind immer mehr Eltern mit ihrem eigenen Leben und ihrer eigenen Trauma-Biographie bereits komplett ĂŒberfordert.  Wenn der Nachwuchs dann mit seinen eigenen kleinen Sorgen kommt, werden die Eltern oft von ihren (!) eigenen traumatischen Erlebnissen getriggert und förmlich ĂŒberrollt und können dadurch mit dem Kind nicht mehr in eine liebevolle Beziehung eintreten. Das so notwendige und natĂŒrliche „Containing“ (ein Begriff, den der britische Psychoanalytiker Wilfred Bion – 1897 – 1979 prĂ€gte) bleibt dann regelmĂ€ĂŸig auf der Strecke. Mit welchen Folgen? Das Kind ist verwirrt, haltlos und geht ohnmĂ€chtig auf Distanz … auf eine Distanz zu den Eltern, zu seiner Umgebung und immer mehr zu sich selber, da es ja seinen eigenen Wahrnehmungen nicht mehr trauen kann. 

Diese Selbstdistanz ist aber nichts anderes als eine langsame, schleichende Dissoziation. Diese kennen wir aus dem Bereich Trauma. Aber genauso wie es die PTBS und die kPTBS gibt, so gibt es auch die komplexe Entwicklungsdissoziation – das ohnmĂ€chtige Distanzieren vom eigenen Ich. Kinder mit einer Störung in der Bindungsreife-Entwicklung, stammen praktisch immer aus gestörten, dysfunktionalen Eltern-HĂ€usern.

Das hier aufgezeigte Eltern–Drama–Dreieck zeigt nur grob, in welch einer katastrophalen Situation, immer mehr Kinder aufwachsen. Einige erleben sogar alle drei Extreme in ihrer Kindheit und mĂŒssen irgendwie lernen, damit fertig werden.  Das ein kleines Kind dem nicht gewachsen sein und darauf nur mit unreifen Mitteln reagieren kann, versteht sich meines Erachtens von selbst.

Und tataaa 
 auf einmal reagiert ein Kind

  • mit Spaltung, um eine Komplexreduktion zu erreichen (Thompson 1981, Rotter 1975) oder
  • schaltet seine eigene Wahrnehmung ab um nicht noch tiefer in einer Verwirrung zu versinken.

Schalte ich aber meine Wahrnehmung aus, dann bleibe ich immer im außen. Bleibe ich im Außen, dann bleibt mein Inneres ungehört, instabil und schwach. Das ist nichts anderes als das Kernmerkmal aller Persönlichkeitsstörungen: Ein schwaches Ich um den ich immer herumkreise

  • wĂŒtend nach innen wie ein Borderliner
  • wĂŒtend nach außen wie jemand mit Antisozialer Persönlichkeitsstörung
  • fast schon hebephren wie ein Histrioniker oder
  • krankhaft selbstverliebt wie ein Narzisst

Wie komme ich aus all dem heraus? – Teil 3

Ziele einer therapeutischen BegleitungDie Therapie im Bereich Persönlichkeitsstörung ist eigentlich eine therapeutisch begleitete Reise zu sich selbst.  👉Und was wĂ€re ein Ziel in einer therapeutischen Begleitung?

  1. Ich bin ok 


Dies ist der wichtigste Satz / das wichtigste Ziel in der therapeutischen Arbeit! Sich vollstÀndig selbst zu akzeptieren, auch wenn ich mich in manchen Bereichen Àndern möchte. Es ist der Beginn einer achtsamen Selbstliebe und Selbstachtung.

  1. Du bist ok 


Zwar habe ich selber meine eigenen BedĂŒrfnisse, damit diese gestillt werden ist meine Umgebung nicht verantwortlich. Darum brauche ich sie auch nicht zu Ă€ndern – ganz abgesehen davon, dass dies nicht möglich ist. Das zweite Ziel einer Therapie ist also, die Menschen und Situationen um mich herum erst einmal akzeptieren.

  1. Interozeption

Meine Wahrnehmung ist ok, ich kann ihr Vertrauen und höre ihr gerne zu. Das bedeutet, dass ich durch eine gefĂŒhrte Therapie langsam aber sicher mit meinen GefĂŒhlen, mit meinen Lebensmotiven inklusive auch meiner SexualitĂ€t in Kontakt trete.

4. WertschÀtzung

Das Wort „WertschĂ€tzung“ ist eng verwandt mit den Begriffen Hochachtung, Respekt und Wertachtung. Den eigenen Wert mit Respekt zu betrachten ist etwas ganz anderes als sich immer wieder selbst hörbar oder innerlich still zu beschimpfen „du schaffst das eh nicht“
 Der eigene Respekt zeigt sich, indem ich mich bewusst vor den Spiegel stelle und mich – so wie ich bin – mit meiner Persönlichkeit, meinem Aussehen, meinen Transzendenzen und Leistungen als wertvoll betrachten kann. Ich brauche hierfĂŒr nicht den Anderen, der mir mein SelbstwertgefĂŒhl gibt.

5. Selbstachtung

Selbstachtung ist etwas anderes als WertschĂ€tzung. WertschĂ€tzung schaut mit Respekt auf die eigene Vergangenheit und die eigenen Leistungen. Selbstachtung lĂ€sst mich hoffnungsvoll in die Zukunft schauen. Mit Selbstachtung kann ich es genießen, mit anderen Menschen – vor allem mit denen vom anderen Geschlecht – zusammen zu sein, ohne es nötig zu haben von denen positiv bewertet zu werden. Ich selber bin in der Lage, genĂŒgend Selbstachtung fĂŒr mich an den Tag zu legen.

6. Der eigenen Wahrnehmung vertrauen.

Dieser Schritt ist sehr wichtig in einer therapeutischen Begleitung. Persönlichkeitsstörungen sind eine Störung in der Bindungsreife-Entwicklung. Es geht also immer um das Thema Bindung. Wichtig in diesem Zusammenhang ist es, dass es in unserer heutigen Zeit. deutlich mehr Bindungen gibt, welche uns schaden als umgekehrt. Darum ist es ein wichtiges Ziel zu akzeptieren, dass ich mir selber die Frage stellen darf: „Ist diese Beziehung gut fĂŒr mich? Ermöglicht sie es mir, zu wachsen und mich und meine Persönlichkeit mehr zu entfalten?“

7. Ich darf mich von einer negativen Bindung trennen!

Das ist ein weiterer Meilenstein in einer Therapie! Wenn mir eine Beziehung eher schadet, dann lerne ich, diese zu beenden, ohne dadurch in eine Ohnmacht oder Depressionen zu fallen. Ich darf mir meinen „Inner Circle“ selber aufbauen. Ich darf mir meinen intimen Freundeskreis – Menschen die mir auch in Krisen eine wertvolle StĂŒtze sein werden – selber aussuchen.

8. Gelassenheit

Was fĂŒr ein schönes Wort: „Gelassenheit“. Es ist eine Ableitung des Verbes „lassen“ oder loslassen. Ich lasse all die KĂ€mpfe, die Dramen und auch das Chaos der Vergangenheit los. Diese haben durch die therapeutische Begleitung langsam aber sicher ihren Reiz verloren. Durch Gelassenheit können wir uns, unsere Gesundheit und damit auch unser Wohlbefinden wirklich schĂŒtzen.

9. Gemeinsame Transzendenzen

Eines der unterschÀtztesten Ziele in einer Therapie: wir erkennen, dass eine gesunde Beziehung nur dann von Bestand ist, wenn beide die gleichen Werte, Interessen und Ziele haben.

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Wie wir werden, wer wir sind

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Joachim Bauer – Neurowissenschaftler, Arzt und Psychotherapeut zeigt uns in diesem sehr menschlichen Werk, wie das Selbst entsteht, aber auch welchen Gefahren es ausgesetzt ist. Wir lernen hierdurch, uns selber besser kennen und wie wir mehr innere StĂ€rke bekommen können. Diese > 200 Seiten sind sehr lesenswert!

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Borderline Diagnose? Lassen Sie uns miteinander ins GesprÀch kommen. 

Marcus JĂ€hn Werde wieder stark durch CoachingEs sind viele Bereiche, die wir ansprechen können: Angefangen vom Umgang mit Borderline oder einer anderen belastenden Störung, aber auch ĂŒber Future Faking, Love Bombing und Gaslighting die immer hĂ€ufiger in unsere Gesellschaft zu beobachten sind. 

  • Was ist das eigentlich, eine Persönlichkeitsstörung, ein Perfektionismus, ein Spaltung oder eine GegenĂŒbertragung?
  • Kann ich trotz Borderline oder Narzissmus eine stabile Partnerschaft aufbauen und damit ĂŒber Jahre hinweg leben? 
  • Ist eine Kommunikation mit einem Borderliner möglich? Wie hilft hier die U.M.W.E.G.-Methode©? 
  • Kann ich meine Bindungsangst oder Verlustangst irgendwann einmal kontrollieren?
  • Was kann ich tun, wenn ich mich gerade in einer Trennung befinde, oder kurz davor bin?


Ich möchte aber nicht nur ĂŒber Fragen sprechen, sondern auch praxisgerechte Lösungen anbieten:

  • Eine humorvoll und spielerisch – ja fast tĂ€nzerisch – eingesetzte Gewaltfreie Kommunikation in Kombination mit der von mir entwickelten 
  • U.M.W.E.G.-Methode© und nicht zuletzt die Transaktionsanalyse als Sprachkonzept können helfen, auch in schwierigen Situationen noch kĂŒhlen Kopf zu bewahren. 

Buchen Sie sich einfach auf meinem Online-Kalender ein Zeitfenster oder nutzen Sie mein klassisches Kontaktformular um mit mir in Verbindung zu treten. Ich freue mich auf Sie. Ihr Marcus