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Familienpsychologisches Gutachten – Teil 1 – Vorbereitung auf das Gespräch mit den Eltern

Borderline und instabile Beziehungen sind ein Zeichen unserer heutigen Zeit. Dies zeigt sich in der rasanten Zunahme von Prozessen an Familiengerichten. Immer mehr Gutachten werden in Auftrag gegeben um das Wohl der Kinder zu sichern, welche in den Streitigkeiten oft die großen Verlierer sind. In Deutschland wurden jährlich (Quelle Statista veröffentlicht Juni 2015) 395.000 Gutachten durch Sachverständige erstellt. 270.000 (77%) entfielen davon auf die Familiengerichte.

Das Familienpsychologische Gutachten ist ein riesiger Stressfaktor für alle Beteiligten. Geht es doch um nicht weniger als die Zukunft der eigenen Familie. Mit diesem Beitrag möchte ich eine neue Themenreihe beginnen, die in der heutigen Zeit leider immer häufiger gebraucht wird, da sich immer mehr Paare mit Kindern trennen. Durch immer mehr Borderline und andere Persönlichkeitsstörungen wird die Geschwindigkeit zusätzlich noch angefacht.

👉 Wie kann man sich hierauf vorbereiten? Gibt es – trotz der wenigen und dann recht schwammigen gesetzlichen Vorgaben – doch die Möglichkeit, sich irgendwie als Beteiligter hierauf vorzubereiten?

👉 Was muss eigentlich das Gericht und was der Gutachter beachten? Gibt es Kompetenz-Überschneidungen mit den anderen Beteiligten wie dem Jugendamt, dem Verfahrensbeistand oder weiteren Institutionen?

Lass uns langsam in diese spannende Thematik eintauchen. Wir beginnen einfach mal mit einem Thema – die Exploration der Eltern – und arbeiten uns dann Stück für Stück weiter voran. Grundlage meiner Recherchen sind die einschlägige Literatur und die rechtlichen und psychologischen Werke der Gutachter Salzgeber und Dettenborn.

1. Einleitung – rechtliche Grundlage

Jede familienrechtspsychologische Begutachtung berührt grundsätzlich auch den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts (Art. 2/ Abs. 1 GG) sowohl der Eltern als auch Kindes. Dieser Rechts-Artikel wird auch als das „Grundrecht auf Achtung der personalen Integrität“ bezeichnet. Dieser Freiraum zur Entfaltung der Persönlichkeit wird nämlich eingeschränkt, wenn wir durch Andere

  • zur Offenlegung unserer Gefühle, Anschauungen, Charakterzüge und Veranlagungen,
  • oder zur Darstellung unserer familiären Beziehungen,
  • unseres inneren und äußeren Werdegangs,
  • unserer Gesundheits- oder Krankengeschichte gezwungen werden.

Er greift aber auch, wenn Äußerungen – auch legal erlangte – verbreitet werden, Der eigene Wille darf nicht manipuliert und die Autonomie (altgriech. Eigengesetzlichkeit / Selbständigkeit) nicht beschränkt werden. Dies alles wäre nur zulässig, wenn dabei auch immer die Verhältnismäßigkeit gewahrt wird. Wenn es also keinen triftigen Grund gibt, das Kindeswohl zu erfassen, dann sind auch sämtliche diagnostischen Methoden verboten (auch gemäß der DSGVO)!

Jeder Sachverständige muss sich darüber im Klaren sein, dass sich weder die Eltern noch andere hiervon Betroffene irgendwie freiwillig an ihn wenden, um mit ihm ein Problem zu lösen, sondern, dass sie in diesem gerichtlichen Verfahren wohl eher das Ziel haben, ihre ganz eigenen Interessen durchzusetzen – die durchaus auch das Kindeswohl im Auge haben können. Das beeinflusst dann logischerweise auch, was jeder einzelne in dem Verfahren einem Sachverständigen so erzählt. Deshalb kann dieser niemals alle notwendigen Informationen lückenlos und / oder komplett unverfälscht erfassen.

Trotzdem wird er aber immer wieder benötigt, da er wegen seiner Ausbildung über wichtige, wissenschaftlich abgesicherte Erkenntnisquellen und ein deutlich größeres Fachwissen verfügt als vergleichbar andere Fachpersonen. Für das Vertrauen in das Gutachten, sind nicht zuletzt auch die eingesetzten Testverfahren verantwortlich, die einen wichtigen Anteil an diesem multimodalen Vorgehen haben.

2. Was ist die eigentliche Aufgabe einer psychologischen Diagnostik?

In dem Gutachten ist logischerweise auch eine Diagnostik enthalten. Diese erfasst besondere Persönlichkeits-Ausprägungen, um zu sehen, ob sie sich noch im natürlichen Normbereich, oder bereits außerhalb – im Pathologischen – befinden. Dies ist besonders wichtig, wenn andere – zum Beispiel Gerichte – von der Einschätzung des Gutachters abhängig sind. Und genau hierfür werden auch die meisten Gutachten erstellt.

Es gibt eine Vielzahl an Verfahren, um dies zu erreichen.

  • Aber welche von denen taugen hierfür wirklich? Und auch ganz wichtig: Woran kann man dies festmachen?
  • Wie kann ein Gutachter prüfen, ob er bei der Auswahl seiner verschiedenen Test-Verfahren alles richtig gemacht, oder eventuell grottenschlecht danebengelegen hat?

Schritt eins wäre zuallererst mal zu schauen, ob seine Tests die Gütekriterien erfüllen, die sich in der aktuellen Praxis bewährt haben.

Und was sind das für Gütekriterien? Es geht dabei um drei Aspekte:

  • Validität. Das, was zu untersuchen ist, muss dabei untersucht werden können.
  • Reliabilität: Ist diese Messmethode zuverlässig? Kann man das Ergebnis reproduzieren?
  • Objektivität: Kommen dabei Ergebnisse raus, auf die der Testleiter keinen Einfluss hat?

Wichtig: Auch wenn die Durchführung eines Gutachtens keine strickten Vorgehensweisen erfordert, so wird ein Gutachter trotzdem keine eigenen Diagnoseverfahren erstellen / oder einsetzen. Sein Job ist es, aufgrund seiner beruflichen Erfahrung und wissenschaftlichen Ausbildung vernünftige / passende Verfahren im Untersuchungsplan einzusetzen. Es versteht sich von selbst, dass die im Gutachten eingesetzten Test-Verfahren wie z.B. diagnostische Interviews, Entwicklungstests etc. nur nach einer eingehenden Einarbeitung durchgeführt werden sollten.

3. Aufklärung und Information stehen ganz vorne

Kennst du den Begriff der informierten AufklärungSie beschreibt eine wichtige Voraussetzung, um juristisch und ethisch legitimiert, überhaupt eine medizinische Maßnahme durchführen darf.

Jeder von uns hat ja das Recht auf Selbstbestimmung und eine freie Entfaltung seiner Persönlichkeit. Darum muss ich z.B. vor einem Eingriff immer ausreichend über das, was kommt, informiert werden. Würde dies nicht geschehen, wäre dies eine Körperverletzung nach §§ 223 und 230 StGB. Im Rahmen eines familienrechtspsychologischen Gutachtens nennen wir dies das Prinzip der informierten Einwilligung (engl. Informed consent)

Warum ist die vorherige Information so wichtig? Weil eine Teilnahme an einem familienpsychologischen Gutachten generell freiwillig erfolgen muss. Darum muss jeder Beteiligte vor Beginn der Untersuchung über folgende Punkte genau informiert sein

  • über die Freiwilligkeit seiner Teilnahme
  • den Auftrag des Gutachtens
  • die Stellung des Gutachters in diesem Verfahren,
  • Art und Umfang der geplanten diagnostischen Verfahren,
  • den eigentlichen Ablauf der Begutachtung
  • wie die Ergebnisse später schriftlich dargelegt werden
  • und nicht zuletzt auch die umfängliche Auskunftspflicht des Gutachters gegenüber dem Gericht

Erst diese Informationen versetzen die Beteiligten in die Lage, zu entscheiden, ob sie sich dem Gutachten oder Teilen daraus unterziehen möchten oder nicht.

Und hier möchte ich schon mal auf einen ersten Widerspruch aufmerksam machen: Das FamFG (also das Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit) kennt diese Belehrungspflicht im Grunde genommen gar nicht. Die Teilnahme ist ja freiwillig und zwischen dem Gutachter und den zu begutachtenden Personen besteht auch kein Vertragsverhältnis. Darum gibt es eigentlich keine Aufklärungspflicht nach ZPO, wohl aber aufgrund der DSGVO. Im Grunde genommen müsste nämlich das Gericht die Teilnehmer über die Freiwilligkeit aufklären. Da der Sachverständige sich aber nicht immer darauf verlassen kann, sollte er immer vor Beginn seiner Arbeit – im Rahmen der DSGVO – auf diese Punkte hinweisen. Sehr versierte Gutachter legen ihrem ersten Schreiben oft ein Informationsblatt bei, in welchem diese Punkte genau behandelt werden. Leider tun dies aber bei weitem nicht die meisten…

4. Diagnostische Interviews: Die Anamnese und Exploration

Kommen wir mal zu der eigentlichen Arbeit am Menschen – der Anamnese und der Exploration. Was ist der genaue Unterschied zwischen diesen zwei Punkten?

  • Die Anamnese begutachtet die Vorgeschichte z.B. die Krankengeschichte oder andere Fakten aus der Vergangenheit anhand standardisierter Fragen
  • Die Exploration ist ein zielgerichteter Prozess / ein „entscheidungsorientiertes Gespräch“ um später zu einer Entscheidung zu kommen.

Eins vorneweg … Ein diagnostisches Interview oder ein Explorationsgespräch mit anschließender Diagnose sind viel komplexer als ein einfacher Test – darum sollte der Gutachter immer eine fachlich gute Ausbildung hierfür Maßstab aufweisen. Denn nicht umsonst ist er ja unter Eid verpflichtet, immer nach bestem Wissen zu handeln und dieser unscheinbare Begriff „nach bestem Wissen“ hat es wirklich in sich:

Er bezieht sich in der Psychologie nämlich nicht nach dem besten Wissen des Gutachters, sondern nach dem besten und neuesten Wissensstand in diesem Themengebiet, der aktuellsten Diagnose-Methodik, eventuelle Interventionsmodellen, oder sachverständigen Empfehlungen. Klar, niemand ist allwissend, trotzdem ergibt sich aus diesem Grundsatz immer die Pflicht zur ständigen Weiterbildung. Nun geht es also stark um die Anamnese und die Exploration. Nach Schmidt-Atzert & Amelang, 2018 – dem Standartwerk in der Psychologischen Diagnostik – konzentriert man sich im Gutachten tendenziell eher auf die Exploration, das Hier und Jetzt damit das Kindeswohl jetzt und in der Zukunft gefördert wird..

4.1. Exploration / Gespräche mit den einzelnen Elternteilen

Wie geht dieses Elterngespräch in der Regel vor sich? Diese werden in der Regel als halbstandardisierte Interviews durchgeführt. Der Begriff „Halbstandardisiert“ beschreibt, dass zwar ein gewisses Maß an Standards in den Fragen angestrebt wird, eine exakte Formulierung aber nicht notwendig ist. In einem standardisierten Interview hingegen, hängt sehr viel von der exakten Fragestellung ab, um die Antworten dann richtig einordnen zu können. Solche halbstandardisierten Interviews bestehen in der Regel aus einer Liste von Themen mit stichpunktartig vorgegebenen typischen Fragen (Schmidt-Atzert & Amelang, 2018).

Der Gutachter hat nun die Aufgabe, diese „halb-offenen Fragen“ für die Explorationsgespräche so umzuformulieren, dass sie in den eigenen fallspezifischen Interviewleitfaden passen, der für jedes einzelne Gutachten immer wieder neu erstellt wird.

Er berücksichtigt dabei immer

  • die Informationen aus den Akten,
  • die psychologischen Prüfkriterien und die daraus abgeleiteten psychologisch-diagnostische Fragen.

Durch solche halbstandardisierten Interviewleitfäden schafft man doch so etwas wie eine Gutachter-Struktur um einerseits die Validität / Zuverlässigkeit aber auch die Vergleichbarkeit der Explorationen zu verbessern.

👉 Wie sieht so ein Interviewleitfaden nun für gewöhnlich aus?

Zuerst einmal werden einzelne Themen herausgearbeitet, um sicherzustellen, dass

  • die alle Aufgabenstellungen aus den vorgegebenen psychologischen Kriterien angesprochen werden.
  • Dann gibt es aber auch die offenen Anteile. Sie sind wichtig, damit genügend Raum für die persönliche Geschichte / das Narrativ der interviewten Person vorhanden ist.

Die Fragen müssen dann auch nicht sklavisch in der genauen Reihenfolge beantwortet werden. Alles kann und sollte eher dem natürlichen Gesprächsverlauf angepasst werden. Denn normalerweise entstehen ja erst durch das Gespräch weitere sogenannte Ad-hoc-Fragen und offene Themen. Wichtig hierbei ist jedoch, dass die Fragen immer verständlich für alle Teilnehmer formuliert. Wie belangreich das ist zeigt sich, dass dies ganz vorne in den Anforderungen an die Qualität von Familiengutachten / den Guidelines der APA (American Psychological Association 2010, 2013a) fest hinterlegt wurde. Der Leitfaden ist also so etwas wie ein strukturgebendes Element der Gesprächsführung / ähnlich einer Checkliste anzusehen, um z.B. abzuhaken, ob auch wirklich alle relevanten Themen an- und besprochen wurden.

 👉Was gehört denn in solch einen Vorbereitungs-Leitfaden rein und was in den späteren Gesprächsleitfaden? Grundsätzlich erst einmal das, was einen Bezug zum psychologischen Prüfkriterium hat. Schauen wir uns kurz einmal an, wie sich ein Gutachter hierauf vorbereitet und danach, wie das Gespräch laufen KÖNNTE…

4.2. Vorbereitung des Interview-Leitfadens

Dieser könnte dann z.B. so aussehen:

  1. Allgemeine psychologische Fragestellungen – Kindeswohlkriterien

1.1. Übergeordnetes Prüfkriterium – Sind z.B. bereits Schädigungen beim Kind aufgetreten, oder zu erwarten?

1.2. Kindzentrierte Kindeswohlaspekte 

    • Personale Disposition (lat. disponere = bestimmen, anordnen, lenken) 👉 die Fähigkeit / Bereitschaft Gedanken / Gefühle zu erleben und Leistungen zu erbringen:
      • Wie ist die aktuelle Situation des Kindes einzuschätzen? Gibt es bereits Auffälligkeiten im Erleben, Verhalten oder der Entwicklung?
    • Beziehungsmerkmale, Bindungsmerkmale
      • Wie ist die Bindungsqualität zwischen dem Kind und seinen Eltern? Gibt es weitere Bezugspersonen? 
    • Kindeswille und Aussagen des Kindes
      • Kann der kindliche Wille identifiziert werden? Falls ja, wie ist er rechtspsychologisch zu beurteilen? Nach Dettenborn und Walter (2016) zeigen sich ab einem Alter von 3 bis 4 Jahren Kompetenzen beim Kind, die eine Willensbildung und Willensäußerung ermöglichen.
    • Kontinuität – Wie ist eine Aufrechterhaltung der Lebensumstände im Vergleich zu einem Bruch der Kontinuität zu bewerten?

1.3. Elternzentrierte Kindeswohlaspekte

    • Personale Disposition: Wie ist die Erziehungsfähigkeit zu beurteilen?
    • Kooperations- / Kommunikationsfähigkeit
      • Sind die Eltern zu einer geringstmöglichen Kommunikation zu den Kindesthemen bereit? Das ist ein wichtiger Punkt, denn nach Salzgeber (2024) kann eine Maßnahme nach §1666 BGB von Amts wegen erfolgen, wenn sich ein Elternteil weigert mit dem anderen Elternteil über wichtige Themen in der Sorge u.ä. Einvernehmen herzustellen. Hierüber werde ich einen gesonderten Beitrag noch erstellen 
    • Veränderungsbereitschaft – Da Kinder sich permanent weiterentwickeln ist auch die Flexibilität der Eltern gefordert. Sind die Eltern fähig und bereit, die Entwicklungsanforderungen des Kindes zu erkennen und zu reflektieren?
  1. Fallspezifische psychologische Fragestellungen

2.1. Beziehungsmerkmale / Bindungsmerkmale (Akteninformation) Akten-Anamnese 

Hier geht es in erster Linie darum, was die Gerichtsakten und die Unterlagen anderer Institutionen zu dem Fall bereits berichten. Hier wird besonders kritisch geprüft, welche Bindungsentwicklung stattgefunden hat und welche Beziehungsqualität zwischen dem Kind und seinen Eltern besteht.

2.2. Personale Disposition / elterliche Erziehungsfähigkeit (Akteninformation) 

Hier wird der Frage nachgegangen, ob es aktuell und / oder in der Vergangenheit Auffälligkeiten gab. Ich denke hier z.B. an Klinikaufenthalte durch seelische Belastung wie Depression, Burn-Out oder einer diagnostizierten Persönlichkeitsstörung. Dieser Punkt ist wichtig, da psychisch erkrankte Eltern einen hohen Risikofaktor für die Entwicklung psychischer Auffälligkeiten bei ihren Kindern darstellen (Salzgeber, 2024). Ich werde in einem separaten Beitrag tiefer auf das Thema „Risikofaktoren für Kindeswohlgefährdung“ eingehen.

4.3. Praktische Vorbereitung auf die Explorationsgespräche

Wir fangen in diesem Beitrag mal mit den Eltern an:

  1. Vorstellung des Gutachters und die Erwartung über die Begutachtung
    • Was hat Ihrer Meinung nach zu dieser Begutachtung geführt?
  2. Konfliktsicht
        • Was hat aus Ihrer Sicht zu dem Konflikt geführt?
        • Wie kam es aus Ihrer Sicht zu dieser Entwicklung?
        • Was ist Ihre Perspektive auf die Vorwürfe?
        • Was denken Ihrer Meinung nach Ihrer Kinder über den Konflikt?
  3. Personale Disposition / Kindesentwicklung
    • Wie würden Sie Ihr Kind beschreiben? Was sind seine Besonderheiten, seine Stärken bzw. seine Schwächen.
    • Wie verlief seine kindliche Entwicklung. Gab es eventuelle Auffälligkeiten?
  4. Beziehungsmerkmale, Bindungsmerkmale des Kindes
    • Wer gehört zu den Bezugspersonen ihres Kindes?
    • Wie zeigt ihr Kind, dass es Sorgen hat oder krank ist?
    • Wie reagiert ihr Kind auf die neue Situation / die Trennung von Ihnen als Eltern? Gibt es dabei auch eine Entwicklung zu früher und heute?
  5. Elterliche Erziehungsfähigkeit
    1. Erziehungsverhalten
      1. Welche Regeln haben Sie für Ihre Kinder aufgestellt? Was passiert, wenn ihre Kinder diese missachten?
      2. Was ist Ihnen in ihrer Erziehung besonders wichtig? 
      3. Was ist dem anderen Elternteil wichtig und was sehen Sie dabei als kritisch an?
    2. Elterliche Kompetenz 
      1. Wer ist für das Mental Load / die Alltagsversorgung der Kinder zuständig? 
      2. Wie viel Zeit verbringen Sie im Alltag alleine mit dem Kind? 
      3. Wie werden Konflikte gelöst? Wie wurden diese in Ihrem Elternhaus als Sie noch Kind waren gelöst? 
      4. Was machen sie, wenn ihr Kind traurig / wütend ist. Wie erleben sie die Trennungszeiten von ihren Kindern? 
    3. Hilfsakzeptanz
        1. Sehen sie Unterstützungsbedarf für sich / bei ihrem Kind / beim anderen Elternteil in der Erziehung?
        2. Wer könnte sie wie und in welchem Bereich unterstützen? 
        3. Gibt es Bereiche, in denen sie sich hilflos bei der Kindererziehung fühlen?
  6. Kooperationsbereitschaft mit dem Jugendamt
    1. Haben Sie bereits Beratungsgespräche in Anspruch genommen? Wenn ja, wurden diese regelmäßig wahrgenommen?
    2. Bei welchen konkreten Themen konnten die Fachkräfte helfen? Mit welchem Ergebnis?
    3. Was brauchen Ihre Kinder zukünftig? Wie sind deren Vorstellungen ihrer Zukunft?
  1.  

Verändert diese Übersicht deine Haltung zu einem Gespräch mit dem Gutachter? Bitte denke immer daran, dass ein Gutachter vor ein paar Jahrzehnten noch eher die Elternrechte im Blick hatte, wohingegen heute das Kindeswohl voll im Fokus steht.

Die Familienpolitik hat sich seit der Einführung des BGB im Jahre 1896 radikal geändert. Weit mehr als 100 Gesetzesänderungen in diesem Thema haben dazu geführt, dass praktisch nur noch wenige Bestimmungen aus der Erstfassung heute noch Gültigkeit haben. Heute ist das Familienrecht ausgerichtet auf

  • Das Kindeswohl ganz zuerst
  • Das Prinzip der Nichteinmischung
  • Das Einfordern von Verantwortung

Was hat das nun mit deiner eventuellen Vorbereitung auf ein Gutachter-Gespräch zu tun? Klar hat deine Perspektive auf das ganze Geschehen ein gewisses Gewicht. Was aber wirklich über allem thront ist das Wohl des Kindes und seine Entwicklungschancen. Darum solltest du dich – eher als auf deinen Schmerz der Trennung – auf folgende Themen vorbereiten:

  1. Wie ist der Entwicklungsstand meines Kindes?
  2. Was ist mein Erziehungsstil und meine Mittel, diesen durchzusetzen?
  3. Wie sehe ich meine Betreuungs- und meine Förderkompetenz?
  4. Wie sieht meine aktive Teilnahme an der Gesellschaft aus?
  5. Welche Zukunftsvorstellungen habe ich und welche Perspektiven möchte ich meinen Kindern ermöglichen?
  6. Kontinuität – wie unterstütze ich die Lebens-Stabilität meiner Kinder?
  7. Kommunikation – wie sieht meine Kommunikationsbereitschaft aus, wenn es um Fragen rund um die Kinder geht?
  8. Wie loyal bin ich in Fragen rund um die Betreuung der Kinder durch den anderen Elternteil? BGB § 1684 …

 

Ich hoffe, dass diese kleine Übersicht dir schon mal einen ersten kleinen Einblick darin vermittelt, wie so ein Interviewleitfaden eines Gutachters ausschaut. Grundsätzlich geht bei Themen wegen denen man sich an ein Familiengericht um drei Bereiche

  1. Sorgerechtsfragen
  2. Umgangsfragen
  3. Kindeswohl-Themen

Geht es z.B. um das heikle Thema einer (drohender) Kindeswohlgefährdung, dann sollte der Leitfaden hierfür einen sehr genauen Fragebereich beinhalten:

  • Gabe es möglicherweise in der Vergangenheit bereits beobachtbare Gefährdungsmomente?
  • Was ist aus ihrer persönlichen Sicht ein kindeswohlgefährdendes Verhalten? Weicht dies evtl. stark von dem ab, was die Rechtsprechung darunter sieht?
  • Welche persönliche Meinung haben die Eltern zu den Themen Schutzfaktoren, Ressourcen oder Entlastungsmöglichkeiten?
  • Wie beurteilen die Eltern die Wirkung ihres eigenen Verhaltens auf das Kind?

Kindeswohlgefährdung

👉 Vielleicht an dieser Stelle ein kurzer Exkurs zum Thema Kindeswohlgefährdung. Was versteht man eigentlich darunter? Zu einer Kindeswohlgefährdung kommt es dann, wenn die wichtigsten Entwicklungsbedürfnisse eines Kindes nicht mehr ausreichend erfüllt werden. 

In der Rechtsprechung hat sich im Laufe der Jahre folgende Definition im Sinne des § 1666 BGB eingebürgert: Es ist eine „eine gegenwärtige, und deutlich erkennbar vorhandene Gefahr …, die – sollte nicht korrigierend eingegriffen werden – eine erhebliche Schädigung des geistigen oder leiblichen Wohls des Kindes mit hoher Sicherheit voraussehen lässt“ (grundlegend BGH, NJW, 1956, 1434, 1434).

Da aber selbst in der Rechtsprechung dieser Begriff nicht zu 100% genau festgelegt werden kann – die eben genannte Beschreibung ist ja wirklich recht schwammig – wäre es von Nutzen, wenn man generell einige psychoedukative Elemente / also Erklärungen darüber in den Gesprächs-Leitfaden mit den Eltern aufnimmt. Das hilft vielen Eltern bestimmt etwas klarer darzulegen, was für sie der Maßstab einer Kindeswohlgefährdung ist und der Gutachter kann viel eher eventuellen Missverständnissen – vielleicht auch durch die Kultur – entgegenwirken.

5. Was passiert nach den Explorationsgesprächen?

Vor den Explorationsgesprächen wurden im ersten Schritt ja erst einmal die gerichtlichen Fragen in psychologische Fragestellungen und entsprechende Prüfkriterien umgewandelt. Und genau nach diesen, muss nun im Anschluss die Auswertung auch wieder stattfinden. Geschieht dies dann Wort für Wort? In der Regel wird darauf verzichtet. Die Auswertung und Darstellung der Explorationsgespräche ist eine wissenschaftlich-psychologische Arbeit unter diagnostischen Aspekten. Also zuerst Forschung und auf der Grundlage dieser Daten wird eine Diagnose erstellt. Damit alles am Schluss dann auch objektiv / sachlich / wertneutral betrachtet werden kann, werden die Daten immer nach ganz konkreten Kriterien ausgewertet (z.B. Kindeswohlkriterien).

👉 Ein oft angesprochenes Thema in diesem Zusammenhang sind auch die Audioaufnahmen.

Ja, Audioaufnahmen können gemacht werden, aber ausschließlich nur durch den Gutachter und nachdem die befragte Person ihr Einverständnis gegeben hat. Klar wird dadurch eine zuverlässigere Dokumentation und eine objektivere Auswertung als nur mit einer schriftlichen Protokollierung gewährleistet. Sie hilft auch, effektiv Verfälschen entgegenwirken. Jedoch liegt ihr Gebrauch ausschließlich in der Oberhoheit des Gutachters! Wer etwas anderes sagt, hat leider nicht recht. (Westhoff / Kluck Psychologische Gutachten schreiben und beurteilen, 2014) Eine Pflicht zu einer digitalen Aufzeichnung der Gespräche besteht nicht! (Kannegißer NZFam 2022, 865)


Wenn der Gutachter nun seinen fallspezifischen Leitfaden – der ja halbstrukturiert ist – aufgestellt hat, dann kann er immer noch auf zugelassene standardisierte bzw. strukturierte diagnostische Interviewverfahren zurückgreifen.

Ich denke hier zum Beispiel an den Interviewleitfaden zur Diagnostik von Elterlichem Erziehungsverhalten (IDEE; Jacob & Schiel, 2010). Dieser dient zur Erfassung des elterlichen Erziehungsverhaltens – von Kindern im Alter zwischen 6 und 12 Jahren – nach dem Vier-Komponenten-Modell der Jugendhilfe nach Jacob & Wahlen, 2006) und richtet sich speziell an familienpsychologische Sachverständige. Sicherlich eine gute, fundierte Unterstützung in der Arbeit des Gutachters. 

6. Was passiert, wenn dem Gutachter im Explorationsgespräch mit den Eltern psychopathologische Dinge auffallen?

Tja, was passiert, wenn dem Gutachter Dinge auffallen, die weit außerhalb der Norm, also im Bereich des krankhaften psychopathologischen Verhaltens, liegen? Dann bietet es sich fast schon zwingend an, auf standardisierte klinische Interviews zurückzugreifen.

Ich denke hier zum Beispiel an

  • das Strukturierte Klinische Interview für DSM-5-Störungen – SCID-5-CV
  • das Diagnostisches Interview bei psychischen Störungen, DIPS von Margraf, Cwik, Suppiger & Schneider, 2017 oder nicht zuletzt auch
  • sogenannte Screeningversionen klinischer Interviews (z. B. Mini-DIPS; Margraf & Cwik, 2017)

Durch ein Explorationsgespräch werden ja nicht nur die sichtbaren Phänomene (also das, was sich dem Gutachter unmittelbar präsentiert) dokumentiert. Nein! In der Regel werden auch der situative emotionale Zustand der explorierten Person, in ihrem Erleben und Verarbeiten von verschiedenen Situationen in Verbindung mit ihrem ganz persönlichen Abwehrverhalten mit aufgenommen.

Du siehst, es geht also nicht nur um die reinen Antworten. Praktisch genauso wichtig ist das Wie, das Verhalten und alle anderen psychodynamischen Aspekte in dem Gespräch – also das gesunde Erleben und / oder die krankhaften seelischen Prozesse. Ein Gutachten ist wirklich eine hochkomplexe Arbeit, in dem die Antworten der Eltern (also die Eltern-Perspektive auf die Situation) unbedingt vor dem Hintergrund des Kindeswohls, der Sorgerechts- und Umgangsfragen betrachtet werden müssen.

Das alles geht nur unter der Berücksichtigung von weiteren Zusammenhängen wie zum Beispiel einer

  • sozialen Erwünschtheit,
  • der psychischen Befindlichkeit,
  • dem Bildungsgrad,
  • dem sozioökonomischen Hintergrund
  • oder Migrations- bzw. kulturellen Aspekten.

Das ist schon ein „dickes Brett“ was dabei gebohrt werden muss und stellt recht hohe Anforderungen an den Gutachter / Diagnostiker und du spürst bestimmt, dass es für diese Themen- Aufgabenpalette einfach kein standardisiertes Regelwerk geben kann. Und damit das alles nicht allzu einfach bleibt, muss das Gutachten auch mit den Ergebnissen weitere Untersuchungsmethoden anderer Institutionen verknüpft werden können, denn nur so kann eine wirklich ausreichende diagnostische Grundlage für die Beantwortung der gerichtlichen Fragestellungen gelegt werden.

Gar nicht so einfach das Ganze, oder? 😉

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Dieses über 1000 seitige Nachschlagewerk für Gutachter, Juristen (aber auch Betroffene), Psychologen und Gerichte befasst sich mit allen rechtlichen Vorgaben und Fragen rund um das sachverständige Vorgehen eines Gutachters.

Wie sieht das diagnostische Vorgehen aus? Welche Risiko- und Schutzbedingungen des Kindes sind zu berücksichtigen? Hier werden verschiedene diagnostische Verfahren vorgestellt und eine Unmenge an Rechtsfragen beantwortet wie z.B. was mit Aufzeichnungen im Gutachten geschieht? Können Emails oder digitale Chats dem Gutachter vorgelegt werden? 

Was wir hier finden sind Leitlinien für den Sachverständigen, rund um die Qualitätssicherung, Kosten und Vergütung, das Thema Kindeswohl und wie ein schriftliches / mündliches Gutachten aufgebaut sein sollte. 

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Trennung? Lassen Sie uns miteinander ins Gespräch kommen. 

Marcus Jähn Werde wieder stark durch CoachingWas tun, wenn der erste Schmerz der Trennung überwunden ist und das Familienpsychologische Gutachten am Horizont aufkommt?

Wie kann man sich Vorbereiten? Was kann ich tun, um die letzten Reste meines Familienkonstrukts noch stabil zu halten? Was kann ich jetzt noch aktuell für meine Kinder tun?

Es gibt so viele Bereiche, die wir in einer Psychotherapie ansprechen können: Angefangen vom Umgang mit Borderline oder einer anderen belastenden Störung, aber auch über Future Faking, Love Bombing und Gaslighting die immer häufiger in unsere Gesellschaft zu beobachten sind. 

  • Was ist das eigentlich, eine Persönlichkeitsstörung, ein Perfektionismus, ein Spaltung oder eine Gegenübertragung?
  • Kann ich trotz Borderline oder Narzissmus eine stabile Partnerschaft aufbauen und damit über Jahre hinweg leben? 
  • Ist eine Kommunikation mit einem Borderliner möglich? Wie hilft hier die U.M.W.E.G.-Methode©? 
  • Kann ich meine Bindungsangst oder Verlustangst irgendwann einmal kontrollieren?
  • Was kann ich tun, wenn ich mich gerade in einer Trennung befinde, oder kurz davor bin?


Ich möchte aber nicht nur über Fragen sprechen, sondern auch praxisgerechte Lösungen anbieten:

  • Eine humorvoll und spielerisch – ja fast tänzerisch – eingesetzte Gewaltfreie Kommunikation in Kombination mit der von mir entwickelten 
  • U.M.W.E.G.-Methode© und nicht zuletzt die Transaktionsanalyse als Sprachkonzept können helfen, auch in schwierigen Situationen noch kühlen Kopf zu bewahren. 

Buchen Sie sich einfach auf meinem Online-Kalender ein Zeitfenster oder nutzen Sie mein klassisches Kontaktformular um mit mir in Verbindung zu treten. Ich freue mich auf Sie. Ihr Marcus