Schriftzug Marcsu Jähn

Borderline Therapie Teil 3 – Stationäre Psychotherapie bei BPS in einer Spezialstation

Zwischen drei und fünf Prozent in der Gesellschaft leiden im Laufe ihres Lebens an einer Borderline-Störung – je nachdem, wie streng die Kriterien angelegt werden. Männer sind ebenso häufig betroffen wie Frauen. Dia sie aber nicht so häufig zum Arzt gehen um sich Hilfe zu holen, wird bei ihnen die Störung seltener diagnostiziert. 

BPS-Patienten, welche in eine stationäre Behandlung kommen sind häufig sehr schwer gestört sind und haben fast immer mehrere gescheiterte Behandlungsversuche hinter sich.

Oft sind sie noch sehr jung und viele Stationen haben sich auf diesen Aspekt eingestellt, indem diese die Obergrenze für eine Borderline-Therapie auf ca. 35 Jahre bei den Patienten ansetzen.

Hierdurch wird erreicht,

      • dass Patienten Vater- und Mutterübertragungen nicht unter sich selbst herstellen.
      • Außerdem sind die Lebensinteressen und – ziele einer 18-jährigen und einer 50-jährigen Frau so sehr unterschiedlich, dass die Berücksichtigung von Alltagsproblemen und -interessen die  Arbeit stark verkomplizieren würde.

(1) 5 Gruppen von Borderline-Patienten lassen sich – hypothetisch je nach Ausprägung der Ich-strukturellen Mängel und deren Symptomatik unterscheiden:

    • Ambulant psychotherapierbare Patienten (in der Krise ggf. stationär) mit ausreichender Objektrepräsentanz und Beziehungsfähigkeit sowie geringem Impulskontrollverlust. (Repräsentanz =„innere Vorstellung“ des Selbst)
    • Ich-strukturierend zu therapierende, aber beziehungsgestörtere und Impulsausbruch-gefährdete Patienten (stationär mit Übergang zur ambulanten Therapie idealerweise über eine spezialisierte Tagesklinik).
    • Besonders Ich-schwache Patienten (primär strukturierende Therapie ohne Deuten).
    • Schwerer delinquente Patienten (Einrichtungen mit speziellem Unterbringungsrahmen).
    • (Noch) nichttherapierbare Patienten (z. B. ohne Motivation bzw. Selbstbeobachtungfähigkeit).

Um eine Unterscheidung vorzunehmen, findet zuerst ein persönliches Informationsgespräch statt. Alle anderen Einschätzungen ob eine Therapie sinnvoll wäre  / also fernmündliche – käme einer „unverbindlichen“ Einschätzung gleich.

Dies wäre fatal, denn gerade bei Borderline-Patienten ist eine Verbindlichkeit des Therapeuten für das Gelingen einer Therapie eine wichtige Voraussetzung

2. Rahmenbedingungen einer stationären Psychotherapie

      • Klares Formulieren der Therapieziele
      • Hohe personelle Konstanz im Team.
        Therapeutenwechsel verursachen – aufgrund der mangelhaft ausgeprägten Fähigkeit der Patienten zur Objektrepräsentanz – die typischen Abwehrmechanismen beleben und können neue Störungen sozusagen „nähren“.
      • Verringerung der Teamspaltung, u. a. durch tägliche patientenbezogene offene Besprechungen.
      • Spezielle Fachkenntnisse bei allen Mitarbeitern.
      • Neben systematischer Einzel- und Gruppentherapie die Möglichkeit auch von körpertherapeutischer Einzel- und Gruppenarbeit, da bei missbrauchten/misshandelten Borderline-Patienten regelmäßig schwere und schwerste Störungen des Körperschemas vorhanden sind

 

3. Wichtige Gründe für eine stationäre Therapie:

    • Ausgesprochen geringe Angsttoleranz.
    • Suizidalität, schwere Autoaggressivität (selbstverletzendes Verhalten).
    • Schwere Essstörungen.
    • Innere Konfusion / Verwirrung einschließlich (pseudo)psychotischer Symptome.
    • Schwere dissoziative Symptome (einschließlich multiple Persönlichkeit). (veränderte Wahrnehmung der eigenen Person, Wahrnehmung unmittelbarer Empfindungen, auch körperliche Einschränkungen wie z.B. Einengung des Gesichtsfeldes – ohne (!) Hinweis auf körperliche Erkrankungen) Kriterium 9
    • Eingeschränkte Impulskontrolle (Wiederholte Handlungen ohne vernünftige Motivationz. B. auch Drogenkonsum). Kriterium 4
    • Chaotische Beziehungsmuster, Beziehungslosigkeit bzw.Verlust der sozialen Integration (stationär lassen sich Beziehungsmuster besser als ambulant erkennen und bearbeiten). Kriterium 2
    • Schweres antisoziales Verhalten einschließlich Delinquenz / Straffälligkeit (bei schwerer Delinquenz bedürfte es allerdings eines strukturierteren Settings in kontrollierbarerem Rahmen).

4. Der allgemeine Rahmen der Therapie

      • Als oberstes Prinzip jeder Borderline-Therapie wird ein variables Setting angesehen, das den jeweiligen Bedürfnissen, Fähigkeiten und Grenzen des Patienten angepasst werden muss. Zu unterscheiden ist das flexible Handeln von einem (unreflektierten) Mitagieren. Es ist wie das Spielen in einer Jazz-Gruppe. Innerhalb eines bestimmten Rahmens wird die Musik ständig variiert und trotzdem macht nicht einer allein sein Ding.
      • Verbundenheit dem Patienten gegenüber.
      • Ein ausbalanciertes Verhältnis zwischen
        • Technische Neutralität als „väterliche“ Komponente und
        • eine haltende Funktion als „mütterliche“ Komponente.
      • Das Verhalten des Patienten muss kontrolliert und gesteuert werden, auch durch deutliche Grenzsetzungen.
      • Im Rahmen einer Psychoedukation wird ein Patient umfassend über die Art seiner Erkrankung und den gewählten Therapierahmen. Dazu zählt auch die Aufklärung über Wirkungen, Nebenwirkungen und den individuellen Grund für eine Medikation.
      • Alle wichtigen Inhalte aus Einzeltherapie-Sitzungen werden dem Stations-Team mitgeteilt, in ihm diskutiert und in ihrer psychodynamischen Bedeutung abgeklärt.
      • Den (oft wechselnden) Symptomen wird weniger Aufmerksamkeit geschenkt. Der Fokus liegt auf der „Ich-Struktur des Patienten und dem Verhalten“ bezüglich seiner Beziehungsgestaltung.

5. Psychotherapeutischer Rahmen der Therapie

    • Die Bereiche der Persönlichkeit mit den geringsten Konflikten werden untersucht zuerst therapiert. Dies geschieht um der bei BPS Patienten typischen Selbstentwertung von Anfang an entgegenzuwirken. (Kriterium 3) 

Erst danach – wenn eine tragfähige Beziehung und eine Ich-Strukturierung aufgebaut wurde – werden die stärker mit Angst verbundenen Konfliktbereiche ins Visier genommen – vor allem die Eltern-Kind-Beziehung, sexueller Missbrauch und körperliche Misshandlung.
Das Ziel solch einer Therapie ist immer das Unnötig werden des Therapeuten.

    • Während der Therapie werden immer wieder sogenannte Schweigepausen eingeführt und ausgehalten. (Kriterium 7)

Sie dienen dazu, dass sich ein Patient mit seinem eigenen Ich auseinandersetzen muss. Zu Beginn der Therapie werden diese schnell unterbrochen – später entwickeln die Patienten jedoch mehr Frustrationstoleranz und sie werden ausgeweitet.

    • Äußerungen des Patienten werden ganz bewusst in Richtung eines verbesserten Realitätsbezugs gelenkt. Im Gegensatz zu einer freien Assoziation – wie sie in einer klassischen Analyse mit Neurotikern stattfindet – steht das verbesserte Verhalten mit der Umgebung im Zentrum der Therapie.
    • Am Anfang werden genetische Deutungen werden vermieden und der Blick wird immer wieder auf den verbesserten Realitätsbezug gelenkt. Später finden dann – bei ausreichender Stabilität – auch genetische Deutungen statt.
    • Der Patient wird mit verleugneten Inhalten und Gefahren nachdrücklich und wiederholt konfrontiert.
    • Die positive Übertragung auf die Umgebung (außer dem Therapeuten) wird gefördert. (Übertragung sind oft verdrängte Gefühle / Erwartungen aus der Kindheit welche auf neue Beziehungen übertragen werden.)
    • Negative Übertragungen werden klar thematisiert indem die Erinnerungen über frühere Bezugspersonen entzerrt werden. Das Ziel ist, die Entdämonisierung und Entidealisierung der Menschen und die korrekte Darstellung ihrer Vorzügen und Schwächen.
    • Dem Patienten wird fortlaufend bestätigt, dass er liebesfähig ist. Die Verzerrungen seiner Liebesbedürfnisse werden angesprochen und Alternativen für die Verwirklichung seiner Bedürfnisse erarbeitet.
    • Dem Patienten wird immer wieder verdeutlicht, dass die technische Neutralität des Therapeuten (der „väterliche Teil der Therapie“) keine Ablehnung bedeutet, sondern durch sie der Patient als Mensch respektiert und gewürdigt wird.
    • Der Therapeut sollte sich als „reale Person“ präsentieren. Sein Verhalten dem Patienten gegenüber sollte mit seinem Denken und Fühlen immer übereinstimmen. D.H. kein falsch aufgesetztes Lächeln.
    • Sehr wichtig: BPS Patienten gestalten neue Beziehungen in einer unbewussten Identifikationsphantasie! Das Ziel ist, die Fremdbestimmung von Anderen durch eine sichere eigene Identität zu ersetzen. (Kriterium 3)

Die positive Folge: hierdurch verlieren Abwehrmechanismen wie projektive Identifizierung, primitive Idealisierung, Entwertung und Machtgefühl an Bedeutung.

    • Spricht der Patient über realtraumatische Erlebnisse ist ein Nachforschen des Therapeuten zu vermeiden.

Stattdessen sollte das, was der Patient sagt, stets ernst genommen werden.
Wichtig sind hierbei die damit verbundenen Gefühle.

Auch noch so wirr erscheinende Berichte über Traumatisierungen sollten vom Therapeuten nicht widerlegt oder argumentativ angezweifelt werden. Diese Berichte sind am Anfang der Therapie sogar wertvoll, repräsentieren sie doch auf der Symbolebene das frühere Erleben.

6. Anforderung an den Patienten für eine stationäre Psychotherapie im Sinne einer Ich-strukturierenden Therapie

      • Eine Motivation zum Eingehen einer therapeutischen Beziehung – bei oft ungenügender Fähigkeit hierzu – besitzt oder diese jedenfalls absehbar ist.
      • Ein gewisses Maß an Selbstbeobachtung
      • Zu Ich-schwach für eine ambulante Psychotherapie, aber genügend Ichstrukturiert für eine intensive Behandlung (einschließlich Bearbeitung der Realtraumata).
      • Wenn sich bei einer ambulanten Traumabearbeitung die Symptome gravierend verschlechtern. Hier empfiehlt es sich dass die Trauma-Arbeit vorzugsweise unter stationären Bedingungen begonnen werden sollte. Gerade auch wegen der Notwendigkeit einer sichernden Umgebung zur Vermeidung eines Suizids.

Wenn die Bedingungen für eine Ich-strukturelle Arbeit nicht gegeben sind, bedarf es einer strukturierten Milieu-orientierten Arbeit unter Ausklammerung eines Realtraumas, wodurch eine unbeherrschbare Exazerbation / Symptomverschlechterung vermieden werden kann.

Es zeigt sich also immer wieder: Unterschiedliche Therapierahmen sind bei der BPS-Therapie immens wichtig da sie die inviduell wie kaum eine andere ist. Der Vergleich mit einer Jazz-Band kommt hier immer wieder vor.

– Teil 1 –
Die DBT (Dialektisch Behaviorale Therapie)

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– Teil 2 –
Die Paar- und Familientherapie

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– Teil 3 –
Die stationäre Psychotherapie

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– Teil 4 – 
Die Gesprächstherapie

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– Teil 5 – 
Katathym-imaginative Psychotherapie
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– Teil 6 – 
Stationäre traumazentrierte Psychotherapie
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Lassen Sie uns miteinander ins Gespräch kommen. 

Marcus Jähn Werde wieder stark durch CoachingEs sind viele Bereiche, die wir ansprechen können: Angefangen vom Umgang Borderline oder einer anderen belastenden Störung, aber auch über Future Faking, Love Bombing und Gaslighting die immer häufiger in unsere Gesellschaft zu beobachten sind. 

  • Was ist das eigentlich, eine Persönlichkeitsstörung, ein Perfektionismus, ein Spaltung oder eine Gegenübertragung?
  • Kann ich trotz Borderline oder Narzissmus eine stabile Partnerschaft aufbauen und damit über Jahre hinweg leben? 
  • Ist eine Kommunikation mit einem Borderliner möglich? Wie hilft hier die U.M.W.E.G.-Methode©? 
  • Kann ich meine Bindungsangst oder Verlustangst irgendwann einmal kontrollieren?
  • Was kann ich tun, wenn ich mich gerade in einer Trennung befinde, oder kurz davor bin?


Ich möchte aber nicht nur über Fragen sprechen, sondern auch praxisgerechte Lösungen anbieten:

  • Eine humorvoll und spielerisch – ja fast tänzerisch – eingesetzte Gewaltfreie Kommunikation in Kombination mit der von mir entwickelten 
  • U.M.W.E.G.-Methode© und nicht zuletzt die Transaktionsanalyse als Sprachkonzept können helfen, auch in schwierigen Situationen noch kühlen Kopf zu bewahren. 

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Marcus Jähn Meine Buchempfehlung zu diesem Thema

Welche Therapie hilft bei Borderline? 

Borderline ist die Königsdisziplin in den zu behandelnden Störungsbildern. Dieses Buch befasst sich nicht mit einer Therapie zu Hause, in der Praxis, sondern in einem klinischen Umfeld. Die Übertragungsfokussierte Psychotherapie (Transference-Focused Psychotherapy, TFP) ist ein psychodynamisches Verfahren, dass die Beziehungs- und Identitätsstörung von Borderliner ganz in den Mittelpunkt der Therapie stellt. Ihren Ursprung hat sie in der Objektbeziehungstheorie, die davon ausgeht, dass die Schwierigkeiten bei Persönlichkeitsstörungen auf nicht integrierte Persönlichkeitsanteile zurückzuführen sind. Darum müssen diese durch eine Therapie aktiviert und in das Handeln integriert werden. 

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