Borderline verstehen â die Regression
Die Regression (das Innere Kind) wird heute immer hÀufiger genannt. Es ist eines dieser  Konzepte der Psychoanalyse welche zu den Abwehrmechanismen gezÀhlt werden. Fast jeder meint zu wissen, worum es hierbei geht obwohl dieser Begriff recht schwer zu vermitteln ist. Erst wenn man direkt mal eine Regression erfahren hat entweder an sich selbst oder in seiner allernÀchsten Umgebung kann wirklich verstehen was der einzelne durchmacht. Aber auch erkennen, welche Potenziale und Gefahren in dieser  Regression liegen.
Regression kommt im tĂ€glichen Leben sehr hĂ€ufig vor und dient in den Therapien als Wirkmechanismus. Im lateinischen heiĂt Regression: umkehren, zurĂŒckkehren. Die Regression, wie sie die Psychoanalyse gebraucht, beschreibt nun einen Vorgang: von einem zurĂŒckgehen auf frĂŒhere und gesicherte Entwicklungsstufen.Â
Das hört sich anfÀnglich etwas schlecht an⊠Aber die FÀhigkeit zur Regression ist sehr wichtig!
Dadurch können wir uns
Um die Regression etwas zu viel besser zu verstehen mĂŒssen wir ĂŒber das ICH sprechen. Dass ICH / die ICH-Leistungen / die ICH-FĂ€higkeiten sind der Teil unserer Psyche der die Prozesse unseres Denkens und (!) unseres Körpers steuert, sortiert, kontrolliert und lenkt. Das kann bewusst und unbewusst geschehen. Kleine Kinder lernen von Beginn ihres Lebens an, z.B. ihre Körperfunktionen allmĂ€hlich zu kontrollieren.
Von einer ICH-Leistung kann man dann sprechen – wenn das Kind die FĂ€higkeit entwickelt seinen Körper willentlich zu steuern. Z.B. bei jedem Toilettengang etwas loszulassen oder ganz bewusst zurĂŒck zu halten. FĂŒr das kleine Kind ist das eine tolle Erfahrung und bringt es in die nĂ€chste Stufe der ich Leistung.Â
Was ist das denn, diese sogenannte ICH-Leistung? à Alles was von uns eine Kontrolle und eine Entscheidung verlangt, ist eine Aufforderung an unser ICH. Das Ich, die Selbststeuerung können wir bei dem bekannten Modell (Kopf 7 Herz / Bauch) mit dem Herzen in Verbindung bringen. Das Herz ist die Entscheidungsmitte. In der Transaktionsanalyse ist dieser Bereich das âErwachsenen-Ich.â Diese so genannten ICH-Leistungen durchziehen sich durch alle Teile unseres Lebens. Sie befĂ€higen uns, mit der RealitĂ€t – der AuĂenwelt – vernĂŒnftig umzugehen.
Was gehört alles zu der RealitÀt?
Ich-Leistungen sind hÀufig zwiespÀltig:
Nach dem psychoanalytischen Konzeptreihen
Man nennt es das Prinzip der Gleichzeitigkeit psychischer Entwicklungsstufen. In einer Person stecken immer
Kommen wir jetzt in eine neue Situation – welche vielleicht etwas herausfordernd ist – dann greifen Menschen hĂ€ufig auf Mittel zurĂŒck mit den frĂŒher (!) bereits Ă€hnliche oder auch neue Situationen bewĂ€ltigt wurden und mit denen man sich jetzt sicher fĂŒhlt. Wichtig ist: er fĂŒhlt sich damit sicher! Diese Handlungsweisen mĂŒssen nicht funktional / vernĂŒnftig sein. Ein Vergleich: Ein MarathonlĂ€ufer kauft sich neue Schuhe. Er greift bei einem kommenden Marathon vielleicht doch auf den uralten und abgelaufenen Schuh zurĂŒck weil der ihm Sicherheit vermittelt obwohl er bei weitem nicht mehr so schĂŒtzt und stĂŒtzt wie der vorherige Schuh. Kommen wir auf den Menschen in der Regression zurĂŒck: Eine Person greift in Schwellensituationen auf Erfahrungsmomente in der Entwicklung zurĂŒck in denen er sich besonders stabil und sicher gefĂŒhlt hat.
In der Welt der Psychoanalyse gesprochen, zieht sich ein Teil von dem ICH auf eine zurĂŒckliegende, tiefer liegende Ebene der Entwicklung zurĂŒck.
Regression ist fast immer eine Abwendung von der RealitÀt, oder eine Absage an das RealitÀtsprinzip.
FĂŒr das RealitĂ€tsprinzip ist das ICH zustĂ€ndig:Â
(1) PrĂŒfung der RealitĂ€t: was kommt von Innen und was kommt von auĂenÂ
(2) Anpassung an die Forderung der RealitĂ€t: aufstehen auch wenn man mĂŒde ist.
Sie kann in bestimmten Situationen auch nicht vermieden werden – wie zum Beispiel beim Schlaf und hĂ€ufig auch bei unserer Sprache:
Bei einer funktionierenden Regression schaffe ich mir eine hilfreiche Distanz gegenĂŒber der RealitĂ€t, und kann dann mit der RealitĂ€t spielen. Dies wĂ€re dann eine Regression im Dienste des ICH.
Ein weiterer Vorteil: der RĂŒckzug in die Regression dient dem Fortschritt und der eigenen EntwicklungsfĂ€higkeit. Zum Beispiel kann niemand ohne zu schlafen lange ĂŒberleben. Und es gibt keinen Fortschritt/Reife ohne Genuss, Spiel und Fantasie oder HumorÂ
Krankhaft oder Pathologisch (das gegenteil ist physiologisch) wÀre zum Beispiel wenn die Regression zu viel oder gar nicht mehr eingesetzt wird um eine schwierige Situation zu bewÀltigen.
Ă Dann ist die Regression auĂer Kontrolle geraten:
Alle Menschen sind fĂŒr sich Individuen. Es gibt Menschen – die haben eine Neigung zur Regression und andere die dies alles lieber vermeiden. Diejenigen, welche die Regression hĂ€ufig anwenden sind in der Tendenz Personen welche
à Solche Denkmuster sehen wir hÀufig bei einer depressiven Grundstruktur. Die andere Gruppe von Menschen sind diejenigen, welche die Regression eher vermeiden.
Solch ein Denkmuster finden wir hÀufig bei psychosomatischen Erkrankungen wie den Zwangsstörungen.
Unsere Psyche ist â wie gesagt â in Entwicklungsstufen aufgebaut und die unteren Schichten bleiben immer erhalten.
Kommt es zu Konflikten – und werden untere Schichten frei gelegt – fĂ€llt man praktisch in frĂŒhere Entwicklungsstufen zurĂŒck.
Ein Vergleich mit einem kleinen Kind:
Ein kleines Kind hat zum Beispiel in der Zwischenzeit gelernt, seinen Toilettengang zu kontrollieren. Nun wird das Kind mit einer schwierigen Situation konfrontiert: ein Geschwisterchen wird geboren. So etwas kann in dem ersten Kind groĂe Ăngste auslösen â ganz besonders wenn es gerade seine ersten Schritte zu einer Autonomie (z.B. den Stuhlgang) vollzogen hat.Â
die Zerrissenheit ist:
HĂ€ufig fallen die Ă€lteren Kinder dann in Verhaltensweisen zurĂŒck die der neu erworbenen Freiheit gar nicht mehr entsprechen:
Das Kind regrediert freiwillig ein StĂŒck weit auf eine frĂŒhere Entwicklungsstufe zurĂŒck – als der Konflikt mit der RealitĂ€t noch nicht da war. Auf dieser Stufe fĂŒhlt es sich dann wieder etwas sicherer um die neue schwierige Situation zu bewĂ€ltigen.
Und – Ă€hnlich wie in einer Therapie – haben die Eltern dann die Aufgabe:
– einerseits die alten VersorgungswĂŒnsche nicht ganz zu verweigern,
– andererseits aber auch die FreiheitswĂŒnsche/AutonomiewĂŒnsche des Kindes zu fördern.
Besonders in der Therapie bedient man sich hÀufig der Regression.
WĂ€hrend der Therapie muss ich der Therapeut dann immer wieder fragen,
Ein Arbeiten in der Regression ist aber oft notwendig
So ist eine vernĂŒnftige Therapie immer ein Wechsel zwischen Progression und Regression.
Das Beispiel könnte so aussehen: Da ist ein Kind – dessen Eltern seine VersorgungswĂŒnsche ignorieren -und von ihm sehr viel Autonomie, freies Arbeiten/Denken verlangen.
Nehmen wir weiter an, die Eltern geben keinen guten Ausgleich zwischen den haltenden WĂŒnschen (regressive WĂŒnschen) und der Förderung der kindlichen Autonomie.
Das kann zum Beispiel geschehen wenn ein zweites Baby in der Familie kommt und dem Ă€lteren Kind nun die Rolle zu geschoben wird, âdu musst jetzt der VernĂŒnftige sein.â
Das Ă€ltere Kind spĂŒrt, dass seine Eltern mit ihm besonders dann zufrieden sind, wenn es ihre (!) WĂŒnsche nach SelbststĂ€ndigkeit erfĂŒllt. Die Folge: Es passt sich an!
Und das geschieht hĂ€ufig so gut dass es auch in Zukunft eigenstĂ€ndig versucht – auch unausgesprochene LeistungsansprĂŒche der Eltern – immer zu erfĂŒllen. Logischerweise geht dies alles nur auf Kosten der FĂ€higkeit
Nur, durch Regression wird ein Mensch erst so richtig kreativ.
HĂ€ufig kommt solch ein junger Erwachsener dann spĂ€ter zur Therapie weil er in seiner Kernfunktion (seinen Studienleistung) auf einmal fĂŒrchterlich einbricht und psychosomatische Symptome bekommt.
Eine vernĂŒnftige und stĂŒtzende Therapie wird dann darauf abzielen, seine eigentlichen FĂ€higkeiten wieder zu aktivieren.
HierfĂŒr gibt es verschiedene Möglichkeiten
(1) zu starke ICH â Konflikte
Sind die Konflikte des Patienten mit der RealitÀt so stark, dass diese Konflikte zu viel Energie abziehen und es ihm an Kraft zu einer Umsetzung fehlt, obwohl er in einer Regression sich etwas entspannen kann,
à dann helfen alle Appelle zur StÀrkung des ICHŽs nicht weiter.
(2) zu starke Anpassungsneigungen.
Die Regression dient ja dazu, dass der Patient durch ein âLuftholenâ Kraft bekommt, sich auf neue Situationen besser einzustellen.
Problematisch wird es aber, wenn das ICH des Patienten grundsÀtzlich eine starre Neigung zur Anpassung hat.
Der Patient ist dann im Therapieverlauf immer wieder gewohnt, sich anzupassen und zu funktionieren.
Um einem Zuviel oder Zuwenig entgegen zu treten, bedient man sich verschiedener Therapiemöglichkeiten um die regressiven Prozesse zu regulieren oder zu fördern.
Solche Techniken unterscheiden sich zum Beispiel durch:
Eine Regression kann den Patienten jedoch auch ĂŒberfordern.
kommt es sehr hĂ€ufig zu einer Ăberforderung und ist dadurch kontraproduktiv
Dies sehen wir am hÀufigsten bei einem Borderliner.
In solchen FĂ€llen droht das, was der Psychoanalytiker eine maligne Regression nennt – also eine Form der Regression die wirklich nicht entwicklungsfördernd wirkt sondern eher zerstörerisch.
Das Gegenteil zu der maligne Regression ist die benigne Regression
Im Falle eine malignen Regression
Diese Gefahr ist real und darum wird ein Therapeut sehr frĂŒh solche Dynamiken einer malignen Regression unterbinden und sofort den Rahmen logischerweise der Therapie wechseln.
Diese Gefahr ist aber zum GlĂŒck auch selten. Denn besonders der Patient wird durch eine Rahmenbedingung – die ihn ĂŒberfordert – selbst schnell auf eine andere wechseln wollen.
Wirklich zum GlĂŒck ist unsere Psyche ein LebenskĂŒnstler und kann sich in kritischen Erfahrungen hĂ€ufig auf gute Erfahrungen zurĂŒck besinnen.
Man könnte jetzt denken, die benigne Regression wĂ€re gemĂŒtlich und total einfach.
Aber hÀufig passiert auch hier genau das Gegenteil.
Sie heiĂt nur deshalb benigne Regression weil ihre Folgen gut sind in der Progression. (gutartiger und bösartiger Tumor werden mit dem Begriff Benigner und Maligner Tumor beschrieben). Aber Wachstum bedeutet oftmals auch Schmerzen.
Auch bei einer benignen Regression entfalten sich teilweise sehr schmerzvolle regressive Dynamiken.
Wird der Patient in der regressiven Phase mit seinen Problemen konfrontiert
– kann es zu starken SchamgefĂŒhlen, Ohnmacht, GefĂŒhlen der Minderwertigkeit, der existenziellen Angst vor Liebesverlust kommen.
(âNur wenn man etwas leistet dann ist man auch liebenswertâ â das Leitmotiv eines Perfektionisten).
All das Besprochene zusammen gefasst, sind fĂŒr sich GrĂŒnde, warum es vielen Patienten hĂ€ufig schwer fĂ€llt sich in eine kindliche Regression fallen zu lassen. âLieber die Augen weg drehen als sich den Problemen stellenâ
.
Es ist die Aufgabe des Therapeuten
um ihm dann zu helfen das StĂŒck Freiheit zu bekommen was er sich schon immer gewĂŒnscht hat
Es sind viele Bereiche, die wir ansprechen können: Angefangen vom Umgang mit Borderline oder einer anderen belastenden Störung, aber auch ĂŒber Future Faking, Love Bombing und Gaslighting die immer hĂ€ufiger in unsere Gesellschaft zu beobachten sind.Â
Ich möchte aber nicht nur ĂŒber Fragen sprechen, sondern auch praxisgerechte Lösungen anbieten:
Buchen Sie sich einfach auf meinem Online-Kalender ein Zeitfenster oder nutzen Sie mein klassisches Kontaktformular um mit mir in Verbindung zu treten. Ich freue mich auf Sie. Ihr Marcus
Borderline ist die Königsdisziplin in den zu behandelnden Störungsbildern. Dieses Buch befasst sich nicht mit einer Therapie zu Hause, in der Praxis, sondern in einem klinischen Umfeld. Die Ăbertragungsfokussierte Psychotherapie (Transference-Focused Psychotherapy, TFP) ist ein psychodynamisches Verfahren, dass die Beziehungs- und IdentitĂ€tsstörung von Borderliner ganz in den Mittelpunkt der Therapie stellt. Ihren Ursprung hat sie in der Objektbeziehungstheorie, die davon ausgeht, dass die Schwierigkeiten bei Persönlichkeitsstörungen auf nicht integrierte Persönlichkeitsanteile zurĂŒckzufĂŒhren sind. Darum mĂŒssen diese durch eine Therapie aktiviert und in das Handeln integriert werden.Â
Dieses Buch befasst sich ausfĂŒhrlich mit Diagnostik, Therapievereinbarungen, Behandlungsphasen, Therapiefokus und Arbeiten im interdisziplinĂ€ren Team. Ein tolles Werk fĂŒr jeden Facharzt.Â