Werde wieder stark! https://werdewiederstark.de Laufen ist Therapie - Bewegung ist die Alternative! Wed, 27 Sep 2023 06:17:17 +0000 de-DE hourly 1 https://wordpress.org/?v=5.3.15 https://werdewiederstark.de/wp-content/uploads/cropped-3-grüne-Kreise-1-32x32.png Werde wieder stark! https://werdewiederstark.de 32 32 Emotionen können kontrolliert werden – Teil 1 https://werdewiederstark.de/emotionen-koennen-kontrolliert-werden-teil-1/ https://werdewiederstark.de/emotionen-koennen-kontrolliert-werden-teil-1/#respond Tue, 26 Sep 2023 06:33:39 +0000 https://werdewiederstark.de/?p=5654 „Emotionen können kontrolliert werden – Teil 1“ weiterlesen

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Schriftzug Marcsu Jähn

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Können Emotionen kontrolliert werden? Die kurze Antwort lautet – JA!

Warum aber dürfen wir sagen, dass Emotionen kontrolliert werden können?

      1. Weil das verwendete Wort „können“ aus dem Urwort „kunnan“ (kennen, wissen) stammt und ursprünglich „Kunstfertigkeit, eine Fähigkeit, Geschicklichkeit“ bedeutet – etwas, was man wie eine Tugend erlernen kann.
      2. Und zweitens, weil unser Gehirn so aufgebaut ist, dass es permanent und reflexhaft Handlungsangebote aussendet, welche später vom Neokortex geprüft werden.
      3. Als dritten Grund möchte ich einige Forscher zu Wort kommen lassen, welche uns dies wissenschaftlich

Emotionen sind vorbewusstliche und vorprogrammierte „Handlungsangebote“

Oder anders ausgedrückt: Was die Geschichte eines alten Zen-Meisters mit den wissenschaftlichen Fakten eines modernen Hirnscanners gemeinsam haben… 

Eine kurze Geschichte zur Einleitung

Ein junger Samurai (Schwertkämpfer) ging einmal zu einem alten Zen-Meister (Kanzaki) mit der Frage „Was ist die Wahrheit über den Himmel und die Hölle? Der alte Meister Kanzaki schaute ihn an und fragte: „Wie konnte so ein dummer, hässlicher Mann überhaupt Samurai werden?“ Voller Wut zieht der Schwertkämpfer seine Waffe und schwingt diese nun bedrohlich über seinem Kopf. Seelenruhig schaut der alte Mann ihn an und sagt: „Genau das ist die Hölle…!“ Sichtlich betroffen erstarrt der Schwertkämpfer in seiner Bewegung, seine Muskeln erschlaffen, er steckt das Schwert wieder in seine Scheide und verbeugt sich tief vor dem alten Mann. „Und dies“ so der alte Mann „ist der Himmel.“

 

Die Lehre, welche wir aus dieser Geschichte ziehen können, ist folgende: Wir alle haben innere Antriebe (Emotionen / Handlungsangebote) die uns zu bestimmten Handlungen motivieren … Jedoch gibt es immer einen kleinen, kurzen Moment, in dem wir diese beeinflussen können! Und genau darum geht es jetzt in diesem Beitrag!

Wir alle haben prämotorischen Impulse! Ich werde sie im weiteren Verlauf dieses Beitrages als Emotion bezeichne.
Wie ich darauf komme? Lass uns das einmal gemeinsam besprechen.

 Zu einer kleinen Abgrenzung:
Emotionen und Gefühle sind sich sehr ähnlich. Wie Antonio Damasio – ein portugiesische Neurowissenschaftler – grenze ich die Gefühle als innere Antriebe und Emotionen als ihre äußerlich sichtbaren Reaktionen ab.

Teil 2. Das willkürliche und das unwillkürlich / emotionale Gedächtnis.

 

Lass uns in diesem einleitenden Teil des Beitrages unsere Gehirnleistung in zwei Bereiche unterteilen: Das emotionale / unwillkürliche Gedächtnis und das kognitive / willkürliche Gedächtnis

Den Unterschied möchte ich mit den gut bekannten Neujahrsvorsätzen erklären. Alle Jahre wieder setzen wir uns neue und gute Vorsätze für das kommende Jahr… Die häufigsten sind hierbei:

      • Sich gesünder ernähren.
      • mehr Sport treiben.
      • etwas Geld sparen.
      • Zeit mit den wichtigen Menschen verbringen.
      • abnehmen/eine Diät beginnen.
      • unnötige Ausgaben reduzieren.
      • mehr für die Umwelt tun.
      • mit dem Rauchen oder dem Alkohol aufhören

Und wie lange halten solche Vorsätze deiner Meinung nach? Nun die Antwort, mag etwas ernüchternd wirken: 24 % der Befragten halten sich maximal einen Monat an ihre neue selbstgewählte Lebensweise. 27 % schaffen immerhin etwas mehr als zwei Monate und 20 % können sie noch länger halten …

Diese Vorsätze haben aber einen tieferen Grund: Wie alle haben den Wunsch, uns und unsere Umgebung zu verändern. Sei es nun der Partner, die Kollegen, die Familie… wir möchten unsere Umgebung dahin beeinflussen, dass sie auf unsere Lebenshaltung eingehen – so leben wie wir es für richtig halten. Man könnte dies zwar auch manipulieren nennen, das alles ist jedoch ein ganz natürlicher Vorgang. Mit den Lebensjahren wird uns jedoch immer klarer bewusst, dass alle Veränderungen erst einmal bei uns selber beginnen müssen um dann bei anderen als Vorbild zu funktionieren.

Karl Valentin (1882 – 1948, Komiker und Filmproduzent) sagte damals: Kinder machen nicht das nach was du ihnen sagst, sondern sie ahmen nur dein Verhalten nach.

Und wie funktioniert das nun, dieses sich (das Verhalten und die Emotionen) zu verändern?

Kommen dir folgende Worte bekannt vor? Morgen fängst du an, dich mehr zu bewegen. Iss nicht so viel Süßigkeiten. Hör auf, so viel zu trinken. Reiß dich endlich mal am Riemen. Du kannst alles, wenn du nur wirklich willst… Solche Sätze sind wirklich tolle Beweise für Willensstärke.

Und trotz alledem – oder vielleicht genau deswegen – fallen die Ergebnisse oft nur recht bescheiden aus, halten nur kurz an und zurück bleibt immer wieder ein erdrückendes Gefühl von Schuld, Scham und Selbstvorwürfen.  Wenn aber die ganze Disziplin und Kontrolle und Entschlossenheit versagt, sobald wir in Stress geraten … spätestens dann sollten wir anerkennen, dass unser kognitives, bewusstes, willkürliches Gedächtnis für eine dauerhafte Veränderung einfach nicht ausreicht.

Durch reine Disziplin schaffen wir es nicht, genügend Motivation aufzubringen, um langfristige Pläne dauerhaft umzusetzen. Was wir brauchen, ist ein Zugang zu einem deutlich tieferen Gedächtnissystem, das in der Lage ist, unseren emotionalen, unwillkürlichen Kompass zu nutzen und unsere Handlungen dann so steuert das es durch äußerliche Reize nicht mehr abgelenkt wird.

Kurz gesagt: Für langfristige Ziele – wie zum Beispiel Gewicht Abnehmen, mehr Sport treiben oder eine dauerhafte stabile Beziehung aufzubauen müssen wie ein anderes Gedächtnis als das willkürliche, kognitive Erfahrungsgedächtnis aktivieren. Und dieses andere Gedächtnis nennen wir das emotionale Erfahrungsgedächtnis.

Dieses ist vom logisch, kognitiven Denken getrennt, arbeitet permanent und motiviert uns nicht durch Gedanken, sondern durch emotionale Reize wie zum Beispiel einem lebhaften Traum oder einem anziehend reizvollen Anblick.

Nehmen wir an, du möchtest abnehmen und dich gesünder ernähren.  Was passiert, wenn du über einen Wochenmarkt gehst und dort die Stände mit vielen frischem Obst, Gemüse und Brot siehst? Dann kaufst du diese Produkte nicht aufgrund deines bewussten Ziels abzunehmen, sondern weil diese Reize aus dem instinktiven, unwillkürlichen Bereich unseres Gehirns (z.B. Nahrungssuche) nicht mehr überlagert werden. Dann entstehen innere Gefühle (wir können sie Valenzen nennen – Anziehung und Vermeidung), die dann unsere Wahl steuern. Im Gegensatz zum bewussten Gedächtnis, speichert das emotionale Gedächtnis permanent alle Sinnesreize und bewertet sie nach ihrem emotionalen Wert!

Der Begriff „Emotionalität“ ist hierbei sehr wichtig. Nicht umsonst wird einem Elefanten nachgesagt, dass er nie etwas vergisst. Warum ist dem so? Wahrscheinlich, weil seine Erinnerungen grundsätzlich emotionaler Natur sind.

Dazu ein weiterer Vergleich zum Thema Abnehmen:  Du möchtest z.B. wegen deiner Gesundheit abnehmen. Dies ist ein bewusster, guter und auch recht sinnvoller Gedanke. Jetzt druckst du dir ein Bild von einer Person aus, die deiner Meinung nach einen deutlich attraktiveren Körper hat als du und hängst es dann an deinen Kleiderschrank.

Was wird dich auf Dauer wahrscheinlich mehr verändern?

      • Ist es der Wunsch, dein Gewicht aus gesundheitlichen Gründen zu verlieren?
      • Oder möchtest du auf der nächsten Party mit dem verführerisch engen Kleid / Anzug attraktiver wirken? Die Antwort hierfür liegt auf der Hand.

 

Seien wir uns einer Tatsache immer bewusst: Dieser emotionale Reiz hat genau deshalb so viel Einfluss, weil er nicht bewusst steuerbar ist. Emotionen / Gefühle werden nicht durch einen bewussten Willen ausgelöst – denn so arbeitet unser Gehirn nicht.

Daniel Goleman, ein US-amerikanischer Forscher, Psychologe und Journalist schreibt in seinem Buch, dass unsere Erfolge zu 80 % in unserem Leben auf genau diesen Fähigkeiten der emotionalen Kompetenz beruhen.

Leider sind Emotionen kein genauer Richtungsgeber. Sie sind eigentlich nur das, wofür ihr Name steht: Ein Motivator etwas zu tun und in Bewegung („Motion“) zu kommen. Und da ihnen die Richtungskompetenz fehlt, können sie uns auch vollkommen in eine Sackgasse führen. Warum dem so ist, dazu kommen wir im weiteren Verlauf noch… 

Die Frage, die sich in diesem Zusammenhang zuerst einmal stellt, ist die:
Können wir uns wirklich ändern? Und wenn ja: Was hilft uns hierbei? Ist es Willkür, Kognition oder Einsicht?

Wenn wir den Begriff „Einsicht“ näher betrachten, dann müssen wir akzeptieren, dass zwischen dem logischen Verstehen einer Sache und einer persönlichen Veränderung oft gar kein direkter Zusammenhang besteht.

Ein Beispiel ist der Praxis der Psychotherapie: Circa 25 % aller psychotherapeutischen Behandlungen sind Langzeittherapien und 1 % der Behandlungen dauern sogar über 100 Stunden… Das bedeutet, dass Psychotherapie oft über mehrere Jahre verläuft!  Woody Allen sagte mal – mit dem für ihn typischen Augenzwinkern – dass seine Psychoanalyse ja erst 15 Jahren dauert und man deshalb noch keine Veränderung bei ihm erkennen könne … Veränderung besteht nicht darin, dass eine Sache kognitiv mit dem Kopf verstanden wird … denn, mit dem Kopf verstehen wir viele Dinge sofort! Veränderung wird durch eine Veränderung unserer inneren Gefühlszustände motiviert.

Warum ist dem so? Weil viele unserer Probleme dadurch entstehen, dass wir uns in einer Gewohnheit festgefahren haben. Diese beherrschen dann unser Denken, unsere Logik und damit auch unser Verhalten.

Genau dieses Wissen darüber, wie wir tief verankerte Gefühle verändern können, ist so elementar wichtig für eine erfolgreiche Therapie, damit traumatisierte Menschen sich von den vielen, zwanghaft sich wiederholenden Verhaltensweisen und chronischen Gefühlen wie Angst, Wut, Hilflosigkeit, Ohnmacht und Entsetzen losreißen können.

Welche Therapie ist hier jetzt die Richtige?

Nun, hier ist sich die Psychotherapie selbst gar nicht so einig… Hatte man in den Anfangsjahren zuerst die Emotionen im Visier, kam mit Sigmund Freud eher Erkenntnis-Therapie zum Einsatz. An ihm kann man die Uneinigkeit in der Vorgehensweise recht gut veranschaulichen: Anfänglich war er noch ein Schüler des berühmten französischen Neurologen Jean-Martin Charcot. In dieser Zeit war er sich sehr sicher, dass seine Patienten ihre Neurose nur dann kurieren könnten, wenn sie die traumatischen Erlebnisse immer und immer wieder erleben und damit sich innerlich reinigen könnten. Von dieser Haltung distanzierte er sich später jedoch, da er in einer Zeit anfing, zu arbeiten, als sexueller Missbrauch in der direkten Umgebung gang und gäbe war. Die meisten seiner Patienten waren Frauen, die in ihrer Kindheit durch den Vater sexuell missbraucht wurden – ein gesellschaftliches Tabu was sich hierbei wie die Büchse der Pandora zu öffnen schien. Darum lenkte Freud recht schnell ein und führte die sexuellen Übergriffe des Vaters auf frühkindliche ödipale, Wünsche und Fantasien zurück. Damit machte er also das Kind zum Täter und den Täter zum Opfer. Mit Sicherheit haben dies dann auch viele seiner Patientinnen als Verrat empfunden. Zum Glück betrachteten dies viele von Freuds Zeitgenossen (Pierre Janet) und auch einer seiner wichtigsten Schüler (Wilhelm Reich), ganz anders…

Heute wird neben der „Freud’schen-Redekur“ – der tiefenpsychologischen Psychoanalyse auch die Körper-Therapie mit einbezogen. Meiner Meinung nach ist dies deutlich sinnvoller da eine ausgewogene Betrachtung von Emotion, Gefühl und Erkenntnis der Weg ist, der Menschen wirklich verändern kann. 

Unser Thema lautet ja: „Emotionen können beherrscht werden!“ 
Was genau ist dann eigentlich eine Emotion?

Emotionen sind – ich möchte dies später gerne im Detail erläutern – im Grunde genommen nichts anderes als Prä- (vor) motorische Impulse / es sind Handlungsangebote aus unserem Vor-Bewusstsein … Wenn Emotionen Handlungsangebote, Handlungsimpulse sind … wann und wo genau entstehen sie? Oder anders gefragt:

„Was kommt zuerst? – Der bewusste Wille oder die körperliche Bewegung?“

Damit sind wir im ersten großen Zwischenthema angekommen. Wenn wir Emotionen beherrschen wollen, müssen wir wissen wann, in welcher Reihenfolge und unter welchen Umständen sie entstehen.

 Lass uns hier einmal vier Forscher / Wissenschaftler zu Wort kommen, die alle etwas mit der Beantwortung dser Frage „Was kommt zuerst – der Wille oder die Bewegung?“ – zu tun haben:

William James (US-amerikanischer Psychologe und Philosoph – 1842/1910) 
Benjamin Libet (US-amerikanischer Physiologe – 1916-2007) 
Daniel Wegner (US-amerikanischer Psychologe – 1948 -2013) 
Oliver Sacks (britischer Neurologe und Schriftsteller 1933 -2015). Autor von Awakenings das als Film mit Robin Williams und Robert De Niro 1990 verfilmt wurde.

 

2.1. William James

Er lebte von 1842 bis 1910 und war ein US – amerikanischer Philosoph und Psychologe. Er war Professor für Physiologie an der Harvard Universität und dachte sich einen Test aus, um die Entstehung von Emotionen nachzubilden. 1884 veröffentlichte er seine provokative Arbeit mit dem Titel: „Was ist eine Emotion?“ Hierbei stellte er sich vor, dass ihn ein Bär verfolgen würde. Durch Beobachtung des eigenen Körpers versuchte er dann, die Ereignisskette logisch zu verstehen, die eine Emotion wie zum Beispiel Angst tief in uns hervorruft. Dabei schaute er aber nicht nur auf den Körper, sondern beachtete auch seine Gedanken und die inneren Bilder, die in ihm hochkamen. Das Ergebnis war selbst für ihn mehr als überraschend …

Unser logischer Menschenverstand sagt uns, dass wenn wir einen Bären sehen, als Reaktion Angst bekommen und uns diese Angst dann antreibt zu fliehen. William James kam jedoch zu dem Ergebnis seiner Beobachtung, dass wir nicht rennen, weil wir Angst haben, sondern dass wir Angst haben, weil wir vor dem Bären wegrennen. Er beschreibt es mit folgenden Worten: „Meine Theorie ist es, dass Emotionen nichts anderes sind als das Empfinden einer körperlichen Veränderung. Sie folgen direkt der Wahrnehmung. „Ich bin traurig, weil ich weine“

Kommt dir dies auch komisch vor? Unser logischer Verstand würde doch eher sagen, dass wir Angst bekommen und weglaufen, weil (!) wir einem Bären begegnen. Oder jemand beleidigt uns, wir werden wütend und deswegen verteidigen wir uns.

Was ist richtig hierbei und was ist falsch? William James hat gezeigt, dass diese bislang vermutete Reihenfolge der Ereignisse falsch ist. Ein mentaler Zustand löst nicht sofort den nächsten aus, sondern die körperlichen Reaktionen werden zwischengeschaltet.

Also trauern wir, weil wir weinen … Wir sind ärgerlich, weil wir zuschlagen … Wir haben Angst, weil wir zittern.

Diese etwas schwer verständliche Sicht nennen wir die „Bottom – Up“ Methodik und sie stellt das von Rene Descartes (franz. Philosoph / Mathematiker 1596 – 1650) aufgestellte logische Denkmuster „Top – Down“ (der Verstand erkennt die Gefahr und befiehlt dem Körper die Flucht – komplett in Frage. William James neuer Denkansatz (Bottom – Up) – dass wir die Angst verspüren, weil wir vor einer Gefahr weglaufen, zeigt einen wichtigen Punkt in Bezug auf die Natur unserer Wahrnehmung auf: Wir alle glauben ja, dass nachdem wir eine heiße Herdplatte anfassen, wir unsere Hand wegziehen, weil (!) wir dann einen Schmerz spüren. Dies entspricht aber nicht der Wirklichkeit, denn wir würden uns eine dauerhafte Verletzungen zu ziehen, wenn wir unsere Hand erst dann wegnehmen würden, wenn der Schmerz im Gehirn ankommt. Jeder Medizinstudent lernt bereits am Anfang seines Studiums, dass zuerst der Reflex des Zurückziehens aktiv wird, dem dann der eigentliche Schmerz folgt.

Natürlich hat der Schmerz im Nachhinein auch seine Daseinsberechtigung… Er erinnert uns daran, möglichst keine weitere heiße Herdplatte mehr anzufassen. Falsch ist aber die Annahme, dass der Schmerz zuerst wahrgenommen und deswegen danach der Impuls kommt, die Hand wegzuziehen. Auch William James erkannte, dass die Angst nicht eine logische Folge einer kognitiven Situationseinschätzung ist. Nein!  Ganz und gar nicht! Denn ganz am Anfang steht nichts anderes als eine vorbewusste Handlung / eine muskuläre Reaktion, die im Körper stattfindet und dann einer Emotion den Weg bereitet.

In dem Moment, wo das Gehirn im Stammhirn berechnet, dass eine Gefahr besteht, trifft es seine Einschätzung so schnell, dass andere, kognitive Bereiche gar nicht die Zeit haben, sich dieser Situation bewusst zu werden. Stattdessen sondiert das Gehirn – vor allem im Thalamus, dem Tor unserer Empfindungen, wie der Körper jetzt in diesem Augenblick reagieren muss.

Merke: Das bewusste Fühlen, findet also im Körper statt! Und damit hatte William James bereits als einer der ersten Forscher überhaupt diese sehr interessante Vorahnung für die wunderbaren Abläufe, die in unserem Körper stattfinden. Richtig bewiesen werden konnten seine Vermutungen jedoch erst circa 100 Jahre später nach seiner Entdeckung.

2.2. Benjamin Libet (1916-2007 Kalifornien US-amerikanischer Physiologe.)

Libet wurde über weite Kreise in der Medizin hinaus durch sein sogenanntes Libet-Experiment Anfang der 1980er Jahre bekannt. Durch dieses konnte experimentell bewiesen werden, dass nicht ein bewusster Wille, sondern vorbewusste Prozesse für unser Handeln verantwortlich sind. Der Wille scheint eher eine vom Gehirn im Nachhinein erzeugte Empfindung oder Erklärung für das Handeln zu sein und nicht eine unabhängige eigenständige Instanz. 

Dieses Experiment können wir auch selbst an uns durchführen. Hierzu halten wir einen Arm ausgestreckt vor uns hin und drehen das Handgelenk zu einem Zeitpunkt, wann wir es aus freien Stücken möchten. Dies wird dann mehrfach wiederholt und wir beobachten dabei, was mit dem Denken passiert. Mit Sicherheit hast du hierbei auch den Eindruck, dass die Bewegung zuerst bewusst entschieden und dann erst vollzogen wird. Für dich fühlt es sich bestimmt wie eine bewusste Entscheidung an, welche durch die eigene Bewegung initiiert wird.

Benjamin Libet bat seine Testperson genau dies durchzuführen, während er drei Aspekte ganz penibel zeitlich notierte:

      1. Der Zeitpunkt der bewussten Entscheidung: Er wurde mit einer speziellen Uhr gemessen wurde.

Hierfür ließ Libet seine Probanden auf eine schnelllaufende Uhr blicken, die auf einem Oszilloskop einen kreisenden Lichtpunkt erzeugte. Jeder Umlauf benötigte circa 2,5 Sekunden, so dass eine Ablesegenauigkeit von etwa 40 bis 50 Millisekunden erreicht wurde. Die Testteilnehmer merkten sich einfach nur die Stellung Lichtpunktes auf der Uhr zu dem Zeitpunkt, an welchem sie den bewussten Drang verspürten, die Hand zu bewegen.

      1. Der Beginn des Bereitschaftspotentials im motorischen Kortex wurde durch EEG–Elektroden am Kopf gemessen.
      2. Mithilfe von weiteren Elektroden an den Handgelenken wurde dann das Einsetzen der eigentlichen Bewegung gemessen.

Was denkst du, kam als Erstes? War es die Entscheidung / der Wille sich zu bewegen? War es die Aktivierung des motorischen Kortex Oder war es die tatsächliche Bewegung? Die Lösung mag für dich jeder Logik widersprechen, aber das Gehirn wurde erst ca. eine halbe Sekunde (500 Millisekunden) vor (!) der willentlichen Entscheidung, sich zu bewegen, aktiv. Die gemessene willentliche, bewusste kognitive Entscheidung, fand viel zu spät statt, um als Ursache für die Bewegung in Betracht kommen zu können.

Was folgt darauf? Es erscheint, als sei unser Wille / unser Bewusstsein nichts weiter als ein nachträglicher Gedanke. Ein Gedanke, der uns unsere vorbewusste unwillkürliche Bewegung, irgendwie „zu erklären“ versucht.

Auch wenn es anderen logischen Prinzipien zu widersprechen scheint, diese Ergebnisse stimmen auch mit den Erkenntnissen überein, die durch Experimente bei Operationen am offenen Gehirn herausgefunden wurden. Hierbei konnte Libet beweisen, dass der sensorische Cortex, der die haptischen Reize aufnimmt, etwa eine ½ Sekunde durchgehend gereizt werden musste, bevor ein sensorischer Reiz bewusst wahrgenommen werden konnte. Mit seinen Forschungen bewies er, dass einer willentlichen Entscheidung (zum Beispiel die Handfläche zu drehen) die eigentliche Bewegung voran geht. Diese bewusste Entscheidung, findet erst statt, nachdem eine prämotorische Hirnregion aktiv wurde. Mit anderen Worten: die Entscheidung zum Handeln erfolgt immer erst nach dem Handeln.

In seinem Buch „Mind Time – Wie das Gehirn Bewusstsein produziert“ äußert er den Gedanken: „Wir haben zwar keinen freien Willen, aber wir haben einen sogenannten „Free won‘t“ also eine eigene Möglichkeit, alles was ich im Impuls tun könnte, zu stoppen. Wir haben den Willen zu einem freien Veto – dem von ihm sogenannten „Indeterminismus“

2.3. Daniel Wegner 

Daniel Wegner (1948 bis 2013) war ein US-amerikanischer Psychologe und Professor für Psychologie an der Harvard Universität. Auch er forschte an dem Themenkomplex „freier Wille“. Einer seiner bekanntesten Sätze war zum Beispiel: „Denken Sie mal bitte nicht an einen weißen Bären.“ Das Paradoxe Ergebnis ist, dass die Menge an Gedanken zu diesem Thema sofort explosionsartig steigt. Wenn jemand sagt: „Ab jetzt bitte ich Dich, keine Angst zu haben“ kommt genau  das gleiche Ergebnis zutage.

Eine seiner interessantesten Versuche war jedoch, dass er mit einer Reihe von Spiegeln illusionäre Bilder erzeugte: Die Versuchsteilnehmer glaubten, in den Spiegeln ihre eigenen Arme zu sehen. Was sie in den Spiegeln wirklich sahen, waren lediglich die Armbewegungen eines weiteren Versuchsteilnehmers. Bewegen sich dessen Arme auf Anweisung eines weiteren Beobachters, meinten die ersten Versuchsteilnehmer, sie selber hätten die Bewegung aus eigenem freiem Willen heraus gemacht. In Wirklichkeit haben sie ihre Arme jedoch gar nicht bewegt!

Was bedeutet das jetzt für uns? Ist dies das Ende des freien Willens? Seit 3000 Jahren ist die Idee des freien Willens / der Determinismus (lat. determinare: Grenzen setzen) eine feste Säule in der Psychologie. Angefangen von Heraklit im 6. Jahrhundert vor unserer Zeitrechnung, über Demokrit, Aristoteles, Platon, die Stoiker wurde diese Überzeugung bis in die Neuzeit von so bekannten Personen wie John Stuart Mill, David Hume, Lohn Locke getragen.

In Deutschland war es Wilhelm Wundt (1832 bis 1920) ein deutscher Physiologe, Psychologe und Philosoph und Gründer des ersten Instituts für experimentelle Psychologie, der den Gedanken des freien Willens ganz oben ansetzte. Von ihm stammte z.B. der Satz: „Nichts scheint so eng mit unserer Persönlichkeit verbunden und so vollständig in unserem Besitz zu sein wie unser eigener freier Wille.“

Wer aber hat nun eigentlich recht? William James, Benjamin Libet, Daniel Wegner oder die Verfechter des freien Willens? Wer oder was sind wir überhaupt ohne die Macht des freien Willens?

Vielleicht hat Albert Einstein in seiner unnachahmlich bescheidenen Art recht, wenn er sagt: „Der Mensch kann tun, was er will… aber er kann nicht wollen, was er will.“

Was bedeutet das für unser Thema? Können wir mit unserem freien Willen unsere Emotionen nun in irgendeiner Weise regeln? Oder ist der freie Wille und damit die Möglichkeit einer Emotionskontrolle eine reine Illusion? Mit dem, was James, Libet und Wegner erkannten, würde ich es mal mit folgenden eigenen Worten beschreiben:

      • Zuallererst bereite ich mich auf eine Handlung vor.
      • Danach handle ich.
      • Ich spüre, ich fühle, ich registriere und nehme wahr
      • Ich reflektiere und ich denke.
      • Und wegen dieser aufeinanderfolgenden Schritte,
        • deshalb bin ich
          Frei nach dem Buchtitel von Antonio Damasio: „Ich fühle, also bin ich“

Was ich jetzt ein wenig kompliziert aufgezählt habe, könnte man etwas vereinfacht folgendermaßen zusammenfassen: Der willkürlichen, bewussten Bewegung geht ein unwillkürlicher, unbewusster / prämotorischer Impuls voraus.

Kann man diesen sogenannten prämotorischen Impuls irgendwie beweisen? Ja, und zwar mit Hilfe einer Erkrankung im Gehirn, welche im ICD 10 unter H 47.6 als „Affektion der Sehrinde“ bezeichnet wird. Früher wurde dies Rindenblindheit“ genannt. Damit bezeichnet man einen teilweisen oder auch vollständigen Ausfall der primären Sehrinde – des kortikalen Areals V1.  Wenn wir hier von Arealen sprechen, dann meine ich die primäre Sehrinde V1. Die sekundäre und tertiäre Sehrinde tragen die Bezeichnungen V2 bis V5.

Sie, die Sehrinde / auch visueller Cortex genannt, ist ein Teil der Großhirnrinde (Rinde = Cortex), die für unsere visuelle Wahrnehmung verantwortlich ist. Hier finden wir die Brodmann–Areale 17 bis 19 (benannt nach dem Neuroanatom und Psychiater Korbinian Brodmann 1868 – 1918). Er unterteilte verschiedene Felder der Großhirnrinde nach ihren typischen Funktionen. Im hinteren Bereich des Gehirns (dem Okzipitallappen) finden wir die Areale 17,18 und 19. Dort findet die Verarbeitung und Integration Visuelle Informationen statt.

Was hat dies mit unseren Emotionen und dem prämotorischen Impuls zu tun? Es geht, um die Abgrenzung zwischen bewusstem Denken und den unbewussten Reizen. Hier hilft uns die erwähnte „Rindenblindheit H47.6“ als Beispiel um zu zeigen, dass unbewusste Emotionen vor (!) einem bewussten Denken entstehen. Heute wissen wir, dass es viele visuelle Systeme gibt, welche die Nervenimpulse in den unbewussten Hirnregionen (Brodmann-Areal 17-19 im Okzipitallappen) verarbeiten. Die Fehlfunktion der Rindenblindheit entsteht durch Schäden an der Sehrinde im Kortex. Zeigt man Betroffenen in diesem Sehbereich Gegenstände, können Sie praktisch nichts sehen. Der für uns jetzt interessante Aspekt ist jedoch, dass sie – obwohl sie jedes Sehen leugnen – grobe Eindrücke wie ein Blitzlicht als auch Auf- / Ab-bewegungen unterscheiden können. Wenn es kein bewusstes Sehen gibt, dann muss es doch ein unbewusstes / ein vorbewusstes Sehen geben. Und wenn dem so ist, dann wäre dies auch der Beweis für all die anderen vorbewussten Sinneseindrücke die uns zu Emotionen / Handlungsangeboten einladen.

Und damit wären wir bei dem vierten der angesprochenen Forscher – Oliver Sacks. 

2.4. Oliver Sacks (1933-2015) war ein britischer Neurologe und Schriftsteller. Er war bekannt dafür, dass er sehr komplexe Krankheitsformen in einem zwanglos anekdotischen Stil – fast schon unterhaltsam – beschreiben konnte. Eine seiner Fallgeschichten wurde sogar unter dem Titel „Zeit des Erwachens“ 1990 mit Robin Williams und Robert De Niro in den Hauptrollen verfilmt. Oliver Sacks erzählt in seinen Fallgeschichten unter anderem von einem Patienten, dessen Visueller Kortex lahmgelegt und er damit vollständig blind war. Seine Frau konnte jedoch immer wieder Reaktionen von ihm beobachten, die auf das genaue Gegenteil einer Blindheit hinwiesen. Trotz seiner Behinderung griff er nämlich immer wieder nach Gegenständen oder wich Hindernissen so geschickt aus, als könnte er sie irgendwie doch normal sehen.

Und damit wären wir bei dem Rätsel der indirekten Informationsverarbeitung in der Praxis angelangt.

Unser Hauptthema lautet ja: Wir können unsere Emotionen regulieren.“ Was aber hat dies mit den vorbewussten Impulsen und  mit einem vorbewussten Denken zu tun?

Durch die Rindenblindheit konnten wir sehen, dass es eine vorbewusste sensorische Informationsvermittlung gibt. Grundlegende Daten werden also auf irgendeine Art und Weise im Gehirn unbewusst / vorbewusst verarbeitet und erzeugen dann die Bereitschaft zu einer Bewegung – sie bereiten einen Bewegungsimpulse vor, noch lange bevor der Wille davon Kenntnis hat.

Wir erinnern uns noch an den jungen Samurai und den Zen-Meister. Oder denken wir doch mal an einen Spaziergang in Wald, wo ein flüchtiger Schatten, eine spontane Geste einer anderen Person oder ein entferntes Geräusch uns spontan zu einer reflexartigen Überlebensreaktion veranlassen – lange bevor uns überhaupt bewusst ist was in unserer Umgebung dies nun ausgelöst hat. Ganz offensichtlich sind traumatisierte Personen für diese flüchtigen Reize besonders empfänglich und reagieren intensiv hierauf.

Diese prämotorischen Impulse sind uns – wenn überhaupt – nur selten bewusst.  
In Folge davon glauben wir, dass unsere Handlungen eigentlich immer logisch und auch bewusst von uns gesteuert werden. Dem ist aber nicht so! Dies führt oft zu Verwirrungen, da uns zum einen nicht bewusst ist, woher nun dieser Impuls / diese Emotion kommt.

Es gibt aber noch eine zweite Problematik hierbei: Oft ist dieser prämotorische Impuls so intensiv, dass wir uns nicht nur durch das plötzliche, sondern auch durch seine Intensität komplett überrumpelt fühlen.

Das schafft für traumatisierte Personen eine zweifache Verwirrung:

      1. Sie haben den prämotorischen Auslöser gar nicht kommen sehen können.
      2. Und dann war dieser Auslöser dermaßen stark, dass sie anschließend fassungslos über die eigene Reaktion dastehen und die Welt nicht mehr verstehen.

Stellen wir uns im Geiste einmal eine traumatisierte Person vor, die nicht anders kann als eine reflexhafte Überlebensreaktion so komplett und intensiv wie damals immer und immer wieder zu wiederholen.

Nehmen wir hierfür das Beispiel eines Soldaten, der – aus dem Krieg heimgekehrt – im eigenen Schlafzimmer neben seiner Frau aus einem Albtraum aufwacht. Fassungslos muss er erkennen, dass er gerade seine eigene geliebte Frau würgt. Das allein ist schon überwältigend. Was aber, wenn er dies alles nicht als einen retraumatisierenden Reflex eines Kriegs-Geräusches aus der Ferne erkennen kann? Im Krieg hätte ihm dieser Reflex wahrscheinlich das Leben gerettet. Nun aber ist diese unkontrollierte explosionsartige Überlebensreaktion eine zwischenmenschliche Katastrophe.Durch solche Beispiele sollte es uns bewusst sein, dass es sowohl prämotorische Impulse und damit auch vorbewusste Emotionen gibt…

Für mich sind Emotionen und Gefühle nichts anderes als genau diese prämotorischen Impulse, welche uns 0,5 Sekunden später erst durch unseren Neokortex – dem Wächter in unserem Gehirn – bewusst werden… 

Unser Thema dieses Beitrages lautet: Emotionen können beherrscht werden. Welche Lösung gäbe es, um diese prämotorischen Impulse irgendwie zu regulieren? Eigentlich ist die Lösung recht einfach. Die Tatsache allein, dass sie ca. 500 Millisekunden vor dem Bewusstwerden auftreten, kann nicht nur ein Nachteil, sondern auch eine Chance darstellen. Der Königsweg in meinen Augen, um diese zwanghaften Impulse zu unterbrechen besteht darin, sich dieser vorbewussten Impulse dauerhaft bewusst zu sein. Denn: habe ich nämlich erst einmal ein dauerhaftes Bewusstsein hierfür geschaffen, kann ich den noch kleinen Funken sehr leicht löschen, bevor er den Zünder, das Haus oder das Stroh in Flammen setzt.

Mir fällt hierbei unser Kater Charles ein… Auf unserer Dachterrasse hat er des Öfteren den spontanen Impuls, über das Geländer springen zu wollen. Es nützt nichts, ihm eine Minute vorher zu warnen: „Charles, spring nicht…“ Erst in dem Moment, wo seine Muskeln sich anspannen, und er hochschnellen möchte, lohnt es sich ein scharfes: „Stopp!“ zu rufen. In diesem Moment des Bewegungsimpulses, unterbricht er sofort seine Bewegung und geht einer anderen Beschäftigung nach…

Und damit schließt sich der Kreis und wir sind mal wieder am Anfang meines Vortrages: der junge Samurai und der alte Zen Meister. Auf dem Höhepunkt seiner Wut, lernte der junge Krieger seine tödlichen Impulse zurückzuhalten, anstatt sie irgendwie kopflos auszuagieren. Indem er durch die Hilfe des Meisters, den üblichen emotionalen Ausdruck stoppen konnte, transformierte er seine höllische Wut in himmlischen Frieden… Und das ist die Lösung!

Diese Beispiele von dem Samurai und unserem Kater Charles zeigen, dass beide genau in diesem kritischen Augenblick, bevor der Angriff erfolgte (!) eine besondere Gelegenheit zur Wahl hatten. Durch das friedliche aber entschiedene Eingreifen des Zen-Meisters konnte der Samurai seinen Angriff zurückhalten und spüren, wie in seinem Inneren seine Emotionen einen Angriff mit dem Schwert vorbereiteten. Genau in diesem äußerst dramatischen Zustand konnte er innehalten, seine gewalttätige Handlung zurückhalten und diese intensive Energie in Dankbarkeit umwandeln. Die Fähigkeit, seine inneren Emotionen bewusst zu kontrollieren, zu zügeln und zu halten, ermöglicht es einem Menschen, diese in positive Energie kreativ umzuwandeln. Dieses Innehalten für nur einen kurzen Augenblick schenkt uns genügend Zeit, uns in eine bewusste Selbstwahrnehmung zu versetzen. Wir können dadurch unsere inneren Bilder von unseren körperlichen Empfindungen trennen. Diese Zurückhaltung für den Bruchteil einer Sekunde, die macht den Unterschied zwischen Himmel und Hölle aus. Lass uns dies im Teil Drei weiter vertiefen.

Teil 3 – Die Lösung: Körperbewusstsein erlernen!

Die Macht und die Beharrlichkeit unserer emotionalen Zwänge (Wut, Angst, Scham auszuagieren) sollten wir niemals unterschätzen! Diesem Problem sind wir aber nicht hilflos ausgeliefert… Dagegen gibt es eine praktische Abhilfe. Sie hört sich für Dich im ersten Moment vielleicht zu simpel, zu einfach an um zu funktionieren. Gerade aber aus diesem Umstand heraus ist sie mindestens genauso mächtig wie die vorbewussten emotionalen Zwänge. Wir können unsere inneren Fixierungen durch ein stark trainiertes Körperbewusstsein „lösen“.

Wenn dir das zu unlogisch ist, dann lass uns mit ein wenig Logik an dieses Thema herangehen. Denn, was geschieht in unserem Gehirn oder in unserem Denken, wenn wir uns von der Sklaverei der Emotionen wie zum Beispiel Angst und Wut befreien möchten? Unser Gehirn ist tatsächlich ein wunderbares Organ und unterscheidet uns mit großem Abstand zu allen uns bekannten Lebewesen auf der Erde. Mit seinen ca. 100 Milliarden Nervenzellen haben seine Nervenbahnen eine Länge von 5,8 Millionen Kilometer. Dieses 1,5 Kilogramm schwere Organ ist in sich so lang, dass seine Nervenbahnen 145-mal um die Erde laufen könnten! Das sich so etwas von allein hätte entwickeln sollen, dazu fehlt mir persönlich einfach nur der Glaube! 

Der wohl größte Unterschied zu anderen Lebensformen auf der Erde ist das dünne Gehirngewebe des präfrontalen Cortex im vorderen Teil unserer Frontallappen. Hier finden wir 

      • den Dorsolateralen präfrontalen Cortex und
      • den medialen präfrontalen Cortex. 
        Der Dorsolaterale präfrontale Kortex („dorsal“ und „lateral“ bedeutet „zum Rücken und seitlich gelegen“) macht uns unsere Außenwelt bewusst.

        Der Medialpräfrontale Cortex ist der einzige Bereich des Cerebralen Cortex (Cerebral ist das Großhirn) der direkte Signale aus unseren Muskeln, den Gelenken und den inneren Organen empfängt und diese dann in unserem Bewusstsein meldet. Erst durch dieses Registrieren unserer körperlichen Reize erlangen wir den eigentlichen Zugang zu unseren emotionalen Reaktionen, können diese verändern und bekommen ein Selbstgefühl.

Immer wieder fällt mir in diesem Zusammenhang der Buchtitel des genialen Forschers Antonio Damasio ein: „Ich fühle, also bin ich“ Das ist der erste und wichtigste Schritt, um aus emotionalen Zwängen herauszukommen: Lass dich nicht in deine negativen Gedanken verstricken. Sie sind nichts anderes als innere Handlungsangebote aus der erfahrenen Vergangenheit! Trotz dieser intensiven Kraft unserer Emotionen sind wir nicht verpflichtet, uns von ihnen mitreißen zu lassen. Wir haben jederzeit die Wahlmöglichkeit, mit Hilfe unseres „Emotions-Wachtturms“ – dem Medialen Präfrontalen Cortex – zu unseren „höher liegenden kognitiven körperlichen Empfindungen gewissermaßen zurückkehren.

Solch eine permanente Überwachung und Abgleichung unserer Emotionen könnte uns nun etwas Angst verursachen, da wir mit diesen inneren Empfindungen in unserer modernen Welt nicht wirklich gelernt haben umzugehen. Wir haben uns so an Emotionen und negatives Denken gewöhnt, dass uns die Möglichkeit, unseren Körper genauer zu betrachten, in diesem Moment gar nicht in den Sinn kommt. Stattdessen suchen wir die Quelle für unsere negativen Gefühle außerhalb von uns. Einmal wirklich wieder zu verspüren, wie es ist, ohne sich mit kritischen Bewertungen zu überfrachten, kann eine vollkommen neue Erfahrung sein.

Eugene Gendlin (1926 – 2017), der Begründer der Focusing Methode verdeutlichte diesen Prozess des „Sich bewusst Werdens“ mit den einfachen Worten: „Nichts, was sich schlecht anfühlt, ist jemals der letzte Schritt.“ Unsere Großeltern hatten dafür noch die Formulierung „Nichts wird so heiß gegessen, wie es gekocht wird.“

Der Nutzen solch eines Wissens liegt auf der Hand:Wenn wir es schaffen, unsere Gefühle in der Schwebe zu halten und nicht zuzulassen, dass sie ihren früheren gewohnten Weg gehen, dann ist das keine Unterdrückung der Gefühle! Ganz im Gegenteil! Denn es ermöglicht, dass etwas Größeres entstehen kann. Wir gewinnen mehr „Spielraum“ um die Emotionen und Gefühle in ihren Schattierungen differenziert wahrzunehmen. Normalerweise tun wir alles, um uns von unseren Spannungen zu befreien und tiefere Gefühle zu vermeiden. Anna Freud und ihre systematische Aufarbeitung der Abwehrstrategien lässt grüßen. Dieses „Halten der Gefühle“ ist aber etwas vollkommen anderes!

Ein Vergleich kann uns dies besser verstehen helfen: Ein Schnellkochtopf kann viel Druck aushalten und Dampf bei zu viel Druck ablassen. Was er aber nicht kann ist, seine Form unter Druck zu verändern. Auf der anderen Seite stellen wir uns einen Ballon, aus festem, aber elastischem Gummi vor. Durch Dampf gefüllt, wird er sich immer weiter ausbreiten.

Der Dampf steht für Emotionen. Wenn wir diese Emotion nicht wie beim Schnellkochtopf in die Umgebung ablassen, sondern nun – bildlich gesprochen in uns aufnehmen und halten – bekommt der Ballon hierdurch eine andere Kontur, neue Möglichkeiten und Sichtweisen. Und das ist das grundlegende Wesen einer emotionalen Selbstregulierung, einer Selbstakzeptanz, einer inneren Stimmigkeit. Durch ein Halten verändern wir die Form und das Aussehen von Emotionen.

Gehen wir in unserem Beispiel nun einen Schritt weiter: Nimm wie zum Beispiel die Emotion Ärger, die zu den sieben Basisemotionen gezählt wird. Ärger beruht auf der inneren Haltung, sich aus einer Situation befreien zu müssen, notfalls auch durch zuschlagen. Ärger läuft auf eine körperliche Aktivität hinaus. Viele Therapien, welche mit Emotionen arbeiten, ermutigen oft auch geradezu dazu, diese herauszulassen. Was aber passiert in Wirklichkeit? Wir lassen – wie beim Schnellkochtopf – Dampf ab und spalten wir uns bildlich gesprochen von unseren Gefühlen ab! Dadurch haben uns unsere Emotionen und nicht wir sie im Griff.

Besser wäre es, wenn wir sie verwandeln können, indem wir uns bewusst zurückhalten. Der junge Samurai überwand durch ein kurzes Innehalten im richtigen Augenblick – auch wenn es von außen erst einmal gefördert wurde – seine falsche Handlung, erkannte dann selbst den Fehler und fand die richtige Lösung!

Das Halten von Emotionen und die Bereitschaft, sich von ihnen formen zu lassen – das ist die Lösung! Das Halten von Emotionen gibt uns nämlich die Möglichkeit, unseren „Emotions-Wachtturm“ den Medial-Präfrontalen-Kortex zwischenzuschalten um durch diesen „Zeitgewinn“ aus den sich bietenden unterschiedlichen Handlungsangeboten – den Emotionen – auswählen zu können. Wo vorher lediglich Angst, Wut, Abwehr oder Ohnmacht existierten, gibt es nun viel mehr Möglichkeiten zu reagieren. Anstatt zuzuschlagen, nehme ich mit dem Gegenüber zuerst einmal Kontakt auf, zum Beispiel durch eine ruhige Ansprache oder einem warmen, herzlichen Lächeln. Denn auch er hat Spiegelneuronen, die auf unser Verhalten reagieren können. Wichtig hierbei ist: Wir müssen diese Einschätzung treffen, bevor (!) wir ins Handeln vergehen, bevor wir wütend werden und zum Angriff übergehen. Nur dadurch lernen wir langsam, aber sicher in Bezug auf Reaktionen Prioritäten zu setzen uns entscheiden, was in welcher Situation angemessen ist.

Das dies geht, zeigt die Ausbildung von Piloten. Eine tragende Säule hiervon ist das regelmäßige Training in einem Flugsimulator. Obwohl dies nicht die Wirklich ist, werden dadurch die Sinne und die Reflexe wirksam für die Realität trainiert.   

Der Vorteil und die Funktion von Gefühlen im Vergleich zu Emotionen

Biologisch gesehen setzen Emotionen zuallererst einmal starke Signale für einen Selbst und besonders für die Umgebung. Unsere Angst zum Beispiel, kann die Umgebung in unserem Gesicht und an unserer Körperhaltung ablesen. Spürst du deine eigene Angst und bleibst stehen, dann reagiert deine Umgebung indem sie dein Verhalten registrieren, selber stehenbleibt und beginnt sich umsehen.

Dies können wir auch bei einem Rudel Rehe beobachten. Grasen sie eben noch friedlich über die Waldlichtung, kommt spontan Bewegung in die gesamte Gruppe, wenn ein gefährliches Geräusch vernommen wird. Es muss nur eines der Tiere den Kopf heben … sofort unterbrechen alle anderen Mitglieder der Herde ihr Verhalten. Diese Angst kann auch Panik verursachen. Viele Unfälle entstehen z.B. im Autoverkehr, wenn man – wie ein Reh – im Scheinwerferlicht des entgegenkommenden Verkehrs einfriert. Solche hochemotionalen Reaktionen selten angemessen. 

Und wenn Emotionen in der nächsten Stufe nicht mehr ein Signal, sondern ein Dauerzustand werden, spätestens dann verlieren Sie ihre Grundaufgabe. Es ist zum Beispiel nicht produktiv, wenn Übelkeit und Ekel zu einem Dauerzustand werden. Das kann für unsere Nahrungsaufnahme große Probleme hervorrufen wie Bulimie und Anorexie. Übelkeit und Ekel kann aber auch eine überzogene zwischenmenschliche Reaktion sein. Wenn es mich ekelt, dass andere Menschen mich umarmen – auch wenn diese es liebevoll oder warmherzig meinen – dann kann dies sowohl das Leben als auch sämtliche Beziehungen ruinieren.

Emotionen haben als Signalfunktion und Handlungsangebot große Vorteile. Dieser reduziert sich jedoch gegen Null, wenn sie unvermindert und unangemessen intensiv auftreten. Um diesen offensichtlichen Widerspruch auflösen zu können, müssen wir vor allem eines verstehen:

      • Emotionen sind reaktive Handlungsangebote, die aus unserem frühesten Lernen zu Überleben entstanden sind.
      • Da unsere Psyche jedoch nach dem 2. Thermodynamischen Prinzip arbeitet, ist sie neuem Lernen gegenüber recht kritisch eingestellt.
        Diese körperlichen Gefühle, Emotionen oder Handlungsangebote gleichen einem Kompass, der uns anbietet, Orientierung in unser Leben zu bringen.

Gefühle helfen uns einzuschätzen, was für uns von Wert ist, was wir in unser Leben integrieren und woran wir uns orientieren möchten. Ihre Grundfunktion ist die Valenz: Die Anziehung zu förderlichen guten Dingen und die Abneigung gegen Dinge / Situationen welche uns schaden. Valenzen sind – einfach ausgedrückt – positive oder negative Abstufungen. Welchen Wert spreche einer Sache zu. Unsere Gefühle sind die Basis aller unserer Empfindungen. Diese Empfindungen steuern dann unsere Anpassungsreaktion, je nachdem wie wir eine Situation einschätzen.

In der nächsten Stufe treten dann Emotionen auf. Emotionen treten erst dann auf die Bühne, wenn unsere Ersteinschätzung einer Situation durch unsere Gefühle falsch waren – ich mich also durch ein bestimmtes Verhalten in der jeweiligen Situation anpassen muss. Dies geschieht dann durch Angst, Wut, Trauer, Entsetzen, Ekel, Freude oder auch Triumph. 

Können wir unsere Gefühle überhaupt verändern?

Um diese Frage zu beantworten, sollten wir uns mal mit einer wenig bekannten, dafür aber umso interessanteren Person näher beschäftigen: Nina Bull ….

Sie war eine gleichermaßen geniale und trotzdem völlig unterschätzte Figur in der Geschichte der Körper-Psychotherapie. Sie war eine Pionierin in der Erforschung der Geist – Körper – Beziehung und hat die Rolle der Muskulatur im subjektiven Erleben intensiv erforscht. Nina Bull (sie lebte 1880 – 1968) war die geistige Lehrerin von Stanley Keleman (1931 – 2018) der die „Formative Psychologie“ ins Leben rief. Leider ist ihr persönliches Leben heute größtenteils unbekannt. Erst im Alter von 58 Jahren begann sie ihre wissenschaftliche Arbeit zu veröffentlichen. Bekannt wurde sie für Ihr Werk: „The Attitude Theory of Emotion (die Einstellungstheorie der Emotionen) bekannt. 

In ihren Experimenten ließ sie bei den Probanden verschiedene Emotionen wie Ekel, Angst, Ärger, Depression, Freude und Triumph aufkommen. Im zweiten Schritt notierte sie dann, was diese Personen über das erzählten, was durch die Emotionen in ihrem Inneren zu spüren ist. Sie entwickelte ein Standart-Verfahren, dass ein Verhalten nach Maßeinheiten und Kategorien erfasst, welches auch von anderen Forschern verwendet werden kann. Dieses Messinstrument war zu diesem Zeitpunkt etwas vollkommen Neues! Zum ersten Mal konnten Handlungsmuster von Emotionen nachvollziehbar protokolliert werden. Schauen wir uns mal exemplarisch ein paar Emotionen in ihrer Kategorisierung und Abgrenzung von anderen an:

Nehmen wir als erstes Beispiel die Emotion Abscheu

Das Wort „Abscheu“ wurde vor ca. 500 Jahren, im 16. Jahrhundert, sprachlich aus dem Wort „Scheu“ abgeleitet. Daraus erfolgt die Verbindung zu „zurückscheuen (wie ein Pferd), sich entsetzen, etwas verabscheuen“. Abscheu als Emotion hat verschiedene physische Phänomene (Phänomene sind Dinge / Handlungen, die sich von außen beobachten lassen):

      • Beginnen wir mit Übelkeit. Es ist ein innerer Impuls, sich zu übergeben.
      • Im Außen sehen wir zusätzlich, wenn sich jemand von einer Sache abwendet – zum Beispiel kleine Kinder vom Spinat.

Solch ein Verhalten hat viele Nuancen. Es beginnt mit leichter Abneigung, geht über zum leichten bis sehr starken Drang, sich abzuwenden, bis hin zum Erbrechen. All dies gehört zum Thema „Abscheu“ und „Ekel“. Mit dieser Reaktion versucht man zum Beispiel, schlechte Nahrungsmittel oder giftige Stoffe abzustoßen, um einen längeren Kontakt zu unterbrechen. So etwas beobachten wir auch bei Kindern und erwachsenen Personen, die man missbraucht, misshandelt oder gezwungen hat, Dinge gegen ihren Willen zu tun, die sie geistig oder körperlich nicht haben „verdauen“ können.


Die andere emotionale Reaktion ist die Angst

Auch diese Emotion wurde von Nina Bull kategorisiert. Sie beobachtete bei Angst einen ähnlichen Zwang zu Flucht / Vermeidung aber auch eine Verspannung / Erstarrung des gesamten Körpers. Die Versuchsteilnehmer erzählten von einer sich gegenseitig verhindernden Reaktion: Einerseits war da der Wunsch wegzulaufen. Andererseits waren sie aber auch unfähig sich wegzubewegen. Diese sich abwenden ist etwas anders völlig anderes als ein „Einigeln“. In der Angstreaktion ist ein Suchen nach möglichen Ressourcen / Sicherheit erkennbar.


Gehen wir über zur nächsten Emotion Ärger…“

Auch Ärger tritt mit einer innerlichen Zerrissenheit auf. Einerseits ist hier ein Drang zum Angriff in der Muskelanspannung zu sehen, andererseits berichteten die Versuchsteilnehmer aber auch davon, diesen irgendwie doch nicht zulassen zu wollen.


Die nächste Emotion ist Traurigkeit und Depression.

Depression ist – etwas vereinfach ausgedrückt – ein chronisch unterbrochener Antrieb / Motivation. Wer unter Depressionen leidet möchte gerne etwas tun, fühlt sich jedoch einfach nicht in der Lage, irgendetwas von den eigenen Wünschen umzusetzen. Im Körper ist nichts als eine Leere, eine Kraft die einen geradezu lähmend an der Stelle verharren lässt. Viele berichten auch von körperlichen Beschwerden wie Kopfschmerzen, Benommenheit und der Unfähigkeit klar zu denken. Von außen betrachtet könnte man annehmen, dass der Gegenüber jeden Augenblick zu weinen anfangen müsste, es aber irgendwie nicht rauslassen kann“. Diese widersprüchlichen Impulse (weinen und dieses Zurückhalten) sind äußerlich dann als Niedergeschlagenheit, Teilnahmslosigkeit, Unwillen zur Veränderung oder Lethargie (altgriechisch „lethargia“) sichtbar.


Abscheu, Angst, Ärger und Traurigkeit sind alles negative Emotionen… Die positiven Emotionen sind Freude, Überraschung und auch der Triumpf. Zwischen der Gruppe der negativen und der positiven Emotionen besteht ein grundlegend trennender Unterschied.

Die positiven Affekte haben – im Gegensatz zu den negativen – keine hemmenden Eigenschaften, sondern werden als reine Aktivität erlebt. Wenn wir zum Beispiel Freude empfinden, dann fühlen wir, wie sich unser Brustkorb öffnet. Das Atmen wird freier und wir erleben ein heiter dynamisch motiviertes Gefühl. Die gesamte Körperhaltung verändert sich, indem der Kopf geradegestellt und die Wirbelsäule gedehnt wird. Positive Emotionen sind grundsätzlich immer mit einer Energie und Gewissheit verbunden, dass die eigenen Ziele nicht nur Sinn machen, sondern auch erreicht werden können.

Wenn Nina Bull recht hat, dann steht unsere Körperhaltung mit der unsichtbaren inneren Haltung in direkter Verbindung! Dem ist auch so, wenn wir – mit einem kleinen Augenzwinkern – Charlie Brown von den Peanuts Glauben schenken. Seiner Philosophie nach können wir keine depressiven Gedanken länger aufrecht halten, wenn wir unsere Körperhaltung verändern.

In einem Comic zwischen Charlie Brown und Lucy (van Pelt) gehen sie nebeneinander den Weg entlang. Charlie Brown beklagt sich über seine Depressionen. Darauf schlägt Lucy ihm vor, sich aufzurichten und ab jetzt einfach nur gerade zu gehen. Die Antwort von Charlie Brown Darauf: „Aber dann hätte ich doch keine Depressionen mehr über die ich mich noch beklagen könnte.“ Und damit hat er einen sehr wichtigen Aspekt zum Thema: „Können Emotionen beeinflusst werden?“ angesprochen: Die Veränderung unserer inneren Haltung ist zwar deutlich komplexer subtiler Prozess, als dass er lediglich mit einer veränderten Körperhaltung in Verbindung steht, jedoch ist sie ein sehr wesentlicher Teil unseres gefühlten, emotionalen Zustandes.

Der Psychologe und Forscher Prof. Paul Ekman (Jahrgang 1934, University of California), der als Spezialist der nonverbalen, also rein körperlichen Kommunikation gilt, weist auf eine weitere Facette neben der Körperhaltung hin und zwar den Gesichtsausdruck. In einem Versuch bat er seine Probanden im Gesicht nur ganz spezielle Muskeln anzuspannen, die immer nur zu einer bestimmten Emotion gezählt werden. Den Teilnehmern denen das gelangte – interessant ist, dass man ihnen nicht erzählte, welche Emotionen sie hiermit spielten – diese erlebten dann in ihrem Inneren genau diese entsprechenden Gefühle.

 

Fritz Strack, ein deutscher Sozialpsychologe hat diesen Test 1988 mit einem Augenzwinkern ein wenig abgeändert, indem er zwei Personengruppen bat, Comics nach ihrem Grad der Witzigkeit einzuordnen. 

Die erste Gruppe musste dabei einen Bleistift zwischen den Zähnen halten, ohne dass dieser ihre Lippen berührte. Dadurch wurden sie zu praktisch einem Lächeln muskulär gezwungen. Die andere Gruppe musste den Stift nur mit den Lippen halten, ohne hierbei Zähne zu benutzen. Das sah dann von außen ganz anders aus – ungefähr so, als würden sie ihre Stirn runzeln. Das Ergebnis dieses Tests ist wirklich interessant: Alle Versuchsteilnehmer erlebten in ihrem Inneren tatsächlich die Emotionen, die sie mit ihrem Körper nach Außen ausdrückten. Diejenigen, welche zu einem Lächeln gezwungen wurden, waren innerlich glücklicher und fanden die Comics auch entsprechend witziger als die andere Gruppe, die den Stift nur mit ihren Lippen halten mussten.

Das Ergebnis von Ekmann und Strack zeigt, dass sowohl unsere Körperhaltung aber auch unser Gesichtsausdruck unsere innere Emotion formen können … Für unser Thema: „Emotionen können beeinflusst werden“ bedeutet dies das es durch unser „Vor-Bewusstsein“ eine Möglichkeit gibt, unsere Emotion gewissermaßen anzupassen und zu modellieren… Zum Thema Körperhaltung möchte ich dich noch mit einer weiteren Technik vertraut machen:

Die Alexander Technik.

1973 erhielt Nikolaas Tinbergen (1907 – 1988, niederländischer Ethologe / Verhaltensforscher) zusammen mit Konrad Lorenz (1903 – 1989, österreichischer Zoologe) den Nobelpreis für Physiologie/Medizin… In seiner Dankesrede erwähnte er eine Therapie, mit deren Hilfe bemerkenswerte Resultate in Bezug auf chronische Schmerzen, Haltungsproblemen, Atmen und Stottern erzielt werden könnten. 

Entwickelt und publiziert wurde sie ab dem Jahr 1931 von Frederick Matthias Alexander (*1869 – 1955) einem australischen Schauspiellehrer. Er nahm an, dass der Mensch ein einheitlicher Organismus ist und dass damit auch alle Prozesse irgendwie miteinander verbunden sein müssen. Er fand – lange vor Ekman, Strack und anderen Forschern heraus, dass durch eine bestimmte Körperhaltung auch unterschiedliche Emotionen aktiviert und gefördert werden konnten. Der Grund für seine Forschung war – er war ja eigentlich kein studierter Wissenschaftler – dass er als junger Shakespeare–Darsteller eines Tages seine eigene Stimme verlor. Nachdem ihm die viele Ärzte nicht helfen konnten die er konsultierte, half ihm eines Tages Doktor Zufall … Er stand vor dem Spiegel und bemerkte, dass er bei einer bestimmten Körperhaltung wieder auf seine Stimme zurückgreifen konnte. In den folgenden Jahren studierte und verbesserte er seine Beobachtung, sodass viele große Persönlichkeiten hiervon einen Nutzen zogen und viele Schauspieler, Kollegen und Sänger anfingen mit ihm  zu arbeiten. Darunter befinden sich u.a. Paul McCartney, Sting, Aldous Huxley, John Clease und auch Paul Newman.


Emotionen und unsere innere Haltung können wirklich modelliert werden!

Erinnern wir uns noch mal an Charlie Brown und Lucy: Wir sehen, wie wichtig eine konsequente Körper-Achtsamkeit für eine Veränderung der Emotionen ist. Der meines Erachtens erfolgversprechendste Weg, die eigenen Emotionen wirksam zu verändern, ist, die eigene Körperhaltung zu ändern und das körperliche Feedback im Gehirn zu trainieren.

Dies erreichen wir durch

      • eine Veränderung der Propriozeption (/die Wahrnehmung der eigenen Bewegung, Stellung, Haltung)
      • und der Kinästhetik (die Bewegungsempfindung) kinästhetische Feedback ans Gehirn zu verändern.

Der hierfür verantwortliche Bereich ist der „Mediale Präfrontale Kortex“ der mit dem limbischen System und damit mit unserer Emotionalität in Verbindung steht.

Deswegen ist das Bewusstsein für die körperliche Empfindungen der ausschlaggebende Punk t, um unsere Emotionen wirksam zu verändern.

Erinnere dich an die Hölle und den Himmel des jungen Samurai-Kriegers. Durch das Eingreifen des Zen–Meisters zum exakt richtigen Zeitpunkt konnte er

      • seine innere Dynamik stoppen,
      • sie bewusst wahrnehmen und
      • erkennen was er gerade eigentlich tut.

Erst als der wütende und aufbrausende Samurai lernte, sich nur für einen kurzen Moment (0,5 Sekunden) zurückzunehmen, seine Wut zu halten und in sich hinein zu spüren, erst dann konnte er seinen Himmel/seine Glückseligkeit spüren…Das ist der „Stein der Weisen“ für die Umformung unserer Emotionen.

Ein kleiner Ausblick kommende Beiträge in dieser Reihe zum Thema Emotionen:

      • Wie können wir unsere innere Gefühlslage dauerhaft verändern?
      • Wie entstehen Emotionen (eine Kurzfassung)

Wir werden uns noch viel eingehender mit dem fantastischen Forscher und Neurologen Antonio Damasio befassen und wir die fünf von Darwin beschriebenen emotionalen Instinkte (Angst, Wut, Traurigkeit, Ekel und Freude) besser für uns nutzbar machen können.

Es lohnt sich, gespannt zu bleiben…

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Der neue ICD 11 https://werdewiederstark.de/der-neue-icd-11/ https://werdewiederstark.de/der-neue-icd-11/#respond Mon, 11 Jul 2022 17:12:09 +0000 https://werdewiederstark.de/?p=5351 „Der neue ICD 11“ weiterlesen

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Der neue ICD 11 – Kann man mehrere Persönlichkeitsstörungen diagnostiziert bekommen?

Auf meinem YouTube-Kanal wurde mir vor einigen Tagen die Frage gestellt: „Kann man eigentlich beides sein?“ Diese Frage bezog sich auf ein Video über das Thema „Borderline und Nazismus – die ungleichen Zwillinge“

Dies hat mich dazu inspiriert, mich diesem Thema etwas näher zu widmen und die Frage noch etwas zu erweitern:

  • Kann man mehr als eine Persönlichkeitsstörung (nach ICD10) haben? → Warum ist diese Fragestellung berechtigt und sehr zeitgemäß? Es fällt auf, dass jede Epoche ihre eigenen großen Störungen hat. Zur Zeit von Sigmund Freud war es die Histrionische Persönlichkeitsstörung. Aktuell werden wir seit einigen Jahren immer stärker mit dem Thema Narzissmus konfrontiert – und in neuerer Zeit steht das Thema Borderline ganz oben in den Diagnose – Hitlisten…

Ich persönlich beobachte drei große Persönlichkeitsstörungen in unserer Gesellschaft welche uns aktuell intensiv beschäftigen:

      • Narzissmus
      • Borderline
      • Und den Perfektionismus

Haben diese drei Persönlichkeitsstörung jetzt denn überhaupt etwas gemeinsam? Ja, sogar sehr viel – praktisch den gesamten Ursprung…!
Wie du das auf dem Bild siehst, fängt die kurze Beschreibung jeder der einzelnen Persönlichkeitsstörungen mit dem Satz an: „Wegen meinem schwachen „Ich“ ……“

Bei dem Thema Narzissmus, ist es ein Problem mit mir selbst … jedoch liegt die Suche der Lösung im Außen. Der Narzisst überträgt seine Suche nach sich selbst – sein Kreisen um sein verletztes Inneres – immer in das Außen indem er ständig eine übermäßige Bewunderung sucht, ein Anspruchsdenken oder ein grandioses Gefühl der eigenen Wichtigkeit hat … und und und.

Wenn wir uns dem Thema Borderline zuwenden, dann ist dies auch ein Problem mit dem verletzten / schwachen Selbst. Die Suche nach der Lösung richtet sich hier jedoch gegen den eigenen Körper, gegen die eigene Situation und die Allernächste Umgebung. Ich denke an dieses verzweifelte Bemühen, eine Partnerschaft trotz Trennung aufrechtzuerhalten.

Diese regelmäßigen Suizidandrohungen, dieses chronische Gefühl der eigenen inneren Leere, die nicht angepasste starke Wut und die Unfähigkeit diese anschließend irgendwie zu regulieren … das alles macht Borderline aus. Dann die selbst schädigenden Verhaltensweisen wie zum Beispiel das Verletzen der eigenen schützenden Haut… was die wohl Bekannteste aber nicht die häufigste Verhaltensweise ist, welche man in der Öffentlichkeit mit Borderline in Verbindung bringt.

Und eine recht neue Geisel der Persönlichkeitsstörung – die jedoch noch in keinem ICD-Katalog bislang separat aufgeführt wird – ist das Thema „Perfektionismus“ Der Perfektionist ist jemand der ängstlich um sein verletztes Inneres, seine eigenen Probleme kreist und die Lösung dieser Probleme in der Beurteilung seiner Umgebung sucht…

      • Mache ich alles richtig?
      • Warum schauen alle auf mich?
      • Kann ich mich nicht noch mehr verbessern damit ich dazu gehöre?
      • Was muss ich tun, damit ich irgendwie doch noch geliebt werde????

Du spürst das Leid förmlich aus diesen Worten heraus in welchem sich all diese Menschen befinden

Psychotherapie hat nun als das oberste Priorität das Ziel, dieses Leid zu lindern!

  • (Teil 1) Wie ist man bisher nach der Vorgehensweise des „alten“ ICD 10 an diese Thematik der Persönlichkeitsstörung heran gegangen?

Nach der Einteilung des ICD 10 haben wir neun große Kategorien in welche wir die Persönlichkeitsstörungen einteilen können. Du siehst diese hier auf dem Schaubild… Diese Einteilung in Kategorien hilft ungemein bei der Diagnose… Sie ist seit dem 01.01. 1998 in Deutschland die Grundlage für die Diagnostik. Der ICD 10 wird von der WHO herausgegeben. Seine Geschichte geht weit zurück bis in das Jahr 1900 (eigentlich noch weiter, aber als Katalog erst in diesem besagten Jahre 1900) als er zum ersten Mal von der französischen Regierung herausgegeben wurde. Im Jahr 1929 gab es bereits die Version 4 die mit ihrem Nachfolger vom Völkerbund verabschiedet wurde. Ab der sechsten Version ist die WHO der Herausgeber. Die Einteilung von Krankheiten war zuerst einmal ein wichtiges Mittel um überhaupt Diagnosen für sich selbst und andere Behandler nachvollziehbar erstellen zu können. Bis zum ICD 5 wurden nur direkt zum Tode führende Krankheiten und Verletzungen aufgeführt. Ab der Version 6 gab es dann auch Krankheiten und Verletzungen die nicht zwangsläufig zum Tode führten.

Wir befinden uns heute im Übergang zwischen dem ICD 10 und dem ICD 11. Im ICD 10 fällt auf, dass Persönlichkeitsstörungen in der Kategorie F6 recht klar von- und untereinander getrennt werden. Das ist auch der Grund weswegen wir heute umgangssprachlich viel zwischen Narzissmus, Borderline, den paranoiden, schizoiden oder den dissozialen Persönlichkeitsstörungen unterscheiden… Trotzdem – und vielleicht auch gerade deswegen – ist die Frage auf meinem YouTube – Kanal des Zuschauers berechtigt… Kann man mehrere Persönlichkeitsstörungen gleichzeitig haben?

Diese Frage ist erst einmal nicht neu… Bereits Otto Kernberg (Jahrgang 1928) der amerikanische Psychiater und Psychoanalytiker hat die Einteilung in sogenannte Kategorien immer wieder abgelehnt… Für ihn ist das umfassende Thema der Persönlichkeitsstörung eine große und in sich zusammenhängende Einheit! Er hat als Oberbegriff das Thema Borderline gewählt und darunter verschiedene Schwerpunkte gesetzt … In einfachen Worten ausgedrückt: er gebraucht zuerst einmal den Begriff Borderline synchron zu dem Thema Persönlichkeitsstörungen.

Dies ist ein recht interessanter Ansatz und hat auch mich zum Nachdenken gebracht. Ich habe dies dann mal etwas weiter durchdacht und das Wort Borderline einfach mal gegen „emotionale Instabilität“ ausgetauscht (siehe Schaubild) – in dem ICD 10 wird unter diese in der Kategorie F60.3 aufgeführt. Dies ist eine Bezeichnung, die meines Erachtens sehr gut sämtliche Persönlichkeitsstörungen in sich vereint. Wenn wir jetzt nun diese emotionale Instabilität nehmen und verschiedene Schwerpunkte beschreiben, dann kann man recht einfach und trotzdem noch sehr präzise eine Einteilung nach gewissen Dimensionen vornehmen… Und genau dies macht nun der neue ICD 11…

Schauen wir uns einmal den Aufbau des ICD 11 etwas genauer an

Du siehst jetzt in dem Schaubild eine Tabelle in der die neuen Bezeichnungen von der Klassifikation 06 zu dem Thema Psyche / psychische Verhaltens – und Neuro-Entwicklungsstörungen aufgeführt sind. Praktisch alle Störungsbilder aus dem ICD 10 werden auch im ICD 11 in der einen oder anderen Form abgebildet.

In verschiedenen Videobeiträgen auf YouTube wurde erwähnt dass es den Begriff Narzissmus im neuen Katalog gar nicht mehr gibt oder man dies nicht mehr diagnostizieren könnte… Lass Dich aber mal überraschen und Dir zeigen, dass selbst diese Krankheitsbilder – zwar nun in einem neuen Dimensionsbild – aber trotzdem noch abgebildet werden.

Was ist neu an dem ICD 11 im Vergleich zu seinem Vorgänger den ICD 10? Nun, im ICD 10 wurden Persönlichkeitsstörungen ganz klassisch in Kategorien/Schubladen aufgeführt. Das half zwar bei der Diagnose, jedoch musste man immer mehr einsehen, dass dies an der Lebensrealität vorbeiging… Persönlichkeitsstörungen wurden bislang nämlich immer als unflexible, langanhaltende und dysfunktionale Verhaltensmuster beschrieben, die stark von den Erwartungen der Umgebung abweichen. Sowohl im ICD 10 aber auch im DSM 5 (hier die Sektion zwei) werden neben den allgemeinen Kriterien einer Persönlichkeitsstörung spezielle Typen von Störungen anhand von Merkmal-Listen beschrieben. Es ist dann jeweils eine Schwelle definiert ab wie vielen erfüllten Punkten die Diagnose zu einer speziellen Persönlichkeitsstörung gegeben werden kann. Wozu führte diese Diagnosetechnik des ICD 10 und des DSM 5 und welche Kritik kam hierbei logischerweise auf?

      1. Auf der einen Seite wurde die Diagnose einer Persönlichkeitsstörung immer sicherer – wie bereits gesagt… aber auch die Kritik wurde immer deutlicher. Warum? Weil die gesetzte Schwelle zwischen Normalität und einer Persönlichkeitsstörung von Anfang an immer willkürlich war (denn fünf von neun Punkten haben keine wissenschaftliche Basis…). Warum nicht schon ab vier und warum nicht erst ab sechs Punkten?

      2. Als zweiter Kritikpunkt sollte hier auch die stark anprangernde und stigmatisierende Wirkung von Persönlichkeitsstörungen und ihren Diagnosen genannt werden. Wenn man sagt: er ist ein Borderliner, dann wird der Mensch in seiner Einzigartigkeit / in seiner individuellen einer Persönlichkeit überhaupt nicht mehr gesehen. Der Betroffene wird dann einfach in eine Diagnose zerlegt und in eine Schublade gesteckt. Mit der Folge, dass das was um diese Problematik herum zusätzlich noch existiert – z.B. dieses unsagbare Leiden – gar nicht mehr in den Fokus kommt… 

      3. Auch die in den Kliniken häufig verwendete Diagnose „Persönlichkeitsstörung nicht näher bezeichnet“ war ein Riesenproblem da sie eigentlich
      • nichts Konkretes beschreibt – also keine speziellen Eigenschaften / Schwerpunkte / Affekte / Phänomene
      • keine Rückschlüsse auf die Schwere erlaubt
      • noch die Planung einer Therapie ermöglicht.
      1. Was ist mit all denen, die während einer Therapie zeitweilig eine Erleichterung der Kriterien an sich verspüren? 
        Der Unterschied zwischen einem Knochenbruch und einer Persönlichkeitsstörung ist nämlich gravierender als man es sich zuerst denken mag … Eine Persönlichkeitsstörung ist eine Dimension grundsätzlich erst einmal ein Leben lang bleibt… Wenn jemand zwischendurch weniger Kriterien erfüllt und weniger Leiden an sich verspürt … dann sollte dies niemals dazu führen, dass man mit der Therapie aufhören sollte… Meiner Meinung nach war der ICD 10 mit seinem Diagnostizieren in Kategorien zwar für den Anfang gut gewesen, hat sich aber in der Praxis als sehr mangelhaft herausgestellt.

 

Teil 2 – die neue Einteilung des ICD 11 im Bereich Persönlichkeitsstörung

Wie geht der ICD 11 nun auf dieses bewusst gewordene Problem ein? Welche Änderung gibt es im Bereich der Persönlichkeitsstörung den ICD elf? 

1.) Das was zuerst auffällt ist, dass eine Mindestdauer von zwei Jahren in der die Symptome als Belastung spürbar sein müssen zum ersten Mal klar und deutlich definiert wird. Wo liegt der Unterschied zum ICD 10?
Persönlichkeitsstörungen wurden in den alten Katalogen immer so definiert, dass sie in der Adoleszenz / in der Zeit des Überganges zwischen Kind und Erwachsensein Auftritt. Dies entspricht aber nicht der Realität / der beobachteten Praxis… Persönlichkeitsstörung können auch bei einem 40-jährigen oder 50-jährigen auftreten! Das Diagnosekriterium der Mindestdauer von zwei Jahren im Laufe der Lebenszeit ist viel reeller – dem Leben entsprechent.

2.) Der Paradigmenwechsel in der Diagnose:
Weg von einer Einteilung in Kategorien und hin zu einer Diagnose in Form von Dimensionen. Diese Dimensions-Diagnose ist wirklich ein Meilenstein in der Herangehensweise an Persönlichkeitsstörungen… birgt aber auch einige Herausforderungen an den Therapeuten und den behandelnden Arzt.

Die Dimensionen der Persönlichkeitsstörungen richtet sich nach zwei Gesichtspunkten aus:

2.1 der Schwere der Funktions- Beeinträchtigung. Wir haben hier drei Gruppen: leicht, mittel, schwer). Sie finden wir in der Kategorie 6D10

2.2 Neben der Einteilung in leicht mittel und schwer Beeinträchtigung, gibt es dann die sogenannten übergeordneten prominenten Persönlichkeits Merkmale. Diese Schwerpunkte / Konzentrationen finden wir in der Kategorie 6D11

6D11.0 negative Affektivität 
6D11.1 Loslösung / Distanziertheit 
6D11.2 Dissozialität 
6D11.3 Enthemmung 
6D11.4 Anankastia / Anankasmus 
6D11.5 Grenzlinien Muster wie Borderline

Die Vorteile für solche eine Diagnose in Dimensionen liegt klar auf der Hand:
Viele aktuelle Studien zeigen, dass besonders dann, wenn die Schwere einer Persönlichkeitsstörung diagnostiziert wird, im Anschluss daran die Therapie deutlich effektiver geplant werden kann! Wird z.B. eine schwere Persönlichkeitsstörung (6D10.2) diagnostiziert dann kann man auch von Anfang an

      • von einem deutlich schlechteren Therapieergebnis,
      • von einem höheren Risiko, dass die Therapie abgebrochen wird
      • und auch von einer höheren Gefahr der Suizidalität ausgehen.
        Man ist dann einfach besser vorbereitet und auf Schwierigkeiten eingestellt…

Kurz und knapp zusammengefasst könnte man sagen: Der ICD 11 ist schwerer für die Diagnose – aber deutlich praxisnaher für die nachherige Therapie! 
Jedoch … keine Regel ohne Ausnahme 😂 Dir ist bestimmt – allein durch die gelbe Farbe– aufgefallen, dass von all den alten Kategorien lediglich nur eine Einzige beibehalten wurde… und die war vorher selber nur eine Unterkategorie der emotionalen Instabilität … (F60.31) ich denke hier an Borderline.

Wie kommt es zustande das die Persönlichkeitsstörung Borderline hier nun separat aufgeführt wird? Der Grund hierfür ist simpel und nachvollziehbar: Sie ist aktuell wohl das Störungsbild, welches bereits extrem gut untersucht wurde und seit Jahren über gut nachvollziehbare und überprüfbare Therapieansätze verfügt. Würde dieses sehr breit untersuchte und in der Praxis flächendeckend umgesetzte Diagnose-Konzept für Borderline nun in der zukunft wegfallen, dann würde dies einen immensen Nachteil für die Betroffenen nach sich ziehen. 

Teil 3 – Schauen wir uns jetzt einmal diese zwei Ebenen der Dimensionen etwas genauer an:

 

6D10 Persönlichkeitsstörung 
6D10.0 leichte Persönlichkeitsstörung 
6D10.1 mittlere Persönlichkeitsstörung 
6D10.2 schwere Persönlichkeitsstörung 
6D10. Z Persönlichkeitsstörung, Schweregrad jedoch nicht näher bezeichnet 
QE 50.7 Persönlichkeits Schwierigkeit

Was genau ist denn nun eine Persönlichkeitsstörung? Lass uns dies erst einmal klären: Es ist zuallererst einmal eine schwerwiegende Störung der Selbstfunktion. 

    1. Was bedeutet dies im Klartext? Zum Beispiel kann das Selbstgefühl so instabil sein, dass ein Betroffener sagt er habe gar kein Selbstbewusstsein mehr, Oder das selbst Gefühl ist so starr und unflexibel, dass diese Personen sich weigern an ihrer Umgebung irgendeinen noch so kleinen Anteil zu haben. Diese vollkommen unrealistische Selbsteinschätzung kann sowohl durch Selbstverachtung, aber auch durch Grandiosität oder Exzentrik total durcheinandergebracht werden.

    2. Probleme im zwischenmenschlichen Bereich  Diese beeinträchtigen und belasten praktisch alle Beziehungen / sowohl im privaten als auch im beruflichen Umfeld. Aber auch die Fähigkeit, die Erwartungen die einem in der Arbeit oder im sozialen Kontext gestellt werden können einfach nicht mehr erfüllt werden… Häufig sind diese Störungen so schwerwiegend dass sie praktisch alle Bereiche der Lebens betreffen.

    3. Selbstschädigung oder die Schädigung von anderen Besonders wenn wir und mit einer schweren Persönlichkeitsstörung auseinandersetzen müssen, dann ist die Beeinträchtigung in praktisch allen Bereichen des Lebens zu spüren. Das sind dann sowohl die persönlichen, die familiären, sozialen, die schulischen, die beruflichen und anderen wichtigen Bereiche.

Eine Persönlichkeitsstörung zeichnet sich also durch

      • Probleme in der Funktion mit dem eigenen Ich / mit dem eigenen Selbst aus. Damit ist die eigene Identität, der Selbstwert, die Fähigkeit sich selbst zu sehen oder sich selbst zu steuern gemeint. 
      • Es ist eine zwischenmenschliche Fehlfunktion.
        Enge und angenehme Beziehungen können sich nicht mehr entwickeln oder aufrecht erhalten bleiben. 
      • Über einen längeren Zeitraum (zum Beispiel zwei Jahre oder länger) können Beziehungen, die Perspektiven anderer verstehen oder Konflikte bewältigen nicht mehr erreicht werden.

Eine Persönlichkeitsstörung zeigt sich auch im Denkmuster, in den emotionalen Erfahrungen und im unflexiblen, schlecht regulierten Verhalten aus. Das Verhalten solcher Personen ist so unangemessen, dass sie weder durch soziale oder sonstige kulturelle Umgebungsfaktoren gelöst werden können. Und klar, diese Störung ist praktisch immer mit sehr starkem Leiden und Beeinträchtigungen im persönlichen, familiären sozialen beruflichen und anderen Funktionsbereichen verbunden…

Lass uns das alles einmal grob nach der leichten, der mittleren und der schweren Persönlichkeitsstörung differenzieren… Was sind hier die Unterschiedsmerkmale? 

6D10.0 Die leichte Persönlichkeitsstörung

Eine leichte Persönlichkeitsstörung ist das, was der Name mit sich bringt, etwas Leichtes…. in der Regel sind hier keine schweren Schäden für sich selbst oder andere zu beobachten. Dennoch kann ein starkes Leiden im Bereich Familie, Soziales, Schule, Beruf ect. auftreten. Das Thema Leiden ist bei der Diagnose sehr wichtig! Was im Außen beobachtet werden kann ist, das zwischenmenschliche Beziehungen oder die Erfüllung von Aufgaben trotz Problemen einigermaßen – mit viel Sand im Getriebe – erfüllt werden. Es läuft halt alles eher mit „angezogener Handbremse“

6D10.1 die mittlere Persönlichkeitsstörung

Eine mittelschwere Persönlichkeitsstörung zeigt sich im Außen manchmal durch eine Selbst- oder eine Fremdschädigung. Hier sehen wir eine deutliche Beeinträchtigung in den Bereichen wie Familie, Soziales, Schule Beruf oder anderes zur Folge. Jedoch sind wir noch nicht beim Totalausfall. Die Funktionsfähigkeit im Leben, kann in einigen begrenzten Bereichen weiter aufrecht erhalten werden. In den Beziehungen zu anderen treten klare und deutliche Probleme auf. Die Erwartungen der Umgebung werden aber sichtbar und auch für die Umgebung – nicht nur für den Betroffenen selbst – zu einem sehr starken Grad behindert. Die gelebten Beziehungen sind aller Wahrscheinlichkeit nach durch Konflikt, Vermeidung, Rückzug oder auch durch eine extreme Abhängigkeit gekennzeichnet.

Menschen mit einer mittel schweren Persönlichkeitsstörung haben

      • nur wenig gepflegte Freundschaften,
      • stehend sehr häufig in Konflikten am Arbeitsplatz
      • haben damit auch Probleme im Beruf
      • Sie durchleben oft On/Off-Beziehungen in denen die Zeiten starker Romantik abgewechselt wird durch wirklich ernsthafte Störungen/Konflikte oder fallen
      • Durch unangemessene Unterwürfigkeit des Leidenden auf.

Die nach Außen sichtbaren Symptome einer mittelschweren Persönlichkeitsstörung sind schon recht deutlich sichtbar. Die kann man nicht so einfach übersehen. Hier leidet dann auch die Umgebung.

6D10.2 die schwere Persönlichkeitsstörung

Bei der schweren Persönlichkeitsstörung beobachten wir oft eine Schädigung von sich selbst und die aktive Schädigung Anderer in der Umgebung verbunden. Kennzeichen von ihr sind schwere Beeinträchtigungen in praktisch allen Lebensbereichen die wir kennen (persönliche, familiäre, soziale, schulische, berufliche oder einfach alle andere Lebensbereiche). Die Probleme im zwischenmenschlichen Bereich betreffen praktisch alle Beziehungen und auch die Fähigkeit im sozialen oder beruflichen Umfeld Aufgaben oder Rollen zu erfüllen. Die Symptome werden im außen als schwerwiegend und als deutlich sichtbar gekennzeichnet. 

Teil 2.2 Die 5 „neuen“ Schwerpunkte in der Diagnostik

Ich habe bereits mehrfach erwähnt, dass der ICD10 eine deutlich stärkere Unterstützung in der Diagnostik mit sich brachte. Diese „Schubladen-Einteilung“ hatte aber auch einen weiteren Nachteil: Das Stigmatisieren wurde dadurch gefördert… Viele „Freizeit-Hobby-Psychologen“ maßten sich nun an, selber eine Diagnose zu stellen und jemanden als Narzisst, Borderliner ect. in eine Ecke stellen zu können. Das dies dann zu neuen Konflikten geführt hat, lag und liegt klar auf der Hand… Der neue Ansatz des ICD 11 – in der zweiten Ebene eine weitaus größere Bandbreite der Einteilung vorzunehmen – wirkt diesem Trend effektiv entgegen… Hier werden wir uns mit 5 + 1 Schwerpunkt auseinandersetzen, welche Du hier im Bild erkennen kannst. Lass uns diese einmal der Reihe nach besprechen. Und ja … das gelbe Kästchen verdient auch eine besondere Aufmerksamkeit 😊

6D11.0 Negative Affektivität

Das wichtigste Kernmerkmal dieses Schwerpunktes ist die Neigung, eine große Bandbreite an negativen Emotionen zu erleben. Affekte sind sichtbare Emotionen – in Handlung ausgedrückte Emotionen. Das, was ich im Außen durch Mimik, Gestik, Sprache und weitere Handlungen erkennen kann und was durch Emotionen ausgelöst wurde, das sind die Affekte. Diese negativen Emotionen und Handlungen stehen in Ihrer Anzahl und in ihrer Stärke in keinem vernünftigen Verhältnis zur eigentlichen Situation. Wir sprechen hier dann von

      • einer übertrieben negativen Einstellung
      • emotionaler Labilität
      • geringes Selbstwertgefühl
      • ständigem Misstrauen
      • schlechte Emotionsregelung

Dieser erste Schwerpunkt ist meines Erachtens auch ein kritisch zu betrachtender Bereich. Praktisch alle Persönlichkeitsstörungen sind gekennzeichnet durch negative Affekte. Wenn aber alle Störungen sind von diesem Kennzeichen betroffen sind, dann ist dies kein einzelnes Schwerpunkt-Kennzeichen mehr … Dies hat mich bislang etwas nachdenklich gemacht und ich bin sehr gespannt darauf, was wir in der Zukunft hierbei noch für Abgrenzungen erfahren werden. Der wichtige Merksatz auch hier lautet: Diese Kategorie sollte NUR in einer Kombination mit einer leicht / mittleren / schweren Persönlichkeitsstörung verwendet werden!

 6D11.1 Loslösung bei Persönlichkeitsstörung

Das wichtigste im Außen sichtbare Merkmal in diesem Schwerpunkt ist die Neigung, dauerhaft eine soziale und eine emotionale Distanz aufrecht zu halten. Das betrifft dann sowohl den zwischenmenschlichen Bereich aber auch die eigenen Gefühlen. Wie kann ich mir dies nun in der Praxis vorstellen?

Eine soziale Distanzierung ist

      • die Vermeidung von sozialen Kontakten,
      • ich habe nur ganz ganz wenige – wenn überhaupt – Freundschaften
      • und nicht zuletzt das Vermeiden jeglicher Intimität).

Die emotionale Distanzierung ist

      • das Verbleiben in einer Reservehaltung,
      • eine ständige Zurückhaltung
      • und ein sehr eingeschränkter emotionale Ausdruck und Erfahrungen.

Wichtig auch hier: dieser Schwerpunkt sollte nur (!) in der Kombination mit einer Persönlichkeitsstörungskategorie (leicht, mittel oder schwer) verwendet werden!

6D11.2 Dissozialität

Das Hauptmerkmal der Dissozialität ist die Missachtung der Rechte und der Gefühle der Umgebung / also von anderen Menschen. Es ist ein Mangel an Empathie und zeugt von einer stark ausgeprägten Egozentrik.

– Egozentrik Die eigenen Bedürfnisse, Wünsche/Ziele und der eigene Komfort stehen im Vordergrund und nicht die Rechte und Ziele der Anderen.

– Mangel an Empathie Es ist eine Gleichgültigkeit darüber ob das was ich mache andere verletzen kann oder nicht. Das kann auch einschließen, dass man seine Umgebung permanent täuscht, sie manipuliert oder ausgebeutet – ihnen gegenüber gemein und oft auch körperlich aggressiv ist. Ein Mangel an Empathie zeigt sich auch, indem man gefühllos auf das Leiden anderer reagiert und rücksichtslos die eigenen Ziele erreichen möchte. Ich, ich ich …. An was erinnert uns das? Natürlich an den Narzissmus! Und siehe da, Narzissmus ist doch nicht aus dem ICD 11 verbannt. Er ist nur eingegliedert in einer größeren Bandbreite der Dissozialität. Ein meines Erachtens sehr wichtiger Schritt. Narzissmus ist in seiner pathologischen / krankhaften Form immer Dissozial. Narzissmus ist mehr als das was wir im ICD 10 als Kriterien aufgezeigt bekommen haben. Der Begriff der Dissozialität ist darum ein für die Zukunft sehr guter „Arbeitsbegriff“. Auch hier gilt wie in den beiden vorherigen Bereichen: diese Kategorie sollte nur in Kombination mit einer Persönlichkeitsstörung (leicht mittel oder schwer) verwendet werden.

6D11.3 Enthemmung

Enthemmung kann ich erkennen an der Neigung / der klaren Tendenz aufgrund von direkten äußeren oder inneren Reizen (d.h. also Empfindungen, Emotionen, Gedanken) viel zu schnell zu handeln ohne mir über mögliche negative Konsequenzen Gedanken zu machen – spontanes, grenzenloses Reagieren ohne Nachzudenken. Die Merkmale der Enthemmung sind zum Beispiel:

      • Impulsivität (z.B. Histrionie)
      • Ablenkbarkeit (z.B. ADS)
      • Verantwortungslosigkeit
      • Leichtsinn und
      • fehlende Planung.

Diese Diagnose – Dimension finden wir z.B. in der alten Einordnung des ICD 10 unter der Nummer F60.4 Histrionische Persönlichkeitsstörung oder F98.80 der Aufmerksamkeitsstörung

6D11.4 Anankasmus

Dieses etwas ungewöhnliche Wort „Anankasmus“ kommt – wie so viele Begriffe in der Psychologie – vom griechischen Wort „anagkasmos“ und hat die Bedeutung von „Zwang“, „Notwendigkeit“, „ein starkes Bedürfnis“ und bezeichnet in der Psychiatrie einen Zwang etwas unbedingt tun zu müssen. Die Kernmerkmal von Anankastia sind:

      • eine starre und enge Fokussierung auf das eigene perfekte und makellose Handeln,
      • Es kann eine Sache nur entweder richtig oder falsch sein, eine sogenannte „Grauzone“ existiert praktisch nicht.
      • Die ständige Kontrolle des eigenen Verhaltens und auch das der Anderen
      • Die andauernde Kontrolle von Situationen um einen gewissen Standard hoch zu halten.

In dieser Dimension kommt die dritte große Geisel unserer heutigen Zeit sehr deutlich zum Vorschein: Es ist der Perfektionismus… Perfektionismus zieht sich durch unser gesamtes heutiges Denken in unserer ach so schönen „Hochglanz – Gesellschaft“ in der so vieles in den Social Media Bereichen wie Facebook, Instagram etc. immer wieder auf schön gefärbt dargestellt wird. Und warum? Nur um nach außen hin für andere ein makelloses und immer glänzendes Bild abzugeben. Perfektionismus finden wir in praktisch allen Alltagsbereichen, einer Hyper-Scheduling (ein übervoller und durchorganisierter Zeitplan/Kalender). Es ist ein Zwang, alles planen zu müssen, alles zu organisieren, zu ordnen und ein starker Hang zu einer übermäßigen / neurotischen Sauberkeit. Emotional und verhaltensbedingt Schränken sich diese Menschen dauerhaft ein, indem sie die eigenen Emotionen permanent zu kontrollieren versuchen. Dies kann man logischerweise dann auch im Außen sehen. Sie wirken nämlich alles andere als entspannt… Im Außen sind sie oft stur, unflexibel, vermeiden jegliches Risiko und können sich oft gar nicht richtig entscheiden da ja immer dieses Damokles-Schwert einer falschen Entscheidung über ihnen schwebt …

Bitte beachte auch hier: diese Kategorie sollte – wie alle anderen Kategorien – nur in Kombination mit einer zuerst diagnostizierten Persönlichkeitsstörungskategorie (leicht, mittel oder schwer) verwendet werden. 

6D11.5 Borderline

Kommen wir zu dem wohl auffallendsten Schwerpunkt in der neuen Einteilung, dem Bereich des Borderline. In dieser Diagnose-Kategorie haben wir nun einen meines Erachtens der interessantesten Ansätze und Kompromisse im Vergleich zwischen dem ICD 10 und dem ICD 11!

Die Diagnose Borderline kann auf Person angewendet werden, deren Störungsbild im Verhalten folgendermaßen aussieht:

      1. ein das ganze Leben durchdringendes Muster von Instabilität in den zwischenmenschlichen Beziehungen, Bezug auf das Selbstbild und die Effekte.
      2. Eine ausgeprägte Impulsivität
      3. ein Muster instabiler aber immer sehr intensive zwischenmenschliche Beziehungen
      4. eine Identitätsstörung die sich in einem deutlich und andauernd instabilen Selbstbild / den eigenen Gefühlen zeigt.
      5. eine Tendenz in hochemotionellen negativen Situation viel zu schnell / vorschnell zu handeln was dann zu einem möglichen selbstschädigenden Verhalten führt
      6. immer wieder Handlungen der Selbstverletzung
        • Das muss sich nicht immer in dem allgemein bekannten Selbstschneiden (Ritzen) ausdrücken. Das kann alles sein was einen selbst schädigt, weil man ja nichts Gutes bekommen DARF aufgrund der inneren Überzeugung…
        • Promiskuität 
        • Geld zum Fenster hinauswerfen 
        • Krankhaftes Hinauszögern (Prokrastination) 
        • Extrem schnelles Autofahren / Nervenkitzel im Extrem-Sport
      •  
      1. eine emotionale Instabilität aufgrund einer ausgeprägten Reaktion auf die innere Stimmung
      2. Ein chronisches Gefühl der inneren Leere
      3. Eine unangemessene und sehr intensive Wut und immer wieder Schwierigkeiten diese unangemessene Wut zu kontrollieren
      4. Immer wieder aber nicht dauerhafte dissoziative Anzeichen.

Das nun Borderline als eigenständige Diagnose in den ICD 11 übernommen wurde (die alte Diagnose-Kennzeichnung war F60.31) der Narzissmus oder die Histrionie jedoch nicht, das mag einige nun etwas verwundern …Hierbei handelt es sich meines Erachtens jedoch um einen wichtigen und auch nachvollziehbaren politischen Kompromiss, um die Akzeptanz des doch recht radikal neuen Systems bestmöglich zu stärken. Es ist eine „goldene Brücke“ zischen dem „alten“ und dem „neuen System“…

      1. Die Diagnose von Borderline komplett zu eliminieren erschien vielen Kritikern als zu radikal, weil einfach zu viele Forschungsgelder und zu viele Forschungsprojekte im Bereich Borderline entstanden sind und weitere wichtige Forschungen mit Fokus auf die Persönlichkeitsstörung dadurch überhaupt erst einmal ins Leben gerufen sind.
      2. Des Weiteren haben die Autoren des ICD 11 die Hoffnung, dass künftig die Borderline Persönlichkeitsstruktur doch noch irgendwie gut auf den neuen Dimensionen darstellbar sein wird und dass die Bedeutung des „alten“ Borderline –Musters – das Denken in Kategorien – für die Diagnose in den Hintergrund treten wird.

Wie du siehst ist man davon immer mehr überzeugt, dass die Diagnose anhand des Dimensions-Modells der Weg der Zukunft ist. Weil dem so ist hat man recht radikal und konsequent die Kategorien einer narzisstischen, einer ängstlich vermeidenden oder auch einer dependenten   Persönlichkeitsstörung im ICD11 weggelassen. Indem man die Borderline – Persönlichkeitsstörung beibehalten hat ist man einen Kompromiss eingegangen – hat eine „goldene Brücke“ gebaut – um einen einheitlichen Übergang zu den dimensionalen Modellen in der Beschreibung von Psychopathologie langsam einleiten zu können. Man hat einfach die Hoffnung ist, dass hierdurch völlig neue Forschungen angeregt werden um die Diagnostik in Form von Dimensionen und nicht mehr in Kategorien bei den Persönlichkeitsstörungen zu 100 % zu übernehmen.

Noch müssen wir einfach mal abwarten, wie der endgültige ICD 11 später mal im ICD12 aussehen wird. Aber eines wird jetzt schon recht deutlich: die wissenschaftliche forschende Psychologie liegt in einem Wettstreit mit der klassisch besetzten psychiatrischen Nosologie / der Lehre von den Krankheiten. Sie hat bis jetzt aber schon recht deutliche Akzente gesetzt. Man darf wirklich gespannt sein was die Zukunft in diesem Bereich bringen wird…

Teil 3 – Pro und Contra – ein Ausblick

3.1. Machen wir mal eine kleine Zusammenfassung und betrachten wir das alles mal aus der Meta-Perspektive: Welche Grenzen hat dieser neue dimensionale Ansatz in der Diagnose von Persönlichkeitsstörungen in ICD 11? Neben all dem Positiven, dem Neuen, dieser Aufbruchstimmung in der Thematik dürfen wir unsere Augen nämlich nicht den kritischen Punkten gegenüber verschließen. Nicht alles Neue ist ein heiliger Gral. Denn, wie heißt es doch so schön: Wissenschaft ist ein ständiges „Sich-nach-oben-irren“… 😊

      1. Es ist für den Moment noch völlig unsicher, ob diese neuen Dimensionen
          • wirklich zu einer breiteren Berücksichtigung der Persönlichkeitsstörungen bei der Behandlungsplanung hin führt
          • und ob sie überhaupt eine Verbesserung im Vergleich zu den heutigen Diagnosen nach Kategorien mit sich bringen.

Bei der Diagnose nach Dimensionen und der prominenten Persönlichkeitsmerkmalen / den Schwerpunkten, stellt sich zum Beispiel die Frage, ob diese Einteilung in diese fünf Schwerpunkte überhaupt für die spätere Therapie und ihre Planung hilfreich ist. Ich denke hier z.B. an die negative Affektivität… in diesen Punkt werden z.B. sehr viele Erlebens – und Verhaltensweisen zusammengefasst welche wir auch auf den Bereich des Neurotizismus anwenden könnten. Denn, fast jeder, der zu einer Psychotherapie kommt hat in diesem Bereich extrem hohe Werte. … Darum kann man sich hier ruhig einmal die Frage stellen, was für einen Nutzen es bringen soll, überhaupt so einen Schwerpunkt der negativen Affektivität einzuführen wenn doch praktisch alle (!) dieses Merkmal aufweisen. Man muss doch kein Wasser in den Rhein oder Eulen nach Athen tragen… Ich habe mich aber bereits hierzu weiter vorne geäußert…

      1. Außerdem fehlen im Moment noch sichere und geprüfte Fragebögen um die Persönlichkeitsmerkmale nach dem neuen Dimensionssystem nachvollziehbar zu erfassen.
      2. Dann gibt es aber auch noch die ängstlich vermeidende Persönlichkeitsstörung (F60.6) … Auch für sie liegen – genauso wie bei Borderline – klar überprüfbare und auch nachvollziehbare Behandlungsansätze vor. Für diese Patientengruppe ist es jetzt aber ein ungleich schwerer Rückschlag, dass ihre Kategorie (F60.6 nach ICD10) aufgehoben wurde.

      3. Ein weiterer nicht zu unterschätzender Vorteil der Einteilung nach Kategorien war die einheitliche Sprache die sich in den letzten drei Jahrzehnten weltweit aufgebaut hatte.
        Dies war für die Forschung in diesem Bereich von unschätzbarem Vorteil…

3.2 Ein kritischer Blick in die Zukunft…

Die Diagnose von einer Persönlichkeitsstörung ist wirklich eine große und auch sehr komplexe Herausforderung.
Was wir noch stärker benötigen sind die Hilfsmittel in der Diagnostik. Hier war es ein eher komfortabler Ausgangsbereich den wir durch die Kategorien hatten. Wir benötigen nun für die dimensionale Herangehensweise gute und auch leicht nachvollziehbare Fragebögen – Instrumente also, die wir dann auch systematisch in der Praxis einsetzen können. Es wird meines Erachtens noch eine sehr lange Zeit ins Land gehen bis sich dies alles etabliert hat. Wir benötigen noch sehr viele Fort– Aus- und Weiterbildungen damit sich Therapeuten und Diagnostiker mit diesem doch recht radikal neuen System vertraut machen können und um die Einordnung der neuen Diagnosen anschließend wirklich auch zu überprüfen, zu untersuchen und immer wieder zu belegen…

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Wer mit einem Patienten mit einer Borderline – Persönlichkeitsstörung in Kombination mit einer Abhängigkeitserkrankung in der Therapie arbeitet, der muss sich einer gewaltigen Doppelaufgabe stellen:

      • zuerst müssen logischerweise die Symptome aus dem Bereich der Borderline – Persönlichkeitsstörung angegangen werden
      • Gleichzeitig aber auch all die weitreichenden Folgen und Symptome der Sucht.

Was macht das alles so anstrengend, so herausfordernd? Es sind

      • Die emotionale Instabilität der Patienten
      • der Umgang mit den Sucht-Rückfällen
      • die häufige Scham des Gegenübers in Bezug auf seine Abhängigkeit
      • dann ein Praxisproblem: die Unpünktlichkeit / Unregelmäßigkeit bei den Sitzungen,
      • Viele vorzeitige Therapieabbrüche
      • oder die begleitenden körperlichen Erkrankungen.

Das ist aber noch nicht alles… Oft tritt das alles noch kombiniert auf mit einer höheren Gewaltneigung mit aggressiven Handlungen und Verletzung von vereinbarten Regeln narzisstischen Charakterzügen, Anti-Soziales Verhalten und nicht zuletzt von einer desolaten sozialen und gesundheitlichen Situation des Patienten.

Du kannst Dir vorstellen, dass es bei diesen Rahmenbedingungen einem Therapeuten eiskalt den Rücken runterläuft. Und ja, viele von ihnen haben Angst! Angst davor, wenn der Gegenüber mal wieder im Suchtrausch die Kontrolle über sich verliert…. Um hier wirklich sichere Rahmenbedingungen zu schaffen, muss ein wirksames Therapiekonzept all diese genannten Punkte handwerklich aufgreifen und vernünftig integrieren.

Auf solch ein spezielles Rahmenkonzept müssen wir aktuell leider noch etwas warten. Und weil dem so ist, gibt es immer noch nur wenige Therapeuten mit einer speziellen Ausbildung für dieses Themengebiet. Außerdem gibt es auch nur wenig gute Studien, in denen die Wirksamkeit psychotherapeutischer und medikamentöser Verfahren nachgewiesen.

Das verwundert eigentlich, in Anbetracht der hohen Zahl an Persönlichkeitsstörungen mit einer Sucht. Die Wahrscheinlichkeit, Borderline mit einer Suchtabhängigkeit vorzufinden liegt je nach untersuchter Gesellschaft nämlich zwischen 5% und gewaltigen 65 %. Bei denen, die sich in einer psychotherapeutischen Behandlung befinden, liegt sie sogar zwischen 26 und 84 %.

Trotz dieses hohen Bedarfs gibt es aktuell bislang nur zwei Therapieverfahren, bei denen die Wirksamkeit ausreichend bestätigt wurde. Es handelt sich dabei um

      • die DFST „Dual Focus Schema Therapy“
      • und die „Dialektisch – Behaviorale – Therapie“ für Patienten mit Borderline und begleitender Substanzabhängigkeit (DBT-S).

Die Dialektisch – Behaviorale Therapie zielt als einzige Methode direkt auf die Behandlung von Borderline – Persönlichkeitsstörung und begleitender Sucht ab.

Nur für sie gibt es aktuell systematische Therapeuten-Trainings für die ambulante und stationäre Behandlung und auch ein standardisiertes / nachvollziehbares Behandlungskonzept für den stationären Bereich.

Wegen dieser nur sehr geringen Anzahl von Studien, versuche ich mit meinem Beitrag eine kleine Orientierung über den Stand der Forschung, der Methoden, einschließlich der medikamentösen Behandlung zu geben. Bitte beachtet, dass medizinischer Fortschritt genau das ist, was das Wort sagt: Fortschritt.

Auch ich kann nicht alle Studien kennen, sodass ich hier keinen Anspruch auf Vollständigkeit geben kann. Bitte kontaktiert immer auch euren Arzt / euren Therapeuten zu diesem Thema!

(1) Psychotherapie bei einer Cluster – B – Persönlichkeitsstörung und einer begleitenden Sucht

In der Regel haben all die Menschen, die an einer Cluster–B–Persönlichkeitsstörung leiden (dies ist der Bereich der dramatisch, launischen und / oder emotionalen Persönlichkeitsstörungen), bevor sie sich professionelle Hilfe holen, eigene – häufig stark fehlerhafte – Strategien entwickelt, die es Ihnen aber erst einmal ermöglicht haben, zumindest kurzfristig die innere Anspannung und übermannenden Gefühle zu regulieren.

Dies können auch Drogen sein – jedoch sind diese so dysfunktional, dass sich im Hintergrund fast immer eine Sucht entwickelt. In einer Therapie ist das jetzt ein echt dickes Brett, was gebohrt werden muss:

      • Auf der einen Seite der dysfunktionale Versuch, Gefühle und Spannungen mit Drogen zu regulieren,
      • aber gleichzeitig der Schritt zur Suchtmittel-Abstinenz (ein klares Ziel jeder Therapie)

Das führt fast immer zu Regelbrüchen und belastet die zwischenmenschlich so wichtige therapeutische Beziehung. Das alles – eine Persönlichkeitsstörung inklusive einer begleitenden Sucht – treffen wir im Alltag sehr häufig an. Und da dem so ist, müsste es doch auch sehr viele Studien und Therapie-Ansätze hierfür geben…

Dem ist aber leider nicht so. Das was uns derzeit vorliegt – welche psychotherapeutische Methode ist wie effizient – sind immer noch in der Regel einzelne klinische Falldarstellungen, Kasuistiken oder einzelne experimentelle Untersuchungen.

Aber, es gibt zwischenzeitlich bereits ein paar sehr interessante Ansätze. Wie gesagt gibt es zwei Methoden welche ich in diesem Bericht einmal hervorheben möchte, die nach den allgemeinen Standards randomisiert kontrollierter Studien für die Behandlung dieser Patienten-Gruppe (Persönlichkeitsstörung mit begleitender Substanzabhängigkeit) auf ihre Wirkung hin geprüft worden sind. Beide Verfahren führten zu einer deutlichen Verbesserung sowohl der Sucht – als auch der Persönlichkeitsstörungs-spezifischen Symptomen.

In der „Dual Focus Schema Therapie“ wurden Sucht-Patienten mit verschiedenen Persönlichkeitsstörungen erfolgreich behandelt. Ihr Ziel ist das Ersetzen sepzieller emotionaler Handlungsabläufe mit all ihren Fehlern durch deutlich funktionellere / passendere Bewältigungsstrategien.

Eine Spezialisierung dieser Methode auf die Behandlung einzelner Persönlichkeitsstörungen – also die Unterscheidung z.B. zwischen Perfektionismus und Borderline – besteht bei dieser Therapieform aktuell noch nicht.


Eins weiteres strukturiertes psychotherapeutisches Behandlungskonzept ist die Dialektisch – Behaviorale Therapie für Patienten mit Borderline und einer begleitender Substanzabhängigkeit. Sie wird aktuell in verschiedenen Kliniken – u.a. in der psychiatrischen Universitätsklinik der Charité – in ein Schritt-für-Schritt- klar nachvollziehbares Therapiekonzept gefasst.

Sie wurde bereits

      • in zwei kontrollierten Studien wissenschaftlich bestätigt
      • Sie ist aktuell immer noch die einzige Methode speziell zur Behandlung einer Borderline – Persönlichkeitsstörung mit begleitender Sucht
      • und ist – was vielleicht das Wichtigste ist – als therapeutisches Konzept in seiner Gesamtheit sowohl für Patienten als auch Therapeuten in einer leicht verständlichen Sprache entwickelt.

Aus diesen vorteilhaften Gründen verdient sie m.E. einen etwas genaueren Blick.

(2) Die Dialektisch–Behaviorale Therapie bei Borderline und begleitender Sucht

Es gibt eine spezielle Form innerhalb der DBT (genannt DBT-S) die ein ganz speziell auf diese Gruppe ausgerichtetes Therapieprogramm beinhaltet.

Im allgemeinen Bereich schult die DBT ja

      • die Achtsamkeit in der Wahrnehmung
      • das Wissen wann / und in welchen Situationen der Betroffene regelmäßig getriggert wird.
      • das Erlernen von Skills um das Verhalten und die eigenen Gefühle besser zu kontrollieren.

Die DBT-S kann aber noch viel mehr! Ihre ganz speziellen Ziele sind:

      • Die Stärkung der Motivation zu einem Leben ohne Suchtmittel
      • Die Schulung ganz individueller Methoden um den Konsum zu senken bzw. die Abstinenz durchzuhalten.
      • Die Reduzierung von Entzugsnebenwirkungen
      • Die Reduzierung des Cravings (das Verlangen)
      • Sie lehrt, wie man Situationen / Reizen für einen erneuten Substanzkonsum wirksam aus dem Weg geht.
      • Die Entwicklung von Resilienz-Strategien
      • Sie fördert eine bessere Vernetzung mit dem Suchthilfe-Angebot vor Ort – stellt sich also deutlich breiter auf!

Bitte beachte, dass Therapieabbrüche bei Borderline mit begleitender Sucht oft beobachtet werden: Warum ist das so?

      • Die Bindungsstärke zwischen Patient und Therapeut ist häufig noch viel zerbrechlicher als bei nicht Sucht-Patienten
      • Die Patienten verstehen die Wechselwirkung zwischen  Sucht und Persönlichkeitsstörung nicht immer in vollen Umfange
      • Und sie verfügen oft nur über eine deutlich niedrigere Stresstoleranz.

Bisher gibt es erst zwei große kontrollierte Vergleichs-Studien, bei denen die Effektivität der DBT-S für Borderliner mit begleitender Sucht im ambulanten Rahmen näher untersucht wurde. Obwohl die Studienteilnehmer von allen untersuchten Therapien profitierten, war die Zahl der Therapieabbrüche bei der DBT-S deutlich niedriger und die Teilnahme an den folgenden Terminen höher als in den Vergleichsgruppen. Sowohl die Symptome als auch der Konsum von Suchtmitteln sank während des Untersuchungszeitraumes bei den DBT-S Patienten im Vergleich zum Therapiestart und auch im Vergleich zu den Kontrollgruppen deutlich.

Obwohl die ganz großen Wirksamkeitsnachweise der DBT-S bei Männern und auch bei Patienten mit kombinierter Fremd-Aggression oder Antisozialität fehlen und auch die untersuchten Gruppen nicht gigantisch groß waren, so ist diese Therapieform aktuell immer noch die am besten in Ihrer Wirksamkeit untersuchte Therapie im Bereich Borderline mit begleitender Sucht. 

(2.1) Prinzipien, Module und besondere Strategien in der DBT-S

Die DBT-S ist eine spezielle Form der DBT-Therapie und ist aufgeteilt in die Einzel- und in die Gruppentherapie:

      • Individuelle Einzeltherapie

      1. Skill-Training / das Trainieren von neuen Verhalten / Fertigkeiten
      2. Medizinisch psychologische Aufklärung
      3. Das Besuchen von Selbsthilfegruppen außerhalb der Klinik
      4. Praxisorientiertes / lebensnahes – Coaching
      5. Ambulante Weiterbetreuung auch nach der stationären Therapie
      6. Medikamentöse Therapie
      7. Burn out – Prophylaxe und (sehr wichtig)
      8. Die Supervision / die Unterstützung des therapeutischen Teams
      • In den anschließenden Gruppentherapien lernen die Betroffenen dann,
      1. ihre eigenen persönlichen Strategien in der Praxis auszuwählen,
      2. Die Wirksamkeit dieser Strategien dann in ihrem eigenen Leben zu überprüfen
      3. und anschließend zu vertiefen / zu einer Tugend zu machen.

Bei einer stationären Sucht-Behandlung wird generell wegen des 100%igen Abstinenzgebotes eine Entgiftung vorgeschaltet. Nach dieser Entgiftung beginnt dann die eigentliche Psychotherapie, bei der das Wechselspiel zwischen der Sucht und der immer wiederkehrenden emotionalen Instabilität gemeinsam aufgearbeitet wird.

Bei einer ambulanten Behandlung ist eine langsame Reduzierung des Suchtstoffes auch während der Behandlung möglich und muss nicht zwingend kurz und knackig vorgeschaltet werden.

(2.1.1) Prinzipien

Ganz am Anfang steht das Kommittent / die Vereinbarung / die Verpflichtung beider Teilnehmer – also des Patienten und auch des Therapeuten – eine Behandlung beginnen zu wollen und alles für die Umsetzung der Ziele einzusetzen. Beide vereinbaren also etwas, was man mit einem Vertrag vergleichen könnte. Du kannst dir aber sicher vorstellen, dass man von einem Suchtkranken, lange nicht das erwarten kann als wenn er keine Sucht hätte … Also dass er „nüchtern“ bzw. „clean“ zur Behandlung kommt.

Bei denen die schon seit langem / und auch chronisch ihre Drogen konsumieren und bei ihren ersten Therapiekontakten sichtlich unter Drogeneinfluss erscheinen, kann es in Einzelfällen sogar besser sein, das Kommittent im gerade aktuellen „Sucht-Spiegel“, d.h. nicht im Rausch, aber auch nicht im Entzug zu vereinbaren.

Vielleicht befindet sich der Patient zu diesem Zeitpunkt durch den Sucht-Spiegel ja gerade auf seinem derzeit höchstmöglichen kognitiven Funktionsniveau und kann das Therapiekonzept jetzt gerade am besten verstehen. Wichtig ist, dass der erfahrende Therapeut hierbei vernünftig und ausgewogen reagiert:

      • Er darf nicht den Eindruck erwecken, dass er den Drogenkonsum positiv bewertet.
      • Er darf das alles aber auch nicht so extrem kritisieren, dass sich der Gegenüber nun dermaßen schämt, in die Enge gedrängt und zum Aufgeben veranlasst fühlt.

Ist das Kommittent erst einmal gegeben, steht also – wie bereits gesagt – ganz am Anfang die Entgiftung im Vordergrund. Und da wird es nochmals schwierig: Wegen unserer neurobiologischen Grund-Mechanismen

      • können wir während einer Entgiftung deutlich schwerer Lernen
      • unsere Denkfähigkeit sinkt
      • und unsere emotionale Verwundbarkeit steigt.

Wie lange dauert das? Das ist wirklich sehr individuell verschieden sodass hier kein Maß gesetzt werden kann. Man muss nun genau darauf achten, dass die Behandlung immer nur in kleinen Schritten an die jeweilige Leistungsfähigkeit des Patienten angepasst wird, um zu hohen Erwartungen und eventuellen Frustrationen – wegen Nichterreichen von Zielen – entgegen zu wirken.

Zeitgleich sollten auch alle anderen eventuell noch bestehenden körperlichen Begleiterkrankungen – falls nicht schon geschehen – therapiert werden damit ein körperlich starker Patient in die DBT-S einsteigen kann und nicht durch seine schlechte körperliche Verfassung noch gebremst wird.

„Mens sana in corpore sano“ = ein gesunder Geist in einem gesunden Körper. Interessant ist, dass sich dieses verstümmelte Zitat ursprünglich so anhörte: „Orandum est, ut sit mens sana in corpore sano“ Der römische Sartiriker Juvenal ( 60 bis 127 u.Z.) meinte damit: Man solle darum beten, dass sich ein gesunder Geist mit einem gesunden Körper verbinden möge.“ Dies zeigt, wie wichtig es schon damals angesehen wurde, dass der gesunde Geist einen gesunden Körper und umgekehrt benötigt.

Wie würden die Schritte im Folgenden denn nun aussehen? Ist dies eher so ein „mal schauen“? Nein! Sei Dir sicher, dies geht dann total systematisch vonstatten und ist stark standardisiert:

      • Ganz am Anfang stehen die suizidalen bzw. selbstverletzenden Verhaltensweisen. Erst danach, wenn die der Patient stabil genug ist, kann mit der differenzierteren psychotherapeutischen Arbeit begonnen werden.
      • Die zweite Priorität im Anschluss hat die Behandlung Therapieschädigender Verhaltensweisen. Diese therapieschädigenden Verhaltensweisen sind alle Verhaltensweisen, welche die Umsetzung der therapeutischen Inhalten stören.
      • Erst jetzt – im dritten Schritt – können Lebens-Themen und Probleme in der Lebensführung differenziert genug behandelt werden.

Wenn das alles doch immer so leicht wäre, denn nicht immer sehen die Patienten die Notwendigkeit / oder haben einfach nicht die Motivation eigene fehlerhafte Verhaltensweisen ändern zu müssen. Es gibt aktuell eine ganze Reihe von Modellen, in denen der Grad der Veränderungsmotivation von Patienten gezeigt wird. Ein recht anwendungsfreundliches Modell ist das „Stages of Change“ nach Prochaska und DiClemente. Dieses Denkmodell hilft in der Praxis ein System in diese manchmal hochkomplexe Behandlung zu bringen. Solche Denk- und Arbeitsmodelle schaffen die Möglichkeit einen bei Konsumrückfällen deutlich individueller auf den Patienten einzugehen. Die klinische Praxis zeigt nämlich sehr deutlich, dass eine Regelung in solchen Situationen nach Schema F – einfach nicht sinnvoll ist.

Eine besondere Strategie in der DBT-S ist die sogenannte dialektische Abstinenz. Was das bedeutet, möchte ich kurz skizzieren: Durch die Einigung / das Commitment sich ab jetzt von den Drogen / den Suchtstoffen fernzuhalten steckt der Patient in einem Dilemma.

Zum einen ruft immer wieder die Sucht – andererseits ist da die Vereinbarung zur „dauerhaften Abstinenz“ und die häufige Folge davon sind Rückfälle in die Sucht.

Und diese beiden Realitäten Die Sucht Die Abstinenz zu akzeptieren, dass fällt den Patienten typischerweise nach so einem erneuten und ungewollten Rückfall sehr schwer.

Und hier kommt jetzt die dialektische Abstinenz zum Tragen. 

Sie fordert von beiden Seiten – also sowohl dem Patienten als auch dem Therapeuten – anzuerkennen, das ein Ausgleich zwischen diesen beiden Extremen:

      • der sofortigen und absoluten Abstinenz
      • und dem Fakt, dass Rückfälle als ein typisches Bild der Erkrankung immer wieder auftreten können.

Dieser dialektische Ansatz fördert damit zwei Dinge gleichzeitig:

    • das Streben nach der Abstinenz
    • und gleichzeitig schult es in der Anwendung bewertungsfreier, lösungsorientierter Bewältigungsmethoden nach einem Rückfall.

Der Unterschied liegt in dem Bereich rund um die Therapie von Abhängigkeitserkrankungen. In der Einzeltherapie werden

      • die ganz persönlichen individuellen Themen angesprochen
      • und Bedingungsmodelle sowie Methoden erarbeitet die künftig den Patienten im Leben stabilisieren sollen.

Welches Thema zuerst und am längsten behandelt wird, das entscheidet sich immer an dem individuellen Hierarchieziel.

  • Weiter wird dann z.B. mit den Tagebuchkarten gearbeitet
  • Die Verhaltensanalysen werden angesprochen
  • Dann wird geschaut, wie die Ziele bislang erreicht wurden
  • Und ob die Ziele nach wie vor mit der realen Situation des Betroffenen überhaupt erreichbar sind.

Modul Fertigkeiten Training

Das Skills- und Achtsamkeitstraining innerhalb der DBT-S ist kein Prozessbegleiter, sondern ist ein Verhaltenstraining. Durch dieses werden Techniken gelernt um sich von den Anspannungsentlastung und lösungsorientierten Problembewältigung.

Ziel ist es, dass die Betroffenen

  1. ihre inneren Anspannungen und ihr ständiges Verlangen (Craving) nach den Suchtstoffen in den Griff bekommen, indem diese Problem Herde erst einmal erkannt werden und in ihrer Tragweite / Ihren Auswirkungen eingeschätzt werden können.
  2. Im zweiten Step kann der Patient durch das dann folgende intensive Training seine schwierigen Verhaltensweisen / seine Sucht durch bessere / funktionellere Methoden ersetzen.

Modul Ausbildung

In der DBT-S finden wir neben einer Prozessbegleitung und dem Verhaltens-/Fertigkeitentraining auch ausbildende / edukative Therapieeinheiten. Sie helfen dem Betroffenen dann, selber ein Laien-Experte in der eigenen Sache zu werden.

Modul Selbsthilfegruppen

 

Selbsthilfegruppen stehen in der DBT-S wie auch in der DBT ganz am Anfang der Therapie. Bereits in den therapeutischen Einrichtungen, wie zum Beispiel einer Klinik sind sie ein fester Bestandteil. Sie helfen den Patienten sich untereinander in ihren Problemlösungen / in ihren Fehlerkorrekturen zu zeigen. Wie in einer verschworenen Gemeinschaft helfen sie sich gemeinsam ohne Angst davor dass der Andere nicht versteht, was man gerade durchmacht. Die DBT-S, welche sich ja intensiv auch mit dem Suchtkonsum beschäftigt hat als weiteres Modul noch den Besuch von externen Selbsthilfegruppen und Beratungsstellen auf dem Plan. Und für den absoluten Notfall bekommt der Patient eine Notfallnummer, wo er seinen / oder einen allgemeinen Betreuer im Krisenfall anrufen kann.

Gerade für diejenigen Patienten, denen die zerstörerische Wirkung ihrer Sucht nicht so deutlich vor Augen ist (ich vertrag das schon / bei mir ist das nicht so schlimm / andere Drogen sind viiiiel schlimmer) ist diese wissensbildende / diese edukative Suchtgruppen so wichtig. Hier werden dann schonungslos und beispielhaft die Wirkungen und Folgen des Substanzkonsums angesprochen und gezeigt.

Kommen wir zur Therapie zurück: In der Therapie zeigt sich immer wieder, dass die Validierungsstrategien der DBT und die motivationalen Gesprächsführung stets von Vorteil sind.

Was versteht man z.B. unter diesen Validierungsstrategien? Validus ist lateinisch und bedeutet „kräftig, wirksam, fest“ Auf

 Kreditkarten finden wir z.B. den Hinweis: Valid und dann ein Datum. Diese Karte ist gültig bis dann… Bei den Validierungsstufen unterscheiden wir 6 Stufen voneinander:

2.1.3) Besondere Strategien

Bindung ist und bleibt der zentral wichtige Schutzfaktor für eine seelische Gesundheit! Darum sind auch so viele Strategien darauf ausgerichtet, eine persönliche Bindung zwischen Patient und Therapeuten aufzubauen und zu verfestigen. Wir nennen diese (Attachments – Strategien) Sie sind ein ganz wichtiges Kernelement der DBT-S und erfordern viel Zeit in der Therapie.

Das folgende Beispiel hilft, einen Einblick in diese Problematik zu bekommen: 
Ein notorisch unpünktlicher Patient wird mit einem Schmetterling verglichen, der sich oft auf die Hand seines Therapeuten setzt. Er flattert aber immer wieder weg und dass besonders dann, wenn der Therapeut annimmt, dass beide nun doch einen guten Kontakt bekommen haben. Dies ist ein typisches Verhalten vieler Sucht-Patienten mit Abhängigkeitserkrankungen und ist fester Bestandteil in dem Konzept der DBT-S. Beispiele für solche typischen „Schmetterlings-Patienten“ sind:

      • Eine nur temporäre Teilnahme an der Therapie
      • Das Nichteinhalten von gemeinsamen Absprachen
      • Frühzeitige Therapieabbrüche

Wie geht man in der Therapie nun vor, um gerade diesen Menschen die notwendige Unterstützung zu bieten? Denn, „machen ist wie wollen – nur viel krasser“ Wie also erfolgt die richtige Hilfe? 

Die DBT-S geht hier ganz systematisch vor:

      • Bereits ab der ersten Therapiestunde lotet der Therapeut gemeinsam mit dem Patienten die Wahrscheinlichkeit für solche „Attachment – Probleme“ aus und bespricht mit ihm detailliert – bis ins kleinste Detail – die wahrscheinlichste Situation in der das auftreten mag.
      • Dann wird ein Plan-B als Alternative erstellt, in welchem der Patient z.B. eine Liste von Orten, Personen, deren Kontakt aufschreibt, wo er sich aufhalten könnte, wenn er der Therapie „verloren ginge“.

 

Es gibt sehr viele Möglichkeiten um das Attachment zu Erhöhen. Z.B. indem die Häufigkeit der Gespräche in den ersten Monaten flexibel und individuell auf die Fähigkeiten des Patienten angepasst werden.

      • Es können „Check – in“ – Anrufe oder Nachrichten vereinbart werden, mit denen sich der Patient beim Therapeuten immer kurz vor dem Termin meldet. Dies alles kann helfen, die Abbruchmenge deutlich zu senken. Das Spektrum der Attachments – Strategien ist riesengroß.
      • Der Therapeut kann den Patienten auch anfangs in der Nähe des Aufenthalts –/Konsumortes besuchen um die ersten Sitzungen zu starten. Was hilft, hat das Recht auch angewendet zu werden.

(2.2) Wie wirksam ist Psychotherapie bei Sucht und Antisozialität?

Eine Antisoziale-Persönlichkeitsstörung ist bei Patienten mit Borderline und begleitender Sucht nicht selten anzutreffen. Wenn sie vorhanden sind, dominieren sie oft den therapeutischen Rahmen und bedürfen einer effizienten Behandlung.

(2.2.1) Psychotherapie der Abhängigkeit

Wenn wir für diesen Bereich nach Studien in der Literatur suchen, dann finden wir die meisten in Verbindung mit Alkoholabhängigen. Im Rahmen der Kokain –, Cannabis –,Opiatabhängigkeit und der Behandlung von Verhaltenssüchten ist die Studienlage leider deutlich dünner. Die wenigen Ergebnisse erlauben aber erst einmal die Vermutung, das es nicht „die eine allgemeingültige Therapie“ zur Behandlung einer Sucht-Erkrankung gibt. Vielmehr ist es so, dass viele verschiedene Konzepte zu einer vergleichbar guten Besserung der Symptomatik führen können, und dass ohne einen bestimmten Vorteil für eine bestimmte Methode besonders herauszustellen:

Die verschiedenen Konzepte sind z.B.

      • psychodynamische Strategien
      • verhaltenstherapeutische Interventionen
      • Kontingenzmanagement, (sofortige Konsequenzen für ein Verhalten)
      • Paar – und Familientherapie
      • oder Case – Management, (Fähigkeiten und Ressourcen besser nutzen)
      • motivierende Gesprächsführung,
      • Kurzinterventionen,
      • motivationale Gesprächsführung,
      • psychosoziale Behandlung (Community Reinforcement Approach),
      • Behandlungsverträge (TFP = Übertragungsfokussierte Psychotherapie)
      • der Besuch von Selbsthilfegruppen,
      • soziales Kompetenztraining
      • und Drogenberatung

Kennzeichen / Merkmale / Prädiktoren für eine Besserung waren das Commitment des Patienten für die effektive Teilnahme an einer Behandlung sowie die regelmäßige Teilnahme an den Sitzungen.

Wichtig ist meines Erachtens auch zu erwähnen, dass es neben der Psychotherapie auch noch die Unterstützung von Medikamenten gibt.

Als schützend vor einem Rückfall zeigten sich u.a. Psychopharmaka wie z.B. Acamprosat, Wohlgemerkt, nur unterstützend aber nicht Teil der Kerntherapie

(2.2.2) Psychotherapie der Antisozialität

Wir finden diese Personengruppe im ICD–10 unter F60.2 als Dissoziale Persönlichkeitsstörung (F60.2) mit der antisozialen Persönlichkeitsstörung als Untergruppe.
Die amerikanische Einteilung der psychischen Krankheiten – der DSM – führt sie konkret unter der Bezeichnung Antisoziale Persönlichkeitsstörung.

Auch wenn sich die Einordnung zwischen diesen beiden Systemen etwas unterscheidet, so haben sie doch etwas gemeinsam und zwar, dass diese Patienten – welche sich aktiv kriminell verhalten – praktisch nie freiwillig, sondern erst nach einem Beschluss von außen in eine Behandlung begeben. Warum erwähne ich dies? Nun, weil dem so ist, finden die meisten Therapien in Kliniken und nicht ambulant statt – darum bestehenden die aktuellen therapeutischen Konzepte auch hauptsächlich nur für diesen institutionellen Rahmen – ambulante Therapiekonzepte suchen wir noch vergeblich.

Bei der Vorgehensweise werden drei Prinzipien empfohlen:

  • Risikoprinzip: Eine intensive Betreuung hoch risikohafter Patienten.
  • Bedürfnisprinzip: Hier richtet man sich in der Therapie auf die kriminelle Neigung des Betroffenen aus 

  • Ansprechbarkeitsprinzip: Hier wird die Therapie handlungsorientiert auf die Bedürfnisse und Ziele des Einzelnen Patienten hin ausgerichtet.
    Ganz klar ist, das man bei dieser Personengruppe kaum nach einem „Schema F“ vorgehen kann…

Die Problemanalyse und die Planung der anschließenden Behandlung erfolgen nach dem Bedürfnisprinzip des Patienten und konzentrieren sich auf interne Themen wie

      • Grundannahmen 
      • Rollenmodelle
      • Seine Wahrnehmung
      • Seine Verhaltensstile
      • oder auf Themen die von außen kommen wie zum Beispiel soziale Ursachen.

Die Vorgehensweise sollte simpel, klar und leicht nachvollziehbar / wiederholbar sein. 
Auch hier gibt es – wie in der DBT-S – eine Rangfolge in den Prioritäten – „was muss zuerst bedacht werden?“

      • Zuerst fokussiert man sich auf ein mögliches lebensbedrohendes Verhalten – sich selbst und anderen gegenüber.
      • Danach nimmt man sich all die Verhaltensweisen unter die Lupe, die gegen geltende soziale Normen und Regeln verstoßen und damit eine Therapie immer wieder infrage stellen (zum Beispiel stehlen, betrügen Drogenkonsum) – Therapie oder Knast, was ist besser? 
      • Erst danach kommen weitere Verhaltensweisen zur Sprache welche die Therapie irgendwie noch gefährden könnten.

Das eine Therapie bei solchen Personen Wirkung zeigen kann, beweisen Studien rund um die kognitiv–behavioralen Therapieverfahren (z.B. die DBT) und auch über das Rückfall–Vermeidungs-Modell (welches direkt aus der Suchtbehandlung stammt). Den Nutzen reiner psychodynamischer Verfahren konnte man bislang nicht nachweisen.

Man könnte nun sagen dass man sich doch voll und ganz auf die DBT konzentrieren sollte… Leider ist die Wirklichkeit nicht ganz so einfach. Denn, Studien über eine Wirksamkeit bei Borderlinern mit Sucht und Antisozialer Persönlichkeitsstörung gibt es derzeit leider noch nicht. Was es bislang gibt, sind Studien bei Patienten mit Antisozialer Persönlichkeitsstörung und kombinierter Kokainabhängigkeit. Hier wird über einen Nutzen durch das Kontingentsmanagement (Verstärkung durch äußere Anreize – eine Form davon ist das Token-System) gesprochen. Diese Ergebnisse waren bis dato aber nicht ausreichend wiederholbar gewesen.

Untersuchungen mit opiatabhängigen Patienten und Antisozialer Persönlichkeitsstörung zeigten nämlich nur eine begrenzte Wirksamkeit dieser Methode. Das diese Gruppe immer zahlenmäßig stärker wird zeigen die Studien rund um Fentanyl. Fentanyl gehört wie Morphin, Codein ect. Zu den Opiaten. Fentanyl wurde unlängst als 50 x gefährlicher als Heroin eingestuft – weil stärker in der Wirkung und billig herzustellen.

Dann gibt es noch die sehr große Gruppe der Alkoholabhängigen Patienten mit dieser Persönlichkeitsstruktur. Gemäß den Studien schienen sie einen nachweisbaren Vorteil durch die kognitiv–verhaltenstherapeutische Therapie zu erlangen. 

(3) Medikamentös unterstützende Therapie

Wenn ich hier kurz das Thema über Medikamente streife dann möchte ich darauf hinweisen, dass sich unsere Forschung in einem permanenten Wandel befindet – und das ist auch gut so. Bitte suche immer Deinen Arzt / am besten einen Psychiater auf um Deine Situation mit ihm abzugleichen. Beachte auch, dass es keine Wirkung ohne Nebenwirkungen geben kann. Darum sollten Indikationen (also der Grund FÜR eine Therapie) immer mit den Kontraindikationen (den Gründen DAGEGEN) der Substanzen gegeneinander abgewogen werden. Ich werde in einem separaten Vortrag einmal näher auf dieses Thema eingehen… 

(3.1) Vorbeugende Mittel bei Alkoholabhängigkeit

Wir haben heute sogenannten Anti–Craving–Substanzen zur Verfügung, mit denen man die Wahrscheinlichkeit von Rückfällen deutlich reduziert kann. Viele dieser Medikamente sind auch ohne Rezept erhältlich. Trotzdem ist auch hier meine klare Empfehlung: Die Einnahme aller Medikamente – sollte immer durch eine Psychotherapie, zumindest die Teilnahme an Selbsthilfegruppen unterstützt werden.

Acamprosat (im Handel unter Calpram bekannt), ein Partialagonist am NMDA-Rezeptor, Ist nach erfolgter Entgiftung bei Patienten mit einem Körpergewicht von über 60 kg einsetzbar. Die empfohlene Dauer einer Behandlung beträgt zwölf Monate und sollte nach einem Rückfall nicht abgebrochen werden. Da die Wirksamkeit des Medikamentes nicht garantiert ist, muss sie in regelmäßigen ärztlichen Kontakten geprüft werden.

Naltrexon ist ein Opioidrezeptor-Antagonist (Ein Gegenspieler), dessen Wirkung auf den Alkoholkonsum hin untersucht worden ist. Seine Wirkung besteht darin, die belohnenden Effekte von Alkohol zu reduzieren. Er ist seit Mai 2010 in Deutschland zugelassen – natürlich verschreibungspflichtig Da die Substanz in Deutschland aufgrund widersprüchlicher Daten über die Wirksamkeit nicht für diese Indikation zugelassen ist, kann ein Therapeut sie nur im Rahmen eines Heilversuchs verordnen.

Die Wirkung und damit der von Disulfiram einem Hemmer der Aldehyddehydrogenase, – auch bekannt als Antabus® ist wegen seiner gelegentlich auftretenden schweren Herz – Kreislauf – Interaktionen umstritten. In der Schweiz ist es seit 1949 zugelassen. In den letzten Jahren wurde diese Medikation jedoch wieder häufiger verabreicht. Wirksam ist eine toxische Disulfiram – Alkohol – Reaktion: Nach dem Konsum von Alkohol entsteht in unserem Körper das giftige Abfallprodukt Acetaldehyd. Disulfiram blockiert nun den Abbau dieses „Konsum-Giftes“ und der Trinkende leidet länger und schwerer unter seinem Kater. Er hat dann viel intensiver mit Übelkeit, Kopfschmerzen, Schwitzen und Herz-Rhythmusstörungen zu kämpfen – was dann den Effekt „Finger weg vom Alkohol“ unterstützen soll.

Gerade weil es sich um eine „Vergiftungs-Verlängerung“ handelt, darf dieses Medikament nur an Patienten mit hoher Eigenverantwortung, sozialer Stabilität und guter Compliance unter engmaschiger ärtzlicher Aufsicht abgegeben werden.

(3.2) Postakutbehandlung anderer „Stoff-Süchte“

Was ist Postakut? Es ist die Behandlung, welche nach der Stabilisierungs-Medikation einsetzt.
1. Zuerst Stabilisieren
2. Danach Therapieren

      • Kokainabhängigkeit und Psychostimulanzien (z.B. Ritalin ect.): Sie sind die „Stimmungsmacher im Gehirn“ Aktuell gibt es keine wirksamen Medikamente um bei Kokainabhängigkeit oder bei einem häufigem Konsum von Psychostimulanzien wirksam zu helfen.

      • Opioidabhängigkeit (z.B. Morphin / Codein / Fentanyl):
        Sie unterdrücken die Schmerzreise im Zentralen Nervensystem. Naltrexon ist als Medikament zur Vermeidung von Rückfällen zugelassen. Es ist ein Opioid–Antagonist, also ein Mittel was den rauschartigen Effekt des Belohnungssystems erfolgreich dämpft. Gerade wegen dieser Wirkung ist die Bereitschaft zur Mitarbeit der Patienten oft nur sehr gering. 😊 In Deutschland sind Methadon und Buprenorphin als Ersatzdroge, in der Schweiz beispielsweise auch mit Heroin zugelassen. 



        Wann wird dieses Medikament eingesetzt?

        1. Wenn die Abhängigkeit länger als zwei Jahre ist
        2. Der Patient älter als 18 Jahre ist
        3. Er bereits mehrere erfolglose Entzugsversuche hinter sich hat
        4. Aktuell keine drogenfreie Therapie durchgeführt werden kann und dies als eine zeitliche Überbrückung bis zur „Abstinenz-Therapie“ dienen soll.

 

      • Cannabisabhängigkeit: Hier besteht derzeit keine Medikationsempfehlung. Um die typische „De-Motivation“ zu behandeln eignet sich in dieser Situation – neben psychosozial aktivierenden Maßnahmen – also Hilfen aus dem sozialen Umfeld – auch die Einnahme atypischer Neuroleptika. Diese wirken ja, indem sie die Dopamin- und Serotoninrezeptoren blockieren.
      • Tabakabhängigkeit
        Zur Raucherentwöhnung und Rückfallprophylaxe sind Nortriptylin und Bupropion (eigentlich beide Antidepressiva) zugelassen. Im Zusammenhang mit der Verwendung von Bupropion sind aber immer wieder unerwünschte Nebenwirkungen aufgetreten wie z.B. Krampfanfälle bis hin zu Todesfällen, die aber nicht zu 100% auf die Medikation zurückgeführt werden konnten.


Weitere geprüfte Substanzen sind:

      • Mecamylamin, (ursprünglich ein Blutdrucksenker – der aber die belohnende Wirkung von Nikotin blockiert)
      • Lobelin – auch Indianertabak oder Brechkraut genannt
      • Clonidin, – ein Mittel gegen Bluthochdruck das aber auch die Entzugserscheinungen dämpft
      • Silberacetat – In Verbindung mit Zigaretten und Tabakrauch erzeugt es einen metallischen Geschmack. Ist aber bei höherer Dosis giftig.
      • Buprenorphin – ein betäubungsmittelpflichtiges Opiadanalgetikum. Wegen seines geringen Suchtpotentials dient es häufig als Substitutions- / Ersatzdroge in der Therapie
      • Naloxon Ein Opioid-Antagonist. Dieses Notfallmedikament wird seit den 1960er Jahren auch bei Überdosierungen von Opioiden wie Heroin, Methadon oder Fentanyl eingesetzt.
      • und zuletzt noch das Naltrexon welches ich zuvor schon beschrieben habe

Die Studien über die Wirkungen / Nebenwirkungen dieser Medikamente sind aktuell noch nicht ausreichend um eine Zulassung auch für dieses Einsatzgebiet zu erteilen. 

(4) Mein Resümee

Die Behandlung von eines süchtigen Borderliners ist sehr komplex und die Zahl der betroffenen Patienten außerordentlich hoch. Das Dilemma ist, dass es aktuell kaum psychotherapeutische Verfahren gibt, die für den Einsatz genau dieser Patienten entworfen und in ihrer Wirksamkeit geprüft worden sind.

Zwei Therapien bilden hier eine Ausnahme:

  1. Die „Dual Focus Schematherapie“ (die DFST) und die Dialektisch – Behaviorale Therapie für Patienten mit Borderline – Persönlichkeitsstörung und komorbider Substanzabhängigkeit (DBT-S). Beide Therapie-Konzepte sind chancenreich und eignen sich für den Einsatz sowohl im ambulanten als auch im stationären therapeutischen Umfeld. Für die DBT-S existiert aktuell schon ein standardisiertes Ausbildung – Curriculum / ein Studienprogramm und auch ein methodisches, stationäres Behandlungskonzept.
    Wenn wir es schaffen sollten, diese Konzepte flächendeckend einzusetzen, hätten wir die Chance in der Zukunft eine gravierende Lücke im Versorgungssystem für diese schwer kranke Gruppe Betroffener zu schließen.
    Leider sind die Möglichkeiten für eine medikamentöse Rückfallprophylaxe oder Substitution bei Suchterkrankungen nur sehr begrenzt.

Trotz dieser Begrenzung möchte ich den Einsatz dieser Medikamente nicht kategorisch ausschließen. Bei entsprechenden Rahmenbedingungen können sie sehr wohl unter Aufsicht begleitend zu einer psychotherapeutischen Behandlung eingesetzt werden.

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Borderline und die komplexe posttraumatische Belastungsstörung. Der laute und der stille Borderliner https://werdewiederstark.de/borderline-und-die-komplexe-posttraumatische-belastungsstoerung-der-laute-und-der-stille-borderliner/ https://werdewiederstark.de/borderline-und-die-komplexe-posttraumatische-belastungsstoerung-der-laute-und-der-stille-borderliner/#respond Sat, 07 Aug 2021 05:52:19 +0000 https://werdewiederstark.de/?p=4786 „Borderline und die komplexe posttraumatische Belastungsstörung. Der laute und der stille Borderliner“ weiterlesen

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Schriftzug Marcsu Jähn

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Personen mit einer Borderline Diagnose erzählen oft und häufig von körperlichen, psychischen Gewalt und / oder sexuellen Traumatisierungen in ihrer Vergangenheit. 

Anfänglich in der medizinischen Geschichte wurde solchen Aussagen von den Ärzten kaum Beachtung geschenkt. Ganz im Gegenteil: Es wurde sogar aktiv angezweifelt, dass eine traumatische Vergangenheit überhaupt einen Einfluss auf die Entwicklung einer Persönlichkeitsstörung haben könnte.  Inzwischen wird aber immer deutlicher, dass die gewaltige Zahl an kindlichen Traumatisierungen bei über 50 % bis 80 % der Borderliner in einer Anamnese nicht mehr übersehen werden kann und darf. Hinzu kommt, dass überdurchschnittlich viele Borderline – Patienten von sexuellem Missbrauch in ihrer Kindheit berichten! Das alles lässt zumindest für Borderline einen Trauma-Ursprung klar vermuten.

Als das dann im Laufe der Zeit immer klarer, wurde fiel man teilweise sogar in das andere Extrem: 
Dann auf einmal wurde darüber diskutiert, den Begriff Borderline generell durch den der komplexen posttraumatischen Belastungsstörung (KPTBS) zu ersetzen – weil Trauma in der Anamnese praktisch immer vorkam. Dies geschah jedoch nur eine kurze Zeit! Heute wissen wir, dass die Traumatisierungen in der Entwicklung von Borderline zwar wichtig aber grundsätzlich nicht zwingend sind.

All diese unterschiedlichen Ergebnisse zeigen uns aber immer klarer, das wir stärker nach dem Zusammenhang zwischen einer Traumatisierung und Borderline (hier ganz besonders in der Kindheit und Jugend) forschen müssen. 

(1) Die Folgen von Traumatisierungen in der Kindheit

Immer wieder beobachten wir, dass die gleiche Situation für den Einen traumatisierend sein kann … für den anderen ist sie jedoch nur eine harmlose Episode … und zwar so harmlos das in dieser Situation für ihn bereits einfache Bewältigungsstrategien genügen. Das macht die Beschreibung eines Traumas jetzt nicht gerade einfacher, sondern eher deutlich komplexer.

Darum ist es sinnvoll,

      • sich zuerst einmal auf tatsächliche / objektive Kriterien eines Traumas zu konzentrieren, diese dann zu beschreiben,
      • um sie dann von den subjektiven Rahmenbedingungen unterscheiden zu können.

Und genau das ist jetzt einfacher gesagt als es in der Wirklichkeit so ist – denn es gibt nämlich nicht so viele konkrete / objektive Kriterien für ein Trauma! Eines der wenigen objektiven Kennzeichen wird im DSM und dem ICD als eine „Bedrohung der körperlichen Integrität“ beschrieben. Aber leider ist das für die Praxisarbeit noch nicht ausreichend genug um die gesamte Diskussion darüber, ob Borderline nun eine komplexe Traumafolgestörungen ist oder nicht, ausreichend zu beschreiben. Und beschreiben müssen wir es ja, denn ohne eine klare Definition kann ein Trauma nicht verstanden und therapiert werden! Grundsätzlich können wir mal folgende  Aussage in den Raum stellen: 
Nicht jede Borderline – Persönlichkeitsstörung ist eine Traumafolgestörung! Erst recht nicht, wenn wir einzig und allein die Definition des DSM und der ICD für ein Trauma nehmen.

Welche Traumatisierungen fehlen dann noch? Es fehlt die große Gruppe der Entwicklungstraumatisierungen in Form von wiederholter psychischer, körperlicher und leider auch sexueller Gewalt, die an den wehrlosen Kindern verübt werden. Diese Entwicklungstraumatisierungen sind in den Trauma-Kriterien nach dem DSM und dem ICD explizit NICHT enthalten, und dass, obwohl genau diese Patienten den wohl größten Teil derjenigen in den Praxen ausmachen die verzweifelt nach einem Termin und nach professioneller Hilfe suchen. Das alles ist von wirklich großer Wichtigkeit, wenn wir über Trauma-Heilung bei einer Persönlichkeitsstörung sprechen.

Auch sollte man sich fragen,

      • ob z.B. sexuelle Gewalt gegen ein Kind, nicht auch ebenso stark eine Bedrohung der körperlichen und psychischen Integrität darstellt
      • und warum dann diese Bedrohung nicht genauso klar und deutlich zu den objektiven Kriterien einer Traumatisierung gehört.

Nimmt man das alles nun ernst, dann muss man logischerweise auch die Definition von Trauma im Kindesalter um all die gemachten Erfahrungen von psychischer Gewalt und Vernachlässigung ausdehnen.

Diese Denke ist nicht neu… Sie hat sogar eine eigene Geschichte in der Psychoanalyse. Wir kennen sie z.B. von der Londoner Schule rund um den Kinderpsychiater und Psychoanalytiker John Bowlby. Hier wurde bereits in den 1950er Jahren bei den sich wiederholenden / repetitiven Bindungsschädigungen bereits von „sich immer weiter steigernden / kumulativen Trauma“ gesprochen.

Dies ist jedoch keine Einzelaussage eines engagierten Forschers. Dies wird durch viele weitere neurobiologische Studien bestätigt, die alle eines zeigen: welch große Schäden „Attachments Trauma“ oder „relational Trauma“ in dem verletzbaren kindlichen Gehirn hinterlassen. 

Solche frühen Schädigungen vernarben dann und sind bis ins hohe Erwachsenenalter nachweisbar. 

Was machen wir jetzt mit diesem Wissen?

 1.1 Eigentlich müsste nun doch alles klar sein, und der Begriff Trauma kann neu definiert werden ….

Aber viele Ärzte und auch Forscher lehnen eine solche Begriffserweiterung des Traumas kategorisch ab. Warum? Weil ich dann zu praktisch allem / beinahe inflationär sagen kann: „Er / Sie / Ich wurde traumatisiert….“ „Traumatisiert sein“ wird dann zu einem ganz alltäglichen Begriff wie z.B.

      • „Dies ist besonders schwer erträglich,
      • Es ist einfach nicht zu verarbeiten,
      • Es ist bis heute noch sehr belastend“.

Und ja, der Trauma–Begriff, der auch die Bindung – und Beziehungsschädigung in der Kindheit und Jugend einbezieht, ist tatsächlich nicht eindeutig begrenzbar. Wir befinden uns in einem echten Dilemma! ….  Was wir brauchen ist eine Begriffserweiterung – aber genau das stellt gleichzeitig eine Büchse der Pandora dar: eine Inflation des Trauma-Begriffes. 

Vielleicht könnte man dieses Dilemma lösen, indem man neurobiologische Forschungen mit in die Diagnose hineinnimmt.

Durch solche Befunde könnte man z.B. deutlich klarer abgrenzen,

      • welche Traumatisierung anschließend
      • welche nachweisbaren Schädigungen verursacht.

Das wäre mal ein erster Schritt. Anschließend könnte man dann mit diesen Erkenntnissen neue Konzepte, Begriffe und Metaphern für ein Trauma entwickeln. 

1.2 Die Abwesenheit der Eltern

Was sagt denn die Zahlenlage? Auf der Suche nach konkreten und auch belastbaren Zahlen von schwerer Vernachlässigung im Kindesalter sieht man sich in Deutschland allein auf weiter Flur… Genaue Zahlen habe ich hierzu nicht gefunden. 
Anders in den Vereinigten Staaten! Studien zeigen, dass hier bis zu 5 % aller Kinder von „Neglect“ (Vernachlässigung) betroffen sind und sie zeigen auch dass dies die häufigste Form von Kindesmisshandlung überhaupt ist.

Eine spezielle und nicht zu übersehende Form von Vernachlässigung ist

      • die „andauernde Nicht–Verfügbarkeit /
      • beziehungsweise die dauerhafte emotionale Abwesenheit“
        der wichtigsten Bezugspersonen.

Z.B., wenn die Eltern Alkohol– oder Drogenabhängig sind oder die wichtigste Bezugsperson selber an einer schweren psychischen Erkrankung (z.B. einer Psychose) leidet und dem Kind dann logischerweise nicht ausreichend Aufmerksamkeit und/oder Zuwendung schenken kann.

Und hier brauchen wir nicht herum diskutieren: Es ist bis nämlich wirklich gut belegt, dass eine dauerhafte Vernachlässigung in dieser empfindsamen / verletzbaren Entwicklungsphase der Kinder zu sehr schweren Folgeschäden führen kann.

Verhaltensexperimente mit gesunden (!) Kleinkindern zeigen, dass die Abwesenheit der nächsten Bezugsperson in einer fremden Umgebung mit starker Angst beantwortet. Wenn dies bei gesunden / nicht auffälligen Kleinkindern passiert, dann passiert dies deutlich häufiger bei denen die bereits auffällig sind! Diese Reaktion der Kinder basiert auf der natürlichen Tatsache, dass sie in freier Natur ohne ihre Mutter in akuter Lebensgefahr schweben (Hier sprechen wir von der Vernichtungsangst der Säuglingen).

Die Verlassenheitsangst eines kleines Kindes ist also eine Realangst die wir niemals übersehen dürfen! Entsprechend verletzbar sind diese Erlebnisse für das Kind, wenn sie immer wieder und auch über einen längeren Zeitraum passieren. Eine immer wieder verunsichernde oder auch fehlende Beziehung durch selber schwer belastete Eltern oder durch ständig wechselnde Bezugspersonen sind für das Kind nun mal extrem belastend. All das verhindert, dass das Kind ausreichend stabilisierende Erfahrungen von liebevoller Spiegelung durch das Gegenüber machen kann.

Diese fehlende Sicherheit versetzt es dann in einen andauernden Spannungszustand und es reagiert darauf mit unorganisierten Affekten und einem von außen nicht mehr nachzuvollziehenden Bindungsverhalten (typisch Borderline halt F60.30 und F60.31)

Ähnlich hohe Zahlen wie für die Vernachlässigung finden wir bei körperlicher Gewalt wie es z.B. durch anschreien, beschimpfen, demütigen und entwerten erfolgt. Den armen Kindern und Jugendlichen wird durch Herabsetzungen, lächerlich machen, einschüchtern oder ignorieren vermittelt,
– Du bist völlig wertlos, ungewollt und damit „zu Recht“ ungeliebt.

In der Dialektisch – Behavioralen Therapie (DBT) nennt man dies eine permanente „Invalidierung“ des Kindes: Und ja, oft sind diese Menschen später tatsächlich psychisch „Invalide / Krank / bis hin zur Erwerbsunfähigkeit“.

Durch diese psychische Gewalt entwickelt sich eine massive Störung der emotionalen Bindung an die Bezugspersonen – und als Resultat erfolgt dann:

      • ängstliches Verhalten, Misstrauen, Rückzug oder Aufsässigkeit, also Schwierigkeiten in Beziehungen generell.
      • Und eine dauerhafte starke Verunsicherung in Bezug auf den Selbstwerts und die Fähigkeit sich abzugrenzen.

Jetzt wird das Kind älter – wächst heran zum Erwachsenen. Kann man hoffen, dass sich diese „Störung“ irgendwie im Alter herauswächst? Nein! Diese Hoffnung ist so gering, dass wir sie praktisch vernachlässigen können. Die Betroffenen bleiben dauerhaft vorgeschädigt und als Erwachsener extrem verletzbar / wir nennen das Vulnerabel. Vulnerabel und anfällig für all die Dysregulationen welche wir beim Borderliner sehen.

Was ist die Hauptquelle für diese schwere emotionalen Belastungen? 
Häufig entstehen sie konkret durch Probleme in den engen / dyadischen zwischenmenschlichen Beziehungen zum Beispiel bei Konflikten und Trennungen vom Partner oder am Arbeitsplatz. Und Häufig zeigen sich bereits in der Adoleszenz / der Pubertät sehr deutliche Zeichen einer Persönlichkeitsstörung. 


Seien wir uns aber immer darüber im Klaren: Diese Störungsbilder sind immer nur die Bewältigungsversuche oder Reaktionen auf die durch das Trauma entstandene Problematik. Sie sind nicht willentlich einstudiert, sondern sie sind der Versuch des Überlebens in einer traumatisierenden Umgebung

 

Teil (2) Trauma oder Borderline – Ist das für eine Diagnose wichtig?

Liegt bei einem Borderliner zusätzlich noch die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung (PTBS) vor, dann kann man recht sicher auch von einer Trauma-Ursache für das Störungsbild „Borderline“ ausgehen! Das hört sich zwar logisch und zwangsläufig an, muss aber aktuell immer noch ausdrücklich erwähnt werden – damit es in den Köpfen der Therapeuten auch fest verankert ist!

Typische bei den Betroffenen ist hier das immer wieder Durchleben der traumatischen Situation zum Beispiel in Form von Intrusionen (also den nicht gewollten Erinnerungen) oder Albträumen. Und tatsächlich haben wir eine riesige Überschneidung zwischen der Diagnose Borderline und PTBS: Wir haben hier Komorbiditätsraten (Begleiterkrankung) von über 60 %.

Weitere Überschneidungen sind z.B.

      • Angststörung
      • depressive Störung
      • und Dissoziative Störungen.

Teil 2.1 Die komplexe posttraumatische Belastungsstörung (KPTBS)

Gleich vorneweg: Wir sollten stets eine Unterscheidung machen zwischen Borderline mit einer PTBS und denen ohne begleitende PTBS.

Das ist in zweifacher Hinsicht wichtig:

      1. aus neurobiologischer Sicht
      2. aber auch aus der Praxis heraus!

Warum ist dies so wichtig? Nun, Patienten mit einer Borderline – Persönlichkeitsstörung die auch noch an einer komorbiden PTBS leiden, sind deutlich komplexer in der Behandlung als diejenigen ohne diese Zusatzbelastung! Was wir brauchen ist ein praxisbezogener Vorschlag, um eine Differenzialindikation zu stellen / um später dann zu unterscheiden, welche (!) traumatherapeutische Therapie bei Patienten mit Persönlichkeitsstörungen angeboten werden kann. Bislang sprechen wir ja von Traumatherapie als eine Einheit…

Wir brauchen also so etwas wie eine eigene Diagnose-Kategorie / Diagnose-Abstufung für die vielen typischen aber auch sehr unterschiedlichen Symptomen die wir nach den kindlichen Traumatisierungen so alle sehen.

Eine Pionierin auf diesem Gebiet veröffentlichte im Jahre 1976 veröffentlichte ein wirklich wegweisendes Buch für die Behandlung schwerer Traumen mit dem deutschen Titel: „die Narben der Gewalt“. Es handelt sich hierbei um die amerikanische Traumaforscherin Judith Hermann. 
Sie entwickelte eine heute immer noch aktuelle Einteilung der Folgen von Traumatisierungen durch sexuellen Missbrauch, Vernachlässigung und Misshandlung in der Kindheit. Sie war praktisch die erste die z.B. die Bezeichnung „komplexe posttraumatische Belastungsstörung“ vorschlug um das Problem einmal aus dem diffusen Nebel heraus zu holen und klarer einzugrenzen.

Dieses Bild der K-PTBS zeigt sich – nach ihren Beobachtungen – in folgenden Merkmalen:

      • Störungen der Affektregulation
      • Dissoziative Symptome
      • Eine gestörte Selbstwahrnehmung
      • Störungen der Sexualität und Beziehungsgestaltung
      • Somatoforme Körperbeschwerden
      • Veränderungen von Glaubens–und Wertvorstellungen

Dieses Konzept der K-PTBS wurde dann später rund um Judith Hermann und Bessel van der Kolk ausgearbeitet. Nach sehr ausgedehnten Praxis-Studien wurde anschließend die Empfehlung ausgesprochen, die K-PTBS unter dem Akronym DESNOS (Disorders of Extreme Strees not Otherwise Specified) als diagnostische Kategorie in das DSM aufzunehmen – der Ritterschlag für diese Studien. 
Der DSM ist nämlich das „Diagnostic an Statistical Manual of Mental Disorders“ Das Klassifikationssystem / die Bibel / der Heilige Gral der Psychiatrie. Es wird seit 1952 von der APA herausgegeben. 
Der Begriff DESNOS wird im amerikanischen Sprachraum gleichgesetzt mit dem Begriff K-PTBS.

Wenn ein Patient nun mit einer K-PTBS diagnostiziert wird, dann hat dies auch eine direkte Auswirkung für die weitere Behandlung: Durch diese gezielte Diagnose können anschließend auch gezielte stabilisierende und ganz besonders auch Ressourcen-fördernde Maßnahmen eingesetzt werden. All das hatte man vorher nicht so klar „auf dem Schirm“.

Wie kann man z.B. eine K-PTBS ermitteln?

Nun, ebenso wie jede Therapie nach einer klaren Struktur durchgeführt wird, so muss zuerst auch die Diagnose strukturiert durchgeführt werden – ansonsten wäre ja bereits das Fundament brüchig. In diesem Falle bedient man sich des I-KPTPS. Dies ist ein strukturierter Interview-Katalog in welchem durch klare Fragen dann die Antworten des Gegenübers ausgewertet werden. Solch eine umfangreiche Diagnose – er beinhaltet über 40 Fragen mit weiteren Zusatzthemen – zeigt auf, das die Probleme durch die K-PTBS extrem unterschiedlich bei den Betroffenen ausfallen können.

Und genau diese Vielfalt an Beschwerden begreift ein Außenstehender oft erst nachdem man diese sichtbaren Symptome – welche die Außenwelt fälschlicherweise als Störung bezeichnet – nun richtigerweise als Anpassungsstrategie und Bewältigungsmuster von Regulationsdefiziten, Ängsten und traumatischen Erfahrungen erkennt.

Aus der Betroffenen-Sicht wirkt die Umwelt – gerade wegen der erlebten Traumen – nämlich total unsicher. Für ihn lauern überall die tödlichen Gefahren.

Hierzu ein Beispiel aus der Somatik: 
Ein Tumorpatient – der bereits stark in seinen Ängsten beansprucht wurde – reagiert auf kleine und vielleicht harmlose Schmerzen oft mit der Angst vor einem Rezidiv. Diese Angst ist für ihn dann natürlich mehr als überwältigend, weil er das Gefühl hat, das alles überhaupt nicht mehr alleine bewältigen zu können. Wegen dieser negativen Erfahrungen ist es dann auch klar, dass sich dadurch immer stärker Misstrauen, Ängste, Kontakt – und Beziehungsschwierigkeiten bei den Betroffenen entwickeln. Das kann sich dann so sehr steigern und praktisch Lebensbereiche umfassen, dass sie als schwere psychische Erkrankung / oft sogar als Persönlichkeitsstörung von Außenstehenden wahrgenommen werden. 

Teil (2.2) Überschneidungen bei Borderline –und der K-PTBS.

Zwischen Borderline und der K-PTBS gibt es sehr viele Überschneidungen – was eine Unterscheidung etwas komplexer aber nicht unmöglich macht. Bei einer Meta-Studie wurden diese Diagnoseüberschneidungen einmal gezielter untersucht, mit dem Ziel diese irgendwie voneinander abzugrenzen – falls das überhaupt möglich ist. 
Das Ergebnis:
80 % der diagnostizierten Borderliner erfüllten gleichzeitig die Diagnose-Kriterien für Borderline UND einer komplexen PTBS. Fast alle (96 %) der Borderline–Patienten berichteten über traumatische Erfahrungen in ihrer Kindheit, wie z.B. Vernachlässigung, körperliche und/oder sexualisierte Gewalt. Diese Daten wurden erhoben mit dem TAQ (Traumatic Antecedents Questionnaire – Dem Fragebogen zu traumatischen Vorgeschichten).

Diejenigen, welche die Kriterien einer K-PTBS erfüllten, berichteten deutlich häufiger von sexuelle Traumatisierungen (23 % versus 48 %) und körperliche Gewalt Erfahrungen (50 % versus 70 %),

Was sagt uns das? Es zeigt uns, dass die Diagnose einer K-PTBS deutlich häufiger

      • mit Traumatisierungen in der Kindheit nach der Beschreibung eines Traumas durch den DSM und ICD in Verbindung steht
      • als z.B. bei einer Borderline Diagnose.

Und was ist jetzt richtig? 

Die Diagnosen Borderline und K-PTBS überschneiden sich so häufig, dass es praktisch unmöglich ist, sie durch reine Statistiken voneinander zu unterscheiden. 
In einer Diskrimininanz-Analyse konnte man zumindest die beiden Variablen

      • „intensive Gefühle von Ärger“
      • und „und stabile Beziehungen“
        mit 95 % als deutliche Zeichen einer Borderline – Persönlichkeitsstörung erkennen. Und solch eine Aussage passt auch gut zu dem was in der klinischen Praxis zu beobachten ist: 

        dass ein Borderliner viel häufiger im zwischenmenschlichen Bereich seine Affekte auslebt und dadurch mit Problemen in Kontakt kommt.

Teil (3) K-PTBS und Borderline: Eine Störung aber zwei Gesichter

Wenn es so viele Überschneidungen gibt, dann liegt der Verdacht nahe, dass beide Diagnosen eine gemeinsame, durch Trauma ausgelöste Ursache haben.

Genau diesen Vorschlag machten verschiedene Forscher, die sowohl bei sexuell traumatisierten Frauen als auch bei Kriegsveteranen – zwei ganz unterschiedliche Typen einer PTBS vorfanden:

      1. die externalisierende und
      2. die internalisierende PTBS.

Mal wieder zwei Fachbegriffe:

      • Externalisierend
      • Internalisierend…

Internalisierendes Verhalten bedeutet:

      • Fast nur auf das eigene Selbst gerichtetes Handeln
      • unsicheres, depressives, ängstliches, reizbares Verhalten und auch ein sozialer Rückzug
      • Das Risiko für die Entwicklung von Angststörungen und Depression, Einsamkeit, und Selbstwertproblemen
      • Diese Menschen fallen wenig er auf und werden deshalb auch häufiger übersehen
      • Internalisierende Symptome entsprechen depressiven Reaktionen, Selbstverletzungen, Dissoziative Symptome und auch ängstlichem Vermeidungsverhalten oft von sozialem Rückzug begleitet.

Externalisierendes Verhalten

      • Hypermotorik, Unruhe, „sensation seeking“, verbale/körperliche Aggression, emotionale Ausbrüche, Probleme mit der Impulskontrolle („sie explodieren leicht“)
      • Hohes Risiko für die Entwicklung von ADHS, Verhaltensstörungen und Dissozialität
      • In ihrem Verhalten fast nur nach außen gerichtet, Sie fallen schnell auf, finden schnell die Aufmerksamkeit von Eltern, Lehrern und auch bei Erwachsenen in der näheren Umgebung
      • Externalisierende Symptome sind durch Impulsivität, Substanzmissbrauch und Charakterzüge einer Cluster – B – Persönlichkeitsstörung gekennzeichnet.

Borderline würde man darum eher als externalisierende Variante einer komplexen Traumafolgestörung verstehen. 
Andererseits entspricht die von Judith Hermann vorgeschlagene Diagnose einer K-PTBS der Internalisierenden Variante einer Traumafolgestörung.

Darum ist es nur absolut konsequent, die Diagnose einer Entwicklungstraumafolgestörung (Develop Mental Trauma disorder), egal ob externalisierend oder internalisierend, in das Kinder–Jugend–Kapitel des DSM mit einzubinden. Dieses Unterscheiden einer K-PTBS in eine externalisierende und in eine internalisierende Variante ist auch genau das, was in der klinischen Praxis beobachtet wird. In der Praxis sieht man nämlich immer wieder diese Mischformen zwischen den beiden Extremen einer internalisierenden und einer externalisierenden Variante – die sich beim selben Patienten sogar immer wieder abwechseln kann – typischerweise wenn auch starke dissoziative Symptome vorhanden sind.

Andere Forscher unterscheiden noch zwischen einer Auto– und einer fremdaggressiven Ausprägung – aber das führt nun doch zu weit in dieser Abhandlung 

Teil (4) Welche Konsequenzen hat das alles für die Behandlung von traumatisierten Borderline-Patienten?

Am besten eignet sich eine spezielle, auf das Trauma und seine (!) Symptome ausgerichtete Psychotherapie. Dies trifft ganz besonders auf die Therapie von Borderlinern mit frühkindlicher Traumatisierung zu, die entweder an einer K-PTBS oder an einer komorbiden PTBS leiden.

Die Traumatherapie von Borderlinern muss sich künftig einer ganz konkreten Problematik stellen: Und zwar dass bei diesen armen Menschen, beide zentralen Stressbewältigungssysteme schwer geschädigt sind:

      • das Bindungs–Panik–System und
      • dass Furcht–Kognitions–System.

Solche Störungen der Bindungsfähigkeit stören in der Therapie auch den so wichtigen Aufbau einer stabilen, vertrauensvollen, belastbare Arbeitsbeziehung. Störungen durch ein Trauma belasten außerdem die kognitiven, verstandesbezogenen Verarbeitungsmöglichkeiten.

      • Im Hochstress / unter Maximalbelastung kann man einfach nicht vernünftig denken.

Das ganz große Dilemma all dieser Probleme folgt auf dem Fuß: Rein biologisch findet – während wir uns im „Trauma-Modus“ befinden – eine emotionale Konditionierung in der Amygdala statt…

      • Sinnesreize welche üblicherweise über den Thalamus laufen,
      • die emotionale Bewertung über das limbische System (insbesondere von der Amygdala)
      • und die Zusatz- Informationen (über den Hippocampus)
        werden synaptisch in unserem Gehirn buchstäblich dauerhaft pathologisch zementiert und verschweißt.

Das führt dann zu weiteren hochproblematischen Therapieproblemen… Einerseits ist es rein biologisch z.B. nicht möglich,

      1. regressive Zustände therapeutisch überhaupt zu behandeln, ohne die durch die Regression verursachten Symptome einer PTBS abschwächen zu müssen.
      2. Andererseits ist es aber auch unmöglich, die in der Kindheit und Jugend entstandenen Symptome einer PTBS ins geschädigte Wachbewusstsein zu integrieren, ohne die aufkommende Altersregression / der Rückfall in weit zurückliegende Situationen vernünftig zu behandeln.

Jedes Problem einzeln für sich betrachtet ist schon belastend genug. Diese Doppelbelastung ist jedoch wie ein Gordischer Knoten. Zum Glück hat man sich mit diesem Thema in den vergangenen Jahren besonders intensiv auseinander gesetzt und es sind viele Fortschritte seitdem erzielt worden. Wurden noch vor 15 – 20 Jahren die Therapie von Realtraumata bei Borderline–Patienten nur an sehr wenigen Kliniken durchgeführt, so wächst die Kompetenz sowohl von Kliniken als auch niedergelassenen Therapeuten in diesem Thema immer mehr an. 

Zusammenfassung

Traumatisierungen in der Kindheit mit extremer Vernachlässigung und psychischer Gewalt, sind hochgradig verantwortlich für die Entstehung von Borderline.

Patienten mit einer Borderline–Persönlichkeitsstörung und zusätzlich einer begleitenden Traumafolgestörung profitieren immer mehr von den neuen psychotherapeutischen Behandlungsmaßnahmen, die nun ganz gezielt an den Symptomen der Traumatisierung ansetzen – und nicht mehr nur die Affekte der Störung verringern wollen.

Dies hilft besonders effektiv wenn zusätzlich noch dissoziative Symptome in dem Störungsbild auftreten.

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Erziehung oder Beziehung?

Es ist besser, bei der Entwicklung eines Menschen nicht von einer Erziehung zu sprechen, sondern von einer Beziehung. Der Unterschied hört sich nur sehr klein an, hat aber eine umso stärkere Wirkung und Aussagekraft:

      • Erziehung ist das Verhältnis zwischen einem Subjekt und einem Objekt (Führung durch die Eltern, die Umgebung). Das Subjekt führt das Objekt (das Kind)
      • Eine Beziehung andererseits ist geprägt durch eine Wechselwirkung zwischen zwei Subjekten die auf Augenhöhe miteinander interakgieren.

Aber: können Babys / Säuglinge / Kleinkinder Ihre Eltern denn wirklich wechselseitig beeinflussen? Oh ja! Denn ein Kind macht aus dem Mann allein durch seine Anwesenheit / sein Leben einen Vater und aus der Frau eine Mutter. Jeder der diese Umwandlung selber schon mal erlebt hat, weiß wie stark diese Veränderung ist. Darum können wir wirklich eher von einer Beziehung als von einer ER-ziehung sprechen. 

Die Beziehungsqualitäten

Die Qualität dieser Beziehung ist wohl das wichtigste Element in der Entwicklung eines jungen Menschen.

Denn, warum fühlen sich immer mehr Menschen ausgegrenzt, oder sogar verloren in ihrem Leben, wenn andere Menschen unter weitaus widrigeren Umständen wie Hunger, Krieg, Naturkatastrophen immer noch einen Sinn im Leben sehen? (siehe Viktor Frankl – Trotzdem Ja zum Leben sagen“)  Es gibt mehrere typische Beziehungseinflüsse welche im guten und im schlechten auf einen jungen Menschen einwirken:

Lass uns diese nach mütterlichen und nach väterlichen Beziehungs-Angebote trennen:

2.1 Mütterliche Beziehungen sind zum Beispiel:

      • Eine Bedrohung (Ich will dich gar nicht)
      • Die Annahme als Gegenpart: (Du bist mir willkommen)
      • Der Freiheitsentzug – Die Mutter verlangt, alles von ihrem Kind zu wissen, beansprucht es für sich wie ein Vampir und saugt seine Vitalität in sich auf da sie selber nicht genug genährt wurde.
      • Beziehung im Mangel: das Kind wird nicht ausreichend geliebt weder durch genügend Zeit noch durch ausreichend Liebe. Dieser Mangel ist die typische Quelle für eine spätere narzisstische Störung. Denn das in sich leere Ich schreit permanent nach der Aufmerksamkeit seiner Umgebung.
      • Die Beziehungs-Vergiftung: Das Kind muss immer das spüren, was die Mutter braucht! Es ist gezwungen, sich immer nach außen zu orientieren und kann sich nicht auf seine eigenen individuellen Orientierungen konzentrieren.

2.2 Väterliche Beziehungen

      • Durch Liebe – die wohl beste Form des Beziehungsangebotes
      • Durch Terror: Dies ist der Vater der das Kind nicht lieben will
      • Durch Erpressung: Das Kind soll tun was der Vater will. Wie eine kleine Stahlfeder die durch zusammenpressen irgendwann ermüdet.
      • Durch eine ungesunde Freiheit: der Vater lässt das Kind komplett frei. Hier denke ich an eine Feder. Ohne Führung / Lenkung springt sie unkontrolliert weg
      • Durch eine Flucht vor einer Beziehung: Der Vater möchte sich nicht für sein Kind interessieren, geschweige denn einsetzen
      • Durch Förderung: Der Vater versucht, das Kind nach seinen Möglichkeiten zu unterstützen
      • Durch Missbrauch: Dies ist ein vampirhaftes aussaugenden Verlangen, dass das Kind den Vater stolz machen soll und nicht umgekehrt der Vater das Kind.
      • Durch Verständnis: Verständnis ist die Fähigkeit die Grenzen der Kinder zu erkennen und diese auch zu akzeptieren. 

Die Macht des ersten Einflusses

Der starke Einfluss dieser frühen ersten Beziehung zwischen einem Kind und seinen Eltern wird durch folgenden Fakt vielleicht noch deutlicher:

Wir Menschen bestehen in unserem Verhalten aus 3 Dimensionen:

      • Temperament (40%
      • Charakter (40)
      • Persönlichkeit (20)

Wenn die kleine Persönlichkeit (20) aufgrund der Gene / dem Temperament (40%) bereits in Richtung Vulnerabilität beeinflusst ist und dann durch das große Aussen (40%) dem Charakter in Richtung Störung gedrängt wird, wie soll sich da dann noch eine gesunde Psyche entwickeln? Diese erste Beziehung mit den eigenen Eltern – in der ersten Lebensphase des Kindes, bestimmt praktisch seine gesamte weitere Entwicklung. Diese Beziehung ist so prägend für unsere Persönlichkeit-Struktur, dass sie nach den ersten drei Lebensjahren bereits komplett ausgeformt ist.

Mit welcher Wirkung?

All das bewirkt, dass sowohl die positiven als auch die negativen Beziehungsangebote von den Eltern das Kind so intensiv prägen, des es sich später genauso verhalten wird, wie sich seine Eltern ihm gegenüber verhalten haben – sein Verhalten ist also der Spiegel des Verhaltens seiner Eltern.

Nehmen wir uns mal verschiedene Verhaltensbeispiele der Eltern vor

      • Bei einer bedrohlichen Mutter – Kind – Beziehung: Für das Kind ist die Welt dann grundsätzlich immer bedrohlich.
      • Bei einer Mutter-Besetzung: ich bin ausgeliefert den äußerlichen Einflüssen.
      • Bei einem Mangel in der mütterlichen Zuwendung: ich muss mir diese Zuwendung / diese Liebe als Kind verdienen. 
        Dieses „Ich muss mir Liebe verdienen ist ein ganz problematischer Gedanke, denn Liebe sich verdienen, das ist praktisch nicht möglich!
        Echte Liebe kann man nur geschenkt bekommen! Verdienen kann man sich durch Leistung lediglich einen gewissen Erfolg – aber niemals Liebe.
      • Bei einer „Mutter-Vergiftung“: Ich bin und bleibe abhängig von den äußeren Bestätigungen. 
        Dies geschieht, weil ich in meiner Entwicklung selber nie die Möglichkeit hatte, mich aus mir selbst heraus als „gut“ zu bestätigen – Ich war vielmehr gezwungen, meine Mutter zu bedienen. Sicherlich ein vergiftetes Verhältnis.
      • Bei einem Terror durch den Vater: Ich darf mich nicht frei entfalten. Ich bin und bleibe gehemmt.

        Mir kommt da ein erfolgreicher Unternehmer in den Sinn. Für den war es immer klar, dass seine Söhne in seinen Betrieb einsteigen und diesen auch später einmal führen.
        Er konnte aber niemals richtig aussteigen und hat immer seine Meinung / seinen Charakter mit involviert.
      • Bei Vater Erpressung: Ich muss gehorchen, sonst …. geht es mir nicht gut. Stell Dir die Ausweglosigkeit eines kleinen Jungen / eines kleinen Mädchens vor. Für sie gibt es keine Handlungsalternativen. Wie verzweifelt müssen sie doch sein mit ihrem Leben.
      • Wenn der Vater vor seiner Verantwortung geflohen ist: Das zeigt dann den Gedankengang, das alles hat doch keinen Sinn… Es lohnt sich überhaupt nicht, sich überhaupt anzustrengen.
      • Bei einem geistigen Missbrauch durch den Vater:  Ich kann einfach machen was ich will, es ist doch irgendwie nie genug.
        Es gibt praktisch keinen Moment, wo das Kind mal sagen kann: Ich habe die Erwartung an meine Umgebung und mich erfüllt.

Diese ganzen negativen Erziehungseinflüsse führen dazu, dass das Kind sich selbst niemals wirklich findet. Wir sennen dies eine Selbst-Entfremdung – obwohl dieses Wort in sich nicht ganz korrekt ist. Wenn ich mich entfremde, dann müsste ich doch wenigsten einmal mit mir eins gewesen sein. Das ICH entwickelt sich jedoch erst in den ersten 3 Lebensjahren indem das Kind durch die Spiegelung seiner Umgebung erkennt, wer es selber ist – seine Stärken und Schwächen. Indem es spürt, angenommen zu werden, so wie es ist.

Durch die angesprochenen negativen Einflüsse auf das Kind,  

      • kann es nun aber keine gesunden eigenen Erfahrung darin machen, wie es wirklich sein oder werden kann.
      • Es kann sich nicht selbst entfalten.
      • Es wird eingeschränkt eingeschüchtert und hat Defizite in seinen Möglichkeiten.

Wie will man damit überhaupt ein natürliches und freies Leben erleben??? 

Handlungsstrategien gegen einen
negativen Mutter- / Vater-Einfluss

Typischerweise versuchen wir diesen Einfluss durch drei Strategien auszugleichen:

      • Kompensation
      • Anpassung
      • Regression

      • Kompensation:

Mit der Kompensation meinen wir in der Psychologie – nach Alfred Adler – eine Strategie in der man versucht, eine Minderwertigkeit auszugleichen.

Diesen Ausgleich könnte man erreichen, indem man recht schnell lernt was man tun muss um die Gnade der Eltern, später der Erzieher oder noch später die der Gesellschaft zu bekommen.

Was muss man angeblich tun um diese Gnade zu erhalten?
— Leistung, Leistung und nochmals Leistung scheint das Zauberwort hierfür zu sein. Leistung ist eine der am häufigsten verwendeten Kompensation in der heutigen Zeit. Vor allem einen Liebesmangel versuchen wir dadurch immer wieder auszugleichen. Oder warum lenken wir uns immer mehr durch Handy, PC, Fernsehen von unserem Inneren ab? Durch dieses Ablenken verlieren wir sämtliche Orientierung auf unsere inneren Werte.

Und diese dann folgende Orientierungslosigkeit ist ein Kernmerkmal unserer heutigen Zeit – und wozu führt diese dann? 
In einem alten Buch mit Zitaten eines weisen Königs steht: „Wo es keine Vision gibt, wird das Volk zügellos“ Und was passiert, wenn die Zügel an einem Pferd losgelassen und das Tier vor einer Gefahr wegrennt? …

Leistung ist aber nicht die einzige Kompensation in unserer heutigen Zeit: Viele Menschen haben gelernt den Schmerz vor einer Entfremdung z.B. durch ein zu viel an Alkohol, Rauchen, Medikamente oder auch mit der erwähnten Arbeit zu betäuben.

Jeder Mensch findet seine eigene Form der Kompensation aufgrund der Art und der Intensität der erlebten Entfremdung. Die Kompensation ist ja nichts anderes als eine „Überlebensstrategie! Wir kennen hier den Begriff der persönlichen Logik: jeder Mensch hat seine eigene persönlich private Logik, seine eigene Erkenntnis über die Gesellschaft und die Werte, welche sie zusammenhalten.

Und schauen wir uns mal genau diesen Wert unserer uns umgebenden Gesellschaft an: Haben wir wirklich eine plurale Gesellschaft mit Meinungsfreiheit?

4.2 Anpassung

Wenn ja, dann gibt es auch millionenfach andere private Logiken die für sich selber betrachtet, vielleicht auch recht extrem sein können.
Das aber wäre an sich noch nicht besonders problematisch für eine Gesellschaft. Denn diese Vielfalt der einzelnen Logiken gleicht eventuell existierende Extreme wieder aus.

OK, das war jetzt eine vielfältige und pluralistische Gesellschaft – auf der anderen Seite steht dann aber die eingeengte diktatorische Gesellschaft:

      • Dann haben wir keine Vielfalt mehr sondern wir sprechen hier dann eher von einer Einfalt.
      • Es handelt sich um eine Fokussierung auf eine einzelne konkrete Denkweise.
      • d.h. von einer Kollektivierung der privaten Logiken.

Stellen wir uns doch mal eine aktuelle Gesellschaftskrise vor…
Das ist nicht schwer, denn es gibt leider immer mehr Krisen / Störungen in Bezug auf die Umwelt, Klima, soziale Gerechtigkeit, Gerechtigkeit, Wassermangel, Hunger, Seuchen ect. Man kommt kaum aus dem Aufzählen hier heraus.   Unsere Gesellschaft befindet sich immer mehr in einer pathologischen / krankhaften Fehlentwicklung.

Und da dies zum ersten Mal in der menschlichen Geschichte überhaupt möglich ist, dass alle Menschen (!) – global betrachtet – hiervon betroffen sind, könnten wir sagen, wir befinden uns in einer krankmachenden Normierung – denn auf einmal müssen alle Menschen gleich sein.

      • Momo die grauen Männer
      • George Orwell 1984
        kommt mir hier spontan in den Sinn.

Was bedeutet nun diese krankhafte Normierung?
Es sagt nichts weniger aus, als dass das Normale nicht normal sondern pathologisch / also krank ist Das „Normale“ wird dann nicht mehr als störend empfunden – weil es ja die Mehrheit als normal und richtig empfindet. Der einzelne Mensch denkt sich dann: Dieses oder jenes Verhalten muss doch richtig sein – denn alle denken doch so.

Hinzu kommt, dass wir als soziales Wesen unbedingt auch zu einer Gruppe dazu gehören wollen.

Wir alle brauchen soziale Verbundenheit: ich werde akzeptiert, bestätigt, gemocht… und ich gehöre dazu. Auch möchte jeder von uns das Gegenteil verhindern: Niemand von uns möchte nämlich ständig ausgegrenzt, beschimpft oder ausgestoßen werden.

Die Gefahr, dass dies einem passiert führt logischerweise und zwangsläufig zu einer dauerhaften und krankmachenden Angst. Denn: zwischenmenschliche Nähe ist ein menschliches Grundbedürfnis.

Was aber hat dies alles mit unserem Thema zu tun?
Das Thema: Die Spaltung des Borderliners spiegelt die Spaltung unserer Gesellschaft wider!?

Die gleichgeschaltete / Angepasste Gesellschaft ist eine gespaltene Gesellschaft – Gespalten in das „Gute“ und in das „Böse“  Spaltung / Anpassung

Gut und Böse sind grundsätzlich erst einmal Adjektive in unserer Sprache. 
Gut hat die Bedeutung von passend, geeignet und für etwas tauglich zu sein. Es hat also niemals die Bedeutung des „allein selig machenden Etwas“ sondern es ist passend.

Böse ist eine moralische Bewertung im Sinne von dem germanischen Grundwort „bausja“ was gering, schlecht bedeutet. Es ist etwas was die Norm nicht erfüllt. In einer Gesellschaftskrise wie der Aktuellen geht momentan augenscheinlich die „Denk-Vielfalt“ einer ganzen Gesellschaft verloren.

Diese Vielfalt weicht vor einer Angst aus – wobei wir wissen, das Angst von dem althochdeutschen Wort „anghu / angust / beengend“ her ableitet. Was engt uns denn in unserer aktuellen Krisenthematik immer mehr ein?

Bevor ich mich hierzu äußere, möchte ich noch ein klares persönliches Statement abgeben: Ich bin und bleibe zu 100% politisch neutral! Das was ich hier beschreibe, ist lediglich eine Betrachtung aus psychologischer Sicht. Eine politische Aussage zu treffen, steht mir ganz und gar nicht zu.

Jedoch beobachte ich aktuell einen sich verstärkenden Trend nach politischer Korrektheit der sich in einem immer deutlicheren Mainstream in den Medien zeigt. Normalerweise sollte dieser Mainstream an sich eine Orientierungshilfe sein, um sich als Einzelner in einer neuen, noch unbekannten und damit einer unsicheren Situation zurecht zu finden.

Was wir heute aber beobachten können ist vielmehr ein Zwang nach Uniformität: wer sich nicht mehr politisch korrekt verhält wird beschimpft, bedroht, gemobbt und ausgegrenzt.

Das ist ein deutlicher Trend dafür, dass wir als Gesellschaft in einer Krise angekommen sind und die Vielfältigkeit verschiedener Denkrichtungen nicht mehr leicht akzeptiert werden kann. Die Menschen fangen immer mehr an, sich an der Meinung der Mehrheit zu orientieren – Stichwort Spaltung. Man gibt eigene private Lebenseinstellungen zunehmend auf um im Schatten einer großen Mehrheit relativ unauffällig weiter leben zu können.

4.3 Die Regression

Das führt bei vielen Menschen zu einer Regression. Unter Regression verstehen wir einen Rückfall auf einfache, primitive seelische Kompensationen und Abwehrmöglichkeiten.

Und eine der häufigsten Formen der Regression ist und bleibt die Spaltung. Eine seelische Spaltung meint immer, dass die Menschen nicht mehr die Möglichkeit haben ihn sowohl als auch zu denken.

Aber sowohl die eigene Meinung kann richtig und falsch sein aber auch die andere Meinung. Dies ist auch wissenschaftlich völlig korrekt – denn zu einer Sache kann man immer sowohl PRO als auch CONTRA sein. Bei einem Pro und Contra können beide Seiten immer teilweise recht oder unrecht haben.

Es gibt einfach keine einmalige Wahrheit – zu keinem menschlichen Thema. Mit einer Spaltung, geht jedoch diese wunderbare Fähigkeit in einem Spannungsfeld unterschiedlicher Meinungen leben zu können völlig verloren. In ihr gibt es dann entweder nur noch ein entweder / oder – ein links oder rechts – oder ein böse oder gut.

Das Problem dabei ist jedoch, das unsere Lebenserfahrung nicht immer so eindeutig mit richtig oder falsch zu beschreiben ist. In unserem Leben zeigt jeder Mensch sowohl gute auch böse Anteile.

Mit der Spaltung geht genau diese realistische Sichtweise verloren. Mit der Spaltung ist fast zwanghaft eine seelische Verpflichtung verbunden, die eigenen inneren Anteile – die nicht mehr gewünscht oder erlaubt werden – aus dem eigenen Blickfeld abzuspalten.

Dieser Blick muss dann neu ausgerichtet werden – und zwar auf das, was die Masse der Gesellschaft für Richtig hält.

Ein Beispiel: Werde ich z.B.  gezwungen, mich künftig nur noch gut, brav und angepasst zu verhalten – dann muss ich ja die anderen (nicht guten) Seiten von mir logischerweise unterdrücken. Die Folge davon ist, dass ich jeden Menschen der sich nicht so angepasst hat wie ich, als Bedrohung empfinde und ihn anfange zu befeinden.

So etwas erleben wir gerade in der aktuellen Corona-Debatte: Allein beim Thema „Gesichtsmaske ja oder nein“ wird man schon bedroht wenn man nicht dem allgemeinen Mainstream entspricht.

Mit diesem Beispiel können wir sehr gut den Mechanismus einer Gesellschafts-Spaltung erklären.

Spaltung steht immer in Verbindung mit einer Unterdrückung eigener nicht mehr akzeptierter innerer Werte / Vorstellungen. Das führt dann zwangsläufig in eine Feindseligkeit: Die Eigenschaften die man selber als falsch ansieht werden dem Anderen angedichtet und dadurch wird er schließlich zum Feind und zum Gegner. Das ist die ureigene Psychodynamik des Denkens in Feindbildern jeder gesellschaftlichen Krise. So wurden und so werden in einer Gesellschaft die Feindbilder immer aus einer Spaltung heraus erschaffen:  Da gab es immer wieder den Erzfeind, den Klassenfeind oder den Juden als Feindbild.

Und heute entspringen aus diese Projektionen von Verschwörungstheorien die Koalitionen von Rechtsextremen die alleinig die bösen sind – denn der Rest der gespaltenen Gesellschaft sind ja die „Guten“. 

(5) Diese Entwicklung kennen wir aus der Gruppendynamik.

Ein Gruppen-Dynamiker unterteilt eine Gruppe in ganz typische soziale Position nach einer gewissen Gesetzmäßigkeit:

      • Die Alphapositionen sind die Anführer.
      • Die Betapositionen sind die Mitläufer.
      • Mit Gamma bezeichnen wir die Experten.
      • Dann gibt es noch die Omega-Positionen – diese verkörpern die Außenseiter. Die Außenseiter – das ist jetzt interessant – sind die nicht Gewollten, die Beschimpften, die Ausgegrenzten.

Man könnte eigentlich über diese Position sehr kritisch denken, sollte sie aber als die wichtigsten Personen in einer Gruppe betrachten! Warum? Weil das Omega genau das verkörpert was die Anderen nicht mehr sehen wollen. Und genau das ist aus therapeutischer Sicht das Wesentliche in einer Gesellschaft! Gerade diese Dinge – auf die der Omega immer wieder wie mit einem Finder in der Wunde hinweist – müssen aufgedeckt, verstanden und müssen auch in der Gesellschaft integriert werden.

Auf unsere aktuelle Krise angewendet (in Verbindung mit Corona) dann sind die Verschwörungstheoretiker – wohlgemerkt rein aus psychologischer Sicht – die wichtigsten Menschen! Sie bringen nämlich etwas zum Ausdruck, was von der Mehrheit nicht mehr gesehen werden will. Sie arbeiten also gegen eine Spaltung an indem sie die Diversität / die Vielfalt fördern. Und das, egal (!!!) ob ihre Meinung nun die richtige ist oder nicht!

Nochmals: Dies ist kein politischer Artikel! Es geht um die Mechanik / um den technischen Ablauf einer Gesellschaftsspaltung – es geht nicht um die thematischen Inhalte. 

Wenn man also verstehen möchte was hinter den Fassaden einer Gesellschaft vor sich geht dann sollte man vor allem die Verschwörungstheoretiker betrachten sich mit ihnen eingehend auseinandersetzen Was sie eigentlich zu sagen haben und was man von Ihren Aussagen nicht wahrhaben will.

Mir kommt da gerade eine Situation von Frank Elstner (Wetten dass) in den Sinn als eine Gruppe von Umweltaktivisten im Dezember 1984 in Bremen auf der Bühne ein Banner ausrollen wollten. Anstatt diese von der Bühne zu jagen hat er ihnen kurz das Wort gegeben, einen Vorschlag zum Frieden unterbreitet und konnte dann in Ruhe mit dem Programm fortfahren

Spaltung ist immer ein klares Anzeichen für eine Gesellschaftskrise. Zwar leben wir schon immer – seit es Menschen gibt – in Spaltungen… Wir kennen die Spaltung zwischen Arm & Reich, Alt und Jung, Mann und Frau. Darüber hinaus müssen wir jedoch einsehen, dass die aktuelle gesellschaftliche Spaltung immer heftiger wird:

      • Politisch haben wir in den letzten Jahren deutlich mehr Spaltungen durch die Migrationspolitik erfahren.
      • Auf das Klima bezogen spaltet eine weltweit bedrohliche Frage immer mehr die Gesellschaft:
        sind die Klimaprozesse Menschen gemacht oder nicht? Da sind wir extrem gespalten als Gesellschaft!

      • Und in Bezug auf Corona gehen wir jetzt ebenfalls auf einen Höhepunkt der Spaltung zu… Unsere Gesellschaft wird immer mehr gespalten in diejenigen, welche die Corona-Maßnahmen gut finden und diejenigen, welche sie als hoch problematisch ansehen. Die einen tragen gerne eine Maske während andere dies als eine Unmöglichkeit abstempeln – so etwas sogar als einen unwürdigen Akt der Unterwerfung ansehen.

Dann kommt jetzt noch das „Spaltthema „Impfen“ auf. Die eine Seite sind diejenigen welche jubelnd ausrufen, das mit dem Impfen alles gerettet wird und endlich alles gut wird. Auf der anderen Seite stehen dann aber wiederum denkende Menschen welche sagen: „Entschuldigen Sie bitte, aber was wird denn eigentlich geimpft? Ist dieser Impfstoff vielleicht gefährlich? Hilft impfen wirklich?“ In dieser Spaltung stehen sich zunehmend feindliche Gruppierungen gegenüber.

Und was mir hierbei besonders auffällt ist, dass diese Spaltung jetzt auch offensichtlich politisch und medial geschürt wird. 

(6) Was macht das alles für einen Sinn?

Was macht das für einen Sinn, wenn sich die gesellschaftlichen Gruppierungen immer feindlicher gegenüberstehen? Hat dieses PRO und CONTRA beim Thema Corona denn überhaupt einen Sinn?

Nun, in einer Spaltung sind die Menschen in ihrem Handeln mehr und mehr auf die Symptomebene reduziert! Für sie existiert dann nur noch ein JA oder ein NEIN! Aber die zugrunde liegende Gesellschaftsproblematik, die Gesellschaftskrise, die Fehl-Entwicklung in der Gesellschaft, die narzisstische Gleichschaltung des „Normalen“ wird dabei gar nicht mehr gesehen. Die Menschen stehen sich hier in zwei getrennten Lagern feindselig gegenüber. Obwohl Geschwister gehen sie gegeneinander gewissermaßen in einen „Ideologie-Krieg“.

Und die eigentliche Problematik wird dann einfach übersehen und in die Ecke getrennt:
Wie kann unsere Gesellschaftskrise überwunden werden Wie kann es mit der Menschheit weitergehen die vor größeren Problemen als Corona steht? Wie können wir anders besser und gesünder leben Wie können wir die gewaltigen Klima- und Umweltprobleme besser lösen? Wie können wir all das einfach besser gemeinsam bewältigen?

Ich befürchte, dass sich all das in dieser pathologischen / ungesunden Richtung weiter zuspitzt.

Und auf der anderen Seite wird unser Wunsch

      • nach Verbundenheit,
      • nach einem Austausch,
      • nach einem Diskurs,
      • nach einem einfachen demokratischen Verhalten

immer mehr unterdrückt und abgespalten.

(7) Die innere Demokratie

Wir alle müssen begreifen, dass es neben einer äußeren politisch verantwortlichen Demokratie noch etwas gibt – und zwar eine innere Demokratie! Eine innerseelische Demokratie ist die Fähigkeit, die eigenen inneren seelischen Minderheiten, die eigenen Schwächen, zu erkennen, diese nicht abzuspalten oder zu verleugnen. Sie hilft, das man lernt, diese zu akzeptieren und lernt sie bei sich zu lassen um dadurch nicht mehr andere zu bedrohen.

Was sollte man denn in dieser zugespitzten Gesellschaft tun?

Erstens: sich umfassend zu informieren! Denn auch da entsteht eine Spaltung.

Zweitens: Es ist wichtig sich nicht allzu sehr zu ängstigen. 

Nehmen wir für die Angst mal den Corona-Virus: Auf der einen Seite steht die reale Angst, das es den Corona-Virus tatsächlich und wirklich gibt. Aber schon seit Menschengedenken haben wir mit Viren und Bakterien zu kämpfen. Und jeder von uns allen ist gut darin beraten sich selber zu informieren was er tun und lassen sollte. Aber er sollte dich sich nicht allzu sehr ängstigen oder einschüchtern lassen durch eventuell falsche Zahlen. 

(8) Die Gefahr vor der Angst:

Diese Angst abzumildern hat einen wichtigen Hintergrund: 
Besonders unsere ureigenen latenten Ängste verleiten uns dazu dass wir ständig noch weitere Ängste haben:

      • bin ich richtig, bin ich gut, mache ich mich schuldig?
      • Lebe ich von meinen Möglichkeiten entfernt oder
      • bin ich gezwungen so zu leben wie man es von mir erwartet?

All diese Ängste sind zwar latent immer bei uns vorhanden… wenn aber von außen noch eine Verschärfung hinzukommt, dann besteht die Gefahr

      • dass diese latenten Ängste aktiviert werden die aber jetzt keine Lösung / kein Ventil oder keinen Abfluss mehr finden
      • und uns dann in eine Situation drängen die sich durch eine Spaltung oder eine Verdrängung ein ganz anderes / ungewolltes Ventil als Lösung sucht.

Und dann sind wir im großen Stil in einer krankhaft genormten / uniformen Gesellschaft gefangen und machen uns mitschuldig, weil wir nicht bereit sind unsere eigenen Fehler – unsere Angst zu erkennen geschweige denn zu behandeln. 

(9) Wie könnten wir in unserer Gesellschaft diese Ängste und diese Spaltungen besser angehen?

Mein persönlicher Rat: Eltern müssen sich um die Betreuung ihrer Kinder stärker selber kümmern können! Eltern müssen darin unterstützt werden, diese wichtigste aller Beziehungsqualitäten zu verbessern.

Das ist die Voraussetzung für ein gesundes Verhalten in der Erwachsenen-Zeit. Das ist dann eine wahre Beziehungskultur! Durch genau diese Beziehungskultur können wir uns als Erwachsene immer wieder trotz unserer Unvollkommenheit / trotz unserer Entfremdung resilient helfen

      • uns in unseren Beziehungen zu stärken
      • die Würde von sich selbst und die des Anderen zu bewahren.

Beziehungskultur bedeutet auch, dass wir bei allen Problemen erst einmal uns selbst betrachten. Denn, grundsätzlich sind wir auch immer Teil des Problems.

Wir sollten uns darum fragen:

      • was spaltet sich bei mir ab?
      • Oder was projiziere ich gerade?
      • Wie kann ich selber eine gesunde Beziehungskultur prägen?

Das alles kann ich auch, wenn ich nur sehr wenige Beziehungen habe – wie z.B. eine Partnerschaft und nur wenige Freundschaften. Hier können wir auch eine Beziehungskultur aufbauen:

      • Indem wir uns mit unserem Partner austauschen
      • indem jeder tatsächlich das sagt was er denkt
        • ohne soziale Maske
        • ohne zu heucheln
        • ohne zu lügen.
      • Indem jeder bereit ist, dem Anderen zuzuhören
        • Ihn zu verstehen

Genau das befriedigt mehrere unserer Bedürfnisse! Denken wir immer daran: eine andere Meinung muss nicht immer mit meiner Meinung übereinstimmen. Meinungen dürfen auch gerne (!) einmal nebeneinander bestehen bleiben, weil man verstanden hat: ich denke so weil… Du denkst so weil… 
Das Ziel der Transaktionsanalyse z.B. ist es: „Ich bin OK – Du bist OK“ Und so kann der Frieden in einer Beziehung gehalten werden, auch wenn man unterschiedlicher Meinung ist – und viele Dinge anders sieht.

Ein friedliches Nebeneinander ist die Zauberformel für eine Welt ohne Spaltung. Und eine Welt ohne Spaltung ist eine Welt ohne Borderline!

 

 

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Was passiert im Gehirn wenn wir Gefühle zeigen? Und was läuft beim Borderliner schief? Teil 2 https://werdewiederstark.de/was-passiert-im-gehirn-wenn-wir-gefuehle-zeigen-und-was-laeuft-beim-borderliner-schief-teil-2/ https://werdewiederstark.de/was-passiert-im-gehirn-wenn-wir-gefuehle-zeigen-und-was-laeuft-beim-borderliner-schief-teil-2/#respond Fri, 21 May 2021 05:10:44 +0000 https://werdewiederstark.de/?p=4516 „Was passiert im Gehirn wenn wir Gefühle zeigen? Und was läuft beim Borderliner schief? Teil 2“ weiterlesen

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Affektive Instabilität – was ist das Überhaupt???

 

Es ist zuallererst einmal das Kern-Kriterium der Borderline – Persönlichkeitsstörung. Es beschreibt eine hohe Reagibilität (Sensibilität und schnelle Reaktion) der Stimmung auf intensive affektive Reize.

Typische Auslöser hierfür liegen im zwischenmenschlichen Bereich. Diese stehen dann oft in Verbindung

      • mit einer zwischenmenschlichen (Hoch-)Sensibilität
      • der Angst vor Zurückweisung,
      • starkes Leid und Schmerz bei sozialer Distanzierung
      • und einer ständigen Angst vor einem Verlassenwerden
Hierzu einmal ein Praxisbeispiel:

Eine junge Frau (ca. Anfang 20) fügt sich seit Jahren mit einer Rasierklinge viele oberflächliche Verletzungen am ganzen Körper zu.

Was führte zu dieser Handlung?

      1. Sie erzählt, dass oft eine große Wut und eine quälende Anspannung vorher da waren.
        Oft blieb es nicht beim Schneiden, sondern sie zerschlug dann zusätzlich noch das Mobiliar in der Wohnung.
      2. Sie fühlte sich regelmäßig kritisiert und beschuldigt. Es kam immer wieder dieses eine Gefühl in ihr hoch – eines das sie seit ihrer Kindheit leider nur allzu gut kannte und zwar „böse unschuldig“ zu sein. Ein Widerspruch ja – aber genau das kennzeichnet Borderline!
      3. Zum dritten spürt sie hinter der ganzen Wut noch ganz weitere Gefühle wie z.B. Verzweiflung und Einsamkeit. 

Die Studienlage

    • 1.1 Die Dialektisch-Behaviorale Therapie

Eine der hervorstechendsten Therapieverfahren ohne Psychopharmaka für Borderliner ist die DBT – Die dialektisch behaviorale Therapie, welche Marsha Linehan in den 1980er Jahren entwickelte. Anhand ihrer persönlichen und klinischen Erfahrungen beschrieb sie die typisch affektiven Merkmale von Borderlinern mit

      • einer sehr tiefen emotionalen Antwortschwelle,
      • einer hohen Affektstärke
      • und am Ende ein nur ganz langsames Abklingen der Emotionen.

Inzwischen liegt eine Reihe von Studien vor, unter anderem ein Affektstimulationstest, die genau diese Annahmen durch die Praxis stützen.

    • 1.2 Der erwähnte Affektstimulationstest besteht aus einer Kurzgeschichte, der eine genormte Analyse von den affektiven Antworten in Bezug auf Qualität, Intensivität und Veränderungen im Laufe der Zeit ermöglicht (wie die Checkliste beim Start eines Flugzeugs).

Borderliner gaben im Vergleich zu Gesunden und Patienten mit anderen Persönlichkeitsstörungen

      • viel intensivere affektive Antworten an,
      • einen schnelleren Wechsel der Affekte
      • und auch eine niedrigere Reiz-/Reaktions-Schwelle.

Wichtig: Stärkere Reaktionen auf emotionales Bildmaterial wurden jedoch nicht erkannt

Länger dauernde Studien bestätigen, dass Borderliner deutlich häufiger intensive Spannungszustände in Kombination mit Dissoziationen wahrnehmen als gesunde Probanden.

1.3 Auch ein Frustrationsexperiment, dass bei gesunden Teilnehmern Ärger und Enttäuschung provozierte, zeigte bei Borderlinern – neben einer niedrigeren Affektschwelle – in der Qualität der Antworten kaum Unterschiede.

Das bedeutet: Der Borderliner reagiert nicht anders, aber deutlich früher als „gesunde“ Menschen

Wobei hilft uns diese Erkenntnis?

Berichtet ein Betroffener von plötzlichen und oft auch lang andauernden aggressiven Spannungszuständen, die mit der Hilfe von Selbstverletzungen zweitweise etwas abgemildert werden können, hilft das in der Diagnose!

Dieser Versuch, durch Selbstverletzung die Spannung zu reduzieren, führt dann oft zum ersten Kontakt mit Ärzten und Kliniken und konnte interessanterweise auch experimentell allein durch die Vorstellung einer Selbstverletzung als ein gefühlt erfolgreicher Bewältigungs-Mechanismus erkannt werden, der den Stress reduzieren konnte.

Hier möchte ich mal einen gesonderten Beitrag erstellen. Denn mit der Bildtherapie – der Katathym Imaginativen Therapie – werden bereits heute schon erfolgreich Borderline-Spannungen behandelt. 

Teil 2 – Das Denken

Die gestörte Emotionsregulation zieht auch gestörtes Denken nach sich… Oft haben Borderliner Probleme, störende emotionale Reize zu unterdrücken und sogenanntes Lösungs-Denken auch unter Stress aufrecht zu erhalten.

So wurde eine schlechtere sowohl bewusste als auch automatische Verhinderung bei der Verarbeitung negativer Informationen mit Hilfe zweier Verfahren die „Directed – Forgetting“ beziehungsweise der „Negativ – Priming“ – Aufgabe beobachtet.

2.1 Die Ergebnisse aus dem „Directed– Forgetting“ – Denkmuster, zeigen dass Borderliner Probleme damit haben, 

      • negative Wörter aus dem Arbeitsgedächtnis zu löschen,
      • während sie positive nur langsamer ins Arbeitsgedächtnis aufnehmen.

2.2 Außerdem beschrieben die Forscher Arntz, Apples und Sieswerda eine „Aufmerksamkeits-Verschiebung“ für negative emotionale Reize in einem Stroop–Paradigma: 

Das Stroop-Paradigma ist nichts Besonderes, sondern etwas, was wir im täglichen Leben immer wieder beobachten können. Es sagt, dass trainierte Handlungen (nehmen wir mal Fahrradfahren) keine große Aufmerksamkeit benötigt. Kommt jetzt aber eine kleine Veränderung hinzu, dann braucht man überdurchschnittlich mehr Konzentration.

Beim Borderliner ist es ähnlich:

Er hat sich einen Automatismus in Bezug auf seine Aufmerksamkeit in Richtung negativer Reize gewissermaßen „erarbeitet“. Diesen jetzt durch z.B. die DBT zu ändern, erfordert eine Menge Arbeit und Disziplin!

Andere Arbeiten dieser Forschergruppe sprechen für eine starke Fokussierung auf ganz konkrete Reize, während andere in der Aufmerksamkeit einfach vernachlässigt werden.

Die Affektregulation hängt eng mit der Fähigkeit zusammen, an Vorbildern und Beispielen in der näheren Umgebung zu lernen. Dabei sieht es nun so aus, dass Borderliner keine – wie immer wieder angenommen – generelle Hochsensibilität gegenüber menschlichen Gesichtsausdrücken zeigen. Dafür haben sie aber umso mehr Schwächen in der Genauigkeit der Verarbeitung.

Für die Psychotherapie könnte es von besonderer Bedeutung sein, dass sie negative Emotionen und auch Ärger im Gesicht ihres Gegenübers oft nur verzerrt und nicht der Realität entsprechend wahrnehmen.

Dies bestätigt die Annahme, dass Borderliner die Tendenz haben …

      • die Welt als gefährlich und sich selbst als machtlos und unwürdig wahrzunehmen –,
      • und in Kontakt mit anderen Menschen sich häufig zurückgewiesen und bedroht fühlen

Dies ist mit ein Grund für Ihre „bodenlose Lebensangst“ 

Teil 3 Die Neurobiologie – Ist das Gehirn beim Borderliner wirklich anders?

Eine andere Überschrift könnte lauten: Aktuelle neurobiologische Befundlage zur Affektdysregulation bei der Borderline – Persönlichkeitsstörung

Bei der Borderline – Persönlichkeitsstörung finden sich in den für die Affektregulierung sowohl in Struktur als auch in der Funktion wichtiger Hirnbereiche Veränderungen.

3.1 Zum Beispiel eine Verkleinerung der Amygdala

 Zuvor ein wichtiger Einschub: Eine verkleinerte Amygdala ist keine ausschließliche Diagnose! Wir müssen hier immer die Möglichkeit von Begleiterkrankungen mit einbeziehen. Trotzdem ist diese Erkenntnis erst einmal „beachtenswert“

So konnte der Befund einer kleineren Amygdala-Größe und auch der eines kleineren Hippocampus z.B. in Untersuchungen mit sexuell und körperlich traumatisierten Borderlinern gesichert werden.

Andererseits aber hatten aber auch Patientinnen mit einer zusätzlich vorhandenen depressiven Erkrankung ein vergrößertes Amygdala-Volumen im Vergleich zu einer gesunden Kontrollgruppe.

Merke: Die Größe der Amygdala ist nur ein (!) Diagnose-Kriterium. Es muss nach wie vor alles immer im jeweiligen Kontext betrachtet werden

3.2 Wenn wir dann noch den vorderen / den frontalen Hirnbereich anschauen, dann wurden

      • in frühen Studien aus dem Jahre 1988 eine Volumenreduktion des Frontallappens
      • sowie im Jahre 2005 eine relative Reduzierung des ACC (dem Anterioren cingulären Kortex) gefunden.

 

3.3 Die meisten Studien durch die Positronen-Emissions-Tomographie (PET), wselche den limbischen und den präfrontalen Ruhestoffwechsel anhand der Glukoseaufnahme der Neuronen in Ruhe untersuchten, zeigten einen geringeren Stoffwechsel im dorsolateralen (hinten / seitlich) präfrontalen Kortex. Und zwei davon auch eine Verringerung im orbitofrontalen Kortex.

Das hört sich zwar nur wenig spektakulär an, bedeutet aber auch einen reduzierten Stoffwechsel präfrontaler Regionen (also im Bereich des Denkens und der Kognition) mit reduzierender Wirkung auf das limbische System. Es ist also immer das gesamte Gehirn hiervon irgendwie mit betroffen.

 

3.4 Auf eine mögliche Gewebe-Schädigung dorsolateraler präfrontaler Areale deutet eine Verminderung von N – Acetylaspartat (NAA) hin, die man durch Magnetresonanz-Spektroskopie erkennen konnte.

Besonders dieses NAA ist nach heutigem Kenntnisstand ein wichtiges Kennzeichen für eine Neurodegeneration wie z.B. Alzheimer, Parkinson, Chorea Huntington und andere….

3.5 Durch funktionelle Magnetresonanztomographie (fMRT) konnte auch eine stärkere  Amygdalaaktivität auf standardisierte / also ganz „normale“ emotionale Reize nachgewiesen werden. Ein entsprechendes Ergebnis wurde ganz kontrolliert nach dem Prinzip, wie man es im International Affective Picture System (IAPS) nachlesen kann ermittelt.

Das IAPS ist eine Datenbank mit standardisierten Bildern um die Reize und Reaktionen auf sie standardisiert / genormt einordnen zu können.

Die Präsentation genau definierter emotionaler und auch neutraler Gesichtsausdrücke führte bei Borderlinern deutlich häufiger zu einer stärkeren Amygdala-Aktivität als bei Kontrollpersonen.

 

Wichtig in diesem Zusammenhang: Da eine stärkere Amygdala-Aktivität auch bei neutralen Gesichtsausdrücken festgestellt werden konnte, ist eine Störung der persönlichen Abwehr-Reaktionen auf soziale Reize beim Borderliner möglich

Dies konnte auch durch eine Studie bestätigt werden, die Bilder des „Thematischen Apperzeptionstests“ (auch Auffassungstest genannt – TAT) verwendete – ein Reizmaterial, welches die Erinnerungen an eigene schlechte Erfahrungen mit anderen Menschen in der Vergangenheit provoziert.

Die Ergebnisse zeigten, dass eine Selbst-Interpretation nicht nur auf mehrdeutige … sondern auch auf völlig verzerrte Erinnerungen erfolgt, weil die Patienten (im Gegensatz zu der gesunden Kontrollgruppe) eine übersteigerte falsche Aktivität des ventrolateralen und orbitofrontalen Kortex sowie des ACC und damit eines für die Verarbeitung eigener Erfahrungen sehr wichtigen Netzwerkes auf biografisch wichtige und auch unwichtige Reize zeigten.

Solch ein Studienergebnis kann von hoher klinischer Wichtigkeit sein! Bedenkt man, dass Borderliner in Situationen, die von anderen neutral und distanziert erlebt werden, einen für Außenstehende nicht erklärbaren Bezug zu ihrer persönlichen Geschichte ableiten und damit sehr oft mit nicht nachvollziehbaren affektiven Reaktionen reagieren.

Auf deutsch: „Ich bin immer Schuld“ „Das machst Du doch nur wegen mir…“

Aufgrund der aktuellen Studien müssen wir aber immer noch davon ausgehen, dass eine übereifrige Amygdala noch lange kein alleiniger Beweis für eine Borderline-Diagnose ist.

Häufig sehen wir dies auch bei den Angststörungen wie sozialer Phobie spezifischer Phobie aber auch bei der posttraumatischen Belastungsstörung. Möglicherweise finden wir dies immer dann vor, wenn der Klient an Hochsensibilität bzw. an Neurotizismus leidet. 

Teil 4 Das präfronto-limbische Netzwerk

In den letzten Jahren konzentrierte sich die Forschung auf ein weiteres Themengebiet: dem Einfluss des präfronto– limbischen Netzwerks. Man untersuchte nun ganz besonders den präfrontalen Hirnbereich.

4.1 Borderliner zeigten dann auch, wenn sie an ihre Missbrauchs- Erlebnisse erinnert wurden: nicht die bei gesunden Personen üblich sichtbaren Blutfluss-Steigerungen im Anterior cingularen Kortex – ACC, im orbitofrontalen und dorsolateralen Abschnitt des präfrontalen Kortex und damit in den für die Affektregulation wichtigen Strukturen.

Während dieser Erinnerungen an besonders schwierige / belastende Situationen z.B. des Verlassenwerdens wurde sogar eine Umkehrung der Ergebnisse mit einem reduzierten (!) Blutfluss in diesen Bereichen festgestellt. All das könnte ein Hinweis dafür sein, wichtige negative Emotionen nicht (!) unterdrücken zu können!!!

4.2 Interessant ist auch eine fMRT-Studie die von verstärkten Aktivierungen in der Amygdala berichtet, wenn sich Borderliner an problematische Situationen aus der Vergangenheit erinnern sollten.

Eine weitere Studie untersuchte Neurofunktionelle Wechselwirkungen von traumatischen Erinnerungen im Vergleich zu anderen aversiven, aber nicht traumatischen Erinnerungen bei traumatisierten Borderlinern jedoch ohne posttraumatische Belastungsstörung.

Die Ergebnisse: Eine zusätzliche posttraumatische Belastungsstörung war

      • mit einer verstärkten limbischen Aktivierung
      • und einer Reduzierung des Präfrontal-Bereiches beim traumatischen Erinnern verbunden.

Auch ohne eine begleitende posttraumatischen Belastungsstörung gibt es bei Borderline Anzeichen dafür, dass es sich nicht (!) einfach nur um eine übereifrige Amygdala handelt.

4.3 Neuere Befunde bestätigen eher ein Modell der fronto – limbischen Disinhibition / Enthemmung.

Das bedeutet einen geringeren bremsenden Einfluss präfrontaler Areale auf limbische Regionen, die uns dann die affektiven Überreaktionen, aber auch Aggressionen eines Borderliners besser erklären könnte.

4.3.1 Eine PET – Untersuchung (Positronen-Emissions-Tomographie / Schichtbild-Aufnahmen) zeigte bei impulsiven Patienten mit einer Borderline – Persönlichkeitsstörung gegenüber einer Kontrollgruppe eine deutlich geringere Anpassung zwischen dem Ruhe-Stoffwechsel im orbitofrontalen Kortex und dem in der Amygdala.

4.3.2 In einer Borderline-Studie mit einer sprachlichen Go- bzw. No–go– Aufgabe, wurden weniger bremsende Aktivitäten in den Hirnbereichen für die Regulierung, besonders im anterioren cingulären Kortex, im ventromedialen präfrontalen Kortex und im orbitofrontalen Kortex, festgestellt, wenn negative Worte verarbeitetet werden mussten. Und wenn etwas nicht gebremst werden kann, dann rast es ungeschützt auf ein Hindernis zu…

Gleichzeitig war dabei aber die Amygdala wieder deutlich stärker aktiviert als bei gesunden Vergleichsteilnehmern.

4.3.3. Auch in einer Geschlechter-Diskriminierungs-Aufgabe durch das Zeigen emotionaler Gesichtsausdrücke, in der es bei gesunden Teilnehmern normalerweise zu einer Regulierung der Amygdala durch die präfrontalen Areale (besonders im Bereich des ACC) kommt, zeigten Borderliner eine geringere Aktivität in den vorderen Abschnitten des ACC, jedoch mal wieder eine erhöhte Aktivität in der Amygdala.

All das lässt so langsam ein immer deutlicheres Bild davon entstehen, was im Gehirn von Personen vorgeht, die an einer Persönlichkeitsstörung leiden. Das ist aber – ich möchte dies immer wieder betonen – kein Ausschließlichkeits-Kriterium für eine Borderline-Diagnose. Es gehört lediglich zu dem Gesamtbild 

4.4 Bereiche der höheren / kognitiven Affektregulation

4.4.1. Eine noch recht neue Studie zeigt, dass Bereiche der höheren kognitiven Affektregulation im dorsalen präfrontalen Kortex genauso funktionstüchtig sind wie bei „Nicht-Borderlinern“!

In einer Neu-Bewertungsübung wurden Borderliner aufgefordert ihre Gefühle dadurch herunter zu regulieren, indem sie sich verstandesmäßig / bewusst von einer ihnen gezeigten Szene distanzierten.

Das Ergebnis:

      • Während Hirnareale der höheren, komplexen kognitiven Verarbeitung genauso funktionieren wie bei gesunden Kontroll-Personen,
      • zeigten sich wie in anderen Untersuchungen mit Borderlinern Einschränkungen in Bereichen der primären Affektregulation – in den Gefühlsreflexen…

Zusammengefasst kann eine Fehlfunktion der Amygdala und auch der präfrontalen Bereiche die an der Affektregulation beteiligt sind als eine mögliche (!) neurobiologische Grundlage der Affektregulationsstörung bei der Borderline – Persönlichkeitsstörung angesehen werden.

Am wahrscheinlichsten wird aktuell eine präfronto – limbische Netzwerkstörung angenommen. Dies muss aber noch in der Zukunft durch weitere Studien geklärt werden. 

Teil 5 – Ätiologische Überlegungen / Die Suche nach der Ursache

Ätiologie ist griechisch: Aitia = Ursache Logos = Lehre / Vernunft 
Die Ergebnisse aus den uns derzeit vorliegenden Studien erlauben noch keine vollständigen / abschließenden Rückschlüsse auf die Ursachen.

5.1. In der Diskussion stehen erst einmal genetische Einflüsse – die bei der Borderline – Persönlichkeitsstörung bis heute noch viel zu wenig untersucht sind.

Eine einzelne (!) Studie von Professor Togersen ermittelte eine genetische Heritabilität / Erblichkeit von 0,69 für die Borderline – Persönlichkeitsstörung. Aber (!) dieses Ergebnis einer einzelnen Studie ist nicht mehr als das was ich sagte: Das Ergebnis einer einzelnen Studie. Dies muss zwingend noch durch weitere Studien bestätigt werden. Auch deswegen, weil die Studie nicht die Vielfalt komorbider Störungen / Begleiterkrankungen berücksichtigte.

Weitere Studien in der Allgemeinbevölkerung konnten aber einen sichtbar genetischen Einfluss ganz interessanterweise für die affektive Instabilität bei selbstverletzendem Verhalten und Identitätsproblemen sichern. Hier sind zukünftig die beschriebenen Ergebnisse der genetischen Bildgebung über die Auswirkung genetischer Einflüsse auf ihre Funktionen noch von großer Bedeutung.

5.2. Interaktionsstörung / Stress / Traumata

Neben den genetischen Einflüssen spielen Störungen im zwischenmenschlichen Bereich, Stress und ganz besonders Traumata bei Borderline eine wichtige Rolle.

5.2.1 Interaktionsstörung Auch wenn der Zusammenhang zwischen Beziehungsstörungen und einer „unglücklichen“ Affekt-Regulation bei Borderline noch nicht genügend untersucht wurde – was neue Untersuchungsarten erfordert – so dürfte mit Sicherheit die Art und Weise des Umgangs mit frühen Beziehungspersonen für diese Fehlregulation von Affekten mit, die stärksten Auswirkungen haben.

Nein, das ist jetzt kein Bashing von der armen Mutter und dem bösen Vater! Die Wahrnehmung, die Steuerung und der Ausdruck von Emotionen entwickeln sich halt fast vollständig in der frühen Bindung zu den Eltern.

So scheint beispielsweise der Rhythmus / die Häufigkeit des Miteinanders zwischen Eltern und Kind neben der Stärke und Häufigkeit der Zuwendung eine klare / deutliche Rolle für das Lernen der Gefühlskontrolle und Gefühlsregulierung zu spielen.

Ein ausgewogener / mittlerer Bereich von

      • Stärke,
      • Zahl der Reize,
      • Wechsel der Führung zwischen den Interaktionspartnern
      • und Fehler und Lernen aus den Fehlern zwischen den Bezugs-Personen

ist die allerbeste Voraussetzung um die Lern – und Entwicklungsprozesse des kleinen Säuglings ins Rollen.

Treten all diese Reize jedoch stärker auf, kommt es 

      • zum Erregungsanstieg beim Säugling
      • einem erhöhten Cortisol-Ausschuss
      • und den dann typischen Abschirmvorgängen (Kopf und Blick wegdrehen…)

Treten diese Reize im Gegensatz dazu viel schwächer als gewöhnlich auf – wenn z.B. die Mutter depressiv ist – führt dies bei dem Kind

      • zum Rückzug,
      • einem geringeren Erkundungs- / Forschungsverhalten
      • weniger Eigeninitiative
      • und zu stärkerer Zuwendung von Objekten (kämpfen um Aufmerksamkeit)

Ganz interessant wäre es aus neurobiologischer Hinsicht in diesem Zusammenhang, die Rolle der Spiegelneuronen für die Entwicklung der Affektregulation zukünftig zu studieren.

5.2.2 Traumata

Eines ist in vielen Studien immer wieder bewiesen worden: Die hohe Zahl von Traumata in der Kindheit! Körperlichen und sexuellen Missbrauch finden wir bei bis zu 70 % der Borderliner–Patienten.

Auch wurde ein fünffach erhöhtes Risiko (!) gegenüber der Normalbevölkerung für die Entwicklung von Borderline nach frühen traumatischen Erfahrungen berichtet.

Trotz dieser Übermacht an Zahlen, ist es aber immer noch offen, welche weiteren (!) Faktoren darüber entscheiden, welche psychische Richtung in der Entwicklung ein früh traumatisierter Mensch nimmt. Hier gibt es bislang nur Hinweise darauf, dass wiederholte Traumata in Kindheit und Jugend – speziell durch die primären Bezugspersonen – die Entwicklung von Borderline fördern.

5.2.3 Die Hypothalamus – Hypophysen – Nebennierenrinden – Achse (HHNA)

Wie wichtig Traumata in der Vorgeschichte eines Menschen sind, lässt vor allem an Funktionsstörungen in der Hypothalamus – Hypophysen – Nebennierenrinden – Achse (HHNA) für die Borderline–Persönlichkeitsstörung diskutieren. Studien mit dem sehr häufig verwendeten Dexamethason – Hemmtest ergaben z.B. deutlich unterschiedliche Ergebnisse der Nicht-Hemmungsraten zwischen 9,5 und 62 % auf 1 mg Dexamethason.

Dieser Test (abgekürzt DST) provoziert im Körper des Menschen einen Reiz auf den sogenannten „Stress“-Regelkreis zwischen einem Teil der Hirnanhangdrüse, der Nebennierenrinde und dem Cortisol-Blutgehalt.

Dexamethason ist ein künstliches Glucocorticoid (ein Steroidhormon aus der Nebennieren-Rinde) mit einer 25-fach stärkeren Wirkung als das körpereigene Cortisol.

Sinkt der Cortisolspiegel ab, produziert die Hirnanhangdrüse mehr Adrenocortocotropin (ACTH) ein Steuerungshormon. ACTH regt dann die Nebennierenrinde an, mehr Cortisol zu produzieren.

Beim DST-Test wird nun eine kleine Menge künstliches Cortisol(-Derivat) eingenommen – das Dexamethason. Ist mehr Cortisol im Blut, muss die Hirnanhangdrüse auch weniger von dem Steuerungshormon ACTH produzieren.

Da die häufig begleitend auftretenden depressiven Erkrankungen selber auch die HHNA / Hypothalamus–Hypophysen–Nebennierenrinden–Achse beeinflussen, ist eine Untersuchung in diesem Zusammenhang recht interessant, die ganz bewusst – unter Ausschluss von komorbiden Patienten – eine Nicht–Unterdrückung bei 25 % der Teilnehmer auf 1 mg Dexamethason ermittelte.

      • Forscher fanden einen Zusammenhang zwischen einer sehr stark reagierenden HHNA – mit gesteigerter Cortisol-Produktion bei Borderlinern vor, welche im Kindesalter lang andauernd missbraucht wurden.

Was bedeutet diese übersteigerte Aktivität der HHNA überhaupt? Eine stärkere Produktion von Cortisol und dem Corticotropin – Releasing – Hormon (CRH), steht praktisch immer mit einer stärkeren Amygdala-Aktivität im Zusammenhang, d.h. die Amygdala stimuliert die CRH-Ausschüttung und die verstärkt ihrerseits auch wieder die Amygdala-Aktivität verstärkt. Du erkennst einen „Teufelskreis“.

Auch die verkleinerten Bereiche der Amygdala und des Hippocampus stehen in direkter Verbindung mit einer hyperaktiven HHNA.

Ob die Störung der HHNA eine Folge von Stress ist oder genetisch bedingt ist, die eine Entwicklung von stressassoziierten Erkrankungen fördert, kann im Moment noch nicht eindeutig beantwortet werden.

Interessant ist eine erst vor kurzem gezeigte Studie sein, die entsprechende Verkleinerungen bei diesen Hirnbereichen bei Jugendlichen mit einer Borderline–Persönlichkeitsstörung nicht (!) nachweisen konnte.

Kann sich diese Veränderung also im Laufe des Lebens zeigen? … Wir dürfen gespannt sein – denn dieses Ergebnis hätte Sprengkraft – nicht nur in der Forensik!

5..4 Schlafstörungen

Eng verbunden mit den Traumata dürften die bei Borderline stark verbreiteten Schlafstörungen stehen, die ihrerseits nachweislich

      • die Fähigkeit zur Affektregulierung verschlechtern
      • dafür aber die Stressempfindlichkeit erhöhen.

Forscher fanden z.B. eine verkürzte Rapid – Eye – Movement (REM) – Latenz und auch eine erhöhte REM – Schlafdichte bei Borderlinern vor.

Andere Untersuchungen ergaben bei Borderlinern ohne begleitende Depression

      • stark verkürzte REM–Zeiten
      • und auch deutliche Widersprüche zwischen der empfundenen und der wirklichen Schlafqualität.

Hier wären weitere Studien zum Zusammenhang mit der Affekt-Fehlregulation sehr von Vorteil. 

Zusammenfassung

Was ist der aktuelle Wissensstand?

      1.  Die Vermutung liegt nahe, dass Menschen entweder genetisch bedingt, oder aufgrund einer frühen Traumatisierung durch Bezugspersonen eine hohe Sensibilität der Stressachse entwickeln.
      2. Sie erleben selbst leichte zwischenmenschliche Unstimmigkeiten bereits als bedrohlich, werden durch diese von intensiven Affekten überwältigt und in der Folge davon können sie ihren Alltag viel schwieriger bewältigen.

Von außen ist dies nicht immer so deutlich sichtbar. Denn auch ein Borderliner versucht sich seiner Umgebung irgendwie anzupassen um nicht immer und permanent anzuecken.

      1. Aber dieses ständige Kognitive Bemühen bedeutet auch eine ständige Anstrengung mit der Gefahr der Erschöpfung, einer hohen Krisenanfälligkeit und einem völligen Zusammenbruch der Selbst-Steuerung.
      2. Was aber die Umgebung häufig noch mehr irritiert ist der Umstand, dass in Situationen, in denen ihr Stresssystem nicht aktiviert ist, Sie genauso funktionsfähig sein können wie jeder andere in ihrer Umgebung.

Das ist ähnlich irritierend wie wenn jemand mal einen Beinbruch hat und dann wieder keinen…. Die Umgebung kann sich beim Borderliner nicht auf ein „stabiles Krankheitsbild“ einstellen. 

Teil 6 – Auswirkungen auf Therapie-Strategien

Haben diese neurobiologischen Erkenntnisse irgendwelche Auswirkungen auf die aktuellen Borderline-Therapien? 

Durch die neueren Studien ergibt sich tatsächlich ein zusätzliches biologisches (!) Argument für ein Training der Affektregulation.

Im Rahmen der Dialektisch – Behavioralen Therapie (Linehan) lernen betroffene Patienten,

      • Ereignisse ohne eine Bewertung anzunehmen / zu analysieren,
      • sich auf die eigene Emotionalität zu konzentrieren,
      • plötzlich aufkommende Affekte abzumildern,
      • Stimmungsschwankungen früh zu erkennen
      • und gegen diese auch anzugehen.

Es gibt in der DBT einen besonderen Modulbaustein („Emotions-Modulation des Fertigkeiten Trainings“) in dem die Patienten lernen,

      • welche Gefühle es gibt,
      • wie man diese erkennt
      • und wie sie sich regulieren lassen.

Hier wird die Achtsamkeit für emotionelle Abläufe trainiert und auch eine Distanz zur Emotion erlernt. Dadurch lernen sie ihre eigenen Emotionen abzuschwächen, indem sie

      • kognitive Manöver einsetzen,
      • Körperhaltungen modulieren
      • oder einfach ihren Stress, z.B. durch Atemübungen runterregeln.

Du siehst in dem Bild ganz typische Eingriffe, die in den unterschiedlichen Phasen der Affektregulierung – also bereits von ganz am Anfang, wenn die Amygdala noch die Kontrolle hat, bis hin zur Verbesserung kognitiver (bewusster) Regulationen – Einfluss nehmen können.

Unabhängig von den eingesetzten Veränderungsstrategien benötigen die Patienten jedoch Therapeuten welche ihnen ihre Gefühle spiegeln und konkret bei der Regulierung dieser Gefühle und ihrer Impulse helfen. 

Diese Therapeuten müssen in der Lage ist,

      • auch nonverbale Äußerungen empathisch zu betrachten,
      • Zusammenhänge zwischen dem Verhalten und den Gedanken, Gefühlen und Einstellungen des Pateinten herzustellen
      • und damit seine Interpretations-Fähigkeit helfen zu verbessern.

Wir müssen uns dessen bewusst sein dass Psychotherapie da eingesetzt wird, wo innere Regulationsmechanismen trainiert werden müssen. Psychopharmaka vor allem dann, wenn die Reaktion der Amygdalar beruhigend beeinflusst werden muss.

Zwar ist die Studienlage hier noch recht dünn, aber es gibt bereits Hinweise darauf, dass vor allem atypische Neuroleptika und Stimmungs-Stabilisatoren hier helfen können.

Was erhoffe ich mir mit diesem Beitrag? Da wir hier von den neurobiologischen Grundlagen (!) der Borderline-Persönlichkeitsstörung sprechen, sollte sich dieses Wissen auch in der Psychotherapie und auch in der Psychopharmaka-Therapie niederschlagen und die Studien in diesem wichtigen Bereich weiter fördern.

Tatsächlich zeigt eine erste fMRT–Pilot-Studie,
die eine kleine Gruppe von Patientinnen bei fünf Messzeitpunkten über einen stationären Behandlungsverlauf während der Dialektisch – Behavioralen Therapie begleitete, Aktivitätsveränderungen im präfrontalen Kortex, besonders im ACC, und bei den Patientinnen – die auf die Therapie ansprachen, zusätzlich noch eine verringerte Amygdala-Aktivität.

Das ist ein hoffnungsvoller Ansatz und zeigt die Wichtigkeit der Therapie an! Leider steckt die Forschung neurobiologischer Zusammenhänge über die Veränderungsprozesse im Gehirn unter Psychotherapie noch tief in den Kinderschuhen. 

Zusammenfassung

      1. Die Störung der Affektregulation ist ein zentrales Kennzeichen der Borderline–Persönlichkeitsstörung. Sie zeigt eine hohe Reiz-Anfälligkeit auf äußere / negative Ereignisse.

      2. Experimentelle Studien konnten eine niedrigere Schwelle für die Auslösung emotionaler Reaktionen, qualitativ wenig differenzierte Affektreaktionen und auch eine geringere Fähigkeit zur Unterdrückung negativer Reize zeigen.

      3. Bildgebungsuntersuchungen wie z.B. durch das fMRT haben sich vor allem mit Veränderungen im präfronto – limbischen Netzwerk beschäftigt, dass mit seinen ventral gelegenen Arealen in der primären und weiter dorsal gelegenen Arealen an der sekundären Affektkontrolle beteiligt ist.
      1. Was die Sache für Außenstehende oft sehr kompliziert macht ist die Tatsache, dass Hirnareale der höheren, komplexen kognitiven Verarbeitung genauso funktionstüchtig wie bei „Gesunden“ arbeiten, Es zeigten sich vor allem aber Beeinträchtigungen in Bereichen der primären Affektregulation, vor allem der Amygdala, dem orbitofrontalen Kortex und dem ACC (Anteriores Cingulum).

        Das sind die Hirnareale, die sich auch in mehreren hirnstrukturellen Untersuchungen, zum Beispiel Volumenmessungen, als auffällig darstellten.


      2. Fragen nach dem Ursprung / der Ursache all dem stehen noch am Anfang –     einerseits mit Hinweisen auf genetische Ursachen, zum anderen weisen sie auf die Bedeutung von traumatischen Lebensereignissen mit einer frühen Sensibilisierung der Stressachse hin. 

Wir gehen noch spannenden Zeiten entgegen…

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Was geschieht im Gehirn wenn wir Gefühle zeigen. Und was läuft beim Borderliner schief https://werdewiederstark.de/was-geschieht-im-gehirn-wenn-wir-gefuehle-zeigen-und-was-laeuft-beim-borderliner-schief/ https://werdewiederstark.de/was-geschieht-im-gehirn-wenn-wir-gefuehle-zeigen-und-was-laeuft-beim-borderliner-schief/#respond Tue, 04 May 2021 20:48:25 +0000 https://werdewiederstark.de/?p=4483 „Was geschieht im Gehirn wenn wir Gefühle zeigen. Und was läuft beim Borderliner schief“ weiterlesen

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Was passiert im Gehirn wenn wir Gefühle zeigen? Und was läuft beim Borderliner schief???

Die Borderline – Persönlichkeitsstörung ist ein sehr kompliziertes Störungsbild, welches – um es noch schwieriger zu machen – in sehr vielen Variationen auftritt. Hinzu kommt das Borderline fast immer in Kombination mit anderen Störungen auftritt und damit werden die Varianten noch häufiger.

All das macht die Erforschung der neurologischen und biologischen Grundlagen so schwer und hat Wissenschaftler erst einmal dazu veranlasst, sich auf die Kernpunkte der Borderline–Persönlichkeitsstörung zu beschränken.

Ein Kernpunkt ist z.B. die Störung der Affektregulation. Und wenn wir erst einmal verstehen, wie es bei einer Persönlichkeitsstörung zu solch einer Störung kommt, können wir weitere psychische Störungen mit Sicherheit auch besser verstehen.. 

Wer sich mit den neurologischen und biologischen Grundlagen der Affekt-Fehlregulation beschäftigt, muss erst einmal die „normale“ die physiologische Funktion der Affektsteuerung verstehen. Erst danach kann man sich dann dem pathologischen / dem Kranken zuwenden.

Ganz am Anfang steht ein wenig Begriffstheorie: Affekt und Emotion werden in diesem Beitrag ähnlich verwendet.

Das ist aber nicht ganz korrekt und dient hier nur der Vereinfachung, denn wenn man das alles mal sehr genau nimmt, dann ist

      • der Affekt stärker auf etwas Bestimmtes ausgerichtet
      • als die Emotion
      • Und noch bestimmter / konkreter ist die Stimmung, die eine lang gestreckte, Befindlichkeit darstellt.

Emotionen sind eng mit einer Bewertung von Ereignissen verbunden.

Wodurch eine Emotion vom Menschen bewusst registriert wird, hängt

      • von der Wichtigkeit der Information
      • von den persönlichen Zielen
      • und früheren Erfahrungen ab.

Nach dem Registrieren kommt dann das Bewerten: Hier fließen z.B.

      • die sinnliche (perzeptuelle) Wahrnehmung,
      • die Körperwahrnehmung
      • und nicht zuletzt Informationen aus dem Langzeitgedächtnis ein.

Diese Bewertungsinstanzen wirken wie Filter, die ganz individuell auf das Gesehene reagieren, indem sie das Bild mit den gespeicherten Annäherungs- und Vermeidungszielen vergleichen.

Bei einer Annäherung spüren wir unsere positiven Gefühle und in der Vermeidung bzw. im Rückzug sind die negativen Emotionen spürbar. Je stärker die Abweichungen zwischen dem Gesehenen von den eigenen Zielen ist, desto stärker klingeln unsere Alarmglocken.

Kurzer Einschub: Wenn wir jetzt im weiteren Verlauf immer wieder das Wort Affektregulation erwähnen, dann ist hier also die Regulation bedrohlicher emotionaler Zustände gemeint.

Aktuelle Erklärungstheorien betonen das die Emotionen konkret in genau dafür vorgesehenen Hirnstrukturen verankert sind.

Emotionen sind hochgradig adaptiv (können sich also anpassen). Ihre Aufgabe ist es:

      1. uns vorzubereiten auf Handlungen wie Flucht, Vermeidung oder Annäherung,
      2. Sie erleichtern die Bereitschaft zu Entscheidungen
      3. Sie helfen, sich der Umwelt schneller und besser anzupassen.

Spricht man jetzt psychotherapeutisch von Affektregulation, dann meint man alle Vorgänge (!) mit denen wir unsere Emotionen erleben und wie wir diese ausdrücken.

Das, was allgemein unter einer Emotion verstanden wird, ist ein vorher bereits angepasster Prozess, Der selber weitere Regulierungen startet.

In diesen Prozess fließen sowohl erste emotionale Ansprechbarkeit als auch so typische Prozesse wie Intensivität und Ausdruck mit ein. All das fängt ganz früh auf der limbischen Ebene unseres Gehirns an.

Dieses kann Umwelt-Informationen reflexhaft / schnell verarbeiten und in automatisierte, schnelle und kaum störanfällige Verhaltensantworten umsetzen. Erst wenn hier später der Neokortex beteiligt wird, kann von bewussten Handlungen inklusive einer sprachlichen Umsetzung ausgegangen werden.

In der Abbildung wird eine automatische Reaktion von einer geplanten Emotionsregulation unterschieden. 

(1) Gehirn und Affektregulation

Welche Hirnstrukturen / Netzwerke sind an unseren Reaktionen / der Affektreaktion denn überhaupt beteiligt? Zuerst findet unbewusst eine emotionale Bewertung durch die Amygdala statt.

Das Wort Amygdala kommt aus dem Altgriechischen und bedeutet Mandelkern – wegen des Aussehens. Sie ist Teil des limbischen Systems.

In dem ersten Schritt, werden erst mal die Bereiche des Gehirns mit einbezogen, die an der automatischen (!) Bewertung von Ereignissen inklusive Ablehnung / Belohnung beteiligt sind, d.h. orbitofrontale und mediale präfrontale Areale. Orbito ist das Auge. Damit sind also immer die Positionen des Gehirns gemeint.

Andererseits sind hier auch die sogenannten „Aufmerksamkeits-Bereiche“ wie der anteriore cinguläre Kortex (ACC) und seitliche (laterale) präfrontale Abschnitte beteiligt.

Im zweiten Schritt werden dann höhere kognitive Leistungen (Wahrnehmen / Denken / Erkennen) abgefordert und führen indirekt zu einer Reduzierung des limbischer Systems (insbesondere der Amygdala). (Weniger Reflexe – Mehr Denken….)

Jetzt beginnt eine „kognitive Neu – und vielleicht auch Umbewertung“ (engl. reappraisal), die höhere kognitive und komplexe Leistungen erfordert.

Neuroanatomisch betrachtet sind an der zweiten und bewussten Reaktion besonders

      • kaudale (hintere) Abschnitte des ACC
      • und dorsomediale (zum Rücken und zur Körpermitte)
      • sowie auch dorsolaterale (zum Rücken und zur Seite) präfrontale Areale beteiligt, und zwar immer dann, wenn es um eine Neubewertung und um einen Perspektivenwechsel geht.

Bewusste Regulationsmechanismen setzen sich fort, wenn sich eine emotionale Reaktionen bereits als typische Handlungen zeigt – das hat dann logischerweise auch wieder Rückwirkungen auf das emotionale Erleben.

Hier sind besonders

      • die bewusste Veränderung von ausdrucksstarkem Verhalten
      • und auch die Veränderung körperlicher Gefühlsbeziehungen zu nennen.

Emotionale Reaktionen und sichtbares Verhalten sind aber immer wieder ineinandergreifende Prozesse, die sich auch gegenseitig beeinflussen.

Die Abbildung zeigt, dass komplexe – an der Affektregulation beteiligte präfronto–limbische Netzwerk – mit seinen ventral (Vorderseitig) gelegenen Bereichen der primären und weiter dorsal (Hinterseitig) gelegenen Arealen der sekundären Kontrolle. 

(Teil 1.1) Die Amygdala

Die Amygdala ist in ein Netzwerk eingebunden,

      1. dass für die schnelle Erkennung von Gefahr und der automatischen Aktivierung von Flucht – und Angriffsverhalten zuständig ist
      2. Sie hilft, zusammen mit lateralen Anteilen des orbitofrontalen Kortex Vorhersagen über Bestrafung vor dem Hintergrund früherer Erfahrungen.
      3. Den sie aus der Inselregion erhält zu erstellen.

Sie ist aber nicht nur – wie früher angenommen – an dem Erkennen einer Gefahr beteiligt:

      1. Zusammen mit medialen Bereichen des orbitofrontalen Kortex und dem ventralem Striatum ist sie auch Teil eines Systems, das den Blick auf mögliche Belohnungen richtet

      2. Und dann mit dem dorsalen Striatum ein geeignetes, auf Belohnung orientiertes Verhalten anregt.

Entsprechend wirkt die Amygdala direkt auf den Nucleus accumbens im ventralen Striatum. Es wird angenommen, dass das ventrale Striatum die Region ist, wo affektive Prozesse des limbischen Stirnhirns zu einer Handlung führen. Dies passiert in den subkortikalen Bereichen des motorischen Systems (zum Beispiel im dorsalen Striatum), 

(Teil 1.2) genetische Ausrichtung und Temperamentsmerkmale

Die genetische Ausrichtung und damit unsere Temperamentsmerkmale regeln die Funktion der Netzwerke unserer Affektregulation. In den letzten Jahren ist das Wissen über den Einfluss von genetischen Polymorphismen (Genvarianten) auf Hirnfunktionen immer besser geworden.

Hier sind bis heute vor allem

      • die Genvarianten des Serotonintransportergens, der Monoaminooxidase A (MAO-A)
      • sowie der Catechol–O–methyltransferase (COMT) für die Affektregulation bekannt geworden

Durch Studien konnte gezeigt werden, dass Personen mit ein oder 2 S–Allelen (Also eine kürzere Sequenz) in der Promotorregion des Serotonintransportergens eine stärkere Amygdala-Reaktion auf aversive Gesichtsausdrücke zeigen als solche mit der langen L/L – Variante.

Gen: Die Erbanlage. Ein kleiner Abschnitt auf der DNA (z.B. Haarfarbe) Er dient als Bauplan.

Allel: Eine bestimmte Variante des Gens. (z.B. schwarze Haarfarbe). Abkürzung mit Buchstaben / Zahlen

Transkription: DNA besteht aus 2 Strängen. 1. Entwirren durch RNA-Polymerase / Entwirren der DNA. Daraus entsteht das Messenger mRNA Sie ist die Grundlage für die weitere Synthese

Auch die Kopplung innerhalb des präfronto-limbischen Netzwerks variiert mit der genetischen Ausstattung.

Personen mit der S/S – oder S/L – Variante haben eine geringere Kopplung zwischen rostralem ACC (du erinnerst dich: anteriore cinguläre Kortex (ACC) ) und Amygdala und damit auf der Ebene der ersten primäre regulierenden Prozesse der Emotionen – also unserer Gefühlsreflexe.

Während umgekehrt die Kopplung zwischen Amygdala und höher gelegenen medialen präfrontalen Arealen zunimmt.

Was bedeutet das auf Deutsch? Wenn die Amygdala unser sogenanntes „Angstzentrum“ ist, dann bewirken S/S und S/L Varianten des Serotonintransportergens eine geringere Angstreaktion.

Auch die X–chromosome genetische Variante des Monoaminooxidase-A-Gens zeigt eine Beziehung zu Aktivierungsmustern, die wichtig für die Affektregulation sind.

So erkannte man bei Trägern des Low(L)-Allels im Vergleich zu Trägern des High(H)-Allels

      • eine höhere Aktivität der Amygdala
      • und eine geringere in den cingulären und orbitofrontalen Arealen,

Was ist der Unterschied? Auch sie zeigen geringere Reaktionen des limbischen Systems – zu dem ja auch die Amygdala gehört – bei all den Menschen die eine L –Variante des Gens in sich tragen.

Solche Ergebnisse helfen uns zu begreifen,

      • warum Menschen mit einer MAOA-L-Variante viel weniger dazu in der Lage sind, ihre eigenen Emotionen zu regulieren
      • und zwischenmenschlich deutlich überempfindlicher als Andere reagieren.

Diese Menschen haben oft auch eine stärkere dorsale ACC – Aktivität (Anterior cingulate cortex). Hier werden die automatischen Prozesse wie z.B. Blutdruck und Herzfrequenz reguliert.

Ein erhöhter Blutdruck und eine höhere Herzfrequenz sehen wir oft in einer Kombination mit einem höheren Risiko für Impulsivität und Aggressivität.

Und Schwupps… sind wir wieder bei den 9 Kriterien für Borderline und wir denken unter anderem an das typische selbstverletzende Verhalten des Borderliners 

(Teil 1.3) Das Wechselspiel zwischen unseren Genen und der Umwelt

(1.3) Von ganz besonderer Bedeutung ist die Beobachtung von Gen – Umwelt – Interaktionen. Funktionelle Auswirkungen der genetischen Varianten hängen von der Aufzucht beziehungsweise frühen Beziehungserfahrungen ab.

So konnte in Versuchen an Rhesusaffen gezeigt werden, dass sich die Liquorkonzentration an 5– Hydroxyindolessigsäure (5-HIES)

(Liquor ist die Körperflüssigkeit welche das Gehirn und das Rückenmark umgibt)

– 5– Hydroxyindolessigsäure C10H9NO3 ist ein Stoffwechselprodukt von Serotonin und dient zur Bestimmung des Serotoninspiegels.

nur dann zwischen den unterschiedlichen Allel-Typen des Serotonintransporter spürbar veränderte, wenn die neugeborenen Affen nicht von der Mutter, sondern von den Gleichaltrigen (also unter sehr widrigen / unnatürlichen Bedingungen) versorgt worden waren.

Wahrscheinlich versagt bei diesen Tieren dann – aufgrund dieser negativen Umweltbedingungen – der präfrontale Kortex in seiner Aufgabe, die Amygdala-Aktivität richtig zu regulieren.

Beim Menschen konnte gezeigt werden, dass männliche MAOA–L– Träger eine erhöhte Verletzbarkeit zeigen,

      • auf aggressive Kindheitserfahrungen
      • selber dann mit einer aggressiven Entwicklung bis hin zu einer Antisozialen Persönlichkeitsstörung zu reagieren.

(Teil 1.4) Die Prägung durch unser Temperament

Untersucht wurde auch der Einfluss temperamentsmäßiger Prägung auf die Feinfühligkeit in Bezug auf unsere Affekte. Die einen Kinder reagieren viel feinfühliger / sensibler und auch früher sowohl auf negative als auch positive Affekte als Andere. Und die einen können sich in schwierigen Situationen viel leichter beruhigen als andere Kinder.

Folgende Grunddimensionen der Persönlichkeit wie

      • Neurotizismus,
      • Inhibition,
      • Alexithymie
      • und Fähigkeit zum Belohnungsaufschub, … diese haben großen Einfluss auf die emotionale Ansprechbarkeit und die emotionale Kontrolle.

So wird berichtet, dass gehemmte Kinder im Vergleich zu ungehemmten Kindern noch im Erwachsenenalter eine deutlich stärkere beidseitige Amygdala-Aktivität bei der Konfrontation mit fremden, nicht aber vertrauten Gesichtern zeigten.

      • Weitere Studien deuten auf eine Wechsel-Beziehung zwischen
      • der Ausprägung von Ängstlichkeit und Schadensvermeidung
      • und erhöhter Aktivität der Inselregion

Denn die Inselregion ist – wie oben dargestellt – an dem Erkennen von Risiken und an der Vermeidung einmal bestrafter Verhaltensweisen beteiligt.

      • Eine kürzlich publizierte Studie verweist auf einen Zusammenhang
        • zwischen Ängstlichkeit und Neurotizismus sowie stärkere Amygdala Aktivität in einer Aufgabe zur Gesichtsverarbeitung.
        • Zusätzlich konnte gezeigt werden, dass Neurotizismus (d.h. Labilität, Schüchternheit, Gehemmtheit) negativ mit der Dicke des linken orbitofrontalen Kortex im Zusammenhang steht.

Andere Untersuchungen beschäftigen sich mit Funktionen im Gehirn bei den Wechselbeziehungen der Extravertiertheit (Extrovertiert, Lebhaft, dominierend ect….).

So berichteten Forscher über eine funktionelle Ungleichmäßigkeit der Amygdala in Abhängigkeit von den aufkommenden Gefühlen auf das was ich wahrnehme und der Stärke der dann folgenden extrovertierten Handlungen.

Zudem besteht eine negative Wechselbeziehung der Extrovertiertheit mit der Dicke des recht inferioren frontalen Kortex als einem hemmenden Areal.

Ein kleines Zwischenfazit

Untersuchungen zu hirnfunktionellen Wechselwirkungen zwischen Temperamentsmerkmalen – und übergeordneten Persönlichkeitsmerkmalen stehen noch ganz am Anfang.

Sie dürften aber zukünftig von immer größerer Wichtigkeit sein, da sie möglicherweise eher als kategoriale psychiatrische Diagnosen mit neurobiologischen Befunden in Zusammenhang stehen. 

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Trotz Trauma wieder zurück ins Leben https://werdewiederstark.de/trotz-trauma-wieder-zurueck-ins-leben/ https://werdewiederstark.de/trotz-trauma-wieder-zurueck-ins-leben/#respond Thu, 11 Mar 2021 09:33:31 +0000 https://werdewiederstark.de/?p=4105 „Trotz Trauma wieder zurück ins Leben“ weiterlesen

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Trotz Trauma wieder zurück ins Leben

(1) Was geschieht eigentlich bei einem Trauma? 
Zitat Professor Ruppert: „Trauma ist die Wahrheit die wir verleugnen“

Wenn wir in eine schwierige Situation kommen, hören wir immer von wohlmeinenden Freunden das Sprichwort: „Kopf hoch, das schaffst Du schon. Denn, was uns nicht umbringt, macht uns nur noch härter.“

Im Grunde genommen stimmt dies aber nur zur Hälfte: Klar wächst man innerlich und psychisch an herausfordernden Situationen – wie zum Beispiel im Moment an der Herausforderung durch Corona.

Viele dieser Situationen versetzen uns persönlich in große Angst und wenn wir diese Situation einmal bewältigt haben dann gehen wir hier stärker wieder heraus und freuen uns vielleicht schon auf die nächste Herausforderung.

In der Verhaltenstherapie nutzt man diesen Vorgang der Konfrontation auch gerne um dem Patienten zur Heilung zu verhelfen.

Aber hier erfolgt dies (die Konfrontation) mit wichtigen Unterschieden zu einem Trauma:

      • Zum einen erfolgt sie vorbereitet
      • Und zum anderen erfolgt sie professionell begleitet durch einen Therapeuten.

Und das ist schon ein richtig riesiger Unterschied, wenn die Konfrontation mit dem Angstauslösenden Reiz ganz bewusst / vorbereitet und nicht alleine erfolgt. Bei dieser geführten Auseinandersetzung kann der Klient auch jederzeit diesen Test abbrechen.

Und damit ist dies alles andere als ein Traum! Denn er ist niemals machtlos, sondern hält die ganze Zeit über die Fäden in der Hand.

Nehmen wir mal dieses Beispiel der Höhenangst – eine Phobie vor großer Höhe. Der Patient kann jederzeit selbst entscheiden, wie weit er diese Konfrontation zulässt. Ist der Angst-Level überschritten, dann kann er immer aufzustehen und sich der Situation entziehen.

Bei einem Trauma sieht die Sache aber ganz ganz anders aus.

Der Betroffene fühlt sich hier komplett machtlos – ohne Schutz. Er fühlt sich einfach nur der Situation ausgeliefert zu sein ohne auch die geringste Chance zu haben etwas zu verändern. Nicht das Ereignis ist das was traumatisiert, sondern das Bewusstsein der eigenen Handlungsunfähigkeit/der eigenen Ohnmacht.

Für das was jetzt folgt, empfehle ich Dir auch mein Video an: „Das Trauma – Was passiert im Gehirn?“

Klicke hier für das Video

(2) Trauma und Stress

Ein Trauma entsteht immer im Zusammenhang mit Stress. Der Stress ist es der diese Situation so nachhaltig belastend macht.

Wie alle wissen, dass übermäßiger Stress nicht gut ist für unseren Körper. Im Falle eines Traumas aber ist Stress eine derart extreme Belastung, dass hierdurch deutliche „Stressspuren im Gehirn“ hinterlassen werden.

In ganz akuten Stresssituationen ist das verarbeitende System in unserem Kopf praktisch überlastet und kann dadurch komplett lahmgelegt werden. 

Mir kommt da der Vergleich mit der Schallplatte in den Kopf. Schon ein kleiner Kratzer reicht aus, dass die kleine Tonnadel immer wieder an einem bestimmten Punkt hängen bleibt und die gleiche Sequenz immer und immer wieder abspielt.

2.1 was passiert im Gehirn bei einem Trauma?

 

Unser wunderbares Gehirn verarbeitet permanent Informationen Sein Energieverbrauch liegt bei 20 Watt Seine Rechenleistung sind ca. 1013 analoge Rechenoperationen pro Sekunde. Der Supercomputer BlueGene/L von IBM schafft derzeit 3,6 * 1014 Gleitkommaoperationen pro Sekunde mit doppelter Genauigkeit – benötigt hierfür aber 1,2 Megawatt.

Trotz seiner gewaltigen Möglichkeiten wird unser Gehirn durch eine extreme Stressreaktion in seiner Verarbeitung unterbrochen.  Informationen können dann nicht mehr an den Hippocampus weitergegeben werden. 

Der Hippocampus ist die Struktur im Gehirn wo unsere Entscheidungen kognitiv getroffen werden und die Erfahrungen verarbeitet werden – es ist die zentrale Schaltstelle des limbischen Systems.

Indem der Hippocampus durch Stress nun ausgeschaltet wird, wird die Übertragung von wichtigen Informationen an den Präfrontalen Cortex und damit an das Langzeitgedächtnis unterbrochen. Das wäre aber wichtig um die Erfahrung kognitiv zu verarbeiten!

Eine Störung im Hippocampus bedeutet also dass es uns praktisch nicht mehr möglich ist uns eine traumatische Erfahrung zu merken und an ihr zu lernen – und damit ist der Satz: „Was uns nicht umbringt macht uns stärker“ hinfällig. Ohne Lernen, keine Stärke!

Der Hippocampus ist jedoch nicht der einzige Mitspieler in einer Stresssituation. Wenn wir uns das Gehirn einmal in Ruhe anschauen dann liegt ganz in der Nähe des Hippocampus – auch im limbischen System – die Amygdala, der Mandelkern des Gehirns / der Sitz unserer Emotionen.

Die Amygdala wird auch als Sitz unserer Angst bezeichnet, denn hier werden all unsere Sinneseindrücke darauf übergeprüft ob wir lieber kämpfen, fliehen oder einfrieren sollten. Die Amygdala ist für die Emotionen zuständig und hier vor allem für die Aggressionen.

In ihrem Bereich werden die Gefühle abgespeichert welche mit einer ganz bestimmten Erfahrung in Verbindung stehen – egal ob diese nun negativ oder positiv sind.

2.2 Lücken im Gedächtnis, das große Problem

Alles was mit einem Trauma verbunden ist

      • wie zum Beispiel der Körperzustand,
      • die Sinneseindrücke und
      • die Gefühle

werden in der Amygdala gespeichert.

Wie die Scherben eines zersplitterten Spiegels zerfallen sie in viele Teile und können darum nicht als Ganzes wahrgenommen werden. Das Problem folgt auf dem Fuße: Weil dem so ist können diese Erinnerungs-Scherben in Zukunft nicht als Erfahrung genutzt werden. Fürs Lernen wären sie aber dringend notwendig!

Weil sie nun nicht richtig eingeordnet werden können, werden viele der zersplitterten Erinnerung dann als gefährliche Erfahrungen bei uns abgespeichert.

Du siehst, genau hier entsteht das Trauma mit all seinen nicht nachvollziehbaren Ängsten.

Es geht aber noch einen Schritt weiter. Diese Scherben der Erinnerung“ beginnen nun ein Eigenleben zu führen und können auf allen Sinneskanälen

      • als innere Bilder einer traumatischen Erfahrung auftreten
      • und die aktuelle Realität/das was ich wirklich gerade erlebe förmlich überlappen und ausblenden.

In solchen Situationen werden dann wichtige Gehirnfunktionen weiter unterdrückt und auf einmal funktioniert zum Beispiel das Sprachzentrum nicht mehr. Funktioniert das Sprachzentrum nicht mehr, gibt es auch keine Worte die ausdrücken können was man erlebt. Man fühlt sich gefangen, wie in einem Horrorfilm.

2.3 Trauma und die Folgen für unsere Gesundheit

Das was ich gerade geschrieben habe, also die zersplitterten Erinnerungen und das immer wieder Hochkommen von Bildern und Gefühlen ist eine gigantische Belastung für einen traumatisierten Menschen.

Wie reagiert der Körper darauf? Die Symptome sind zum Beispiel:

      • Schlafstörungen
      • Alpträume
      • Keine Verbundenheit mehr zu den eigenen Gefühlen / also die Unfähigkeit zu lieben oder auch nur Trauer zu zeigen.
      • Starke Reizbarkeit und
      • große Angst

Menschen mit einem schweren Trauma haben oft den Wunsch dieses Ereignis doch wieder hervorzurufen. Gleichzeitig wollen sie aber auch vor diesem Ereignis wegfliehen. All diese Reaktionen zeigen immer wieder diesen verzweifelten Versuch des Betroffenen, auf irgendeine Weise doch noch das Trauma verarbeiten zu können.

Man versucht so sich irgendwie vor diesen überwältigenden Gefühlen zu schützen um einfach nur weiterleben zu können.

Für einen Außenstehenden – der jetzt kognitiv mit seinem präfrontalen Cortex diese Situation durchdenkt – hört sich dies etwas widersinnig an. Dieses Verhalten ist jedoch nichts anderes als die Notfallmaßnahme unseres Verstandes – und deshalb treten diese auch so häufig auf.

(3) Die Bearbeitung des Traumas – Mediation mit sich selbst

Was hat Mediation mit einem Trauma zu tun? Mediation wird angewendet, wenn ich mich in einem Konflikt befinde.

Und tatsächlich, können wir viele Aspekte eines Konflikts mit seinen Aggressionen und seinen aufgestauten Energien im Bereich eines Traumas erkennen.

Jetzt ist ein Trauma aber kein Konflikt mit einer anderen Person, sondern mit den eigenen inneren Erlebnissen und Erinnerungen. Und genau diese Blockade muss jetzt aufgelöst werden.

Einen sehr interessanten Ansatz hat Doktor Peter Levine mit seiner Methode der somatischen Erfahrung entwickelt.

Soma ist der Körper. Wir unterscheiden nach der platonischen Vorstellung der Seele zwischen drei Dimensionen:

      • Noos (die kognitiven Fähigkeiten)
      • Thymos (die Emotionen / Gefühle) und
      • Soma (unser Körper)

Mit seiner den Körper betreffenden Methode hat Doktor Levine klare Verbesserungen bei Trauma-Patienten erzielt.

Der Grundgedanke hinter seinem Konzept ist, das Trauma dadurch zu heilen indem wir die blockierte Energie auf kontrollierte Weise physisch/also körperlich wieder freisetzen.

Wie das geht und wie wir die oft noch nicht einmal bewusst erlebten Trauma von unserer unbewussten Ebene lösen können das möchte ich jetzt im weiteren Verlauf einmal besprechen.

(3.1) Lähmung des Körpers – eine Traumareaktion

In Stresssituationen gibt es drei Reaktionsmöglichkeiten die in unserem limbischen System ein programmiert sind.

    • Kämpfen
    • Fliehen oder
    • Einfrieren

Wenn wir also bei einer traumatischen Stresserfahrung nicht mehr Herr der Lage sind, wir können weder kämpfen noch fliehen dann frieren wir buchstäblich ein. Und dieses Einfrieren können wir uns dann fast schon buchstäblich als solches vorstellen: Es wird etwas eingefroren/konserviert – also dauerhaft bereitgestellt.

      • Du hältst den Atem an
      • Dein ganzer Körper wird steif
      • während sich dein Zwerchfell zusammen zieht.
      • Die gesamte Fluchtenergie bleibt in unserem Körper eingefroren und kann sich später als PTBS verfestigen. Das zerstört klar jegliche Lebensqualität.

Ich denke, du spürst jetzt die Wichtigkeit, sich dieses Einfrierens bewusst zu werden um es dann auch zu lösen.

Kurz zusammengefasst: Doktor Levine glaubt nicht so dolle an ein psychotherapeutisches Gespräch. Ganz besonders distanziert er sich davor, dass die Situation und die Empfindungen nochmal durchlebt werden muss – wie man dies bei einer Phobie-Therapie durchführt. Das könnte dann sogar wie ein Bumerangeffekt nach hinten losgehen.

Er ist der Meinung, dass das Trauma nicht im Kopf–Gedächtnis, sondern in unserem Nervensystem eingefroren ist.

Was wäre dann die Lösung? Wie kann das Trauma aus dem „Nervengedächtnis“ gelöst werden?

Du musst mit dem Körper arbeiten und eine körperliche Bewegung/Reaktion durchführen die ähnlich wie eine Flucht vor einer Gefahr auf unser Nervensystem wirkt. Das ist die zentrale Lösung und das Trauma aufzulösen und anschließend halbwegs normal wieder weiter zu leben.

Wie kommt Doktor Levine auf diese These?

Nun, er hat die Tierwelt beobachtet und erkannt dass lebende Tiere praktisch nur sehr selten traumatisiert werden obwohl sie im Gegensatz zu uns sehr häufig in lebensbedrohliche Situationen kommen. Sie müssen also eine eigene sehr effektive Art besitzen solch einen lebensbedrohenden Stress abzubauen. Und das schauen wir uns jetzt einmal an

3.2 Wie schützen sich Tiere vor Stress? Und was können wir daraus lernen?

Tatsächlich haben Tiere in Stress und Gefahrensituationen ganz bestimmte Abwehrmechanismen mit denen sie reagieren. 

Interessant ist zum Beispiel den Eisbären zu beobachten: Seine Reaktionen sind zuerst kaum merkbar aber werden langsam immer intensiver bis er beginnt seine Gliedmassen zu schütteln und er sehr tief ein und ausatmen. Dieses Körperschütteln simuliert (!) ein Weglaufen / eine Flucht. Also ein körperliches Entkommen aus der Gefahr. Er schüttelt die nicht ausagierte/ die nicht zur Flucht genutzte oder blockierte Energie ab und ist dadurch praktisch vom Trauma und Stress dieser Situation gelöst.

Das ist eine sehr wichtige Erkenntnis! Doktor Levine hat erkannt, dass man auf eine sehr ähnliche Art und Weise traumatisierten Menschen helfen kann, indem man eine körperliche Reaktion hervorruft mit der sie ihre damals gescheiterte Flucht vor der Gefahr im Hier und Jetzt vollenden können.

Unsere heutige Lebensweise hat uns von unseren Ur-Instinkten sehr weit weg geführt. Wir haben buchstäblich nicht mehr gelernt mit und in unserem Körper zu leben. Darum tun wir vieles nicht mehr aus dem Instinkt heraus.

Das hört sich nun sehr simpel an – aber Vorsicht:

Bei einem traumatisierten Menschen liegt eine gigantische Menge blockierte Energie vor. Darum sollte man sich ihr nur langsam und allmählich auf kontrollierte Arten Weise nähern.

Damit ist eine kontrollierte Kontraktion und Expansion des Körpers, Schmerz und Komfort Gefühle, Hitze und Kälte und so weiter gemeint um die Energie nur ganz langsam, dafür aber kontrolliert sicher wieder freizusetzen.

4. Trauma-Übungen nach Doktor Levine

Jeder der in einer PTBS – also einer posttraumatischen Belastungstörung – lebt und leidet kann diese schreckliche Angst und Panik, diese starke Reizbarkeit, diese Körperblockaden und das geistige Chaos immer wieder empfinden. Damit ist seine gesamte Aufmerksamkeit immer wieder blockiert.

In dieser Situation spürst du deinen Körper einfach nicht mehr. Du erkennst keine körperlichen Grenzen mehr. Und genau das gibt dir jetzt das Gefühl jegliche Sicherheit verloren zu haben. Der Körper, der dir früher deine Leitplanken gegeben hat ist jetzt praktisch nicht mehr da. Du hängst in einer geistigen Luftleere“.

Befassen wir uns mal mit einer Art „Notfallkoffer“ für Körper und Geist. Du brauchst nichts anderes als deinen Körper um dich von der PTBS – Blockade zu lösen.

Nochmals: das Ziel mit diesen folgenden 5 Übungen ist es, zum eigenen Körper wieder „zurückzukehren“ und sich seiner körperlichen Leitplanken/seiner Grenzen bewusst zu werden.

(4.1) Umarme dich

Umarme dich als wäre vor dir eine andere Person. Lege eine Hand unter die gegenüberliegende Achselhöhle und die andere Handfläche über den gegenüberliegenden Arm und verschränke sie so als würdest du jemand anderes umarmen.

Lenke jetzt deine Aufmerksamkeit auf deinen Körper und spüre  wie dein Körper dein Gefühl langsam aber sicher unterstützt. Beachte deine Atmung und erkenne nun die Veränderungen in deinem Körper.

Bleibe nicht nur ein paar Sekunden, sondern deutlich länger in dieser Position um deinen eigenen Körper und die Sicherheit die er dir jetzt gibt langsam aber sicher immer stärker zu spüren.

(4.2) Handflächen auflegen

Leg deine Handflächen auf Kopf, Brust und Bauch. Spüre jetzt deine Empfindungen die sich in deinem Körper befinden. Mach diese Übung zum Beispiel mit offenen und dann auch mit geschlossenen Augen.

Du kannst dabei stehen, sitzen oder auch dich hinlegen. Wichtig ist, du musst hierbei beginnen dich zu spüren.

(4.3) Der erste Schritt: Kopf und Herz

 

Leg dir eine Hand auf deine Stirn und die andere auf dein Herz. Lass dir Zeit! Das Ziel ist es deinen Körper wieder zu spüren, ihn zu empfinden. Registriere die Dinge die sich in deinem Körper jetzt beginnen, langsam zu verändern.

Vielleicht magst du dich zuerst auf die Hand auf deinem Kopf konzentrieren und dann erst auf die Hand von deinem Herzen.

Bleib so lange wie möglich in dieser Position bist du wirklich eine Veränderung in dir spürst. 

Gib dir so viel Zeit wie möglich und bleib dabei geduldig. Ich garantiere dir, du wirst spüren dass dein Körper lebt, für dich da ist und du hast dadurch die Chance dich durch deine Geist wieder mit deinem Körper zu verbinden.

(4.4) Der zweite Schritt: Herz und Bauch.

Nimm nun die Hand vom Herzen weg und lege sie auf deinen Bauch. Die andere Hand bleibt auf deinem Kopf. Spüre jetzt die Berührung auf deinem Körper, die Hitze oder Kälte, und spüre vor allem deine Atmung. Nutze die Chance dich auf deine gleichmäßige Atmung zu konzentrieren.

Achte auf vielleicht hochkommende Gefühle. Bleib in dieser Position mit deinen Handflächen auf Kopf und Bauch solange du möchtest und mindestens so lange bist du merkst, dass sich etwas verändert hat.

(5) Massiere dich

Menschen, die unter starkem Stress stehen oder eine PTBS erleiden bekommen von Doktor Levine die klare Empfehlung sich selbst zu massieren.

Warum Streicheln (auch Selbststreicheln) funktioniert, kannst Du in meinem Video „Das Anti-Stress-Gen. Warum Babys schreien“ sehen.

Du kommst über diesen Link zu meinem Video: Hier geht es zu dem Video

Was bringen dir diese Übungen?

Durch diese wirklich sehr einfachen Übungen – vielleicht wirken sie sogar zu einfach auf dich – hast du die Möglichkeit zu spüren wie sich deine Atmung immer weiter verlangsamt und tiefer wird.

Du spürst wie sich deine Muskeln wieder entspannen und durch dieses Spüren und die Rückkopplung beruhigt sich automatisch auch dein Geist!

Vorher warst du entkoppelt und konntest die Anzeichen deines Körpers nicht registrieren. Aber dein Körper spricht permanent zu dir! Wenn du jedoch seine Zeichen nicht hörst/liest“ dann hast du auch keine Möglichkeit dich von diesen Zeichen herunterregulieren zu lassen.

Hab bitte Geduld hierbei mit dir selbst. Wiederhole diese Übungen immer wieder und zwar so lange bist du wirklich eine Veränderung spürst!

Wiederhole diese Übungen täglich! Wenn du das tust wirst du sehr schnell merken, wie immer mehr tiefere und subtilere Verletzungen auf einmal hochkommen weil du dich immer stärker und immer besser mit deinem Körper verbindest. Ein, zwei oder dreimal das durchzuführen reicht nicht! Du musst dich eine gewisse Zeit lang immer wieder täglich mit diesen Übungen auseinandersetzen.

Wenn du es tust, wirst du nach wenigen Wochen merken

      • dass sie dir beim Einschlafen helfen,
      • du dich tatsächlich beschützter fühlst
      • und mehr Vertrauen in deine eigene innere Stärke entwickelt hast.

Neben der somatischen Körpererfahrung gibt es noch weitere Möglichkeiten gegen eine PTBS/ein Trauma erfolgreich anzugehen.

      • Durch die Schreibtherapie
      • Durch die erlernte Achtsamkeit
      • Durch Erdung
      • Durch die positive Psychologie (siehe z.B. Martin Seligmann)
      • Durch Therapeutische Hilfe von Dritten wie zum Beispiel
        • die EMDR,
        • die kognitive Gesprächstherapie,
        • Gruppentherapie,
        • Expositionstherapie.

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Borderline und Narzissmus Teil 2 – Die ungleichen Zwillinge https://werdewiederstark.de/borderline-und-narzissmus-teil-2-die-ungleichen-zwillinge/ https://werdewiederstark.de/borderline-und-narzissmus-teil-2-die-ungleichen-zwillinge/#respond Sat, 06 Mar 2021 06:50:56 +0000 https://werdewiederstark.de/?p=4061 „Borderline und Narzissmus Teil 2 – Die ungleichen Zwillinge“ weiterlesen

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Warum entwickelt sich einer zum Borderliner und ein anderer zum Narzissten?

Die Entwicklung zu einem Borderliner ist gewöhnlich von sehr starken traumatischen Ereignissen in der ersten Kindheit gekennzeichnet.

Wir sprechen hier über Ereignisse wie zum Beispiel:

      • Den Tod eines Elternteils
      • Von Gewalt innerhalb der Familie
      • Körperlicher Misshandlung
      • Sexuellem Missbrauch
      • Und nicht zuletzt: emotionaler Verwahrlosung

Viele dieser heute mit Borderline diagnostizierten Menschen sind in ihrer Kindheit unbeachtet geblieben, wurden ignoriert, psychisch vernachlässigt und auch sehr sehr häufig von ihren Eltern brutal behandelt.

Andererseits berichten mit Narzissmus diagnostizierte Patienten ebenfalls – so wie ein Borderliner – dass sie als Kinder von ihren Eltern oft ohne Einfühlungsvermögen, kalt und sogar boshaft behandelt wurden – jedoch mit einem wichtigen Unterschied: dies geschah immer auf eine ganz „besondere Weise“.

Das kann daran liegen, dass viele narzisstische Personen von Anfang an über eine besondere / eine herausragende Eigenschaft verfügten welche die Bewunderung bei ihren ansonsten sehr gefühlskalten frühen Bezugspersonen erregten.

Das könnten Eigenschaften sein wie:

      • eine überragende Intelligenz
      • Ein Talent für Musik oder Kunst
      • Oder einfach nur ein besonders schönes körperliches Aussehen.

Das bedeutet jedoch nichts anderes, als das sie von ihren Eltern die ein Aushängeschild betrachtet und ansonsten nur sehr distanziert behandelt wurden.

Teil (1) Die unterschiedliche Entwicklung

Die psychischen Folgen dieser frühen und frustrierenden Erfahrungen ist ein tiefer schwere psychischer Schmerz. Aus diesem Schmerz heraus entwickelte sich dann Hass und Neid auf die Umgebung – von der aber gleichzeitig Liebe und Unterstützung benötigt wurde. Du spürst hier förmlich den Widerspruch – der zu den vielen Problemen im späteren Leben eines Borderliners führen wird.

Bei der Borderline – Persönlichkeitsstörung ist die Traumatisierung jedoch viel schwerer so dass der Aufbau von einer konstanten Objektbeziehung schwer gestört wurde. Dies beeinflusst die Ödipale Erfahrung (die Entwicklung vom dritten bis sechsten Lebensjahr) so nachteilig, dass die zuvor erlebte Spaltung in Gut und Böse – die für die Abwehr der ödipalen Phase typischen Aufteilungen – verstärkt wird.

    • zum Beispiel in die Spaltung der elterlichen Vorstellung in sexualisierte und nicht sexualisierte Objekte (Bezugspersonen)
    • Oder die Aufspaltung von Homosexuellen und heterosexuellen erotischen Wünschen.

Gerade das ist jetzt total interessant: Eine häufige Folge davon ist nämlich eine Verschmelzung von beiden Bestrebungen:

      • Die Verschmelzung von Präödipalen und Ödipalen Bestrebungen
      • unter dem Vorherrschen präödipaler Aggression.

Was sich hier so kompliziert anhört hat im Ergebnis später gravierende Folgen:

      • einen unstillbaren hungrigen sexuellen Wunsch nach Promiskuität zufolge
      • Eine Neigung zu sexuellen Perversionen
      • Oder eine Dauer-Aggression gegenüber der gesamten Umwelt, weil eine dauerhafte erotische Beziehung nicht erreicht werden kann.

Die Entwicklung der narzisstischen Persönlichkeit Die Entwicklung der narzisstischen Persönlichkeit nimmt einen etwas anderen Verlauf als die des Borderliners. Dadurch, dass das Kind teilweise durch die Eltern idealisiert wird Eltern, bildet sich auch (!) eine Abwehr aus.

Die Abwehrmechanismen eines Narzissten sind:

      • eine Überbetonung der eigenen Talente
      • und eine Leugnung der wertlosen Abhängigkeiten. Wir nennen es die „wertlose“ Selbst-Repräsentanz die voller Neid, Hunger und Wut ist.

Dadurch kommt dann sein „grandioses Selbst“ zum Vorschein, dass sich seinen Daseinszweck / seine Daseinsberechtigung aus der Bewunderung der Umgebung zu sichern versucht.  Sehr häufig bietet diesen Kindern ihre Erfahrung in der frühen Kindheit zuerst einmal das Gefühl, dass sie ein Siegertyp sind. Daraus entwickelt sich bei Ihnen dann ein unrealistisches sexuelles Selbstbewusstsein – jedoch immer in Verbindung mit einer tiefen unbewussten Schuld.

Kommt dieser Mensch dann in das Erwachsenen–Alter, dann findet man bei ihm häufig

      • viel erotischen Charm
      • und eine starke Konzentration auf Sexualität,
        • in der der sich aber eine tiefe, schuldgeplagte Kastrationsangst / Impotenz-angst finden lässt.

Teil zwei: die psychostrukturelle Ebene

Auf der psychostrukturellen Ebene ist die Borderline–Persönlichkeit gekennzeichnet von einer sehr schweren Identitätskrise. Wir sehen hier häufig eine Tendenz zu stark sich widersprechenden Charaktereigenschaften,

      • fehlende Echtheit,
      • zeitweiligen Diskontinuitäten im Selbsterleben,
      • Unzufriedenheit mit dem eigenen Geschlecht,
      • übertrieben ethischer und moralischer Relativismus
      • Das Gefühl einer grausamen inneren Leere.

Schauen wir uns jetzt mal den Narzissten an. Im Vergleich zu dem Borderliner hat der Narzisst ein grandioses Selbst. Dieses grandiose Selbst/ich führt bei ihm

      • zu einem übersteigerten beruflichen Engagement,
      • oft aber auch begleitet von einer stark nagen denn Langeweile weil es sich hier nur um eine Pseudo Sublimierung handelt.

Sublimierung ist ja das Ersetzen einer schlechten Charaktereigenschaft durch eine bessere Eigenschaft. Das Ausleben im Beruf führt aber selten zu einer persönlich starken Befriedigung, sodass wir hier tatsächlich von einer Pseudo-Sublimierung sprechen können. Trotzdem hilft dieses Ausagieren im Beruf dem Narzissten aber, dass er weniger stark in eine regressive Zerstückelung seines Ich’s fällt. 

Der Borderliner andererseits hat nur ein sehr schlecht integriertes Selbst – und steht dadurch in der Gefahr unter Stress, Überlastung oder dem Einfluss psychoaktiver Substanzen (Drogen) psychotisch zu regredieren.

Dadurch findet sich eher bei den Borderline–Patienten (nicht jedoch beim Narzissten)

      • eine deutlich geringere Impulskontrolle,
      • eine geringere Toleranz gegenüber seiner Angst und
      • eine geringere Fähigkeit zur Sublimierung.

Teil drei: die Dynamiken

Interessant ist was wir jetzt im Zusammenhang der Dynamik vorfinden. Dies mag manche Beobachter vielleicht etwas Erstaunen, ist aber das Ergebnis der intensiven Borderline / Narzissmus-Forschungen.

Typischerweise sprechen wir beim Borderliner ja von einem Spaltungsmechanismus und einer Projektion. Diese Spaltung und die Projektion finden wir aber bei beiden (!) Charakter–Störungen.

Bei unserem Borderliner verfestigen sich diese Abwehrmechanismen jedoch viel intensiver da bei ihm die Menge an nicht neutralisierter Aggression höher und die ICH–Schwäche deutlich stärker ausgeprägt ist.

In seinem Inneren ist seine Welt aufgespalten in Verzerrungen des Bösen und des Guten und seine zwischenmenschlichen Erfahrungen mit anderen Menschen schwanken zwischen einer Idealisierung und einer Entwertung.

Beinahe süchtig suchen Sie immer wieder die Nähe zum idealisierten Anderen um sich dann – aufgrund der Angst vor Verschmelzung – sofort wieder auf sich selbst zurück zu ziehen, wodurch die Störung in der Fähigkeit eine optimale Distanz in den Beziehungen einzugehen deutlich wird.

Die Projektionen von Borderliner sind auch heftiger und gewalttätiger in den zwanghaften Versuch die Umgebung auf die sie ihre verleugneten selbst Repräsentanzen abladen zu kontrollieren. Der Borderliner hängt also für seine eigene Stabilität sehr stark von dem Anderen ab, egal wie chaotisch dies auch ablaufen mag.

Wie gesagt, auch die Narzissten verwenden die Spaltungs – und Projektionsmechanismen. Bei Ihnen vollzieht sich die Spaltung aber weniger feindselig und nicht so dramatisch und weniger aggressiv.

Obwohl sie ihre Erfahrungswelt unterteilen in Anerkannte und entwertete Andere, scheint Ihnen eine stabilere Aufteilung in ihrer Umgebung zu gelingen. Zwar können wir auch bei Ihnen Schwankungen finden die zu Kontaktabbrüchen führen. Jedoch verlaufen solche Umschwünge in der Regel langsamer und fallen so in dem sozialen Umfeld nicht so stark auf.

Ihre Spaltungsmechanismen in ihrer Krankheit offenbaren sich nur den Spezialisten, also den Therapeuten.

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Borderline und Narzissmus – die ungleichen Zwillinge https://werdewiederstark.de/borderline-und-narzissmus-die-ungleichen-zwillinge/ https://werdewiederstark.de/borderline-und-narzissmus-die-ungleichen-zwillinge/#respond Tue, 02 Mar 2021 16:08:22 +0000 https://werdewiederstark.de/?p=3995 „Borderline und Narzissmus – die ungleichen Zwillinge“ weiterlesen

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Borderline und Narzissmus – die ungleichen Zwillinge

Sowohl der narzisstische als auch der Borderliner leben ein Leben ohne Rast und voller Leid in einem chronischen Verfolgungskampf, in Hass, in Verzweiflung und einer inneren psychischen Isolation. Beiden Persönlichkeitsstörungen fehlt die Empathie/die Einfühlung in andere Menschen. Ihre Beziehungen sind voller selbstsüchtiger Bedürfnisse auf sich selbst ausgerichtet.

Beide sind extrem kränkbar, sind sehr leicht verletzbar, verbittert und haben oft Probleme mit den typischen psychischen Abwehrhilfen wie

      • Drogen
      • Alkohol
      • Und promiskuitiven Sex.

Das waren bislang die Gemeinsamkeiten…

Wenn du dir einmal die Tabelle mit der Gegenüberstellung der Kriterien aus dem DSM 5 einmal in Ruhe anschaust, dann wirst du erkennen, dass es neben den vielen Gemeinsamkeiten auch gravierende Unterschiede gibt!

Ich möchte mit dir in Ruhe einmal die mir am deutlichsten auffallenden (7) Unterschiede zusammenfassen.

      • die Motivation
      • Sich selbst genug sein
      • Sich seiner selbst bewusst sein
      • Die chronische offene Wut
      • Soziale Verbundenheit mit der Umgebung
      • Zwischenmenschliche Beziehungsmustern
      • Typische Denkmuster

(1) die Motivationskraft

 

Der Narzisst ist auf der Suche nach Ruhm, und Berühmtheit. Seine Kraft besteht in seiner tiefen Eigen–Motivation. Bei unserem Borderliner liegt die Motivation in seinem Verlangen nach Bindung und nach Abhängigkeit. Der Narzisst wird dem Ruhm zuliebe auf Liebe verzichten, der Borderliner zu Gunsten der Liebe auf den Ruhm

(2) Sich selbst genügen

Der einzelne Narzisst erweckt den Eindruck der Selbstgenügsamkeit. Nach außen hin fehlt ihm dieses tiefe Bedürfnis nach menschlicher Liebe und Anerkennung.

Der Borderliner ist im Gegensatz dazu auch im Außen stark abhängig und sucht hilflos / oft sehr verzweifelt nach einem menschlichen Kontakt wenn er sich alleine fühlt.

Demgegenüber widersteht der Narzisst irgendeiner zwischenmenschlichen Abhängigkeit – während der Borderliner oft mit Tränen im Außen auf diese Bedürftigkeit verweist.

(3) Sich seiner selbst bewusst sein

Das typische an einem Narzissten ist seine Grandiosität. Nach außen hin ist er grandios und selbstbewusst. Wir dürfen aber nicht verkennen, dass er sich im Inneren/im Verborgenen oft unsicher und voller Scham bewegt.

Der Borderliner fühlt sich gegenüber seiner Umwelt jedoch extrem minderwertig. Und das obwohl diese dauerhafte und hartnäckige Gewissheit seiner Selbsterniedrigung oft auf eine versteckte Einbildung und auch auf eine versteckte Grandiosität schließen lässt.

Da haben wir also wieder dieses Merkmal was eigentlich verbinden müsste und trotzdem im Außen die Beiden voneinander trennt: Die Grandiosität. 

(4) Die chronische und offene Wut

Die so typische Borderliner-Eigenschaft ist die chronische und offene Wut – diese Wut sowohl nach außen als auch gegen sich selbst die sich in den Selbstverletzungen und in einem schweren suizidalen Verhalten zeigt. Solch ein Verhalten ist einem Narzissten oft völlig fremd.

Und tatsächlich verhalten sich beide extrem unterschiedlich, wenn sie gereizt werden.

Der Narzisst fängt an in seiner Wut scharf und hart argumentieren. Gerade zu messerscharf wirft er dann mit seinen Argumenten um sich. Ein Borderliner hingegen reagiert unter den gleichen Bedingungen oft chaotisch, unlogisch und stark innerlich aufgeregt.

Kommt es bei dem Narzissten also eher zu einem kalkulierten und lang andauernden Hass, so neigt der Borderliner eher zu einem exklusiven Wutausbruch der aber auch ganz schnell wieder verflogen sein kann.

(5) Die soziale Integration in der Gesellschaft

Narzissten sind im Allgemeinen viel ortsbeständiger und beruflich besser eingebunden. Und dass trotzdem ihr sozialer Ruhm und Erfolg eigentlich nur durch ihren grandios nach außen gestellten Exhibitionismus entstanden ist – also substanzlos ist – mehr Schein als Sein….

Borderliner hingegen sind beruflich und sozial häufig weniger erfolgreich. Obwohl sie viele Talente haben gelingt es Ihnen nicht ihre Fähigkeiten ausdauernd zu entwickeln und zu verfeinern. Sie neigen darum zu einem häufigen Ortswechsel der nicht selten irgendwann in einer Klinik endet.

(6) Zwischenmenschliche Beziehungsmuster

Die zwischenmenschlichen Beziehungsmuster von Personen mit narzisstischer oder mit einer Borderline–Persönlichkeitsstörung unterscheiden sich massiv voneinander.

Ein typischer Narzisst idealisiert ein paar wenige Menschen, den großen Rest hingegen entwertet er.

Getrieben von seinem inneren Denken („ich bin ja grandios“) umgibt er sich in der Öffentlichkeit ausschließlich mit den Personen die er selber als grandios wahrnimmt. Auf der anderen Seite meidet er all diejenigen die von ihm entwertet werden.

In seinem Inner-Circle ist es wiederum ganz anders. In seinem privaten Bereich umgibt es sich deutlich stärker mit Menschen die von ihm als weniger fähig und talentiert erlebt werden um sein Gefühl der Einzigartigkeit zu stützen. 

Schauen uns wieder mal den Borderliner an. Er hat gerade zu einen Hunger und Durst und ein tiefes Bedürfnis nach sozialen Kontakten. Ständig versucht er sein Alleinsein zu verhindern.

Viel schneller als beim Narzissten entwickelt er eine Idealisierung und eine Entwertung. Diese kann die gleiche Person am selben Tag unterschiedlich treffen.

Die gleiche Person kann also morgens ein idealisierter Mensch sein und am Nachmittag der schlechteste Mensch der ganzen Welt.

Was können wir jetzt über die zwischenmenschlichen Beziehungsmuster sagen? Grundsätzlich sind die zwischenmenschlichen Bezüge des Narzissten stabiler jedoch sehr  eingeschränkt. Die des Borderliners hingegen sind immer und immer wieder ausufernd aber auf einem schwankenden Grund was sich am allerdeutlichsten in seinem Liebes– und in seinem Sexualleben zeigt.

Ein Narzisst kann zwar eine stabile Ehe führen die für ihn aber lediglich als eine soziale Fassade darstellt. Hinter seiner Unfähigkeit zu lieben hat er einen sehnsüchtigen Hunger nach Sex. Seine Untreue und Promiskuität versteckt er aber typischerweise außerhalb der Ehe.

Der Borderliner hingegen wandert offen von einem Sexualpartner zum nächsten ohne über die stabilisierenden Ich–Ressourcen für eine dauerhafte Ehe/Partnerschaft zu verfügen.

Ist ein Borderliner zu einer Eheschließung fähig gewesen, so verläuft diese Verbindung nach außen hin meist chaotisch. Innerlich zeigt sich aber auch das nahezu süchtige Verlangen nach dem frustrierenden Partner. 

(7) Typische Denkmuster

Es gibt ganz unterschiedliche Denkrichtungen zwischen Narzissmus und Borderline. Zwar gibt es die Gemeinsamkeit, dass beide Details vernachlässigen jedoch neigt der Narzisst dazu, seine Gespräche mit anderen mit einer oberflächlichen Kenntnis angeblich aufregender Banalitäten zu schmücken (selbst die Fahrt zur Arbeit wird zur Heldenreise). Er liebt die Sprache die ihm die Möglichkeit gibt mehr als nur Informationen zu übermitteln. Durch seine Sprache kann er nach außen hin ein höheres Bild von sich vermitteln als er eigentlich abgeben könnte – wie auf einer Theaterbühne.

Chronisch egozentrisch zeigt er Anderen gegenüber nur sehr wenig Aufmerksamkeit und vergisst sogar oft deren Namen. Eine Narzisst fürchtet sich außerdem auch davor, neue Fähigkeiten zu erlernen. Warum? Weil er Angst hat durch diese Lernsituation in einem unperfekte Zustand in Scham und Demütigung vor anderen zu stehen.

Neues Wissen und Lernen wird von ihm darum sehr schnell als unnötig und sinnlos abgetan. Altgierig oder neugierig? Der Narzisst gibt eine deutliche Antwort.

Ganz anders erscheint der Borderliner. Wie ein Staubsauger saugt er neue Information geradezu auf. Oft dient das Lernen aber nur einem Grund: um mit einer anderen Person in Kontakt zu bleiben.

Seine Denkweise ist dadurch gezeichnet, Dinge oft nur in schwarz oder weiß unterteilt wahrzunehmen woraus sich eine Tendenz zu spontanen und oft auch leichtsinnigen Entscheidungen ergibt. 

Eine kleine Zusammenfassung:

Beide Persönlichkeitsstörungen sind gekennzeichnet durch eine Rastlosigkeit und einem sich Verstricken in einen chronischen Verfolgungskampf. Sehr unterschiedlich ist jedoch ihre Annäherung an dieses Leben:

Und darum schenkt ihnen das Leben dann auch ganz unterschiedliche Erfahrungen.

Das alles ist auch nicht überraschend da die ersten Schritte in ihrem jeweiligen Leben schon sehr unterschiedlich verlaufen sind.

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